Die Azteken, der Buschmann und die Corana

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Autor: unbekannt
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Titel: Die Azteken, der Buschmann und die Corana
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aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 156–158
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Azteken, der Buschmann und die Corana.

Die früheste Geschichte Central-Amerika´s erzählt von einer furchtbaren Wildniß, reich an tropischem Luxus, eine mehr als arkadische Region, unter dem Namen Analmac; dies war die Heimath eines schattigen Volksstammes, die Olmeks genannt. Diesen folgten die Tolteks, die ohne Zweifel die Griechen Amerika´s waren, oder noch mehr, in ihren Monumenten den phönizischen Ahnen der Athenienser glichen, da die Pyramide von Cholula aller Wahrscheinlichkeit aus derselben Zeit herrührt, wie die von Cheops.

Die Corana. Der Buschmann.

„Das Reich der Azteken“, sagt ein amerikanischer Autor (von denen die drei Staaten: Mexico, Tezuco und Tlacopan unter dem Gesammtnamen Anahuac besessen wurden) dauerte ungefähr 200 Jahre, als es von den Spaniern unter Cortez erobert wurde. Es ist dasselbe Gebiet, welches die Tolteks besaßen, ein Stamm, der geheimnißvoll verschwand, eine große Anzahl von Monumenten zurücklassend, die sie als ein merkwürdiges und mächtiges Volk beschrieb, das nie, nach den Historikern, seine Altäre mit Menschenblut befleckte, noch seine Feste durch den noch schrecklichern Gebrauch des Cannibalismus entwürdigte, wie es der Fall mit seinen aztekischen Nachfolgern war.

Diese Tolteks, die so geheimnißvoll und unerklärlich verschwanden, waren in aller Wahrscheinlichkeit die Stifter jener großen Städte, deren feste, steinerne Gebäude und Riesenwerke der Baukunst an Schönheit und Pracht, selbst in ihren Namen, den mächtigsten Trümmern, die in dem Wüstensande Egyptens zerstreut liegen, gleichkommen; aber woher diese Tolteks kamen, oder wohin sie verschwunden sind, muß für immer ein unerforschliches Geheimniß bleiben; Alles, was wir wissen, ist, daß ein merkwürdiger Stamm einst seine Heimath in dem großen Thale von Mexico, weit in der Kultur vorgerückt, inne hatte. Aber seine Sitten, seine Geschichte zu erfahren, wäre ein vergebliches Mühen.

Im Jahre 1325 stiegen die Azteken in das Thal von Mexico hinab. Durch eine kreisförmige Mauer von Bergen umschlossen, lag das siebzig Meilen große paradiesische Thal, bespiegelt von sieben Silberseen mit Einschluß der frischen Fluth am Chalco, des süßen Wassers und des Miniatur-Salzmeeres von Tezcuco. Innerhalb des letzteren Sees, auf den Inseln von Accocolco, deren sumpfartiger Charakter erforderte, daß man Steine vom Festlande bringe, errichteten sie ihre ersten rohen Hütten und legten zwischen das Schilfrohr den ersten Grund eines Reiches, welches in einem Bestand von 300 Jahren zu einer Größe stieg, die unvergleichlich ist. Von diesem winzigen Meere erhob das Venedig des Westens seine tausend Tempel und Paläste aus dem blauen Busen der Gewässer.

Im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts erstreckte sich ihre Herrschaft vom atlantischen bis zum stillen Ocean, von der Gegend der barbarischen Olmcos im Norden bis zu den fernsten Grenzen von Guatemala im Süden. Ihre Sprache wurde von sieben Stämmen in dem großen Thale und seinen Umgebungen geredet. Dies waren die Zochimilka’s, Topaneka’s, Celhua’s, Tlahuika´s, Mexicaner und Tlaskalaner. Der letztere Stamm warf ihre Herrschaft ab, und die andern sechs Stämme, durch wiederholte Niederlagen zurückgetrieben, hatten sich einige Meilen von der Stadt Tenochtitlon oder Mexico als unabhängige Republik erklärt, wo sie Jahre lang die Nebenbuhler und endlich die Ursache des endlichen Umsturzes und Falles der aztekischen Macht waren.

