Des Hochländers Rache

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Autor: Wilhelm Schröder
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Titel: Des Hochländers Rache
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aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 582-584
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[582]

Des Hochländers Rache.

Nach einer schottischen Sage.
Ballade von Wilhelm Schröder.



Wer ist der Reiter auf bäumendem Roß,
Gefolgt vom lustigen Jägertroß?
Es ist Mac-Lean, der schottische Lord;
Sein Schloß lehnt an dem Felsen dort,
Sein sind die Felder, Wälder, Gau’n,
So weit vom Schloß die Augen schau’n!
So weit die Grenze Schottlands reicht,
Ist Keiner fast, der ihm noch gleicht
An Wundergaben des Geschicks:
Er ist ein Günstling ganz des Glücks.

Beim Frührothsschimmer aus zur Jagd
Zieht heut’ der Lord - es gilt mit Macht
Den Edelhirsch zu hetzen weit
Durch Aecker, Gärten, Moor und Haid’.
Ha! das ist eine Fürstenlust!
Wie klopft des Edelmannes Brust
Im Vorgefühle schon der Freud’,
Die nur ein solches Waidwerk beut.

Heut’ werden soll ein Jagdturnier
Wie auf der braunen Haide hier “.
Ein solches kaum noch ward geseh’n,
So lang’ des Hochlands Tannen weh’n;
Denn Lehnsleut’, Hunderte an Zahl,
Entbot Mac-Lean durch Hüfthorns Schall
Zum Jagdgefolge sich zu stell’n
Mit Treibern und mit Spießgesell’n.

Ein prächtiger Hauf’, wie er sich zieht
Den Schloßberg abwärts; dann durch Ried
Und Schilf und Sand, dem Meer entlang
Sich fortbewegt bei Hörnerklang!
Dem Lord auf des Vergnügens Bahn
Schließt heut' sich seine Gattin an;
Ein leichter Zelter, silbergrau,
Trägt neben ihm die schöne Frau.

Und daß sein Sproß’, sein einz’ger Sohn,
Schon früh an nobler Passion
Erfreu’ sich, muß der Säugling klein
Heut’ auch mit im Gefolge sein.
Ein starkes, sichres Maulthier trägt
Die Amme, die ihn sorgsam hegt
An ihrer Brust, wo wohl versteckt
Ihn Sammt und Hermelin bedeckt.

So trabt der Zug zur Meereskant’,
Wo schon bereit ein Jagdzelt stand,
Daß, wenn die Hatz nun sei zu End’,
Man Speisen und Getränke fänd’,
Auf daß, wenn’s gut geendet hat,
Mög’ Jeder jubeln seiner That
Bei Becherklang und gold’nem Wein
Bis in die späte Nacht hinein.

Und hier, von Uferfelsens Bord,
Soll schauen auch der junge Lord
Des wilden Jagens tolle Lust,
Früh zu gewöhnen seine Brust;
Soll klatschend schlagen in die Händ’,
Wenn nun der edle Hirsch verend’t;
Und ob dem schönen rothen Schein
Von Wildes Blut sich kreischend freu’n. –

Die Reh’ und Sau’n laßt man bei Seit’ –
Denn bess’re Beute giebt es heut’:
Des Edelhirsches Sturz allein
Soll dieses Tag’s Belohnung sein.
Bald sieht denn auch ihr Auge den ersehnten Gast,
Ein Zwanzigender wird gespürt, kommt hoch und ras’t,
Gefolgt vom Jagdtrupp im Galopp und mit Hurrah
Gen jenen Wald, Entflieh’n verhoffend - da -

Starrt ihm entgegen an der Lichtung Thor,
Als dicht der Jagdlärm schon schlägt an sein Ohr –
Vorn an des Engpaß’ Oeffnung noch ein Feind,
Der ihm die Flucht hier zu verrammeln meint!
Der Mann hier hieß Murdoch von Scalladale;
Kraftvoll von Leib war er und kühn von Seel’;
Als Sieger hatt’ ihn mancher Kampf geseh’n –
Dem Hirsche doch nicht konnt’ er widerstehen.

Als seiner Mannen Tapfersten hatt’ ihn erwählt
Der Lord, und an den Hauptpaß hingestellt,
Daß er den Hirsch, wollt’ der durchbrechen hier,
Zurückscheucht in das Jagdrevier!
Allein des Waldes Fürst, wohl wissend, daß es sei, –
Ließ er sich scheuchen hier - mit ihm vorbei,
Warf wilden Sprungs den Schotten auf den Grund –
Und drüber weg war er – frei und gesund.

