Zum Inhalt springen

Die Dreiunddreißiger Gilde zu Parchim

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Dreiunddreißiger Gilde zu Parchim
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 851–852
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[851] Die Dreiunddreißiger Gilde zu Parchim (in Mecklenburg) ist wohl in Deutschland eine der ältesten Gesellschaften ihrer Art; an ihre Entstehung und ihr Wesen knüpft sich viel des Eigenthümlichen, das einer kurzen Mittheilung wohl werth sein dürfte, dies um so mehr, als derartige dem Mittelalter entstammende Gesellschaften heute mehr und mehr auf den Aussterbe-Etat gesetzt werden.

Ueber die Entstehung dieser Gilde fehlen uns authentische Nachrichten; sie nannte sich vormals Corpus Christi und soll nach „Kleemann’s Parchimscher Chronik“ aus Veranlassung des schwarzen Todes, der um’s Jahr 1346 im Norden Deutschlands besonders stark wüthete und auch der Stadt Parchim tiefe Wunden schlug, zu mildthätigen Zwecken gegründet worden sein. Die Zahl 33 ist vermuthlich auf eine symbolische Anknüpfung an die Jahre zurückzuführen, die Christus auf Erden gewandelt hat. Es wurden ihr bei ihrer Entstehung bedeutende Liegenschaften verliehen. Ob die Einkünfte aber im Laufe der Zeit immer dem Zwecke entsprechend verwendet worden sind, ist zu bezweifeln; denn nach Kleemann’s „Parchimscher Chronik“ hat 1563 eine Visitation durch fürstliche Herren stattgefunden, bei der es an Monituren nicht gefehlt zu haben scheint.

Die Dreiunddreißiger Gilde ist beritten und trägt eine sehr kleidsame Uniform: grüne Schooßröcke mit gelben Knöpfen und Epauletten, grünes Beinkleid, an der äußern Naht ebenfalls mit gelben Knöpfen besetzt, einen dreieckigen Filzhut mit grünem Federbusch, Patrontasche mit schwarzem Bandelier und einen Schleppsäbel in gelber Scheide.

Die Abhaltung des alljährlichen Gildenfestes hat manches Eigenthümliche und nahm in früheren Jahren fast zwei Tage in Anspruch. Am ersten Tage wurden einige Straßen des Städtchens durchzogen und dann im Bruch’schen Hôtel ein Frühstück eingenommen. Am zweiten [852] Tage, dem Haupttage, holte, wie auch jezt noch, die Gilde die ihr von dem Großherzoge Friedrich Franz dem Ersten verliehene sehr werthvolle Standarte ab und zog hierauf nach dem nahe in schönstem Holze gelegenen Brunnen. Hier wurde zunächst das Frühstück eingenommen, und dann folgte ein Sport der eigenthümlichsten Art. Ein Theil der Gilde begab sich, mit Schußwaffen versehen, zu Fuß nach dem dem Brunnen nahe gelegenen Dorfe Slate. Hier wurde nun alles lebende Vieh, das in den Dorfstraßen zu erreichen war, erbarmungslos niedergeschossen: Hühner, Enten, Gänse und selbst Schweine führte man als Jagdbeute heim. Natürlich wurde alles erlegte Vieh gut bezahlt.

Nach diesem Jagdabenteuer hielt man auf dem Brunnen Tafel, bei der es immer sehr heiter herging, am Nachmittage aber wurde ein anderer Sport ausgeführt: Die Gildenbrüder nahmen auf dem Felde, mit Flinten versehen, in einem großen Kreise Aufstellung, in dessen Mitte eingefangene Hasen ausgesetzt und geschossen wurden.

Von diesem Vergnügen nach dem Brunnen zurückgekehrt, hielt man Appell und Revision des Anzugs ab, und wurden die hierbei vorgefundenen Mängel des Anzugs etc. fast immer mit dem Ausspruch: „Wir fehlen Alle mannigfaltig“ humoristisch abgethan.

Nun erfolgte der Rückmarsch, abwechselnd durch das Wecker- und Neue Thor, in die Stadt nach dem Bruch’schen Hôtel, wo die am Morgen in Slate gemachte Jagdbeute verzehrt wurde. Die Häuser an den hierbei zu durchziehenden Straßen waren auf das Glänzendste mit sinnreichen Transparenten versehen und illuminirt.

Wenn nun auch heute noch die Gilde einige liegende Gründe als Eigenthum besitzt und hieraus kleine Einkünfte bezieht, so ist doch, wie aus dem Mitgetheilten erhellt, die Mitgliedschaft mit bedeutenden Kosten verknüpft. Daher können denn auch nur die besser situirten Einwohner der Stadt diese Mitgliedschaft erwerben; es sind übrigens meist ältere Herren, die der Gesellschaft angehören; denn da die Zahl 33 nicht überschritten werden darf, müssen die Aufnahme Suchenden immer so lange warten, bis ein Mitglied ausgeschieden ist.

Zu dem Eigenthum der Gilde gehört unter Anderem auch eine kleine Baumgruppe von 33 Linden, unmittelbar vor dem Kreuzthore gelegen und Herzogslinden genannt. Jedes Mitglied hat seine eigene Linde, und jede dieser Linden ist mit einem Blechschilde versehen, welches den Namen ihres Besizers trägt. Bei Beerdigung eines verstorbenen Gildenbruders geleiten die Brüder in voller Uniform die Leiche zu den Herzogslinden, wo der Todte unter seine Linde getragen wird; hier wird alsdann die Weihrede gehalten.

Trotz ihrer theilweise rohen Gebräuche, haben die alten Gesellschaften, in deren Reihe die oben besprochene gehört, für uns moderne Menschen etwas um so Fesselnderes und Rührenderes, und so dürfte auch das hier über die Parchimsche Dreiunddreißiger Gilde Gesagte nicht ganz des Interesses entbehren.