Die Brodfabrik

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Autor: G. Wiek
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Titel: Die Brodfabrik
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aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 268–270
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Brodfabrik.

Eine große Anzahl von Handwerken hat es sich gefallen lassen müssen, daß die Fabrik ihnen einen bedeutenden Theil Beschäftigung früherer Zeit aus der Hand nahm. Sollte das ehrbare Gewerk der Bäcker allein einer Ausnahme von diesem Schicksale sich erfreuen? Viele glauben es, nicht allein weil die Bäcker in den meisten Städten eine mit vielen alten Rechten ausgestattete Innung haben, die sich gegen Angriffe zu wehren weiß, sondern viel mehr noch, weil die Bäcker nur für das örtliche Bedürfniß arbeiten, mit ihren Kunden zum Theil in sehr innigen Borgverhältnissen stehen, allerlei wichtige Gewerbsvortheile von Alters her besitzen und – Niemand gern altbacken Brod ißt. Trotz dieser Gründe oder vielleicht auch gerade wegen derselben sind die armen Bäcker von jeher manchen Anfeindungen ausgesetzt gewesen, was sich daraus erklärt, daß es sich bei den Leuten um das tägliche Brod handelt. In Paris mußte der Kaiser die Bäcker dadurch schützen, daß er der Stadt befahl, ihnen Geldzuschüsse zu geben, damit sie das Brod wohlfeiler verkaufen konnten, als sie es sonst vermocht hätten. In Constantinopel nagelte man sie gelegentlich mit den Ohren auf die Brodbank. Die deutsche Backgerechtigkeit ist freilich ganz anderer Art! Gegen diese zieht die Wissenschaft und die neuere Technik zu Felde, indem sie das alte Teigbereitungs- und Backverfahren einer Kritik unterwerfen, wie es unter anderem in unserer Gartenl. Nr. 4. u. 5., 1856, in einem vortrefflichen Artikel von Herrn Dr. H. Hirzel geschah. Es war unter Anderem in demselben gesagt, daß die Bäcker sich Knetmaschinen und bessere Oefen anschaffen sollten, welche letzteren gerade noch so geartet seien, als zur Zeit, da Pompeji vor 2000 Jahren blühte. Weil es aber klar auf der Hand liegt, daß sich der einzelne kleine Bäcker weder schwer zu bewegende Knetmaschinen, noch theure, viel liefernde Backöfen anzuschaffen vermag, so wird vorgeschlagen, Gemeindebäckereien anzulegen. Dieser Vorschlag läßt sich hören. Man hat ihn auch schon an manchen Orten vernommen und hier und da, namentlich in Dörfern, befinden sich zum Mindesten doch Gemeindebacköfen, worin man viel Heizmaterial spart. Aber in Städten sind die Bäckerinnungen noch nirgends auf den Gedanken gekommen, eine genaue und gewissenhafte Prüfung der Frage anzustellen: ob es ausführbar sei, sich genossenschaftlich zu vereinigen und gemeinschaftliche Backhäuser zu erbauen, um ihren Teig in Knetmaschinen zu bearbeiten – wie früher die Tuchmacher ihre Tuche in genossenschaftlichen Walkmühlen bereiteten – und ihr Brod in Tag und Nacht beheizten Oefen zu backen?

Die Societäts-Bäckerei.und Brauerei in Cainsdorf bei Zwickau.

Wir werfen diese Fragen nur so hin, vollbewußt der sich entgegenstellenden Schwierigkeiten und namentlich des dagegen geltend zu machenden Umstandes, daß der Bäcker in seinem sich allmählich abkühlenden Ofen verschiedenartiges Gebäck, wie er es eben braucht, fertig macht und er doch nicht ohne Backofen in seiner Wirkstube sein könne, wohl eingedenk der Betrachtung, daß, da der Bäcker einmal Gesellen braucht, sie eben auch zuweilen ihre Arme zum Kneten gebrauchen mögen. Mit der zuweilen scharf in’s Licht gestellten Unreinlichkeit, dem Schweiße u. s. w. ist es in der That auch so arg nicht. Und man wird sehr billig gegen die Bäcker denken lernen, wenn man den Blick zuvor in seine Küchen wirft. Reinlichkeit ist übrigens erste Gewerkspflicht des Bäckers. Der Geselle hütet sich auch – und das ist ihm nicht zu verdenken – so schwer zu arbeiten, daß er in Schweiß geräth. Aechzen und stöhnen mag er wohl manchmal – weswegen ihn der Franzose auch „geindre“ nennt, aber offen gesprochen, wir glauben, daß Bäckerschweiß, ausgenommen vor’m Ofen, eben so theuer, als Maurerschweiß ist.

