Die Brütmaschine des Cantelo

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Textdaten
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Autor: Friedrich Georg Wieck
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Titel: Die Brütmaschine des Cantelo
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 366-368
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Aus der Gewerbswelt.

Mitgetheilt von Friedrich Georg Wieck.
Die Brütmaschine des Cantelo.

Man hat in alten Büchern und neuen Reisebeschreibungen von der künstlichen Ausbrütung des Geflügels in China und Aegypten gelesen. Die Einen erzählen uns von der wunderbaren Gewandtheit der Chinesen, junge Enten in’s Dasein zu rufen, und fabeln zugleich von einer Entengattung, die alle ihre Eier in ein Nest unter dem Wasser lege, und hinabtauche, um darauf zu brüten. Andere sprechen von den ägyptischen Mammellen oder Brütöfen, wissen aber nichts Anderes davon, als was sie sich von Anderen haben verdollmetschen lassen. Sie vermuthen dahingegen sehr stark, daß jenes ägyptische Brütverfahren als Familiengeheimniß Jahrtausende lang bewahrt worden sei, und deuten entfernt darauf hin, daß die Hühnereier wie die Straußeneier in der Sonne ausgebrütet würden. Letztere werden aber in der That eben so gut von der Straußhenne ausgebrütet, wie ein Hühnerei von der Henne. Nur Eier von kaltblütigen Thieren, wie von Fischen und Amphibien, kriechen in Folge der Einwirkung von Luft und Licht aus. - Cantelo, ein praktischer Naturforscher in England, hat sich die Vorgänge bei der natürlichen Ausbrütung der Eier des Geflügels zu einem langjährigen Studium gemacht, und dessen Ergebnisse zur Aufstellung eines Verfahrens und Zusammenstellung eines Geräths behufs der Ausbrütung durch künstlich erzeugte Wärme benutzt. Er zeigte ein solches Geräth, eine Brütmaschine, unter dem Namen „Hydro-Incubator“ zur Zeit der Ausstellung in London auf Leicester Square, und ich habe selbst damals die Maschine im Gange gesehen. Cantelo empfiehlt die Ausbrütung von Geflügel aller Art, zahmen und wilden, als ein gewerbliches Geschäft; und dem Vernehmen nach, wenn auch bis diesen Augenblick noch nicht unzweifelhaft glaubwürdige Berichte darüber vorliegen, sollen in der Gegend von London, in Paris und in Wien Apparate in Thätigkeit sein. Theophil Weiß in Prag baut, Zeitungsnachrichten zufolge, ebenfalls Brütmaschinen. Auf eine desfallsige Anfrage bin ich aber ohne alle Antwort geblieben, was eben nicht sehr zu Gunsten der Sache zu sprechen scheint. Das soll mich inzwischen nicht abhalten, hier einige Worte über das Verfahren der künstlichen Brütung zu sagen, da Cantelo’s Bericht darüber und seine Anweisung dazu, welche in der deutschen Gewerbezeitung, I. Heft 1853 in größter Ausdehnung zu lesen ist, von einem, die Natur durchdringenden Geiste zeugt und die Thatsächlichkeit jener Brütung außer aller Frage stellt. Ich kann hier nicht, als meiner Aufgabe zu weit ab liegend, auf naturwissenschaftliche Bemerkungen eingehen, auch nicht die Geheimnisse des Hühnerhofs und der Hühnerzucht zu enthüllen unternehmen, sondern ich will mich auf Festhaltung des technischen Gesichtspunktes beschränken, und daher einfach beschreiben, was ich in London sah. – Mehrere ähnliche Apparate wie derjenige ist, den wir in unserer Abbildung veranschaulichen, befanden sich in einem geräumigen Zimmer aufgestellt. Die Apparate waren von Tischhöhe und hatten große Aehnlichkeit mit einer langen Kommode. Zu beiden Seiten aber wird man die auszubrütenden Eier bemerken. Sie liegen unter wasserdicht eingekitteten Glasplatten, über welche fortwährend warmes Wasser hinwegläuft. Dieses Wasser wird in stets gleicher Temperatur durch eine Heizvorrichtung gehalten, deren obere Bedeckung in Form eines Topfes man in der Mitte des Apparats bemerken wird. Jene Wasser-Heizvorrichtung kann man sich wie einen mittels Spirituslampe warm gehaltenen Theekessel, oder wie einen durch glühende Holzkohlen beheizten Samavar (russischer Theekessel) vorstellen. Eine zu regelnde Gasflamme leistet gleiche Dienste. Die Eier liegen auf einem Springfederkissen, so daß kleine und große Eier nicht mehr und nicht weniger von der Glasplatte gedrückt werden. Auch können sie, in einer Schublade liegend, zum Behufe der Untersuchung und zur Entfernung der ausgekrochenen Küchlein, hervorgezogen werden. Diese finden ihren warmen, mit weichem Molton ausgefütterten Platz zunächst oben rund um den Heizcylinder. Dann werden sie in die untern Fächer eingesetzt, durch [367] welche Warmwasserröhren geführt sind, unter die sie kriechen, um sich zu wärmen, grade wie unter die Flügel der Glucke. So werden die kleinen Hühnchen nach und nach herangezogen und vorne auf der Klappe, wie man auf unserem Bilde sieht, gefüttert. Ebenso war es in Wirklichkeit. Ich sah mehrere Eier, aus denen die Küchlein auszukriechen im Begriff standen. Schon etwas erwachsenere Hühnchen liefen in der Stube umher. Die schöne Einrichtung der Brütmaschine von Cantelo liegt darin, daß sie von oben brütet, wie die Henne, und den Küchlein Wärme und Behaglichkeit gewährt, als befände es sich unter den Flügeln der Mutter.

