Die Cathedrale in Sevilla
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In Cadix – so sagt das spanische Sprichwort – wohnt das Vergnügen, in Sevilla die Religion. Nicht die Religion, die im Herzen stille Feste feiert, und die den großen Gott durch anspruchlose Tugend ehrt; sondern ihre prahlende After-Schwester in Uniform und Purpur. Mönchskutte und Nonnengewand begegnen zwar jetzt nicht, wie früher, bei jedem Schritte in Sevilla; aber die durch Jahrhunderte genährte Volkslust an religiösen Schaugeprängen und Prozessionen hat das Dekret der Cortes, welches die Klöster aufhob, noch nicht gemindert. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend rufen ununterbrochen die Glocken zu den unzählichen Kirchen, und wenn das betäubte Ohr die Ruhe sucht, mahnt dich das sonore Geläute der Cathedrale zum mitternächtlichen Gebete, oder Trompetenton und Fackelleuchten schreckt dich aus dem ersten, sanften Schlafe und an’s Fenster. Was ist’s anders, als eine neue Variation des alten Thema’s? Lange Reihen von auf hohen Stäben getragenen Wachskerzen schweben vorüber und leuchten einem unabsehbaren Zuge. Voran die glitzernde Fahne von Goldbrokat, Meßner in den weißen Gewändern, mit den kostbaren Gefäßen voll Weihrauch; andere mit silbernen Lampen; dann ein Märtyrerbild, oder eine heilige Jungfrau, im Staatsgewande und strahlend von Gold und Edelsteinen, thronend auf hohem Gerüste, das unsichtbare Träger verbirgt. Weiß gekleidete Kinderschaaren streuen Blumen, und Colonnen verschleierter Mädchen und Frauen folgen und singen Hymnen. An sie reihen sich die männlichen Choristen, und eine lärmende, betäubende Janitscharen-Musik macht den profanen Beschluß.
Für dergleichen religiöses Gepränge, wodurch sich Sevilla noch immer vor allen andern Orten Spaniens [117] auszeichnet, ist der Centralpunkt die Cathedrale: – jenes mit 14 Thürmen geschmückte Gebäude, dessen breite Fronte den Hintergrund unsers Bildes ausfüllt.
Keine Kirche in der Welt, versichert der jüngste und geistreichste Beschreiber Spaniens[2], weder St. Peter zu Rom, noch der Dom zu Mailand, oder Strasburg, haben den religiösen Eindruck auf mich gemacht, den ich beim Eintritt in diese, kaum von einem geheimnißvollen Halblicht erleuchtete Wohnung des Höchsten fühlte. Hier ist Alles einfach, schicklich, würdig; keine Vergoldungen, keine erdrückende Masse von Verzierungen nach spanischer Weise: schlanke, zierliche Säulen von grauem Gesteine tragen die Bogen, die sich hoch über dir zu Riesengewölben verbinden. Die Bearbeitung des Gesteins zeugt von der höchsten Vollendung, und die Entbehrung des Schmucks, der sie nur verdecken würde, thut wohl. Der Boden ist ausgelegt mit Marmor, und im bunten Reflex der gemahlten Fensterscheiben erglänzend, macht er zu der Einfachheit der Wände einen gefälligen Contrast. Zwischen jedem Bogen glänzen Kapellen und blinken, mit goldenen und silbernen Leuchtern und Gefäßen besetzte Altäre. Es lesen stets mehre Priester zugleich hier Messe; der ungeheure Raum gestattet ihnen dieß, ohne sich einander zu stören; selbst die Töne der Orgel füllen ihn nicht aus, und die Stimmen der wenigen hundert Gläubigen, welche den Messen beiwohnen, verhallen so sehr, daß, ist man an einem andern Ende der Kirche, man sich allein glauben kann.
Nur die Zeit der Siesta, von Mittag bis 2 Uhr, feiert auch der Priester und die Kirche ist dann leer bis auf den hütenden Sakristan. Dann ist’s die rechte Zeit sie zu besuchen für Den, der ihren Eindruck ungestört in sich aufnehmen und genießen will. Schweigen erfüllt den Tempel; – das Schweigen der Majestät. Man weiß sich allein, und das wahre religiöse Gefühl wird wach, das bei prunk- und geräuschvollen Ceremonien erstirbt. Dann magst du von Kapelle zu Kapelle und von Altar zu Altar schleichen, und vor jedem im Kerzenlichte scheinenden Heiligenbilde, oder Reliquienschrein, beten, so fromm und Gott so wohlgefällig, als vor ihm selbst im stillen Kämmerchen, oder unter dem freien Himmelszelte, auf den Höhen der Berge, oder in sternheller Nacht.
Ich würde nicht enden, wenn ich alle Wunder beschreiben wollte, welche diese Kirche in sich schließt. – Für das Studium der maurischen Architektur – (sie war früher eine Moschee und ihre Errichtung im 9. Jahrhundert fällt in die Blüthenzeit der maurischen Kunst!) – ist sie, wegen der sorgfältigen und unentstellten Erhaltung ihrer meisten Theile, von großer Wichtigkeit. Als ein wahres Kleinod von Schönheit und Zierlichkeit ist der Kapitelsaal berühmt, dessen Oval, voll Anmuth und Originalität, mit der unschätzbaren Sammlung von zwanzig Murillo’schen Bildern geschmückt ist. Die Vorhalle mit den Grabmälern vieler spanischen Könige und Helden, die Holzschnitzereien am Thore, eine nicht anzugebende Zahl von herrlichen Skulpturen in Gold, Silber und Stein in den Kapellen und an den Altären, die Menge der Gemälde von den trefflichsten spanischen Meistern, machen diese [118] Cathedrale zu einem Museum, dem alle Künste ihren Tribut dargebracht haben. Nach Art der maurischen Moscheen ist der Haupteingang mit einem Hofe umgeben, um welchen Springbrunnen unter Orangenbäumen plätschern. Eine Art Porta triumphalis führt in diesen Vorhof, und sie, ein tausendjähriges Werk, ist noch so vollkommen erhalten, als wäre sie vor einem Jahrhundert erbaut. Sie heißt die Pforte der Vergebung. Durch sie gingen die maurischen Könige, wenn sie die Moschee besuchten.
Aber der schönste Schmuck der Cathedrale ist der 400 Fuß hohe maurische Glockenthurm, der unter dem Namen der Giralda als der höchste und schönste in ganz Spanien berühmt ist.
Die Aussicht von der Höhe der Giralda ist unermeßlich, und kein Fremder kommt nach Sevilla, ohne ihn zu ersteigen und jene zu genießen.
- ↑ Vergl. die eine allg. Ansicht von Sevilla begleitende Beschreibung im IV. Bd. S. 85.
- ↑ St. Hilaire in der Revue de Paris.