Die Gartenlaube (1871)/Heft 43

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1871
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[713]

No. 43.   1871.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Das Haideprinzeßchen.

Von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)


Erdmann und das Stubenmädchen trugen eben eine Korbwanne voll Eßgeschirr die Treppe hinab, als ich hinaufstieg. Noch stand die Thür des Speisesalons weit offen. War Herr Claudius noch in Charlottens Zimmer, so konnte ich mich ihm vielleicht durch die offene Thür bemerklich machen, ohne daß die Anderen es sahen, denn Zeugen mochte ich nicht haben bei meiner Bitte.

Ich wollte eben das nächste Zimmer betreten, da schlugen zwei prachtvolle Menschenstimmen an mein Ohr – wie festgewurzelt blieb ich stehen, obgleich mir der Boden unter den Füßen brannte und die Angst um jede verlorene Minute mein Herz heftig klopfen machte.

„O säh’ ich auf der Haide dort
Im Sturme dich!
Mit meinem Mantel vor dem Sturm
Beschützt’ ich dich –“

sangen Charlotte und Helldorf. Ich sah schräg durch die Thüröffnung die zwei prächtigen Gestalten nebeneinander stehen, während Dagobert am Flügel saß und den Gesang begleitete.

O, meine Haide im Sturm, im Frühlingssturm! Wenn er über den Dierkhof hinfuhr, die trotzigen, alten Eckpfeiler wegzustoßen und die Fensterscheiben einzudrücken versuchte, wenn er den Eichen die vorjährige, ehrwürdig vertrocknete Blätterperrücke abriß und sie in tausend Atome zerpflückte, wenn Ilse vorsorglich alle Thüren schloß und die Hühner aus dem weiten, unbeschützten Hof auf ihre Querstangen in der Tenne flüchteten, da lief ich hinaus vor die Umzäunung und schrie das vorüberbrausende Heer in den Lüften an. … Es war ja kein Sturm, wie der im Winter! Es waren tausend und abertausend Stimmen, die ausgeschlafen hatten, und nun in einander jubilirten! Da brauste das Wasser drin, das sich vom Eis erlöst hatte, da rauschte der Wald hinein, in dem das aufquellende Leben stürmisch pulsirte, da klang schon jedes Blumenglöckchen mit, das sich aus der braunen Hülle schälen sollte. … Und ich ließ mich von seinen Händen greifen und forttragen – Ruck um Ruck ging es über die Haide hin, taumelnd wie ein fortgewirbeltes Eichenblatt, bis ich auf dem Hügel stand und halb erschrocken, halb aufjauchzend meine Arme um die Föhre schlang. Wir zitterten und schwankten beide, die alte Föhre und mein kleiner Körper, aber sie rasselte lustig mit ihren Nadeln, und ich lachte hinauf in die großen, dicken Wolken, die mit zuckenden Gliedern hülflos weiterstürmen mußten. Es riß und zerrte an meinem Röckchen, und das Haar zerpeitschte mir das Gesicht – aber ich brauchte „keinen Mantel, der mich beschützte“ – es war etwas von Stahl und Eisen in meinen gescholtenen Kinderhänden und -Füßen; ich kämpfte mich tapfer wieder heim und schalt Spitz, der sich unterdessen faul seinen Pelz in der sichern Ofenecke gewärmt hätte.

„Und käm’ mit seinem Sturme je
Dir Unglück nah –“

sangen sie drinnen, und die Stimmen stiegen aufwärts, wie der Sturm auffliegt und im vollen Ausbrausen gipfelt. Ich war wie berauscht von den Tönen; allein ich durfte mich dem Zauber nicht länger hingeben – fort mit dem Heimweh und seinen schmerzlich süßen Träumen! … Ich sah meinen Vater aufgeregt in der Bibliothek hin- und herlaufen, und das trieb mich sofort über die Schwelle.

Da saß seitwärts, tief in die Ecke des Zimmers gedrückt, Herr Claudius, ganz allein. Er hatte den Ellenbogen auf die Seitenlehne des Fauteuils gestützt und vergrub Stirn und Augen tief in der Hand. Das dicke blonde Lockengeringel fiel über die weißen Finger – ich wich beklommen zurück, selbst der matte Silberschein der Haare wirkte erkältend und ernüchternd auf mich; ich konnte mich plötzlich auf kein Wort meiner heroischen schönausgedachten Anrede mehr besinnen; angesichts seiner Persönlichkeit fühlte ich nur das Eine, daß er mich zurückweisen würde, sehr höflich und mit gütevoller Stimme, allein so fest und bestimmt, daß jedes fernere Wort zur Zudringlichkeit wurde. … Und wenn er jetzt auch dasaß, wie der Welt entrückt, wie tief versunken in den erschütternden Gesang – in seinem Kopfe kreisten doch nur Zahlen, und ich wußte es, sobald ich ihm die Dreitausend nannte, da lächelte er leise und sagte wieder: „Sie haben offenbar keinen Begriff, wie viel Geld das ist!“

Trotz alledem stand ich plötzlich neben ihm; wie ich die wenigen Schritte Weges überwunden, wußte ich selbst kaum. Ich bog mich zu ihm hin und nannte halblaut seinen Namen. … Himmel, ich hatte ihn ja nicht erschrecken wollen, meine Stimme hatte so schwach und verzagt geklungen, und doch fuhr er in die Höhe, als habe die Posaune des Weltgerichts sein Ohr getroffen. Er sprang auf und lächelte – ich wußte wohl, warum – wie konnte man auch über solch ein kleines Geschöpf erschrecken, das wie ein winziger Zaunkönig lautlos herangehüpft war! …

Böse war er nicht, das sah ich, und doch brachte ich kein Wort über die Lippen. Hätte er doch nur die schreckliche Brille [714] vor den Augen gehabt und die breite Hutkrempe über der Stirn – er sah auf einmal gar so jung aus seinen feurig blauen Augen. … Ich kam mir entsetzlich einfältig vor, und ihm fiel es nicht ein, mir aus meiner unbeholfenen Verlegenheit zu helfen – er schwieg, während sie drinnen sangen.

