Die zwei Rosen
(Auf ein Bildniß in Stielers Attelier.)
Der Meister, der mit zauberischer Hand
Vermag den Reiz der Schönheit aufzuspüren,
Und ihn, auf todte Leinwand hingebannt,
In süßer Täuschung lebend vorzuführen,
Die schönste Rose nach dem Leben malen.
Der Meister schaut das klare Angesicht,
In dem die feinsten Reize sich vermählen,
Er schwankt und zagt und weiß es lange nicht,
Wie er, zum Abbild solcher Maienfrische,
Das Allspiel seiner Tinten glücklich mische.
Da sieht er, wie an ihrem Busenflor
Noch eine Rose blätterreich erwachte,
Erröthend, aber neidlos, freundlich lachte,
Als wollte sie an sich dem Künstler zeigen,
Welch’ Farbenspiel dem Urbild ist zu eigen.
Dem schönen Leben sinnig abgelauscht,
Erscheint das holde Antlitz auf dem Bilde.
Symmetrie und Anmuth lagen offen,
Und beide Rosen fühlten sich getroffen.