Des Menschen Lebens- und Gesundheitspumpe

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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Des Menschen Lebens- und Gesundheitspumpe
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 287-288
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Des Menschen Lebens- und Gesundheits-Pumpe.

Leben und Gesundheit kann nur dann bestehen, wenn innerhalb unseres Körpers die Ernährung in allen, auch in den kleinsten Theilen gehörig vor sich geht, d. h. wenn alle unsere Körperbestandtheile sich fortwährend erneuern, nachdem sie eine Zeit lang thätig waren und nun abgenutzt zu Grunde gingen. Dieses immerwährende Sichverjüngen und Absterben (Mausern) unserer Körperbestandtheile, was auch „Stoffwechsel“ genannt wird, kommt zunächst mit Hülfe des Blutes zu Stande, welches innerhalb der Adern alle Theile unseres Körpers durchströmt und denselben, während es in den sogenannten Haarröhrchen langsam durch die Gewebe hindurchfließt, ebensowohl immerfort neues Material zum Verjüngen derselben abgibt, wie auch die alten, abgestorbenen Gewebstheile (Mauserstoffe) in sich aufnimmt und hinwegführt. Hiernach ist eine Hauptbedingung zur Unterhaltung des Lebens und Gesundseins die, daß Blut alle Theile unseres Körpers recht ordentlich durchströmt (der Blutkreislauf). Natürlich muß das Blut nun aber alles Material, welches es zum Neubau unserer Organe zu liefern hat, auch wirklich besitzen. Dieses Material erhält es aber von der Außenwelt durch nahrhafte Speisen und Getränke, aus welchen mit Hülfe des Verdauungsprocesses das Nahrhafte (Speisesaft) gezogen und zur Aufnahme in das Blut geschickt gemacht wird. Gleichzeitig mit der Zufuhr neuen Baumaterials in das Blut werden aus diesem hier und da (durch die Haut, Leber, Nieren, Lungen) die Mauserstoffe ausgeworfen, so daß also auch das Blut selbst einer fortwährenden Verjüngung und Mauserung (Neubildung und Reinigung) unterliegt. Diese zum Leben und Gesundsein ganz unentbehrliche und fortwährende Umwandlung des Blutes kommt nun aber blos durch die Lebensluft (d. i. der Sauerstoff) der atmosphärischen Luft zu Stande, und diese wird mit Hülfe des Athmungsprocesses innerhalb der Lungen in das Blut geschafft, wo dieselbe außerdem auch noch zur Entwickelung der Lebenswärme dient.

Luft! Luft! Luft! und zwar reine gute Luft muß immerfort geathmet werden, möchte man nicht blos den Laien, sondern auch den Aerzten tagtäglich zurufen. Reine, freie und frische Luft ist das Hauptmittel nicht nur zur Erhaltung der Gesundheit, sondern auch zur Wiedergenesung von Krankheiten. Der Mangel an guter Luft in den Wohnungen, zumal in den Schlaf- und Krankenzimmern, in den Geschäfts- und Arbeitslocalen, der ist es, welcher so vieles Siechthum unter der jetzigen Menschheit erzeugt. Essen und Trinken ohne gute Luft nützt nichts, auch wenn es noch so nahrhaft wäre.

Was ist’s also, was Leben und Gesundheit (oder: die richtige Ernährung, den naturgemäßen Stoffwechsel) innerhalb unseres Körpers aufrecht hält? Es ist ein durch gute Nahrung und gute Luft, sowie durch gehörige Reinigung gut erhaltenes Blut, was ordentlich durch unsern Körper strömt. Und auf alles Dieses nun, ebenso auf die Blutbildung wie auf den Blutlauf, übt ein Apparat unseres Körpers durch seine Thätigkeit den allergrößten Einfluß aus; es ist dies noch dazu ein Apparat, der, obschon er Tag und Nacht ohne unsern Willen fortarbeitet, doch auch willkürlich von uns in seiner Arbeit unterstützt werden kann, der aber leider anstatt der Unterstützung meistens nur Hindernisse von unserer Seite findet. Es ist dieser Apparat: der Athmungsapparat (d. i. der Brustkasten mit seinen Muskeln, die Luftröhre und ihre Aeste, und die Lungen mit den Brustfellen; s. Gartenl. 1853. Nr. 16).

Der Brustkasten, welcher hinten von 12 Wirbeln, seitlich von den 24 Rippen und vorn vom Brustbein gebildet ist und in seiner Höhle (Brusthöhle), neben großen (Blut- und Lymph-)Gefäßen [288] und Nerven, das Herz (den Mittelpunkt des Blutkreislaufs) und die Lungen (die Hauptorgane des Athmungsprocesses) birgt, kann mittels kräftiger Muskeln fast in ähnlicher Weise wie ein Blasebalg bewegt werden, d. h. seine Höhle kann weit und eng gemacht werden. Diese Bewegung findet nun während des Lebens, denn sie ist ganz unentbehrlich zum Leben, immerwährend und nur mit kurzen Pausen ganz unwillkürlich statt. Allein wir können doch auch mit unserm Willen Einfluß darauf ausüben, weil die den Brustkasten bewegenden Muskeln durch Nerven mit unserm Willensorgane (dem Gehirn) im innigen Zusammenhange stehen. Es wird natürlich dieser Einfluß (die Erweiterung und Verengerung der Brusthöhle) um so größer sein können, je mehr wir durch Hebung und Gewöhnung die willkürlichen Athmungs-Nerven und Muskeln zu beherrschen gelernt haben. Nicht Jeder kann ohne Weiteres so kräftig und tief ein- und ausathmen, wie er möchte und sollte, er muß es ebenso erst lernen, wie man andere Muskelthätigkeiten (Springen, Tanzen u. s. w,) lernen muß.

