Deutsche und holländische Landeroberungen an der Nordsee

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Autor: Eugen Träger
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Titel: Deutsche und holländische Landeroberungen an der Nordsee
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 696–699
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Deutsche und holländische Landeroberungen an der Nordsee.

Von Dr. Eugen Träger. Mit Kartenskizzen vom Verfasser und Ansichten von Hans Bohrdt.

Die überaus merkwürdigen und geographisch so interessanten Küstenverhältnisse der Nordsee mit ihren Inseltrümmern und Watten haben nicht nachgelassen, die Aufmerksamkeit derer zu erregen, die sie aus eigener Anschauung kennenzulernen Gelegenheit hatten oder beim Eintritt von Katastrophen Kunde von ihnen erhielten. Den Römern waren sie nach den Aufzeichnungen des Plinius und Tacitus ein Ort des Schreckens, der in gleicher Weise ihr Grauen wie ihr Mitleid mit den armseligen Bewohnern erregte, den kirchlichen Schriftstellern des Mittelalters nach allem, was sie von Zeitgenossen gehört hatten, eine Gegend voller Naturwunder, den späteren friesischen Chronisten ein Schauplatz des Jammers und der strafenden Gerechtigkeit Gottes, der Gegenwart aber ein Feld wissenschaftlicher Forschung in historischer, geographischer und naturwissenschaftlicher Hinsicht.

Projektierte Abdämmung der Zuider-See.

Die Nordsee ist eines der sturmreichsten Meere der Erde, denn sie nimmt nicht allein Teil an den Luftströmungen nach und vom nördlichen Polarmeer, sondern seit der Zerstörung der alten Landverbindung zwischen Dover und Calais, die England zur Halbinsel machte, auch noch direkt an den meteorologischen Verhältnissen des nordatlantischen Oceans. Er ist die Bahn für die schweren Stürme, die infolge der bedeutenden Temperaturdifferenzen auf dem nordamerikanischen Kontinent entstehen und dann beeinflußt durch den Golfstrom ihren Weg mit furchtbarer Geschwindigkeit nach dem nördlichen Europa nehmen. Hatten sich während des Bestehens der britannisch-gallischen Landenge in der ruhigen Nordsee Dünen und in den ersten Zeiten nach ihrem Durchbruch noch Marschen hinter ihnen bilden können, so änderte sich das, als infolge der beständigen Wiederholung wütender Sturmfluten die Dünenkette in einzelne Glieder zerrissen und die Marsch hinter ihnen von Meeresarmen durchschnitten ward. Die steten Überschwemmungen wurden eine ernste Gefahr für die Küstenbewohner und ihren Landbesitz, so daß sie endlich daran gehen mußten, durch Deiche dem wilden Wasser entgegenzutreten.

Wann das geschehen sei, entzieht sich der sicheren Bestimmung; bei den Batavern an den Rheinmündungen fanden die Römer bereits Dämme vor, bei den Nordfriesen scheint erst lange nach der Einführung des Christentums gedeicht worden zu sein, bei den Ost- und Westfriesen an den Südufern der Nordsee schon vorher, doch blieben bei allen Stämmen die Deiche schwach genug, um die endlose Reihe von Unglücksfällen zu ermöglichen, von denen historische Quellen und Chronisten zu erzählen wissen. Zu den bekanntesten Ereignissen dieser Art gehören die Umwandlung des größten norddeutschen Binnensees in die heutige Zuidersee am Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, die zwischen 1277 und 1287 erfolgte Bildung des Dollart und, in demselben Jahrhundert, die Entstehung des Jadebusens, wobei weite Strecken reichen Kulturlandes vom Meere verschlungen wurden, und endlich 1634 die Zertrümmerung der großen Insel Nordstrand an der Küste Schleswigs. Ununterbrochen aber nahmen inzwischen die dem Festland vorgelagerten Düneninseln und Marschen ab, so sehr, daß heute an den Westgestaden Schleswig-Holsteins nur noch rund 500 qkm Landes einer Wasser- und Wattenfläche von 2500 qkm gegenüberstehen. Das Land besteht aus den größeren Inseln Nordstrand, Pellworm, Amrum, Föhr, Sylt, Röm etc. und einigen hohen Seesanden, die nur selten überflutet [697] werden, sowie aus den Wieseninseln oder Halligen Jordsand, Oland, Langeneß-Nordmarsch, Gröde, Habel, Hamburger Hallig, Hooge, Nordstrandisch Moor, Norderoog, Süderoog und Südfall, zu denen als neu entstanden Heimaand in der Meldorfer Bucht hinzukommt. Davon sind Jordsand, Norderoog und Helmsand unbewohnt, Hamburger Hallig, Süderoog und Südfall nur von einer Familie bewohnt, Hooge und Langeneß-Nordmarsch dagegen von größeren Gemeinden. Alle Halligen bestehen aus sehr fruchtbarem Marschboden und wurden zu der Zeit, als sie noch Bestandteile eingedeichter Marschlandschaften bildeten, mit Getreide bestellt; das läßt sich u. a. mit Sicherheit an der ehemaligen Landeinteilung erkennen, die sich auf einigen Wattenflächen mit auffallender Deutlichkeit erhalten hat. Seit dem Verlust ihres Zusammenhanges mit bedeichten Landschaften wird nur noch Viehzucht auf ihnen betrieben, weil sie bei ihrer sehr geringen Höhe über dem normalen Flutstande durch jeden heftigen Sturm überschwemmt werden. (Vergleiche die Abbildungen auf dieser Seite.)