„So muß denn doch die Fabrik dran!“ so ungern wir auch die Vorzüge der Arbeit im Großen – wenn ihr mit allen Vortheilen, wie sie die fortgeschrittene technische Chemie und Mechanik nur immer zu bieten vermögen, beigesprungen wird – dem großen Capital und den gegen das Wohl und Wehe der Arbeiter gleichgültigen Zinsleistenschneidern der Actiengesellschaft überlassen und so gern wir sie vielmehr der Genossenschaft der „Innung der Arbeitenden“ zugewiesen wissen möchten.

Wir glauben nicht, daß die Innung der Fabrik wieder Herr werden wird, wenn sie ihr einmal die Zeit zur Kräftigung gelassen hat. Möglich, daß das Feingebäck und der Kuchen nicht in den Sprengel der Fabrik fallen wird – aber mit dem täglichen Brode wird’s nach und nach bedenklich aussehen. Der Dampf ist auch hier wieder wie sonst so oft der Treiber. Er knetet mit tausend Gesellenarmen wie zum Spiel, heizt und schiebt und übernimmt endlich auch noch den Versand, so daß wir, wenn’s sonst nöthig wäre, hier in Leipzig frisches Brod aus Hamburg oder Prag essen könnten. Wir haben gewiß viele Brodbäcker unter unsern Lesern, die sich von einer Brodfabrik keine so recht klare Vorstellung machen können. Für sie und alle Brodessende wird daher die Schilderung der Vorgänge in einer Brodfabrik gewiß nicht ohne Unterhaltung sein. Mögen sie selbst sich die Vortheile oder Bedenklichkeiten bei einer solchen Brodbereitung im Großen vormalen; uns scheint es, als ob die immer zunehmend auftauchenden Unternehmungen für die Einträglichkeit derselben sprächen.

Nicht nur allein in Frankreich hat man die Erfahrung gemacht, daß die Brodfabriken das Brod besser und namentlich wohlfeiler verkaufen, als manche Bäcker, sondern auch in Deutschland, z. B. in Zwickau, wo nach Eröffnung des Geschäfts der Societäts-Bäckerei in Cainsdorf das Brod sofort billiger wurde. – Freilich geben, wie man vernimmt, einige Brodfabriken nicht die Rechnung, auf die man hoffte – indessen man muß Lehrgeld geben, so will es die Innung, so die Fabrik!

Eine wichtige Vorbedingung für die neuartige Broderzeugung

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Wirkstube.

ist die Verbindung der Müllerei mit der Bäckerei. Die Zeit ist wohl noch nicht gekommen, wo durch eine genossenschaftliche Vereinigung des Müller- und Bäckergewerbes auf breitester Grundlage das beste und wohlfeilste Brod geliefert werden könnte, vor der Hand muß man sich begnügen, zu verlangen, daß eine tüchtige Maschinenbäckerei oder Brodfabrik zugleich mit einer Mühle verbunden sei behufs der Gewährleistung unverfälschten und reinen Mehles, und zur Ersparung aller Unbequemlichkeiten, Unzuträglichkeiten und Kosten, die mit der Herbeiziehung von fremdem Mehl zur Bäckerei verknüpft sind. Jedoch stehen wir nicht an, zuzugeben, daß in Fällen es genügt, eine gute Mühle in der Nähe zu haben, um mit Vortheil eine Brodfabrik zu betreiben.

Teigbereitungslocal.

[207] Einem spätern Aufsatz behalten wir die Beschreibung der Vorgänge in einer Mühle neuester Bauart vor, obgleich wir nicht ganz sicher sind, daß alle unsere Leser eine Mahl-Mühle im Innern gesehen, noch viel weniger begriffen haben, wie eigentlich das Mehl entsteht. Indessen – eins nach dem andern!

Wir haben mehrere Brodfabriken durchmustert, unter anderen die des Herrn Bienert in der königlichen Hofmühle zu Plauen bei Dresden und die von Herrn J. G. Claus gegründete, von Herrn Karl Hedrich und Karl Klinger in Glauchau gebaute Mühle und Bäckerei der erzgebirgischen Societäts-Bäckerei und Brauerei zu Cainsdorf bei Zwickau. Ganz ähnlich sind die Brodfabriken in Leipzig, Berlin u. s. w. eingerichtet.