Höchst unterrichtend sind Cantelo’s Mittheilungen über die Entwickelung des Hühnchens im Ei. Er sagt: „Viele Leute halten hartnäckig an der Meinung fest, daß die Brüthenne zu bestimmter Zeit die Eierschale zerbricht, um dem Küchlein herauszuhelfen; ja Einige gehen sogar so weit, dies gesehen haben zu wollen. Aber Alles ist Täuschung! Die Natur hat das Küchlein selbst mit einem passenden Werkzeug versehen, sich aus der Schale loszumachen. Und wenn nur der kleinste Theil der Eierschale durch eine äußere Gewalt zerbrochen wird – selbst dann, wenn sich das Küchlein schon ein Loch durchgearbeitet hat, wird sich dasselbe meistens verbluten, da die ganze innere Fläche der Schale mit zarten Aederchen und Blutgefäßen bedeckt ist, welche dazu dienen, dem noch unentwickelten Thiere Nahrung zuzuführen.

Brütmaschine von Cantelo

Hat das Küchlein die Schale durchbrochen, so liegt es etwa 12 Stunden lang ruhig, um Stärke aus der Luft zu ziehen und die Lungen an’s Athemholen zu gewöhnen. So wie es kräftiger wird, treten die seither außenliegenden Organe, die Eingeweide, in den Leib des Thieres, das Aderngewebe, womit die innere Fläche der Eierschale bedeckt war, findet seinen Platz im Hühnchen. Sobald diese Schale nun rein ist, macht das kleine Thierchen eine Wendung, während der Kopf unter dem rechten Flügel gebogen, der Schnabel auf den Rücken gelegt ist und die Füße vorgestreckt sind. Diese leichte kreisförmige Wendung hat zur Folge, daß eine kleine scharfe Spitze des Schnabels nach und nach die Schale zerschneidet. Wenn dies auf drei Viertel der Länge des Eis rundum geschehen ist, zerbricht auch der übrige Theil; das Ende der Schale öffnet sich wie der Deckel einer Büchse und das Küchlein schlüpft endlich heraus. In wenig Stunden ist es im Stande, zu stehen und zu laufen. Das übergebliebene Dotter und Eiweiß, was nicht zu seiner Bildung verwendet wurde, dient zu seiner Nahrung, bis es sich selbst helfen kann.

Das Ausbrüten des zahmen und wilden Geflügels durch künstliche Wärme kann in gewissen Fällen naturhistorisch und auch gewerbswirthlich von Nutzen sein. Kaum glaube ich aber, daß es im landwirthschaftlichen Betriebe Vortheile gewähren würde, obgleich Viele der Ansicht sind, daß, umsichtig geleitet, die Federviehzucht [368] viel einzubringen vermöge. Mir hat es immer geschienen, als ob Hühner, Enten und Gänse so nebenher auf den Gütern mit aufgezogen würden und sich ihr Futter im Hof und Garten selbst suchen müßten. Wenn man daher nicht wie in London 20 Neugroschen für ein junges Huhn oder ein Hähnchen erhalten kann, so ist wohl kein Geschäft zu machen. Sollen wir hier aber 20 Neugroschen für ein Backhändel geben, dann würde Niemand Geld haben, selbst „alte Henne mit Allerlei“ zu bezahlen.