Die Dampfkalesche

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Titel: Die Dampfkalesche
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aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 642-643
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[642] Die Dampfkalesche (richtiger Dampfomnibus), welche zur Zeit in Berlin so viel Aufsehen erregt, ist zwar keine ganz neue Erfindung, aber in ihrer vollendeten Gestalt von so bestechenden Vorzügen, daß man wohl nicht irre geht, wenn man ihr eine bedeutende Zukunft prophezeit. Es ist ein Dampfwagen, der in den verschiedensten Größen hergestellt, ohne Schienen auf jeder beliebigen Straße als Last- oder Personenwagen benutzt werden kann und mit dem Vorzuge einer leichten Lenkbarkeit denjenigen großer Schnelligkeit verbindet. Er wurde vom Fabrikbesitzer A. Bollé in Le Mans ursprünglich für seinen Bedarf construirt und bereits vor dem Jahre 1876 benutzt. Der Erfinder legte damals den 200 Kilometer betragenden Weg (Chaussee) von Le Mans nach Paris in 18 Stunden zurück, doch kann er mit seinem Wagen in der Ebene und auf weniger [643] belebten Straßen sogar eine Geschwindigkeit von 20 bis 25 Kilometer in der Stunde erreichen. Schon damals bewegte sich der Wagen auf den am dichtesten bevölkerten Pariser Straßen mit einer solchen Sicherheit, daß er die allgemeinste Bewunderung erregte. Einer der Pariser Akademie der Wissenschaften vorgelegten und in deren Schriften abgedruckten Beschreibung des Wagens entnehmen wir folgende Einzelnheiten. Der (ursprüngliche) Wagen wog mit 12 Passagieren und seinen Vorräthen an Wasser und Kohle 4800 Kilogramm, von welchem Gewicht die Hinter- und Triebräder nahezu Dreiviertel, die beiden etwas kleineren Vorderräder den Rest tragen. Letztere sind in ihrer Bewegung sehr frei und können durch eine einfache Lenkvorrichtung sogleich senkrecht auf jeden beliebigen Drehungsradius eingestellt werden, sodaß man mit großer Leichtigkeit ausweichen und sogar ziemlich kurz umdrehen kann. Es wird dies zugleich dadurch erleichtert, daß die Last weniger auf den Achsen als unmittelbar (durch ein Federgestell) auf den Rädern ruht. Hinten am Wagen befindet sich ein aufrechter Field'scher Röhrenkessel mit Schnellfeuerung, während die vier Triebcylinder unter dem Wagen zwischen den Rädern liegen. Alle Theile des Wagens und der Maschine sind aus Stahl construirt.

Vorn am Kutschersitz vereinigen sich die Lenkvorrichtungen derart, daß der Kutscher den Dampfzufluß durch Pedale, die Räderstellung mit den Händen regiert. Er kann sogar, indem er sich einer sogenannten Stephenson'schen Coulisse bedient, rückwärts fahren. Das Steuer, welches auf die Vorderräder wirkt, befindet sich beständig in seiner rechten Hand; es ist an die Stelle der Zügel getreten. Die linke kann, unabhängig von der Geschwindigkeit der Maschine, je nach der Beschaffenheit des Weges die Gangart regeln. Das Manometer befindet sich ebenfalls unter seinen Augen, während die Kesselbedienung einem hinten postirten Heizer zufällt. Von zehn bis zehn Kilometer etwa muß der Wasservorrath ersetzt werden, was mittelst einer Dampfpumpe sehr schnell geschieht. Der Kohlenverbrauch beträgt bei dem zur Beförderung von zwölf Personen dienenden Wagen und bei einer Leistung von circa dreizehn Pferdekraft pro Stunde anderthalb Franken. Wie sich sowohl in Paris, wie bei der verbesserten Einrichtung, mit welcher man in Berlin Probefahrten anstellt, gezeigt hat, arbeitet die Maschine fast geräuschlos und verursacht bei den begegnenden Pferden keinen Schrecken. Die Lenkung geht, da der Dampfomnibus weder Langbaum noch Gespann besitzt, entschieden leichter von statten, als bei unserm gewöhnlichen Straßenomnibus; der Wagen bleibt mit überraschender Präcision stehen, geht vor- und rückwärts, weicht aus und rangirt sich in einer Reihe anderer Wagen.

Den Bau dieser Wagen hat die Wöhlert'sche Fabrik in Berlin übernommen, sie beabsichtigt, nicht nur Omnibus für zwanzig bis dreißig Personen, sondern auch Lastfuhrwerk bis zu achthundert Centner Tragkraft herzustellen; auch sind bereits trotz der ansehnlichen Preise (zehn- bis fünfzehntausend Mark) sehr zahlreiche Bestellungen eingegangen. Ein nach ähnlichen Principien hergestellter Dampffrachtwagen ist übrigens seit einigen Monaten bereits in Chemnitz in Betrieb und hat sich auf den verschiedensten gepflasterten und chaussirten Wegen, zum Theil mit erheblicher Steigung, vortrefflich bewährt. Allem Anscheine nach liegt in dieser Erfindung der Keim einer längst angestrebten Umwälzung unseres Straßenfuhrwesens.