Hallig bei geringer Überschwemmung.

Jnfolge dieses Umstandes gehören sie zu den merkwürdigsten Inseln der Erde, auf denen sich durchaus eigentümliche Wirtschaftsverhältnisse herausgebildet haben. Sämtliche Gebäude, Gärten und Trinkwasserbehälter liegen auf 4 1/2 bis 5 m hohen künstlichen Hügeln, den Werften (friesisch: Warfen oder Wurthen). Von hier wird für den Sommer und Herbst (11. Mai bis 10. November) das Vieh auf die Weiden gelassen, um nur bei drohender Gefahr auf die Werften getrieben zu werden, auf denen es sich auch von selbst zur Tränke einfindet, während es in den übrigen Monaten in den Stallungen bleibt. Die ganze, völlig ebene Flur ist mit Poagras bewachsen, welches nur auf solchen Ländereien gedeiht, die den Seeüberschwemmungen ausgesetzt sind, und welches anderen Grasarten weicht, sobald das Land dem Salzwasser durch Deiche entzogen wird. Der reiche Ertrag, den es alljährlich ohne andere Düngung als den Schlammabsatz des Ueberschwemmungswassers gewährt, dient zur Hälfte für die Weide, zur anderen Hälfte für das Winterheu, dessen Ernte in kluger Anpassung an die gegebenen Verhältnisse vom 24. Juni bis Mitte oder Ende August die gesamte Bevölkerung in eifriger Thätigkeit erhält. Vor Eintritt des Winters wird dann alles nicht zur Zucht bestimmte Vieh verkauft und für den Erlös das Haus mit den Lebensbedürfnissen versorgt, welche die Inseln selbst nicht hervorzubringen vermögen, also außer Fleisch, Eiern, Butter, Milch, Käse und Feuerung, mit allem übrigen. Als Brennmaterial dient der von den Weiden gesammelte und der in den Gruben aufbewahrte Dünger, entweder unmittelbar so, wie ihn die Natur hervorbringt, oder mit Heuabfällen zu einer Art Torf gemischt, der in viereckige Stücke gestochen und an der Luft getrocknet wird, die sogenannten Ditten.

Hallig bei Sturmflut.