Eine Brodfabrik besteht aus einem Mehlboden, einem Teigbereitungssaale, einer Wirkstube und einem Backraume mit den Oefen. Unsere Abbildungen zeigen das schöne Aeußere der Cainsdorfer Mühle mit Bäckerei und Brauerei, auf dem Berge hoch über der Mulde und der Eisenbahn reizend gelegen. Ein Industrieschloß der Neuzeit, in dessen Burgverließ die Schienen der Eisenbahn dringen, um das herrliche Felsenkellerlagerbier in die weite Welt den Dürstenden zur Erquickung hinauszufahren! Dann wird man auf den andern Bildern den Teigbereitungssaal und die Wirkstube erblicken. Die Oefen geben nicht wohl ein Bild. Von dem Mehlboden ab wird das Mehl durch Trichter in schrägliegende Drahtcylinder geführt, wo es gesiebt wird und sich in einen Kasten in verschiedene Fächer entleert, je nach der mehr und minder schweren Beschaffenheit. Das locker herabgefallene Mehl in Haufen wird hier vorläufig erwärmt, sodann aber werden in den Mehlfässern kleine Partien abgewogen und in die Nähe eines Ofens gestellt.

Das zur Teigbereitung erforderliche Wasser wird in einem hochliegenden Behälter, der durch eine von der Dampfmaschine her betriebene Pumpe gespeist wird, mit Hülfe der abgehenden Wärme der Backöfen erwärmt. Es gehört zur Backkunst, das richtige Verhältniß zwischen Wasser und Mehl zu treffen. Man bereitet in eigenen Gefäßen den sogenannten Grundsauer, knetet einen Theil desselben mit dem nöthigen Mehl in der Knetmaschine zu Sauerteig zusammen, schüttet solchen in den darunter stehenden Trog und fährt ihn, wie auf dem Bilde zu sehen, unter dem Bahngerüst hinweg an das von der Knetmaschine abliegende Ende einer Eisenbahn. An dieser Stelle wird dann der Trog durch einen Fahrstuhl auf oben liegende Schienenstränge gehoben und bleibt auf diesen stehen, bis ihn ein folgender Trog weiter vorschiebt. Hier oben macht der Teig die Gährung durch und wird nach entsprechender Zeit auf’s Neue in die vorn stehende Knetmaschine gestürzt, wo ihm dann mehr Mehl zugesetzt, er geknetet, darauf ausgeschüttet und in den auf Schienen laufenden Trögen nach der Wirkstube gerollt wird, wo er ausgebrochen, abgewogen, ausgewirkt und geformt wird. So geschehen, bringt man ihn auf Gerüsten an die Oefen, von wo die fertigen Brode, wenn sie gehörig ausgekühlt sind, mit Hülfe eines Fahrstuhles oder Aufzuges in die Brodkammern gehoben werden. Alle diese mechanischen Verrichtungen und nöthigen Bewegungen besorgen die Dampfmaschinen.

Die Knetmaschine muß man sich wie einen tiefen, eisernen, inwendig polirten Backtrog vorstellen, durch welchen der Länge nach eine Welle geht, an der an Armen ein paar schräg schraubenartig gewundene, schneidige Schienen befestigt sind. Diese Schienen streifen stets dicht an den Wandungen des Trogs und dessen gewölbtem Deckel, der in Gelenken geht, vorbei und kneten so unaufhörlich den Teig durcheinander. Hat derselbe genug, so wird der Deckel gehoben und mittelst eines Getriebes der untere Trog, die Oeffnung nach unten, gekippt, bei welcher Bewegung die gewundenen Schienen den Teig in die Tröge hineinschieben.

Eine gute Knetmaschine zu bauen, hat den Leuten viel Kopfzerbrechens gekostet. Schon 1811 erfand ein Bäcker, Lambert in Paris, einen mechanischen Backtrog, den er Lambertine nannte, aber er fand keine Aufnahme. Denn der Erfinder vergaß, zuvor den Teig in anderen Gefäßen gähren zu lassen, und beschränkte sich auf Mengung in einem Backtroge, der unserem Butterfasse ähnlich war. – Später kamen andere. Wir haben mindestens dreißig verschiedene Knetmaschinenarten von eben so vielen Erfindern zu verzeichnen, deren kühne Hoffnungen zumeist in bittere Täuschung ausgingen, denn die kräftigen Arme der Bäckergesellen behielten die Oberhand über die Maschinenglieder und werden sie auch wohl noch sehr lange behalten, trotzdem wir jetzt Knetmaschinen besitzen, die, einen großen Betrieb vorausgesetzt, mit stärkerer Kraft, als sie dem Menschenarme zu Gebote steht, einen ganz vorzüglichen Teig liefern, wie man sich unter anderen in den Brodfabriken von Leipzig, Plauen bei Dresden, Chemnitz, Cainsdorf bei Zwickau durch die von Karl Klinger in Glauchau gebauten Maschinen überzeugen kann.

