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Die älteste Ansicht der Stadt Dresden

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Die frühesten Dresdner Straßenanlagen Die älteste Ansicht der Stadt Dresden (1906) von Otto Richter
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908)
Landesfürstliche Geburts-, Vermählungs- und Todesanzeigen im 15. Jahrhundert
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Die älteste Ansicht der Stadt Dresden.

Als das älteste Bild der Stadt Dresden hat man bisher den Kupferstich von Franz Hogenberg in Georg Brauns Städtebuche Civitates orbis terrarum aus dem Jahre 1572 (wiedergegeben im „Atlas zur Geschichte Dresdens“ Tafel 4) betrachtet[1]. Dies bedarf der Berichtigung: es gibt erfreulicherweise eine noch ältere Ansicht der Stadt.

Joh. Chr. Adelung erwähnt in seinem „Verzeichnis der Landkarten und vornehmsten topographischen Blätter der Sächsischen Lande“ (Meißen 1796) auf Seite 65 einen Prospekt von Dresden, enthalten in Henrici a Cleve

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Henri. Cliuen. inuen.               Dresda.               Philipp. Gall. excud.

Die älteste Ansicht der Stadt Dresden, wahrscheinlich vom Jahre 1555.

[91] Ruinarum ruriumque aliquot delineationes executae per Phil. Galleum. Dieses seltene Kupferwerk ist in keiner der Dresdner Bibliotheken vorhanden[2] und die fragliche Ansicht von Dresden (16x24 cm Bild. größe), Blatt Nr. 27 des aus 38 Blättern bestehenden Werkes, hat Adelung nicht besessen und auch nicht gesehen. Man kann daher sagen, daß das Bild bisher in Dresden unbekannt war. Kürzlich hat es das Stadtmuseum zum Kauf angeboten erhalten und erworben.

Der Maler Heinrich van Cleef (Henricus a Cleve, Clivensis), geboren um 1520, reiste als junger Mann nach Italien und zeichnete auf dieser Reise die schönsten Gegenden, um sie später in seinen Gemälden anzubringen. Im Jahre 1555 kehrte er in seine Vaterstadt Antwerpen zurück und wurde in die Akademie aufgenommen. Seine Zeichnungen sind später in Kupfer geätzt, aber erst 1587, zwei Jahre vor seinem Tode, in dem genannten Werke herausgegeben worden[3].

Es ist nichts davon bekannt, daß der Künstler noch weitere Reisen gemacht habe. Man muß daher annehmen, daß er die Ansicht von Dresden spätestens im Jahre 1555 auf seiner Rückreise aus Italien gezeichnet hat. Das stimmt vollständig mit den Merkmalen, die das Blatt selbst an die Hand gibt. Auf diesem ist, über das Schloß herausragend, der Schössereiturm in der Schloßgasse schon in der Gestalt zu sehen, die er 1553 erhielt. Andererseits fehlt noch das Zeughaus, dessen Bau von 1559 bis 1563 dauerte; denn es ist nicht anzunehmen, daß das im Hintergrunde ganz links dargestellte Haus mit Einem Giebel das mit zahlreichen Giebeln geschmückte Zeughaus sein soll, das damals als ein großartiges Bauwerk angestaunt wurde und dem gewiß von jedem Zeichner eine hervorragende Beachtung geschenkt worden wäre. Die zeitlichen Grenzen der Entstehung des Blattes sind also die Jahre 1553 und 1559; wenn man dazu die Tatsache der Durchreise des Künstlers in Betracht zieht, wird man sie mit ziemlicher Bestimmtheit in das Jahr 1555 zu setzen haben.