„Dann wär’ mein Herz dein Zufluchtsort,
Gern theilt’ ich’s ja.“

„Wollten Sie mich sprechen?“ fragte er endlich halblaut, als die Sänger schwiegen.

„Ja, Herr Claudius, aber nicht hier.“

Er trat sogleich mit mir in den anstoßenden Salon und schloß beide Thüren.

Die Augen unverwandt auf ein glänzend polirtes Carreau in dem getäfelten Fußboden gerichtet, trug ich mein Anliegen vor, und es ging; ich fand die Worte und Ausdrücke wieder, die ich mir ausgedacht, ich schilderte ihm, wie heftig mein Vater den Besitz der Münzen wünsche, daß er nicht essen könne vor Aufregung; ich versicherte ihm, daß ich es durchaus nicht ertragen könne, ihn leiden zu sehen – durchaus nicht, und deshalb Rath schaffen und die Dreitausend haben müsse, um jeden Preis – dann sah ich zu ihm auf.

Er sah wieder genau so aus, als stünde er drunten im Schreibzimmer neben seinem dicken Folianten – das Bild des ruhigen Anhörens, der kühlsten Ueberlegung und Vorsicht.

„Ist das Ihr eigener Gedanke oder hat Herr von Sassen zuerst den Wunsch ausgesprochen, ein Capital aus Ihrem Vermögen zu entnehmen?“ fragte er – wie stach dieser gehaltene Ton häßlich ab von meiner warmen Beredsamkeit, und wie reizte er mich! … aber in die klarblickenden Augen hinein konnte ich doch weder geradezu lügen, noch eine Bemäntelung erfinden, wozu ich allerdings einen Augenblick die größte Lust verspürte.

„Mein Vater hat heute Mittag den Wunsch gegen Ilse ausgesprochen,“ versetzte ich zögernd.

„Und sie hat sich geweigert?“

Ich bejahte niedergeschlagen – ich wußte es, die Sache war bereits verloren.

„Haben Sie sich nicht selbst gesagt, Fräulein von Sassen, daß ich Ihnen die Summe dann noch viel weniger geben darf und werde?“ –

Vergessen war der Vorsatz, mich auf demüthiges Bitten zu verlegen und in Geduld auszuharren gegenüber dieser kaufmännischen Berechnung und Gelassenheit! … Ich fühlte, wie meine Wangen heiß wurden, „mein böses Herz überrumpelte mich“.

„Freilich habe ich mir das selbst gesagt,“ antwortete ich rasch, mit fliegendem Athem, – ich zeigte auf die Thürschwelle. „Da hab’ ich eben noch gestanden und mich vor Grauen geschüttelt. … Aber ich habe meinen Vater lieb und wollte ihm das schwere Opfer bringen.“

Er sagte nicht ein Wort, als ich für einen Moment verstummte – er war wirklich durch und durch von Stein, alle meine Vorstellungen waren wirkungslos abgeprallt – und da sollte man nicht zornig werden? … In meinen Füßen zuckte es fast unwiderstehlich, den Boden zu stampfen – ich wandte ihm heftig den Rücken und rief in ausbrechendem Groll über die Schulter zurück: „Ich will das Geld nun gar nicht! Lächerlich, daß ich um das, was mir meine liebe Großmutter doch geschenkt hat, bei Fremden betteln soll! … Aber das thue ich nicht, ganz gewiß nicht! … Ich werde Sie nie, nie wieder um Etwas bitten, und wenn es mir zehnmal gehört, und ich das Recht habe, darüber zu verfügen –“

„Nicht über einen Pfennig haben Sie in diesem Augenblick zu verfügen!“ fiel er ein, ohne alle Heftigkeit, aber mit großem Ernst und Nachdruck. „Und das will ich Ihnen sagen, wenn Sie das wilde Kind der Haide in so ungeberdiger Weise herauskehren, dann erreichen Sie bei mir nie Etwas. … Mögen Sie immerhin auf die Bäume klettern und durch den Fluß laufen, darin sollen Ihnen die Flügel nicht beschnitten werden – aber aus der Seele will ich das wilde Element scheiden.“

Also er umklammerte mich richtig mit seinen eisernen Fingern und ließ mich nicht eher wieder frei, als die zwei Leidensjahre um waren! … Gott, was für ein klägliches Zerrbild wollte er aus mir machen!