Was geschieht denn nun bei den Bewegungen unseres Brustkastens? Werden die Rippen in die Höhe gehoben und nach außen gezogen, wobei sich gleichzeitig das Zwerchfell (d. i. der nach oben gewölbte fleischige Boden der Brusthöhle und die Scheidewand zwischen Brust- und Bauchhöhle) abflacht und abwärts steigt, so erweitert sich die Brusthöhle (d. i. das Einathmen), und hierbei findet ganz dasselbe statt, was beim Aufziehen eines Blasebalges oder einer Spritze geschieht. Es wird nämlich Alles, was sich vor dem offenen Eingange dieser Apparate befindet, wie Luft, Flüssigkeit und feste Körperchen hineingesogen. So saugt die Brusthöhle bei ihrer Erweiterung nicht blos die Luft nebst ihren Beimischungen (durch Mund, Nase, Kehlkopf, Luftröhre in die Lungen) ein, sondern auch noch das Blut der großen Adern (Hohladern), welche aus der oberen und unteren Körperhälfte in die Brusthöhle und in das Herz eintreten. Ja, es wird wahrscheinlich auch der Blutlauf vom rechten Herzen aus in die Lungen dadurch befördert. Sodann findet ferner noch eine Anziehung des im Milchbrustgange befindlichen Speisesaftes und der Lymphe statt, wodurch diese das Blut ernährenden Flüssigkeiten flotter in das Blut einströmen können. Man vergesse also nie, welchen wichtigen Einfluß auf unser Leben das Einathmen hat, zumal wenn es kräftig, gehörig tief und langsam (wie im Schlafe) geschieht. Es schafft Lebensluft in das Blut (verjüngt dadurch dasselbe), befördert das Einströmen des Blutes in die Brust und die Lungen, erleichtert den Eintritt des Nahrungsstoffes (des Speisesaftes und der Lymphe) in den Blutstrom und hindert so Stockungen und Anhäufungen dieser Flüssigkeiten (des Blutes und der Lymphe), zumal im Unterleibe; fördert also, wie die Neubildung, so auch die Reinigung des Blutes (besonders in der Leber und Milz).

Lassen sodann die Einathmungsmuskeln in ihrer Zusammenziehung nach, setzt man vielleicht auch noch die die Rippen und das Brustbein herabziehenden Muskeln in Täthigkeit, so wird die Brusthöhle verengert (d. i. das Ausathmen). Dabei drückt die Brustkastenwand zunächst auf die Lungen und schafft so einen Theil der alten Luft aus diesen heraus, welche durch die aus dem Blute stammende schädliche Kohlensäure verunreinigt ist. Gleichzeitig findet aber auch ein Druck auf die Blutgefäße statt, und es wird dadurch, weil an diesen Gefäßen Vorrichtungen (Klappen) angebracht sind, welche das Zurückfließen des Blutes in ihnen nicht gestatten, das Blut vorwärts geschoben, also der Blutlauf befördert. Sonach übt das Ausathmen ebenfalls einen bedeutenden Einfluß ebenso auf die Blutreinigung, wie auf die Circulation aus.

Hierbei ist nun aber noch gar nicht in Betracht gekommen, welche wichtige Wirkung die Athembewegungen des Brustkastens auf den Unterleib haben. Hier befördern sie nämlich, und zwar hauptsächlich durch die mit den Bauchmuskeln abwechselnden Zwerchfellsbewegungen, nicht nur die Fortschaffung des Magen- und Darminhaltes (des Speisebreies, der Excremente und Gase), sondern auch das Strömen des Speisesaftes, des Blutes und der Lymphe. Deshalb ist aber auch bei Unterleibsleiden (besonders bei Hämorrhoiden) das regelmäßige und kräftige Ein- und Ausathmen in reiner Luft weit mehr werth, als alle Arzneien, ja sogar mehr, als der bei Homöopathen und Allopathen so beliebte Schwefel.

Durch diese Thatsachen wird es nun wohl dem Leser klar geworden sein, daß die Bewegungen des Brustkastens beim Ein- und Ausathmen, welche auch mit dem Arbeiten einer Druck- und Saugpumpe verglichen werden können, für das Leben und die Gesundheit des Menschen ganz unerläßliche sind und daß man allen Grund hat, diese Bewegungen auch noch durch seinen Willen gehörig zu unterstützen, zumal bei sitzender Lebensweise und wenn Unordnungen im Leben und Strömen des Blutes, sowie in der Brust- und Bauchhöhle eingerissen sind. Daß man den Athmungsapparat in seiner Thätigkeit durch beengende Kleidungsstücke und falsche Körperhaltung (Krumm- und Schiefsitzen) nicht hemmen darf, versteht sich wohl von selbst. Auch kräftige man die Athmungsmuskeln sowohl durch zweckmäßige Turnübungen, wie durch öfteres, allmählich immer tiefer werdendes Einathmen und kräftiges Ausathmen.

Also fort mit dem Schwefelpulver, den Strahl’schen und Morrison’schen Pillen, dem Bullrich’schen Salze und Aepfelweine und hinaus in die Mailuft mit Euch, Ihr Obstructioner, Staatshämorrhoidarier, Sesselquetscher und Grillenfänger, und athmet täglich eine Zeit lang alle fünf oder zehn Minuten mehrere Male langsam recht tief ein und kräftig aus. Auch Sie, meine nervenschwachen und hysterischen Damen mit Ihren Thränen und Vapeurs, könnten öfters ohne Schnürleib langsam im schönen grünen Walde herumspazieren und dabei gehörig nach Luft schnappen, meinetwegen auch tief und herzlich seufzen. Kurz, Alles was Odem hat, athme auch ordentlich ein, sonst ist’s vor der Zeit mit dem Athmen aus.

Bock.