Auf seinem Hengste stürmt Mac-Lean herbei.
„Wo blieb der Hirsch?“ - herrscht er mit Wuthgeschrei –
Und Murdoch: „„Herr! er hat mich umgerannt
Mit wildem Sprunge und entfloh in’s Land!““
„Du lügst - Du wich’st – und ließest ihn entflieh’n –
Du, – Feigling! Weib! andonnert ihn Mac-Lean.
„„Ich wich nicht – was geschah - ich bin nicht Schuld daran –
So wahr ein Schotte ich, und freier Hochlandsmann!““ -

„Auf, Knappen, faßt und bindet ihn,
Und dann zum Jagdgezelte hin!
Er soll erfahren, was ihm recht:
Daß ich der Herr und er der Knecht!“
Gefesselt ward des Schotten Hand,
Drauf schleppt man ihn zur Felsenwand,
Mac-Lean so drohend grimmig schaut,
Daß seiner Gattin selbst drob graut. –

„Zu Boden ihn, den Rücken bloß!
Der Schuld gleich sei die Sühne groß!
Peitscht diesen Dienstmann, bis er stöhnt,
Zur Strafe, daß er frei sich wähnt!“
Und wie der Schotte in den Staub nun fiel,
Entblößt sein Leib ward, grimmer Streiche Ziel:
Da bat sein Auge flehend um den Tod –
Umsonst! – Beschimpfung heischt Mac-Lean’s Gebot. –

Die Zücht’gung ist vollbracht, „Genug es sei!“
Spricht endlich kalt der Lord – „Macht ihm die Hände frei!
Und Du zum Handkuß komm heran –
Bedank’ für gnäd’ge Strafe Dich, Dienstmann!“ –
Allein Murdoch, beim ersten Peitschenschlag,
Der ihm vor Scham das Herz fast brach –
Macht sich’s mit stummem Schwur zur Pflicht,
Mit seinem Herrn zu gehen in’s Gericht,

In das Gericht, das selbst sich giebt,
Wer Freiheit mehr als Leben liebt,
Wer an der Väter Spruch hält fest:
Daß Schimpf sich nie mehr abthun läßt. –
Wohl hatt’ Murdoch daheim ein Weib,
Liebreichen Sinnes, schön von Leib,
Wohl hatt’ auch er ein Kindlein klein –
Das mußt’ nun All’ vergessen sein!! -

[583]

Denn als er langsam nun und still
Aufsteht, als ob zum Herrn er will –
Dem Tiger gleich springt da zur Wand
Des Zelt’s er, dran gelehnet stand
Die Amme mit dem Kind im Arm,
Es sicher wähnend jedem Harm –
Und eh’ es wehren kann der Lord,
Hält hoch er’s ob des Meeres Bord!

Der Edelmann, so hart und keck,
Wie bald wirft jetzt den Stolz er weg!
Mit seiner Gattin flehend hin
Sieht man vor dem Vasall ihn knie’n.
„Gieb, Murdoch, mir mein Kind zurück –
Sei frei zur Stund’! – Nie an Dein Glück
Mehr tasten will ich fortan je,
So wahr ich einst zu Gott eingeh’!“

„„Die Rach’ ist mein jetzt, und erfüllt
Will ich sie seh’n!““ – ruft Murdoch wild; –
„„Laß peitschen von der Diener Schaar
Du Lord, Dich, wie zur Stund’ ich’s war!““ –
Und als die Gattin weinend fleht,
Zerknirscht der Ritter in sich geht: –
Daß er sein Kind erretten mag –
Giebt sich der Vater preis der Schmach. –

[584]

Der stolze Lord sinkt in den Sand,
Entblößt den Leib mit eig’ner Hand,
Befiehlet selbst der Diener Schwarm,
Nach ihm zu heben ihren Arm,
Zu treffen ihn mit Streich auf Streich,
Bis daß sich Murdoch’s Sinn erweich’,
Bis daß sich seine Rache stillt,
und er der Fleh’nden Bitt’ erfüllt! –

Erst als das Blut hernieder floß
Vom Lord, und purpurn sich ergoß
In Ufers Kies, rief Murdoch: „Halt!“
Versteint fast schien er an Gestalt. –
Sein einst’ger Herr, nun Herr nicht mehr, –
Denn solche Straf’ entherrlicht sehr –
Demüthig flehend hebt den Blick –
Daß er nun geb’ das Kind zurück. -

Doch Murdoch spricht mit eis’gem Hohn:
„„Du wähnst – so kämest Du davon?
Erniedrigt bist Du jetzt gleich mir –
Der Leib zerpeitscht von Knechten Dir –
Magst Du’s, so lebe Du fortan! –
Ich mag es nicht – will sterben dran!

„„Doch daß dies Volk es nie vergißt,
Dies Volk, das eins der besten ist:
Daß ungestraft den wahren Mann
Kein Wüthrich je beschimpfen kann –
Daß – wer nur ist von Herzen frei –
Zu strafen selbst weiß Tyrannei –
Weih’ mit dem Kind dem Tod ich mich!““
Er spricht’s – stürzt in die Brandung sich. –

Ein Wahnsinns-, ein Verzweiflungsschrei
Aus Aelternmund - umsonst – vorbei
Ist Alles. Ruhig wogt das Meer,
Als ob hier nichts geschehen wär’. –
Des Vaters Herz in Reue brach;
Die Gattin folgte bald ihm nach.
So sank der Stamm Mac-Lean’s in’s Grab,
Das Schloß selbst rollt in’s Thal hinab.
Jedoch Erinnerung blieb, sie zeigt dem Wand’rer noch die Stelle –
Wo Rache nahm der freie Schott’; Murdoch von Scalladale! –