„Wenn ich’s leide,“ sagte ich und warf den Kopf zurück. „Heinz hatte einmal einen Raben gefangen, und als er ihm die Flügel beschneiden wollte, da biß ihm der Vogel den Finger blutig –“

„Und so tapfer wollen Sie sich auch wehren, kleine Haidelerche?“ fragte er und sah lächelnd auf seine schlanken Finger herab. „Der böse Rabe hat eben nicht einsehen können, daß ihn Heinz zu seinem trauten Hausgenossen machen wollte. … Aber nun wollen wir weiter über die Geldangelegenheit reden. Mit Ihrem Vermögen darf ich so wenig willkürlich schalten und walten, wie Sie selbst, dagegen bin ich sehr gern bereit, Herrn von Sassen die nöthige Summe aus eigenen Mitteln vorzustrecken. … Sagten Sie nicht, der Verkäufer sei augenblicklich bei Ihrem Vater?“

Beschämt griff ich in die Tasche und reichte ihm das Medaillon hin.

„Ach, eine Kaisermünze aus der Zeit der Antonine! Ein schönes Exemplar!“ rief er. Er trat an das Fenster und betrachtete sie eine lange Zeit scharf prüfend von allen Seiten – wieder einmal, als ob er wirklich auch davon etwas verstünde.

„Kommen Sie,“ sagte er und öffnete das anstoßende Zimmer zur rechten Hand. Es hatte schwerseidene Draperien an den Wänden und war eben so düster, wie alle in dieser endlos langen Flucht liegenden. Einem der Fenster nahe stand ein Schrank von dunklem Schnitzwerk mit schweren, fein ciselirten Silberbeschlägen.

Herr Claudius schloß das wunderliche, altmodische Geräth auf und zog einen Kasten heraus – da lagen ganze Reihen solcher Medaillen, von denen mein Vater gesagt, daß sie wunderselten seien, wohlgeordnet auf dunklem Sammetgrunde. Er nahm eine derselben auf, legte sie auf seiner Handfläche neben die von mir gebrachte, verglich beide noch einmal prüfend, und hielt sie mir hin. Sie glichen sich, wie ein Ei dem anderen, nur sah die aus dem Kasten genommene bedeutend abgegriffener aus.

„Diese ist schöner,“ sagte ich und zeigte auf die Münze, die mein Vater so heiß ersehnte.

„Ja, das glaube ich Ihnen,“ versetzte er. „Mir aber gefällt sie nicht.“

In diesem Augenblick wurde die nach dem Speisesalon führende Thür aufgemacht, und als wir Beide uns umwandten, sahen wir Dagobert auf der Schwelle stehen. Herr Claudius faltete mißmuthig die Brauen, allein der junge Mann ließ sich dadurch nicht verscheuchen; er trat näher, und seine braunen Augen irrten erstaunt über die Münzenreihen hin.

„Himmel, welche Pracht!“ rief er überrascht. „Onkel, bist Du denn Sammler?“

„Ein wenig, wie Du siehst.“

„Und davon weiß die Welt kein Wort!“

„Ist es nöthig, daß die Welt meine kleinen Passionen kennt?“ – Wie stolz gelassen klang das!

„Nun, wenn auch das nicht,“ versetzte Dagobert. „aber in einer Zeit, wo fast die ganze Residenz sich mit wahrhaft fieberndem Interesse der Alterthumskunde zuwendet, ist diese Passivität geradezu unbegreiflich.“

„Meinst Du? … Ich will Dir sagen, daß ich selten an Etwas Genuß finde, das gerade als Modeartikel auf dem großen Markt liegt, und von Unberufenen zu ganz anderen Zwecken ausgebeutet wird, als sie die Wissenschaft verfolgt. … Auch bin ich sehr auf meiner Hut mit meinen kleinen Neigungen, ich bringe sie durchaus nicht in Concurrenz – sie wachsen uns unter fremdem Einfluß über den Kopf, und einer solchen ausgebildeten Leidenschaft ist dann Nichts unerreichbar, sie rührt an das Heiligste und nimmt die Mittel vom Altar, wenn es sein muß.“

„Nun, vor der Sünde schützen Dich denn doch die Ersparnisse Deiner Ahnen, Onkel!“ lachte Dagobert. Er schüttelte den Kopf „Unglaublich! Du interessirst Dich für Alterthümer und lässest eine kostbare Antikensammlung so und so viel Jahre im Keller verschimmeln, ohne sie zu berühren.“

Herr Claudius zuckte leichthin die Achseln. „Vielleicht beurtheilst Du das anders, wenn Dir das Testament meines Großvaters zu Gesicht käme. Nach seinem Wunsch sollten die Antiken begraben bleiben für alle Zeiten.“

„Ach so – da kann ja Herr von Sassen stolz sein – er hat mit seinen Bitten die unsinnigen Traditionen des Hauses über den Haufen geworfen –“

„Er weniger, als meine schließliche Ueberzeugung, daß weder [715] meinem Großvater, noch mir das Recht zusteht, Kunstschätze der Welt zu nehmen und sie für immer verschwinden zu lassen,“ lautete die sehr ruhige Antwort.

Ich stand wie auf Nadeln bei diesem Gespräch – die kostbare Zeit verrann. Zu meiner Beruhigung trat Dagobert in das Fenster und sah einer Equipage nach, die vorüberrollte; Herr Claudius aber legte das Medaillon in den Kasten, schob ihn zu und gab mir die Münze zurück.

„Es thut mir herzlich leid, daß ich mein gegebenes Wort zurücknehmen muß,“ sagte er zu mir. „Allein beim Ankauf dieser Art Münzen möchte ich nicht behülflich sein – das Medaillon in Ihrer Hand ist unecht.“

Dagobert fuhr herum.