In Anbetracht einer so frühen Zeit der Entstehung muß der Cleefsche Kupferstich entschieden als eine gute Ansicht der Stadt bezeichnet werden, deren Wiederauffindung einen beträchtlichen Gewinn für unsere Ortsgeschichte bedeutet. Namentlich die wichtigsten beiden Bauwerke, die Elbbrücke und das Schloß, scheinen in der Hauptsache mit einer bei den ältesten Landschaftern nicht gewöhnlichen Genauigkeit gezeichnet zu sein. Auf der Brücke fällt links das große Tor mit dem Gatter, daneben das Zollhaus und auf dem übernächsten Bogen nach Süden zu ein hohes schmales Gebäude mit spitzem Dach und kleinen gotischen Erkern in die Augen, zweifellos die alte Alexiuskapelle[4], von der es bisher eine Abbildung überhaupt nicht gab. Ob es der Künstler mit der Zahl der Pfeiler und Bogen genau genommen hat, muß bei der Unsicherheit aller Nachrichten über die ältere Beschaffenheit der Brücke dahingestellt bleiben. Am Schlosse ist zweifellos der Turm nicht ganz richtig wiedergegeben. Merkwürdig ist das an den Georgenbau angrenzende, damals von der Elbe her noch sichtbare Stück der alten Stadtmauer, das nach Osten hin in einem dicken Turme endigt; es ist zum Teil noch heute im Stallhofe erhalten. Hinter dieser Mauer wuchsen erst später, 1565 – 1567, die Giebel des Kanzleihauses empor. Das hinter dem Mauerturme erscheinende große Dach gehört anscheinend dem alten Judenhause und Gewandhause an, das 1591 abgebrochen wurde. Weiter nach Osten zu wird eine Kirche sichtbar, der Lage nach die Frauenkirche, in der Gestalt des Turmes aber mehr der Kreuzkirche ähnlich. Ein sonderbar geformter Turm ragt auch über das Georgentor heraus, dieser müßte der Lage nach der der Kreuzkirche sein. Überhaupt sind die Bauten im Hintergrunde nur sehr flüchtig und mit offenbarer Willkür angedeutet, und ganz besonders bildet die Wiedergabe von Türmen die schwache Seite Cleefs wie aller Architekturzeichner seiner Zeit.

O. Richter.

  1. Im Kunstgewerbeblatt 1892 S. 49 hat G. Wustmann einen Leipziger Wandteppich aus dem Jahre 1557 abgebildet und besprochen, der das Urteil Salomonis und im Hintergrunde das Bild einer Stadt darstellt. Wustmann sagt, man sieht auf den ersten Blick, daß das Leipzig sein soll, aber auch, daß es kein richtiges Bild von Leipzig ist. Ganz unverkennbar nämlich tritt der Turm der Pleißenburg hervor, aber zu dem eigentlichen Stadtbilde ist, wie es dem Künstler der dekorative Zweck der Darstellung zu erfordern schien, vorn ein Fluß mit einer Brücke und hinten eine Berglandschaft hinzugefügt. Es ist also ein ungenaues Bild von Leipzig, mit freier Behandlung des Vorder- und Hintergrundes. Wenn C. Gurlitt (Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens, Heft 18, Stadt Leipzig, S. 323) meint, das Bild stelle Dresden, jedoch im Spiegel gesehen (!), dar, so entbehrt diese Ansicht jeder Begründung. Ein breiter fluß mit einer langen Brücke braucht nicht die Elbe mit der Dresdner Brücke zu sein, und von dem eigentlichen Stadtbilde stimmt nicht ein einziges Bauwerk, auch das am meisten hervortretende Schloß nicht, zu dem damaligen Dresden. Ausschlaggebend jedoch ist allein schon, daß die Stadt an der Flußseite von einer langen Festungsmauer mit Zinnen und Mauertürmen umschlossen dargestellt ist. Dort hat aber in Dresden nie eine solche Stadtmauer gestanden, denn die Frauenvorstadt lag außerhalb der Mauer und wurde unter Herzog Georg durch einen bloßen Erdwall angeschlossen, der dann unter Christian I. in eine Steinumwallung umgebaut wurde. Diese vermeintliche älteste Ansicht von Dresden ist also ein Trugbild. – Hierbei sei noch ein anderer Jrrtum Gurlitts berichtigt. In der Besprechung des Moritzmonuments (Bau- und Kunstdenkmäler Heft 22, Stadt Dresden, S. 323) meint er, daß das bekannte Wasserfarbenbild von Zacharias Wehme, das über dem Denkmal eine Attika mit Kriegerfiguren und weiterhin eine Balustrade mit Putten und Wappen darstellt, nicht eine Wiedergabe des ausgeführten Denkmals, sondern ein Entwurf für dessen Erweiterung sei; er wisse keine Darstellung, die diese Bereicherungen des Denkmals bestätige. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß der erwähnte Hogenbergsche Kupferstich von 1572 die Attika, die Balustrade und die Figuren ganz deutlich erkennen läßt.
  2. Die Königl. Bibliothek in Berlin besitzt es (Nv 5048).
  3. G. K. Naglers Künstlerlexikon Bd. 2 S. 566. – J. Sandrarts Teutsche Akademie Teil 2, Nürnberg 1675, S. 257.
  4. Sie ist also nicht 1542/43 abgebrochen (Bau- und Kunstdenkmäler Heft 22, S. 307), sondern nur umgestaltet worden, wie dies auch aus den bei W. Schäfer. Chronik der Elbbrücke, S. 33 abgedruckten Rechnungsvermerken hervorgeht.