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Deutsches Neujahr auf den Sandwichsinseln

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Textdaten
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Autor: Gustav von Gößnitz
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Titel: Deutsches Neujahr auf den Sandwichsinseln
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 240
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Hissen der Flagge des Norddeutschen Bundes auf Hawaii
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[240] Deutsches Neujahr auf den Sandwichsinseln.[1] Aus Honolulu, der auf Oahu gelegenen Hauptstadt der Inselgruppe. Wie die Wellenkreise, die ein in die Mitte eines Teiches geworfener Stein erzeugt, nur langsam und allmählich das Ufer gewinnen, so erreicht auch uns hier, inmitten des Stillen Oceans, nur spät die Kunde von den großen Weltereignissen, welche das alte Europa und mit ihm die gesammte Menschheit erschüttern – aber sie erreicht uns doch. Und wunderbar genug hat sie geklungen, wunderbar, wie jenes eiserne Kämpenlied, das Heldenlied der Nibelungen. Wohl mag des wiedergeborenen Deutschlands neues Banner an tausend Orten in und außerhalb des Vaterlandes mit größerem Pomp sich entfaltet haben, als inmitten unserer bescheidenen Gemeinde, allein treuere Herzen haben ihm nirgendswo entgegengejubelt.

Die stolze Rieseneiche, auf deren Wipfel Preußens Aar allein jetzt horstet, ragt nur mit einem zarten, dünnen Zweige auf dieses ferne Eiland hinüber: es leben etwa zweihundert Deutsche unter den Insulanern, in deren Mitte Capitän Cook vor neunzig Jahren seinen Tod fand. Aber von jenen Zweihunderten fehlte Keiner, als am 1. Januar d. J. Mittags mit dem zwölften Glockenschlage der hiesige deutsche Club das neue Banner des Norddeutschen Bundes feierlich aufzog. Das Fest konnte natürlich nur einen rein privaten Charakter tragen, da das hiesige königlich preußische Consulat bis jetzt noch nicht autorisirt ist, die neue Bundesflagge aufzuziehen, aber die Notification derselben war ihm kurz zuvor officiell zugegangen und die von ihm auf Grund derselben sofort beantragte Anerkennung Seitens der Regierung des Königs Kamehameha des Fünften war von dieser, fast noch an demselben Tage, mit entgegenkommendster Bereitwilligkeit erfolgt.

Es war also ein Familienfest im höchsten Sinne des Wortes, dem indeß die gehobene Stimmung, die bei Allen herrschte, eine allgemeinere und höhere Bedeutung verlieh. Preußen, Hannoveraner, Hamburger, Bremenser, Mecklenburger, Sachsen und Schwaben, Alle umstanden sie, die Söhne Einer Mutter, in Eintracht den mit den schönen Wunderblumen unserer reichen Flora festlich geschmückten und mit Guirlanden umwundenen Flaggenmast, auf dem jetzt noch zum letzten Male das schwarz-roth-goldene Banner wehte, der Traum so manches gebrochenen Herzens, doch freilich eben nur – ein Traum. Es senkte sich allmählich, so wie sich das neue erhob. Die deutsche Kanone eines deutschen Walfischfängers, von deutschen Händen bedient, donnerte Deutschlands neuem Panier einen weithinschallenden Gruß entgegen, als dasselbe die Spitze des Mastes erreicht hatte und seine eleganten Farben lustig in der blauen Himmelsluft dieses Landes voll ewigen Sonnenscheines flatterten. Das Echo der schroffen Felsenwände des erloschenen Vulcans hinter uns gab den Gruß hundertfach zurück. Ein deutsches Musikchor (wo könnte das fehlen!) schmetterte die schönen Accorde des deutschen Liedes: „Heil Dir im Siegerkranz“ in die tropische Luft hinein. Aller Häupter waren entblößt, Aller Augen waren naß, auch die des Schreibers dieser Zeilen, der seines Vaterlandes ja immer mit der größten Liebe gedenkt.

Ein heiteres Mahl, bei dem des Vaterlandes funkelnde Weine im grünen Römerglase auch nicht fehlten, folgte dem ernsteren Theile der Feier, die jedoch ihren Höhepunkt erreichte, als der älteste der hierorts ansässigen Deutschen mit bewegter Stimme und in gehobener Weise den ersten Toast auf „Deutschland“, „seinen mächtigen Schirmherrn“, „seinen großen Staatsmann“ und „seine Helden“, in feurig beredten Worten ausbrachte. Das Bild des greisen Königs, mit frischem Lorbeer umwunden und mit Blumen geschmückt, so schön wie sie das Vaterland wahrlich nicht aufzuweisen hat, hing in der Mitte des Saales, von den Portraits der Feldherren umgeben, die es verstanden, den gordischen Knoten deutschen Wirrwarrs mit dem Schwerte zu durchhauen. Das Bildniß des Grafen Bismarck, nicht minder sinnig geschmückt, war ihm gegenüber aufgehangen. Ein Blumenkranz, dessen sich keine Königin zu schämen gebraucht hätte – von deutschen Frauenhänden geflochten – milderte den Ausdruck seines geistvollen, energischen Gesichts. Der preußische Consul, F. A. Schäfer, dankte im Namen seines Königs und des Bundeskanzlers, den Toast des Vorredners dergestalt officiell anerkennend. Darauf erhob sich die ganze Versammlung wie Ein Mann, um Wilhelm dem Ersten, Deutschlands oberstem Schirmherrn, ein begeistertes Hoch zuzurufen.

Dem ersten Toaste folgten andere nicht minder begeisterte und gehobene. Selbst die Redacteure der hier erscheinenden beiden englischen Blätter, die einzigen nicht deutschen Gäste unter uns, im gewöhnlichen Leben sonst nicht die besten Freunde, da der eine die Regierung, der andere die Opposition vertritt, selbst sie vermochten nicht, dem Hauche deutscher Eintracht und Brüderlichkeit zu widerstehen, der unsere Gemeinde durchglühte, und reichten sich – zum ersten Male in diesem Leben – die Hand der Versöhnung.

Möchten doch die Worte, mit denen Schreiber dieses – auf unsere Nationalflagge deutend – seine für die Leser der Gartenlaube wohl etwas zu lange Ansprache schloß, auch anderwärts in deutschen Herzen widerklingen; sie sind ja nicht sein Eigenthum, sondern das eines jeden Deutschen:

„Freude dieser Stadt bedeute,
Friede sei, was sie bereite!“


  1. Der Verfasser dieses Berichtes dankt der Redaction der Gartenlaube für die freundliche Aufnahme seiner Mittheilungen aus Mexico, die auch hier in dem fernen Honolulu mit vielem Interesse gelesen worden sind. Er wird es sich zur Ehre schätzen, seine geringen Kräfte einem Blatte zu widmen, das sich die schöne Aufgabe gestellt hat, selbst in den fernsten Regionen des Erdballs deutsche Gesittung und deutsche Gemüthlichkeit frisch und lebendig zu erhalten, deren sonnige Strahlen auch die Herzen der auf den ausgebrannten vulcanischen Inseln des Stillen Oceans wohnenden Deutschen mit wohlthuender Wärme erquicken.
    Gustav von Gößnitz,     
    Instructor der Kaffer’schen Truppen.