„Wer will die Münzen kaufen?“ fragte er

„Herr von Sassen.“

„Wie, Onkel, er findet die Münzen preiswürdig, und Du willst ihn corrigiren? … Verzeihe, das fuhr mir so heraus – es war nicht höflich!“ setzte er augenblicklich entschuldigend hinzu.

Herr Claudius lächelte leise. „Du hast eben nur meine Ansicht documentirt, nach welcher der Laie sehr wohl thut, mit seiner Weisheit still zu Hause zu bleiben. Einer Autorität gegenüber wird sein Urtheil stets eine Unbescheidenheit sein.“

Er schloß den Schrank, und ich verließ, ohne noch ein Wort zu verlieren, aber auch mit steifem Nacken, das Zimmer. Dagobert trat mit mir zugleich über die Schwelle der Salonthür.

„Unverschämt!“ murmelte er zwischen den Zähnen, doch so, daß ich’s hören konnte, und schritt wieder nach dem Zimmer seiner Schwester, während ich scheu und schweigend davonrannte.

Ja, eine Unverschämtheit war es meinem weltberühmten Vater gegenüber! … Ich lief wie gejagt durch die Gärten und stürmte in großer Aufregung die Treppe der Karolinenlust hinauf.

„Nun?“ fragte mein Vater in athemloser Spannung, als ich eintrat.

„Herr Claudius behauptet, die Münze sei unecht!“ rapportirte ich mit erstickender Stimme.

Der fremde Herr brach in ein unauslöschliches Gelächter aus – er schien sich gar nicht wieder beruhigen zu können. Mein Vater dagegen zuckte verächtlich die Achseln. „Krämerweisheit!“ stieß er hervor. „Mit solchen Leuten muß man sich eben nicht einlassen.“

Er griff nach seinem Hut, stülpte ihn auf das wirre Haar und reichte mir den Arm. „Gehen wir,“ sagte er resignirt.




20.

Im Geschwindschritt ging es durch die Gärten; mein Vater wußte schon nach wenig Augenblicken nicht mehr, daß ein ängstlich trippelndes kleines Mädchen an seinem Arme hing und auf den Zehenspitzen wie eine fortgewirbelte Schneeflocke neben ihm herflog. Er sprach unausgesetzt mit dem fremden Herrn, zu meinem Verdruß genau so unverständlich und in Fremdwörtern herumwühlend wie der alte Professor in der Haide.

Als wir quer den Hof durchschritten, scholl Helldorf’s prachtvolle Stimme herab, er sang allein. Mein Vater hemmte überrascht für einen Moment seinen Sturmschritt. Bis dahin hatte ich mich nie weiter in dem Hofe zu orientiren gesucht, er war mir zu kahl und nüchtern. Jetzt aber, wo wir uns direct nach dem Ausgangsthor wandten, das den linken Seitenflügel durchbrach, glitten meine Augen über das vor mir liegende Erdgeschoß des Hintergebäudes. An vier Fenstern, die sich nebeneinanderreihten, war je ein Flügel halb geöffnet; eine ganze Schaar junger Mädchen saß drinnen; die Brustwehr war sehr niedrig und ließ ununterbrochen geschäftige, flinke Hände sehen; an dem mir zunächstliegenden Fenster hielt eben eine Arbeiterin einen halbvollendeten Myrthenkranz prüfend an sich, ehe sie den nächsten Zweig einband.

Das war also die Hinterstube, mit welcher mir Charlotte schon am zweiten Tage meines Aufenthaltes einen heillosen Schrecken eingejagt hatte. Sie erschien mir durchaus nicht finster und abschreckend; Licht und Luft hatte sie vollauf, und die Mädchen sahen sehr sauber und wohlgekleidet aus. Alle diese blonden und dunklen Köpfe lauschten dem Gesange, keine Lippe regte sich. … Da sah ich, wie plötzlich ein jähes Aufschrecken durch die ganze Gesellschaft zuckte, sämmtliche Stirnen senkten sich tief auf die Arbeit, und das Mädchen mit dem Myrthenkranz schob leise und unmerklich mit dem Ellenbogen den Fensterflügel zu, während sich ihr erröthetes Gesicht nach der Tiefe des Zimmers drehte. … Eine Thür fiel drinnen heftig in das Schloß und gleich darauf hörte man den alten Buchhalter schelten.

„Welch ein Zugwind!“ rief er – seine sonore Stimme scholl um so kräftiger hinaus in den Hof, als der Gesang droben für einen Augenblick schwieg – „Ach so, man hat die Fenster geöffnet und horcht auf die Verlockung des Satans und legt dabei die Hände in den Schooß! … Ihr thörichten Jungfrauen, bei Euch wird es auch heißen: ‚Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euch nicht‘ … ‚Es ist besser hören das Schelten des Weisen, denn hören den Gesang des Narren.‘“

Während des letzten Bibelspruchs schlug er klirrend ein Fenster um das andere zu und rüttelte an ihnen, auf daß auch nicht der kleinste Spalt für die eindringenden Töne der Weltlust blieb. Er sah uns vorübergehen; aber seine Augen glitten stolz und abweisend an uns hin – er grüßte nicht.

Mein Vater schüttelte ironisch lächelnd den Kopf.

