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Die Felsenbrücke in Virginien, in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika

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XXXIV. Ein Ansiedler-Blockhaus in Nordamerika Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band (1833) von Joseph Meyer
XXXV. Die Felsenbrücke in Virginien, in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika
XXXVI. Corfu
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DIE NATÜRLICHE BRÜCKE IN VIRGINIEN
Verein. Staaten.

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XXXV. Die Felsenbrücke in Virginien,
in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika.




Spurlos vergeht der Menschen Pfad in dem Raume der Ewigkeit, wie der des Wanderers durch ein Sandmeer, hinter dem ein leichter Wind die flachen Zeichen seiner Füße verweht. Ein paar Jahrtausende, die zur Ewigkeit wie ein Tropfen zum Weltmeer sich verhalten, dauern, wenn’s hoch kommt, ihre herrlichsten Werke, ihr gefeiertstes Wirken; Alles was vom Menschen kommt, das Größte wie das Kleinste, theilt früher oder später des Vergessens oder Verschwindens gemeinschaftliches Loos. Aber was die Natur in geheimnißvoller Werkstätte Großes gebaut hat, das erhält sich länger.

[84] Die natürliche Brücke in Virginien (in der nach ihr benannten Grafschaft „Felsenbrücke“ (ROCKBRIDGE) ist eines jener stupenden Werke, die wir anstaunen, deren Entstehen wir uns aber nicht enträthseln können. Man denke sich eine Brücke über eine fast 300 Fuß tiefe, 90 Fuß breite Thalschlucht, aus einem Bogen und aus einem Stein, diese Brücke 100 Fuß breit und in der Mitte 40 Fuß dick, und man hat eine schwache Vorstellung von diesem berühmten Wunderwerke der Natur. „Obschon“ – sagt ein neuerer brittischer Reisender, „der Allmächtige, dessen „Werde“ diese Brücke über das sonst nicht zu passirende Felsenthal schuf, sie auch, und gerade an den gefährlichsten Stellen, mit Brustwehren von Felsblöcken versah, so haben doch nur Wenige der sie Betretenden den Muth, über die Lehne hinüber zu blicken in die schauerliche Tiefe, durch welche ein gewaltiger Bergstrom schäumend und tosend dahinbraußt. Aber ergreift bei’m Hinabsehen betäubender Schwindel, so packt unnennbares Gefühl den Wanderer, der unter der Brücke zu ihr hinauf schaut. Ein tobender Gewittersturm, – Laokoon, – die Martern der Hölle mögen sich beschreiben lassen; aber die Empfindungen, welche die Seele bei diesen schauerlich-majestätischen Anblick bewegen, beschreiben zu wollen, ist unmöglich.“ – Auch ich will nicht versuchen, dem Schauenden nachzuempfinden, oder des großen Stoffes mehr Herr seyn wollen wie er, und so mögen diese wenigen Worte als Begleiter des vortrefflich ausgeführten Bildes genügen.