Die gesamte Lage der Bewohner wäre nun an sich keineswegs bedauerlich, wie jeder glauben könnte, der die Halligen nicht aus hinreichender Anschauung kennt, wenn nicht jeder Sturm an den etwa meterhohen senkrechten Uferkanten (vgl. Abbildung S. 608) eine Brandung erzeugte, die das Land sozusagen wegfrißt. Dadurch nehmen die Inseln von Jahr zu Jahr an Umfang ab, mitunter sehr beträchtlich, wie z. B. in den Jahren 1894 und 1895 mit ihren ernstlich gefahrvollen Orkanen, und das hat dahin geführt, den Landbesitz zum Gemeingut aller zu machen. Jeder Stellenbesitzer hat dabei zwar seinen der Größe nach bestimmten Anspruch auf Mäh- und Weideland, aber nicht auf eine unveränderliche Lage seines [698] Besitzes, speziell des Mählandes (friesisch Medeland), denn sonst würden diejenigen zu rasch verarmen, deren Grund und Boden in der Nähe des Strandes läge. Der Besitz besteht deshalb nur in der Grasnutzung von so viel Areal, als nach dem Kaufbrief zu einer Hofstelle gehört, und dieses Areal wird sämtlichen Gemeindemitgliedern alljährlich an einer anderen Stelle genau nach der Höhe ihres verbrieften Anspruches zugewiesen. Das hat zu einer geradezu bewunderungswürdigen Aufrechnung der Halligfluren geführt, die dem Verstande und der Gerechtigkeitsliebe der Bewohner zur höchsten Ehre gereicht.

Die Umgebung der Halligen besteht bei Flutzeit oder Hochwasser aus dem Meer, das unmittelbar an die Uferkanten herantritt, bei Hohlebbe oder Niedrigwasser aus weiten Landgefilden, den Watten, dem übriggebliebenen Fundament, auf dem vor Jahrhunderten die viele Quadratmeilen umfassenden Marschflächen sich erhoben, deren Reste wir eben in den Halligen erblicken. Teilweise bedeckt die Watten weicher grauer Schlamm oder Schlick, der feine Satz, den die Flüsse in erstaunlicher Menge unausgesetzt weit in die Nordsee tragen, wo ihn die vorherrschende Wind- und Stromrichtung den schleswig-holsteinischen Küsten zu gute kommen läßt. Ueber den festen, thonigen Untergrund oder Klaiboden lagert sich andernteils der aufgewehte Flugsand der Dünen und Seesande, doch nur in so dünner Schicht, daß auch diese Flächen als Ackerboden vorzüglich brauchbar sein würden. Es kommt nur darauf an, das amphibische Wattengebiet der Kultur zurückzugewinnen, wofür allerdings bedeutende Mittel, Arbeit und Zeit erforderlich sind, so daß einzig und allein der Staat das großartige Werk in die Hand nehmen kann, und dazu scheinen nunmehr wirklich Aussichten vorhanden zu sein. In Preußen und in Holland rüstet man sich, das von der Nordsee verschlungene Land wieder zu erobern.

Der niederländische Plan, den ich nach einem fachwissenschaftlichen Aufsatz von Ingenieur Eiselen im Jahrgang 1895 der „Deutschen Bauzeitung“ kurz erläutern will, geht dahin, zwischen der eingedeichten Insel Wieringen und dem Flecken Piaam südlich von Harlingen einen 30 km langen gewaltigen Sperrdamm durch die Zuidersee zu bauen, dessen Kosten bei neunjähriger Bauzeit nebst den auf Wieringen anzulegenden Schiffs- und Entwässerungsschleusen auf 611/2 Millionen Mark berechnet sind. Dadurch werden rund 360 000 ha oder 72 Quadratmeilen Wasserfläche von der Nordsee abgetrennt und in einen ruhigen Binnensee verwandelt, von welchem dann vier Polder, Kulturflächen, gewonnen werden sollen, deren Lage und Größe aus der beifolgenden Skizze ersichtlich sind. Ihre Gesamtfläche wird 21700, 31520, 107760 und 50850 ha betragen, zusammen 211830 ha, davon 194410 ha bebauungsfähiges, fruchtbares Land, während der Rest von 145000 ha das neue Ysselmeer bilden wird, dessen Süßwasser in Zeiten der Dürre weit in die Kanäle der anliegenden Landschaften geleitet werden kann. Das ganze Riesenunternehmen soll eine Bauzeit von 33 Jahren umfassen, wonach sich die gesamten Kosten mit Zins und Zinseszins zu 31/20/0 auf 5351/2 Millionen Mark belaufen werden, während man bei einem Durchschnittsertrag von 191/2 Millionen Mark eine dreiprozentige Verzinsung von 646 Millionen Mark zu erzielen hofft.