„Das ist auch so ein dictatorisches Päpstlein,“ sagte er zu dem Fremden, „einer jener Beschränkten, die sich zum Scandal breit machen dürfen mit ihrem leeren Kopf, weil die Reaction den Gedanken verfehmt. … Mit welch staunendem Hohne wohl die nächsten Jahrhunderte auf diese entstellenden und zärtlich gehätschelten Sonnenflecken unserer Zeit zurückblicken werden!“

Wie dauerten mich die armen jungen Geschöpfe in der Hinterstube! Ihnen waren auch die Flügel grausam verschnitten worden; in ihrer Seele hatten sie freilich keine Spur des „wilden Elementes“ mehr; dafür waren sie aber auch Gefangene ohne allen Willen. Sie duckten mäuschenstill die Köpfe und ließen es geschehen, daß man ihnen auch noch die frische Luft entzog, weil sie verbotene Klänge zu ihnen getragen hatte. … Und der unheimliche Morgensänger war es, der ihnen die Flügel stutzen und sie bewachen mußte. … O Herr Claudius, ich machte Ihnen ganz gewiß mehr Mühe! Ich konnte laufen wie ein Hase, und wenn ich hier nirgends ein rettendes Dach fand, unter das ich den Kopf stecken konnte, da ging es eines schönen Tages wieder dahin zurück, wo ich hergekommen. … Es mußte ja nicht gerade der Dierkhof sein, wo Ilse mich scheltend empfing – ich schlüpfte in die kleine Lehmhütte mit den flaschengrünen Fensterlein, da aß ich mit Heinz Buchweizengrütze und flog lachend mit meinen unbeschnittenen Flügeln über die Haide hin. …

Wir hatten das Haus in der Mauerstraße verlassen, und nun ging ich ja doch durch die häßliche, stauberfüllte Stadt, die ich nie wiedersehen wollte. Sie erschien mir nicht mehr so schrecklich, als da die sengende Mittagshitze über ihr brütete. Es hatte sich aber auch Manches verändert – meine Augen begegneten nicht einem einzigen spöttischen Blicke. Frauen gingen an uns vorüber, die mir wohlwollend und so freundlich forschend unter den Hut sahen, als mache es ihnen Freude, zu wissen, was für ein Gesicht auf dem kleinen trippelnden Menschenkinde im nagelneuen Galakleide säße. … Was mir aber plötzlich einen ganz besondern Halt, ja eine Art innern Schwunges gab, infolge dessen ich meinen Kopf um einige Linien höher zu tragen suchte, das war die Art und Weise, wie mein Vater gegrüßt wurde. Der eilig dahinrennende Mann mit der nachlässigen Haltung und dem wirrflatternden Haar war eine nichts weniger als imposante Erscheinung, und doch neigten sich Officiere und elegant gekleidete Herren tief und respectvoll vor ihm, und vornehme Damen, die in prächtigen Equipagen vorüberrollten, grüßten ihn, lebhaft mit der Hand winkend, als sei er ihr bevorzugter Freund. … Dieser große Respect galt einzig und allein dem berühmten Manne, der so ungeheuer viel Wissen in seinem Kopfe hatte – Alle beugten sich vor ihm, nur „der Krämer“ in der Mauerstraße nicht – der wußte ja Alles besser. …

Grollend dachte ich an die Scene vor dem Münzenschranke, und was mich am meisten ärgerte, das war der Eindruck, den ich selbst dabei empfangen. … Hatte der Mann doch wirklich dagestanden, als sei er mit einer überlegenen Macht ausgerüstet, als ruhe jedes seiner Worte auf so solidem Grunde wie sein altes Krämerhaus, und – abscheulich – selbst der glänzende Officier bei all seiner Eleganz und Schönheit war doch neben dem Manne im simplen schwarzen Rocke für einen Augenblick völlig in den Schatten getreten. … Welch eine Entpuppung! Das war „der [716] alte, stille Herr“, der mir am Hünengrab so völlig unwichtig vorgekommen, den ich gar nicht beachtet hatte. …

Wir mußten lange wandern, ehe wir das herzogliche Schloß erreichten. Ein Lakai eilte voraus, um uns zu melden, und während der Münzenverkäufer in einem Vorzimmer wartend zurückblieb, führte mich mein Vater durch Zimmer und Säle. Er fuhr sich noch einmal mit den Fingern durch das Haar, dann schob er mich leise über die Schwelle der Thür, die der heraustretende Lakai weit zurückschlug.

Da war ja der große Moment gekommen, gegen den sich das ungeschulte Kind der Haide im wohlbegründeten Instinct erfolglos gesträubt hatte – ich debütirte über die Maßen kläglich. Charlotte hatte mir gezeigt, wie ich mich verneigen müsse – du lieber Gott, da machte ja Spitz seine kleinen Künste besser, die ihm Heinz eingelernt hatte! Meine „quecksilbernen Sohlen“ blieben bleischwer an dem Fleck hängen, wohin mich mein Vater geschoben. Ich sah unter tiefgesenkten Lidern hervor nur ein Stück spiegelnden Parquets zu meinen Füßen und hörte das leise Rieseln eines seidenen Gewandes und sagte mir unter aufquellenden und wieder verschluckten Thränen des Grimmes gegen mich selbst, daß ich plump und einfältig dastehe, wie ein grobzugehauenes Götzenbild. … Da schlugen die lieblichen Laute einer sanften, glockenreinen Frauenstimme an mein Ohr – die Prinzessin begrüßte meinen Vater – und fast zugleich berührte ein zarter Finger mein Kinn und hob mein gesenktes Gesicht empor. Nun sah ich auf, und keine steinfunkelnde Krone blendete meine scheuen Augen – ich sah wundervolle, dicke, braune Locken ein zartrosiges Gesicht umwogen, und ein Paar glänzende Augen, so blau wie meine Lieblinge, die Haideschmetterlinge, lächelten auf mich nieder. Ich wußte, daß die Prinzessin nicht mehr jung sein konnte, sie war ja die Tante des regierenden Herzogs und eine Jugendgenossin meiner Mutter, und deshalb meinte ich, die hohe, schlanke Dame mit dem sammtenen Teint und den jugendlich weichen Linien des Profils sei gar nicht die Prinzessin Margarethe. Mein Vater belehrte mich eines Anderen.

