Deutscher Bürgersinn

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Titel: Deutscher Bürgersinn
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 234–235
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[217]

Der Mende-Brunnen auf dem Augustusplatz in Leipzig.

[234] Deutscher Bürgersinn. Illustrationen S. 217 und 235.) Zahlreich sind in deutschen Städten Beweise des Wohlthätigkeitssinnes, indem reiche Mitbürger den städtischen Anstalten, sei es bei Lebzeiten oder testamentarisch, bedeutende Summen zugeeignet haben. Ueber solche großartige Schenkungen haben erst vor Kurzem die Blätter aus Dresden und Berlin berichten können. Auch in Leipzig hat es zu keiner Zeit an derartigen Spenden der Wohlthätigkeit gefehlt. Doch abgesehen davon darf Leipzig sich mehr als jede andere Stadt rühmen, daß der Gemeinsinn vieler Bürger sich nicht bloß dem unmittelbar Nützlichen zugewendet, sondern es auch als Ehrensache betrachtet hat, für die Verschönerung der Vaterstadt Sorge zu tragen und bedeutende Mittel für diesen Zweck zu bestimmen.

Der größte Platz Leipzigs, der Augustusplatz, geschmückt durch das Neue Theater, die Universität und das Postgebäude, hat in solcher Weise neue Zierden erhalten. Der Mende-Brunnen und das großartig ausgebaute Museum, das jetzt dem Neuen Theater, in durchaus entsprechender Weise den großen Raum abschließend, gegenübersteht, verdanken den Vermächtnissen von Privatleuten Entstehung und Neugestaltung. Pauline Mende, geborene Thiriot, die am 25. Oktober 1881 verstorben war, hatte testamentarisch der Stadt ein Kapital von 150 000 Mark zugewandt zum Bau eines Brunnens von monumentaler Architektur, vielleicht zwischen dem Museum und dem Neuen Theater. Nachdem die ausgeschriebenen Konkurrenzen nicht das gewünschte Resultat gehabt, wurde der Direktor der Nürnberger Kunstgewerbeschule, Gnauth, mit der Ausführung eines Entwurfs beauftragt, der den Wünschen des Rathes und der Sachverständigen entsprach. Das Modell, das dieser in Gemeinschaft mit dem Münchener Bildhauer Ungerer herstellte, erhielt die Zustimmung des Rathes.

So ist Leipzig um einen großen stilvollen Brunnen reicher geworden, um welchen die Stadt von den anderen norddeutschen Städten beneidet werden darf; denn diese sind arm an solchen monumentalen Zierden und nur in manchen mittelalterlichen Reichsstädten des deutschen Südens finden sich jene in nächtiger Stille so märchenhaft plaudernden Brunnen, um welche ein solcher poetischer Zauber webt, der Mende-Brunnen erinnert [235] an die Brunnen Roms, besonders an den Obeliskenbrunnen Bernini’s auf der Piazza Navona. Und damit ihm ein Dichterwort nicht fehle, trägt er in vergoldeter Inschrift die sinnvollen Verse Paul Heyse’s:

„Zum Himmel streben
In frischer Kraft,
Der Erde geben,
Was Segen schafft,
In lauterer Quelle
Lehrt es die Welle.“

Der Brunnen macht in der That, wie auch unser Bild beweist, einen stattlichen und imposanten Eindruck. Im zweiten Granitbecken, welches das erstere wesentlich überhöht, erhebt sich auf einem Unterbau aus natürlichem Felsen der aus Einem Stücke gehauene Obelisk. Der Wasserguß selbst ist reichgegliedert durch den in farbigem Bronzeguß ausgeführten Figurenschmuck, der dem Brunnen nach allen Seiten hin ein scharf sich abzeichnendes Profil giebt. An den vier vorspringenden Ecken des inneren Brunnens zeigen sich je zwei wasserspeiende Bronzedelphine; zu beiden Seiten des Brunnenstockes erheben sich aus dem Wasserspiegel hoch sich bäumende „Hippokampen“, fabelhafte Seethiere mit Pferdeköpfen und Fischschwänzen, gezügelt von kräftigen Tritonen von doppelter Lebensgröße, die aus Muscheln Wasserstrahlen hervorsprudeln, während die Seeungeheuer aus Mund und Nüstern die Fluthen in weitem Bogen ergießen. An den vier untersten Ecken des Sockelaufbaues zeigen sich auf granitnen Konsolen fischschwänzige Nereïden, deren zierliche Leiber mit Fischen, Korallen, Schnecken, Ruder und Dreizack ausgestattet sind, während sich aus daneben befindlichen Muscheln das Wasser über sie ergießt.

