Die Fischerin
[220] Die Fischerin. (Mit Abbildung S. 213.) Es ist ein frisches, fröhliches Alpenkind, eines aus dem baierischen Oberlande, das uns unser heutiges Bild vor Augen führt, eine nach reichlichem Fange heimkehrende Fischerin von den Ufern des stürmischen Chiemsees. Wie sie da in dem lichtweißen Glanze des Sommermorgens, über sich den klaren Himmel der Berge, neben sich den spiegelebenen Alpensee, im feuchten Ufersande dahinschreitet, leicht und elastisch trotz der Last, die sie in kräftigen Händen trägt – ist sie da nicht ein echtes Bild der derben Frische und der rüstigen Gesundheit jenes kernigen Menschenschlages, der das fischreiche „Baierische Meer“ umwohnt?
Eines erklärenden Wortes bedarf das poesievolle Bild wohl kaum ist es doch in der Einfachheit seines Gegenstandes sein eigener Interpret: es will eben nichts sein als ein Stimmungsgedicht in der Formen- und Farbensprache des Malers, und mit der selbsteigenen Kraft jedes echten Gedichts spricht es unmittelbar zum Beschauer – auch ohne das dolmetschende Wort. Zugleich mit dem frischen, kräftigenden Dufte von Wasser und Moor - denn an Moorboden sind die Ufer des Chiemsees bekanntlich reich – weht es uns aus den offenen Zügen des Mädchens an wie lauter Freiheit, Kraft und Natürlichkeit.
Der Schöpfer des Gemäldes, Joh. Friedr. Engel, ist ein Amerikaner aus deutschem Blute, den in München, wo er seine Studien gemacht hat, die Kunst festhält. Das Bild selbst befindet sich im Besitze eines Privatmannes in New-York, und wird dort in der Frühjahrsausstellung der „National Academy of Design“ demnächst einen Platz finden.