„Hoheit überzeugen sich nun selbst, wie recht ich hatte, unumschränkte Nachsicht zu erbitten,“ sagte er – ein verhaltenes Lachen klang in seiner Stimme mit; „mein schüchternes Gänseblümchen hängt rathlos den Kopf –“

„Das wollen wir bald ändern,“ versetzte die Prinzessin lächelnd. „Ich verstehe mich auf den Verkehr mit solch kleinen, ängstlichen Mädchen. … Gehen Sie jetzt, lieber Doctor, der Herzog erwartet Sie. Auf Wiedersehen beim Thee.“

Mein Vater verließ das Zimmer, und ich stand nun, auf mich selbst angewiesen, inmitten der verfänglichen Atmosphäre des Hofes, auf seinem heißen Boden. Jetzt sah ich auch, daß die Prinzessin nicht allein war. Um einige Schritte hinter ihr stand ein hübsches, junges Mädchen – die Prinzessin nannte vorstellend unsere Namen, und so erfuhr ich, daß die Dame ein Hoffräulein sei und Constanze v. Wildenspring heiße. Ehe ich mich dessen versah, hatten mir die flinken Hände des Hoffräuleins Hut und Mantille abgenommen, und ich saß der Prinzessin gegenüber, während sich die junge Dame in der Nähe, hinter einem Fenstervorhang niederließ und eine Stickerei aufnahm.

Wie prächtig verstand es die fürstliche Frau, die Seele „des kleinen ängstlichen Mädchens“ aus dem Bann der Verzagtheit zu erlösen! Sie erzählte mir von dem öfteren Zusammensein mit meiner Mutter an dem engbefreundeten L.’schen Hofe, was das für eine glückliche, lustige Zeit gewesen sei, wie viel Talent und Wissen meine Mutter besessen, und was für wunderhübsche Verse sie gemacht habe. Dabei zeigte sie mir ein in rothen Maroquin gebundenes, dickes Buch – es enthielt Gedichte und ein Drama der Verstorbenen und war kurz vor ihrem Tode erschienen. Manchem anderen jungen Mädchen in meiner Lage würde es vielleicht als ein großes Glück gegolten haben, bei seinem ersten Auftreten am Hofe solch einen günstigen Hintergrund zu finden – ich empfind nichts dergleichen – mit einer Art von schmerzlicher Scheu sah ich auf das Buch; die Gebilde da drin waren ja schuld, daß meiner ersten Kindheit das Sonnenlicht der mütterlichen Liebe gefehlt hatte. Während die Dichterin in den lichten, luftigen Vorderzimmern die Gestalten ihrer Phantasie liebevoll gehegt und gepflegt, hatte die Seele ihres Kindes zwischen vier dumpfen Wänden hungern und darben müssen.

Vielleicht kam der Prinzessin eine Ahnung von diesem Vorgang in meinem Innern – ich hatte ihr ja gesagt, daß ich mich mit dem besten Willen auf das Gesicht meiner Mutter nicht besinnen könne. Unbemerkt lenkte sie das Gespräch auf meinen eigenen Lebensgang – da vergaß ich den letzten Rest von Befangenheit. Ich erzählte und ließ Heinz und Ilse und Mieke und die lustig schreienden Elstern im Eichenwipfel wohlgemuth durch das gefeite Prinzessinnenzimmer spazieren; auch die alte, einsame Föhre rasselte mit ihren Nadeln darein, und aus dem Torfsumpf stiegen die Wassergeister und schleppten die weißen Gewänder mit schwernassem Saum über die nachtstille Haide. Ich ließ auch den Schneesturm um das ächzende Dach des Dierkhofs brausen und saß neben Heinz auf der Ofenbank, während die bratenden Aepfel in der heißen Röhre zischten und spritzten. …

Manchmal fuhr das hübsche Hoffräuleingesicht wie erschrocken unter der Gardine hervor und starrte mich mit spöttischem Erstaunen an; allein das beirrte mich nicht – die großen Augen der Prinzessin strahlten ja immer heller auf und ruhten voll Innigkeit auf mir, sie hörte genau so aufmerksam, ich möchte sagen, athemlos zu, wie Heinz und Ilse, wenn ich auf dem Fleet die Märchenwunder vorlas.