Die Kosten sind hier zweifellos sehr beträchtlich, weil mehrfache erschwerende Umstände das Werk verteuern: die Entschädigungen an die zahlreichen Fischerfamilien und an einzelne Kommunen, die Anlage von Schiffs- und Entwässerungskanälen, von mächtigen Pumpwerken, Schleusen und Verlängerungen der einmündenden Flüsse, der Bau des kolossalen Abschlußdammes und besonders der Umstand, daß alle Deiche in 5 bis 6 m tiefem Wasser errichtet werden müssen. Die Ausführung des großen Planes ist daher auch noch nicht völlig gesichert, doch steht zu hoffen, daß die bedeutenden Vorteile, die für den gesamten Staat daraus erwachsen würden, die finanziellen Bedenken endgültig beseitigen werden.

Wesentlich anders liegt die Sache für Preußen an der schleswig-holsteinischen Küste. Hier hat die Regierung bereits 1870 die Hamburger Hallig erworben, ihre gefährdeten Ufer mit Granitböschung versehen und 1872 eine mehr als 4 km lange Faschinenlahnung zur Verbindung mit dem Festlande angelegt, worauf durch unablässige „Grippel“-Arbeiten die Erhöhung des Schlickansatzes gefördert wurde. Ueberall nämlich, wo in gebrochener Strömung den im Seewasser aufgelösten und von Ort zu Ort getragenen feinen Schlickteilchen ein fester Halt geboten wird, setzen sich diese Teilchen an und erhöhen ganz allmählich die umgebenden Watten. Der Mensch kann den Prozeß fördern, indem er auf solchen Watten kleine Gräben, die „Grippeln“, senkrecht zur Stromrichtung zieht und ihren Thonboden auf die so entstandenen schlammigen Beete häuft. In verhältnismäßig kurzer Zeit schlicken die Grippeln wieder voll, werden wieder ausgehoben und so fort, bis das dazwischenliegende Beet über gewöhnliche Fluthöhe steigt. Schon ehe letzteres eintritt, besiedelt es sich mit dem wichtigen Queller, einer Salzwasserpflanze, die mit ihren Wurzeln die Anschlickungen bindet und zwischen ihren Zweiglein den treibenden Schlamm auffängt. Sie verschwindet, sowie sie nicht mehr vom Wasser erreicht wird, und macht solchem Gras Platz, dessen Wurzeln einen salzdurchdrängten Boden vertragen, wie wir es auf den Halligen kennengelernt haben. Das Ergebnis derartiger Bemühungen bei der Hamburger Hallig sind heute bereits 400 ha fruchtbaren Schlickbodens, der allerdings noch nicht ausgereift genug ist, um hinter Deichen einen neuen, wertvollen Marschkoog zu bilden, aber sicher dazu gelangen wird. Wer sich über diese Verhältnisse zu unterrichten wünscht, den verweise ich auf meine Monographie „Die Halligen der Nordsee“ (Stuttgart 1892), wo ich ausführlicher die gesamten Verhältnisse dargelegt habe.

Leider scheiterte in den siebziger Jahren, wo die Mittel aus der französischen Kriegsentschädigung vollauf zur Verfügung gestanden hätten, die [699] weitere Unternehmungslust der Regierung bei der Hallig Langeneß-Nordmarsch. Auch hier wurde mit granitner Uferabböschung begonnen und die gefährdete Werft Hilligenlei für immer gesichert, die Fortführung der Arbeiten stieß aber auf den bedauerlichen Widerstand einiger Landbesitzer, worauf die Regierung ihre wohlwollenden Absichten aufgab. Es kann daher nicht wunder nehmen, daß die Bitten um Wiederaufnahme der Arbeiten, mit welchen ich im Hinblick auf die mitleiderregende Lage und die unbestreitbare Wichtigkeit der Halligen als Wellenbrecher für die in ihrem Schutze liegenden Seedeiche seit 1889 vorstellig wurde, erst dann Gehör fanden, als sorgfältige Prüfungen und Vermessungen des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten von der evidenten Zweckmäßigkeit des Unternehmens überzeugt hatten. Es sind jetzt zunächst 1320000 Mark in den Etat eingestellt, mit welchen in fünfjähriger Bauzeit ein Faschinendamm vom Festlande nach der Hallig Oland und von da nach Langeneß geführt werden, beide Inseln aber durch Granitufer gegen weiteren Abbruch geschützt werden sollen.

