Die Burg der „schlimmen Liesel“

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Titel: Die Burg der „schlimmen Liesel“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 291
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[277]

Die Riegersburg in Steiermark.
Nach einer Skizze von Robert Zander in Wien.

[291] Die Burg der „schlimmen Liesel“. (Mit Abbildung S. 277.) Das größte und wohl einst prachtvollste der vielen Bergschlösser der österreichischen Alpenwelt ist die obersteierische Veste[1] Riegersburg. Der deutsche Reisende erreicht sie wohl am bequemsten, wenn er auf der Wien-Triester Eisenbahn an der zwischen Graz und Marburg liegenden Station Spielfeld Halt macht und von da den Stellwagen nach dem bekannten Bade Gleichenberg benutzt, zu dessen Ausflugsorten dieses großartige Stück Natur- und Menschenwerk jetzt gehört.

Mit dem reichen Kranze von Gebäuden und Mauern weit im Lande sichtbar, streckt der über fünfzehnhundert Fuß hohe Fels, auf dem die Riegersburg thront, sich in so beträchtlicher Länge aus, daß derselbe aus weiter Ferne wie ein geschmückter Sargdeckel erscheint. Wir führen in unserer Abbildung den Leser von der östlichen Schmalseite her zur Burg. Von hier ist sie allein zugänglich; auf den drei andern Seiten stürzt der Fels steil ab bis zu dem Gebirgsbache, der ihn bespült. Hier liegt auch, ebenfalls schon in ansehnlicher Höhe, der Markt Riegersburg mit seiner hochragenden St. Martinskirche.

Man bekommt Achtung vor Dem, was dem Menschen möglich ist, wenn man diese Veste besteigt. Man erkennt, daß ältere Burgbauten, aber vereinzelt, an und auf dem Felsen vorhanden waren, ehe eine energische Hand die Theile zu dem jetzt noch äußerlich der Zeit trotzenden Riesenbaue zusammenzwang. Und diese Hand war eine Frauenhand, die unerbittlich strenge der „schlimmen Liesel“. So nannte das Volk der Burgunterthanen die Herrin derselben zu Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts, jene Freifrau Katharina von Galler, die, wie in einer Vorahnung der Stürme, die von Ost und West dem Steierlande und Oesterreich noch drohen sollten, im Jahre 1813 der Riegersburg die Gestalt gab, die sie heute noch hat.

Sieben Thore hat man zu durchwandern, ehe man durch die übereinander emporenartig aufsteigenden Befestigungen bis zum höchsten Theil der Veste, der Burg Kroneck, gelangt. Die ersten drei Thore führen auf einem breiten, in den Fels gebrochenen und im Zickzack laufenden Fahrweg nur durch Wälle und Basteien; durch das vierte Thor erreicht man Lichteneck, eine abgesonderte, jetzt verfallene Burg; das fünfte ist reich mit Wappen und Bildhauerarbeiten geziert, und wiederum über Brücken und tiefe Felsgräben gelangt man durch das sechste auf die Hochfläche des Bergs und erst durch das siebente in die Burg Kroneck. Zu dem Bau soll die „schlimme Liesel“ nicht blos ihre Unterthanen scharf in Frohndienst gehalten, sondern auch viele gefangene Türken verwendet haben. Von den Gallern kam die Veste erst an die Grafen Purgstall und von diesen an die nun europäisch-souverainen Fürsten von Liechtenstein und Vaduz.

Bei dem ungeheuren Grundeigenthum dieser Familie – man versichert, daß der derzeitig regierende Fürst und Souverain des freilich nur zweiundeinhalb Quadratmeilen großen Fürstenthums in Oesterreich Besitzer von sechsundachtzig Burgen und Schlössern ist – wurde die weitläufige Veste, die sich keiner besonderen Vorliebe ihres Herrn zu erfreuen scheint, allmählich vernachlässigt. Zum mindesten spricht die Art der inneren Erhaltung dafür, da die nach Hunderten zählenden Säle, Zimmer und Corridors jedes Schmuckes an alterthümlichen Mobilien und reichhaltigen Sammlungen von Gegenständen aus der Ritterzeit beraubt erscheinen. Sie wanderten sämmtlich nach einem Lieblingssitze des Liechtensteiners, dem ebenfalls in Steiermark belegenen Schloß Holleneck, wo sie in buntem Durcheinander sich einer sinn- und planlosen Aufbewahrung erfreuen.

In der dreifachen Kette von Burgen und befestigten Kirchen, welche noch heute im Osttheile Steiermarks und im Süden Niederösterreichs nachweisbar sind und die von den deutschen Bewohnern zum Schutze wider räuberische Einfälle ungarischer Horden im Mittelalter errichtet wurden, nimmt die Grenzveste Riegersburg unzweifelhaft den ersten Rang ein. Unzertrennlich mit der Erinnerung an die Riegersburg verbunden ist die Historie vom grausigen Geschick der armen Gärtnerstochter Katharine Paltauff. Sie verfiel unschuldig dem finstern Wahne mittelalterlicher Anschauung. Weil das schöne Mädchen es verstand, immer frischblühende Rosen zu ziehen, so machte man ihr den Proceß im Sinne damaliger Rechtspflege, und die Blumenfreundin starb als Hexe den Feuertod. Ihr Bildniß sieht man neben denen von elf andern Hexen im sogenannten Hexenzimmer des Kroneckschlosses.

Wer von der Höhe dieser Veste in die Lande ringsum herabblickt oder vom Thale zu ihrer Höhe emporschaut, der wird schwer den Gedanken los, wie viel Menschenarbeit hier einen Bau aufthürmte, der heutzutage keinen höhern Zweck hat, wie den, als Sehenswürdigkeit für die Gleichenberger Badegäste zu dienen. Wer das der „schlimmen Liesel“ gesagt hätte!


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Berichtigung: Lies in Nr. 17 auf S. 291, Z. 3 der Blätter und Blüthen statt obersteierische „untersteierische Veste“.