Und von den Eidechsen, den Bienen und Ameisen erzählte ich – sie waren ja meine Spielgefährten gewesen, und ich kannte ihren Haushalt, ihr ganzes Thun und Treiben so vollkommen, wie die Hausordnung auf dem Dierkhof. Ich gestand, daß ich alle Thiere, selbst die kleinsten und häßlichsten, lieb gehabt, weil ja Odem in ihnen gewesen und mit dem schwachen Geräusch ihrer Stimmen und Bewegungen ein Hauch von Leben durch die tiefe Haideeinsamkeit gegangem sei. … Ich weiß nicht mehr, wie es kam, aber plötzlich reihte sich auch das große Hünenbett meiner Schilderung an – ich saß auf seinem Rücken, zwischen den gelben Ginsterblüthen, und sang, die Arme um die Kniee gelegt, in die unermeßliche Weite hinaus.

Die Prinzessin griff auf einmal nach meinen Händen, zog mich zu sich hinüber und küßte mich auf die Stirn.

„Ich möchte wohl wissen, wie die einsame Mädchenstimme in der Haide geklungen hat,“ sagte sie.

Wohl schauerte ich in mich zusammen vor Schreck und Scheu bei dem Gedanken, daß meine Stimme an diese vier Wände schlagen sollte; aber es war auch eine Art von Verzauberung über mich gekommen – hatte ich mich doch schon überwunden und einen Theil meines Kinderlebens ausgekramt. Ich nahm all’ meinen Muth zusammen und sang ein kleines Lied.

Einmal, mitten im Singen, fuhr ich zusammen – die grauen Hoffräuleinaugen glommen und schillerten so wunderlich unter dem Seidenbehang hervor; ich mußte unwillkürlich an die Hauskatze des Dierkhofs denken, wie sie den armen zwitschernden Vogel auf dem Ebereschenbaum grünfunkelnden Auges anstierte – ei, was lag mir denn an dem Mißfallen der kleinen Dame! Ich sang ja nicht für sie, deshalb sollte meine Stimme ganz gewiß nicht zittern – ich ließ sie voller anschwellen und sang muthig zu Ende.

(Fortsetzung folgt.)




Ein Abend am Rhein.

Seit einem Jahrhundert und länger noch haben Maler und Dichter die Schönheiten und den Zauber des Rheinthals geschildert und gepriesen, und in der That übt eine große Strecke desselben einen Zauber auf den Besucher, ja selbst auf den empfänglichen Anwohner aus, wie kaum ein anderer Landstrich unseres Vaterlandes. Großartigere Gegenden giebt es viele, höhere Berge, schroffere Felsen, wilderes Wasser, schönere Wälder, üppigere Fluren; kaum aber dürften sich anderswo alle die Reize der Landschaft, der durch Geschichte und Sage berühmten Oertlichkeit, einer eigenthümlichen Landescultur und selbst des Klimas so vereinigt finden, wie im Flußthal unseres deutschesten Stromes.

Von Mainz hinab bis Bonn bieten die Ufer, zwischen denen

[717]

Christian Böttcher.

der grüne Strom seine mächtige Wassermasse dahinwälzt, eine reiche Abwechselung von malerischen Ansichten in ununterbrochener Folge, freundliches lachendes Gelände, wie im Rheingau, dann schroffe Felsenschluchten und waldbekrönte Höhen, von deren Ausläufen Burgen und Burgruinen herabblicken, am Ufer alterthümliche Städtchen und Dörfer, von Obstgärten umgeben, dann das elegante Coblenz, von seinen gewaltigen Felsenvesten überragt; weiter der flache, von ferneren Höhenzügen umgebene Thalkessel um das anmuthige Neuwied, dann wieder, das abwechselnd bald engere, bald breitere Thal mit gelegentlichen Einsichten in die abzweigenden Seitenthäler und Schluchten, und endlich das von allen Seiten, von nahe und ferne immer ein vollkommenes Bild gebende Siebengebirge, eine Berggruppe von so harmonischer Form, wie sie außerhalb Italiens sich nicht wiederfindet.

Aber nicht nur diese allgemeine landschaftliche Schönheit ist es, welche dem Rheinthal seinen Reiz verleiht, man muß sich auf das Einzelne einlassen, um den ganzen Zauber zu empfinden. Man muß am Ufer wandern, um die Theile des großen Panoramas als abgeschlossene Bilder zu betrachten, man muß in die Seitenthäler eindringen, die theils von der Industrie belebt sind, theils enge und steile Wald- und Felsenschluchten bilden, wo nur das Rauschen des Baches, der Gesang der Vögel und vielleicht der Schrei des Hähers oder der Weihe die Stille unterbricht. Vor Allem muß man die alten Städtchen durchstreifen mit ihren altersbraunen wunderlichen Häusern, ihren verfallenden, von Weinreben überrankten Mauern, ihren oft prachtvollen alten Kirchen. Alles das redet und zeugt von alten Zeiten, erzählt Geschichte, erinnert an so manche Sage und hat einen unvergleichlichen Charakter der Heimlichkeit und Traulichkeit. Bei alledem aber herrscht auch ein lustiges Lebens darin, zwar ein Klein- und Stillleben, aber rege und rührig, umgänglich und leichtlebig; denn es wohnt da ein Volk, welches schon in der Wiege mit Wein getränkt wird und bei dem unter allen Lebensereignissen und Lebenslagen der edle Traubensaft seine erheiternde Wirkung ausübt, selbst wenn er nach schlechten Sommern nicht gerade edel ist.