Sobald sich diese Anlagen bewähren, woran nicht im mindesten zu zweifeln ist, sollen die beiden kleineren Halligen Gröde und Habel in der gleichen Weise behandelt werden, hoffentlich aber auch Nordstrandisch Moor, das sich durch seine Lage in gleich günstiger Weise dafür eignet, wie aus dem beigegebenen Kärtchen zu ersehen ist. Ist das geschehen, so ist der Grund gelegt zu neuen Kögen im Umfange von 19- bis 20 000 ha und im Werte von etwa 50 Millionen Mark, auf die allerdings in ungefähr SOjähriger Arbeitsperiode 15 bis 20 Millionen Mark, einschließlich der Zinsen, zu verwenden sein dürften. Mögen sich diese Zahlen in der Praxis günstiger oder ungünstiger gestalten, unter allen Umständen wird sich ein ansehnlicher Gewinn dabei ergeben, der endlich dazu führen dürfte, die quadratmeilengroßen Wattenflächen um Hooge, Norderoog, Süderoog, Südfall, Pellworm und Nordstrand in gleicher Weise in Angriff zu nehmen und die oben genannten Halligen in ihrem Bestande zu sichern. Auf diesem Arbeitsfelde werden sich dann voraussichtlich ernstere Schwierigkeiten einstellen, weil mit der zunehmenden Einengung der großen Wattenströme die Gewalt und Richtung des ab- und zuströmenden Meerwassers sich verändern dürfte, indessen verfügt die Wasserbaukunst jetzt doch über hinreichende Mittel, die Kraft des strömenden Wassers zu brechen, wie die großartigen Weserkorrektionen des Oberbaudirektors L. Franzius in Bremen bewiesen haben. Geringere Mühe wird es bereiten, die vortrefflichen Watten südlich von der Eidermündung und in der Meldorfer Bucht abzudämmen, denen man nur zu Hilfe zu kommen braucht, um bei dem Zusammentreffen der massenhaften Sinkstoffe aus Eider und Elbe wahrhaft glänzende Resultate zu erzielen, so daß dann nur noch das nördliche Arbeitsfeld bei Amrum, Föhr, Sylt, Jordsand und Röm übrig bliebe, um mit seiner Eroberung ein großartiges Friedenswerk abzuschließen, welches der preußischen Verwaltung unvergänglichen Ruhm, eine kleine neue Provinz und einen nach Millionen zählenden Bargewinn eintragen würde.

Daß die Verbindung von Röm, Jordsand und Sylt mit dem Festlande möglich ist, unterliegt ebensowenig einem Zweifel wie die Möglichkeit des Anschlusses von Amrum an Föhr, von Norderoog an Hooge, von Hooge und Süderoog an Pellworm und von Südfall an Nordstrand, ja, es ließen sich auch Föhr und Nordstrand an das Festland ketten, nur ist bei ihnen ebenso wie bei Sylt zunächst noch Rücksicht auf die Schiffahrt zu nehmen, die schon durch den Damm von Oland nach Langeneß Unbequemlichkeiten erleidet.

Die hervorragende Rentabilität solcher Wattenarbeiten bestätigte mir freundlichst Herr L. Franzius in einem eingehenden Gutachten vom 25. September 1891, worin er bereits die gedachten Verbindungen empfahl und zugleich die Notwendigkeit betonte, die bisher schutzlosen Halligen als Stützpunkte des ganzen Systems durch direkte Uferwerke gegen weitere Zerstörung zu sichern. Alles das hat nun durch den hochherzigen Entschluß der preußischen Regierung an Wahrscheinlichkeit der Ausführung gewonnen; wir stehen nach der jahrtausendelangen Periode der Zerstörung an der Schwelle einer neuen Entwicklungsphase der Nordsee-Küstengebiete, denn ist erst einmal ein so bedeutender Anfang gemacht, so wird die Regierung gewiß nicht mitten auf ihrer Siegesbahn innehalten. Die Verhältnisse liegen zudem bei uns erheblich günstiger als in der Zuidersee, denn Preußen braucht nur ausgereiftes, auf natürlichem Wege entwässerbares Land in seine Deiche zu ziehen und verhältnismäßig geringe Mittel dafür aufzuwenden, während die holländischen Polder für ungeheure Summen auf 5 bis 6 m tief liegendem Seegrund angelegt werden müssen.