Ein noch bei weitem größeres Geschenk war der Stadt Leipzig schon früher zugefallen. Der am 14. November 1880 gestorbene Rentier Franz Dominic Grassi hatte in seinem Testament die Stadt Leipzig zur Erbin seines nach Abzug einer Anzahl Legate verbleibenden Vermögens mit der Bestimmung gemacht, „daß dieses Vermögen nicht auf Gegenstände des Bedarfs, zu welchen die Kommune die Mittel aufzubringen hat, sondern auf Annehmlichkeiten und Verschönerungen der Stadt zu verwenden sei.“ Das Vermögen belief sich auf 2 327 423 Mark; der Rath verfügte darüber zu Gunsten des Orchesterpensionsfonds, des neu zu erbauenden Koncerthauses und der Gründung eines Museums Grassi für Völkerkunde und Kunstgewerbe; er glaubte ferner im Sinne des Erblassers zu handeln, wenn er das Neue Museum, die Hauptstätte der bildenden Kunst in Leipzig, umbaute und verschönerte. Das alte Museum, ein Werk Ludwig Lange’s in München, war am 18. December 1858 eingeweiht worden; den Erweiterungsbau, der in einer Anfügung zweier Flügel bestehen sollte, leitete der Rathsbaudirektor Hugo Licht.

Das neue Museum auf dem Augustusplatz in Leipzig.
Nach einem Aquarell von Rathsbaudirektor G. Hugo Licht in Leipzig.

Das Werk ist in hohem Maße gelungen; die Heimstätte der bildenden Kunst tritt derjenigen der darstellenden, dichtenden, tonschöpferischen jetzt ebenbürtig gegenüber. Die Hauptfaçade ist reich gegliedert; vor dem Mitteltrakte befindet sich eine Terrasse, zu der in der Mitte eine breite Freitreppe von 14 Stufen emporführt. Souterrain und erstes Geschoß sind durchweg im Rustikastil gehalten; die beiden Flügelbauten haben je einen einfensterigen Vorsprung (Risalit) in der Mitte, dessen Ecken mit Säulen eingefaßt sind. Sie haben im oberen Geschosse drei große Rundbogenfenster; das mittlere ist von einem dreieckiger Giebel gekrönt, während die Mittelachse des Gebäudes einen runden zerschnittenen Giebel zeigt, auf dessen Sims die von Ungerer modellirten Allegorien der Plastik und Malerei liegen. Eine Dachbalustrade läuft über das ganze Gebäude mit allegorischen Dachfiguren und Obelisken. Die Rückseite, die schmälere Ost- und Westseite sind weniger betont: in den Nischen der Ostfront sind die von Werner Stein modellirten Statuen von Rafael und Michel Angelo, in den Nischen der Westfront die von Rubens und Rembrandt aufgestellt, welche Professor zur Straßen geschaffen. Im Innern ist das Vestibül, in edlem römischen Renaissancestil gehalten, wesentlich verbreitert; vornehm und großartig ist das Treppenhaus; der hellrothe Marmor der Balustraden und Pfeiler, der mosaikartige Fußboden, die Buntfarbigkeit der Wände machen den Gesammteindruck würdigster Ausschmückung, der durch die Malereien in den Deckgewölben erhöht wird. Jeder der beiden Anbauten enthält als Mittelpunkt einen großartigen, in der Höhe sich durch beide Geschosse erstreckenden Oberlichtsaal, um welchen die übrigen Räume sich in Umgängen gruppiren.

Es ist hier nicht der Ort, in allem Detail die Vorzüge und Schönheiten des Neubaues und seinen künstlerischen Schmuck zu schildern oder die Namen all der Künstler zu nennen, die sich um denselben verdient gemacht haben. Uns kommt es darauf an, dem Spender der reichen Gabe, die solchen Bau ermöglichte, als Vertreter echten, nachahmungswerthen Bürgersinns, der neben dem Guten auch das Schöne pflegt, dem Leipziger Dominic Grassi, einen kleinen Denkstein zu setzen, der seinem Namen, weit über das Weichbild seiner Vaterstadt hinaus, guten Klang verschafft. †