[157] „Mit der Eroberung Mexico’s erlosch die Macht der Azteken vollständig; ihr letzter großer Häuptling starb mit unerschütterlicher Standhaftigkeit auf der Tortur, indem er die glühenden Kohlen feurige Blumen nannte, ein Zug, würdig der schönsten Zeit Roms und Griechenlands.“

Ein Azteke (Ganze Figur.)

Soweit unser amerikanischer Gewährsmann über das beinahe mythenhafte Volk der Azteken.

Professor Owen, einer der ersten jetzt lebenden Anatomiker, sagt in einem seiner Briefe an Herrn Morris, den Beschützer der kleinen Fremdlinge, welche jetzt Europa durchwandern und bereits unter den ersten Gelehrten die heftigsten Debatten über ihren Ursprung und ihre Raçe, unter dem Publikum aber die einstimmigste Sensation hervorgerufen haben, Folgendes:

„Der auffallende Unterschied, welchen diese merkwürdigen Kinder im Vergleiche zu den in Europa gebornen mit analogen Stufen der Zahnbildung, in ihrer dünnen und winzigen Natur und vorzüglich in ihrem unverhältnißmäßig kleinen Schädel darbieten, macht sie für die Physiologen und Naturforscher zum Gegenstande ganz besonderen Interesses; während ihr lebendiges Empfindungsvermögen, ihre leicht erregte Neugier, der milde und intelligente Ausdruck ihrer tiefdunkeln Augen, ihr olivenfarbiger Teint und die Eigenthümlichkeit vieler ihrer Stellungen ihnen den Charakter einer ganz außerordentlichen Merkwürdigkeit verleihen.“

Knabe, 20 Jahre. Mädchen, 14 Jahre.

Owen stimmt völlig mit den gelehrten Physiognomen zu Charleston und Südcarolina darin überein, daß diese Kinder durchaus keine Merkzeichen darbieten, welche sie mehr als andere menschliche Wesen der Thierwelt näher stellen. Dr. Latham (vom königlichen Collegium der Wundärzte zu London) ist der Meinung, daß es in jenen Weltgegenden noch andere Individuen gebe, die diesen mehr oder weniger ähnlich seien, – daß es solche schon durch mehrere Generationen gegeben habe – daß er an der Bezeichnung: „Azteken“ keinen Anstand nehme, – und daß er glaube, daß sie aus einer Gegend herstammen, in welcher eine gewisse Summe politischer Unabhängigkeit und alterthümlichen Heidenthums sich behauptet habe.

Mögen nun diese geheimnißvollen Fremdlinge zu den letzten Sprossen jenes verschollenen untergegangenen Stammes der Azteken gehören oder nicht, mögen sie Vollblut-Indianer[WS 1], oder nach Dr. Andrée’s Behauptung gemischter Raçe sein, und von einem Indianer und einer Mulattin abstammen, das höchste Interesse des Beschauers werden sie immerhin erwecken, mögen sie diesen oder einen andern Namen führen.

Bei einer Höhe von 30–34 Zoll beträgt der Umfang des Gehirns 13 Zoll und 3–4 Linien. Sie gehören demnach zur Gattung der Mikrocephalen, d. h. Kleinköpfe. Ihre Gestalt ist eben so schlank wie fein gegliedert, die Brust gewölbt und breit, der Hals überlang, der Rücken gebogen. Der erste Eindruck, den sie mit ihren Physiognomien auf den Beschauer machen, erinnert an jene Menschen mit den vorgestreckten, neugierigen Vogelgesichtern, wie wir sie so oft auf den Denkmälern der alten [158] Indier und Egypter gesehen haben. Sie scheinen ihren Führer, der mit ihnen englisch spricht, vollkommen zu verstehen, wenngleich ihre Ausdrucksweise nur in unartikulirten und kurz herausgestoßenen Tönen besteht. Ihre Bewegungen sind rasch und heftig, ebenso ihre Gesten; sie nehmen nichts, sie reißen alles aus der Hand. Der Gesichtsausdruck des Mädchens ist klüger und angenehmer, als der des Knaben, dessen Blick etwas Klotzendes hat und dessen Augen übernatürlich groß sind, wie die Stirn auffallend zurückfliegend und eingedrückt. Beider Haar ist tief schwarz und vom schönsten natürlichen Glanze, die Ohrmuscheln sind feiner und ausgeprägter construirt, als die der kaukasischen Raçe.