Die allerwichtigste Bedingung für das Gedeihen einer Brodfabrik ist aber ein guter Backofen, der nicht, wie der bekannte Bäckerofen, mit Holz im Innern beheizt wird, das man später als Löschkohle beseitigt. Dieser alte Ofen hat allerdings viele gute Eigenschaften, die ihn namentlich für den Kleinbetrieb ganz unschätzbar machen, während die Löschkohle doch auch einen Verkaufswerth hat. Anders steht es aber mit dem Betriebe im Großen, mit der Brodbereitung in Masse. Hierbei kann der alte Ofen, der nach und nach immer kühler wird und dann seine Fähigkeit zum Brodbacken verliert, nicht Genüge thun. Man bedarf im Gegentheil eines Ofens, der fortwährend Nacht und Tag in gleicher Hitze erhalten werden kann, ja, in welchem man die Backhitze willkürlich für Ober- und Unterofen (Ober- und Unterhitze) zu verlegen im Stande ist, den man endlich mit wohlfeilem Brennmaterial, Steinkohlen, Braunkohlen, Torf, anstatt mit theurem Holz zu beheizen vermag. Die Erfindung hat sich seit Langem viele Mühe gegeben, solche Oefen zu erbauen. Die Pläne dazu sind Legion. Ja, man möchte behaupten, daß es nicht eine irgend bedeutende Stadt gäbe, in welcher es an einem denkenden Kopfe für den Vorschlag eines von außen zu beheizenden Backofens gefehlt hätte. Wir erinnern uns aus unserer langen technischen Laufbahn vieler solcher, leider nur kurzlebiger Oefen. Doch stehen auch in nicht zu wenigen Orten, überall dort, wo in civilisirten Staaten Brod gebacken wird, solche Maschinen-Backöfen, wie man sie zu nennen pflegt, in Thätigkeit, so auch in Deutschland, wo man am wenigsten davon spricht.

Anders in Frankreich! Hier versteht man es, mit Ausnahme von Nordamerika, am besten, eine Sache vorzuführen, in’s rechte Licht zu setzen, geltend zu machen! Hier präsentirten sich, und zumal in Paris, daher auch nacheinander die Maschinenbacköfen von einigen Dutzend Erfindern, von denen wir nur als die bekanntesten die Oefen von Jamatel und Lemare, Caville, Mouchot und endlich von Rolland hervorheben. Der letztere, mit rundem Drehheerd, auf den die Laibe geschoben und nach und nach herumgeführt werden, behufs der Ausgleichung der Backhitze, ist auch in Deutschland mehrfach bekannt geworden. Er ist in Leipzig, Plauen bei Dresden, Cainsdorf, unseres Wissens auch in Stuttgart und Berlin im Gange. Viel besser aber, als dieser französische Ofen, ist der neueste Maschinenbackofen des deutschen Baumeisters Karl Hedrich in Glauchau (Sachsen), wie solcher kürzlich in der Cainsdorfer Brodfabrik in Gang gesetzt worden ist. Dieser Ofen vereinigt, in Folge der Art und Weise, wie die Hitze in und um den Ofen geführt wird, was ganz nach Bedürfniß geschehen kann, und zwar ohne alle Anwendung von Drehheerd und viel künstlicher Züge, die unleugbaren Vorzüge des alten Bäckerofens mit den Vortheilen der unausgesetzt arbeitenden und mit Steinkohlen, Braunkohlen oder Torf zu beheizenden Maschinenbacköfen. Er ist sicher in seinen Wirkungen. Mit seiner Hülfe und mit noch einigen früher gebauten Oefen, worunter auch ein Drehheerd, kann man in vierundzwanzig Stunden 18,000 Pfund Roggenbrod backen. Ein Hedrich’scher Ofen liefert allein 5000 Pfund, und bei dieser Bäckerei hat sich herausgestellt, daß, wenn man den Karren (5 Dresdner Scheffel) zu 1 Thlr. 15 Ngr. rechnet, 360 Pfund Brod mit 2 Neugroschen gebacken werden, während das Backen einer gleichen Menge Brod in mit Holz beheizten Oefen 9¼ Neugroschen (die Klafter zu 6 Thlr. gerechnet) in Anspruch nimmt.

G. Wiek.