Ein unparteiischer Sachverständiger, der übrigens die sogen. Azteken für ganz interessant und sehenswerth erklärt, ist der Meinung: daß dieselben junge „Blödsinnige“ in Folge ihres kleinen Schädels (Mikrocephalie) sind, die möglicherweise selbst künstlich dazu gemacht sein könnten, indem der Schädel gleich nach der Geburt an seinem Wachsthume gehindert wurde. Ob sie einem besondern Menschenstamm angehören oder Bastarde wilder oder zahmer Race sind, läßt sich, da man sie für abnorme Menschen halten muß, nicht bestimmen.

Der Buschmann und die Corana, beinahe nicht minder interessante Erscheinungen haben ein flaches, eingedrücktes Profil und einen sanften Ausdruck. Ihre Farbe, ist nicht so dunkel und kräftig, wie die der Azteken – mehr schmutzig-gelb, als olivenfarbig. Das Merkwürdigste an ihnen ist ihr Haupthaar, das nur theilweise den Schädel bedeckt und, der feinsten Wolle ähnelnd, sich in kleinen spiralförmigen Zöpfchen zeigt. Ihr Wuchs ist edel und ihre Bewegungen eben so ungezwungen wie graziös; kein erlernter, sondern natürlicher Anstand.

Obwohl noch Kinder, kann man sich bei ihrem Anblick kaum vorstellen, daß sie jenem wilden, räuberischen Stamme angehören, der die nördlichsten Gegenden des Caps der guten Hoffnung bewohnt; der, allerdings erst durch die grausamste Behandlung veranlaßt, in fortwährendem Kampfe mit den niederländischen Colonisten lebt. Die Buschmänner berauben auf nächtlichen Streifzügen die Meierhöfe, tödten ihre Feinde, flüchten wieder in die tiefsten, unzugänglichsten Wälder, bedienen sich vergifteter Pfeile, erlegen den Tiger, den Schakal, das Nashorn. Alle Thiere, von der Antilope bis zur Eidechse, vom Strauße bis zur Heuschrecke, ja selbst gebrannte Lederstücke dienen ihnen zur Nahrung. Sie sind listig, blutgierig, rachsüchtig, dulden alle Entbehrungen und besitzen ungewöhnliche Körperkräfte. So führen sie ein ungebändigtes Leben und sind nicht zu bewegen sich den civilisirten Hottentotten in den bebauten Gegenden anzuschließen. Ihr Kleid ist ein Schaffell, das als Mantel dient; um die Hüften schmiegt sich ein lederner Gürtel, manchmal mit Glasperlen geziert, an den Füßen tragen sie Sandalen von Rindshaut. Am Arme hängt ein Beutel mit Tabak und ein Rohr von Bein, das als Pfeife dient. Ihre Weiber theilen alle Gefahren, und werden oft grausam von ihnen behandelt. Unser junger Buschmann und die Corana scheinen Nichts mehr von der Wildheit ihrer Väter zu besitzen – Gefangenschaft, so mild auch diese hier sein mag und die Trennung vom Vaterlande haben wohl ein für allemal den Keim der Wildheit in ihnen erstickt; wir sehen zwar noch Kinder einer fremden Zone vor uns, aber ihr Wesen ist gebändigt, sanft und gutmüthig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Volblut