Aber dieses echte rheinländische Volk und Leben darf man nicht mehr an der großen Straße des Stromes suchen. Da verkehrt der Fremde und zieht in Schaaren hinauf und herunter und an seiner Straße wird Alles umgewandelt und erneut. Da werden die alten Stadtmauern und die alten wackeligen Giebelhäuser niedergerissen und weiße Gasthöfe erstehen an ihrer Stelle, da werden die Ruinen wieder ausgebaut und verputzt, da ersetzen elegante Veranden und Balcons die alten traulichen Weinlauben und der Hôtelverkehr mit allen seinen Comforts und neuesten [718] Raffinements ist an die Stelle der gemüthlichen Kneipe getreten. Da hat die poetische Romantik des Rheinlandes längst ein Ende gefunden; was von ihr geblieben, ist nur noch eine falsche Maske, und wer dort den Rhein unserer Dichter und Maler von vor fünfundzwanzig oder dreißig Jahren suchen wollte, würde sich sehr enttäuscht finden.

Jenes alte romantische gemüthliche Leben am Rhein, wovon so viele Lieder singen, festzuhalten, hat sich der Maler unseres heutigen Bildes, Christian Böttcher, als Hauptaufgabe seiner Kunst gestellt. Den Lesern der Gartenlaube ist Böttcher ein alter wohlbekannter Freund; denn Sie haben bereits im Jahre 1861 eingehende Mittheilungen über den Lebensgang dieses bedeutenden Künstlers veröffentlicht und auch sonst wiederholt hervorragende Bilder von ihm zur Anschauung gebracht. Wenn Böttcher, dessen wohlgetroffenes Portrait diesen Zeilen beigegeben ist, auch vielfach andere Stoffe behandelt hat, so kehrt er in seinen bedeutendsten Werken immer wieder zu rheinischem Lande und rheinischem Leben zurück; wir brauchen nur an sein Bild zu erinnern, wo das lustige Volk von Malern und Studenten vor dem Wirthshause hoch oben über dem kleinen Städtchen in der Weinlaube zecht, wo auf Treppe und Vorplatz Land- und Stadtvolk verkehrt und den Pfad von der Stadt herauf der unvermeidliche Tourist auf dem gemietheten Esel mit dem Treiberjungen herangezogen kommt, – oder an das treffliche Nachtbild, wo eine Gesellschaft junger Männer und Frauen im Mond- und Kerzenlichte um die Maiweinbowle versammelt ist, während die Stammgäste der Kneipe theils politisirend am Tische sitzen, theils schon den Weg nach dem Städtchen hinab einschlagen, über welchem hin der Blick auf den breiten Spiegel des Rheins fällt, den der Mondschein in Silber verwandelt, – oder jenes, wo dem wandermüden ferienreisenden Studenten, der behaglich in der Laube angesichts der herrlichen Fernsicht ausruht, das allerliebste Wirthsmädchen die willkommene Flasche bringt.

In dem gegenwärtigen Bilde führt uns Böttcher in das Innere einer kleinen Rheinstadt, auf den Markt. Einen solchen Marktplatz freilich, wie ihn der Künstler vor Augen stellt, dürfte man kaum mehr finden, auch in dem verschollensten Rheinstädtchen nicht, aber es gab einst dergleichen und alle diese alterthümlichen Baulichkeiten, die Giebelhäuser, das gothische Rathhaus, der Marktbrunnen mit dem Kaiserstandbilde sind oder waren vorhanden, wenn auch nicht auf so engem Raume zusammengestellt. Im Uebrigen ist das Bild aber ganz aus der Wirklichkeit und Gegenwart. Es ist Abend, die Sonne steht schon tief, der Marktplatz liegt im Schatten und da sammelt sich um den Brunnen Alles, was da zu schaffen und auch nicht zu schaffen hat. Weiber und Mädchen füllen ihre Krüge und Kannen, Vorübergehende, Nachbarn treten hinzu, Gespräch entspinnt sich. Der stramme Jäger, welcher mit Hasen und Hühnern heimkehrt, plaudert mit den beiden hübschen Mädchen; die kleine Blonde, welche sich auf die Schulter der dunkeln Freundin lehnt, ist nicht ohne naive Koketterie. Geschäftiger läßt sich eine kräftige Magd den gefüllten Zuber auf den Kopf heben, eine Andere trägt in schlanker Bewegung die schweren Holzkannen fort. Da ist der Leinführer, welcher seine ermüdeten Pferde tränkt, schwatzende Lehrjungen und sonst noch müßige oder geschäftige Personen.

Das Alles gruppirt sich um das Becken des Brunnens, aber rings umher ist noch eine ganze Menge von Gruppen und Personen. Vom Rheine kommt der Fischer, die gefangenen Salmen in der Hand, die Ruder auf der Schulter, begleitet von seinem Knaben und dem Haushündchen, welches ihm entgegengelaufen. Vor dem Hause an der Ecke mit dem Kramlädchen sitzt die Großmutter mit dem Enkel, emsig Aepfelschnitzel schneidend; der Junge sitzt, an die Hauswand gelehnt, das eingeschlafene Kleinste zwischen seinen Beinen wahrend, während er seine Lection lernt, und das halberwachsene älteste Mädchen steht auf der Schwelle des Hauses und bereitet ein Körbchen voll Früchte und Trauben zum Verkaufe an die zu erwartenden Fremden, denn fern durch die Straße hinab sieht man die Landestelle des Dampfschiffes, welches eben angekommen ist und auch hieher eine Anzahl von Touristen abliefern wird. Ein kräftiges Winzermädchen trägt einen Korb Trauben die Straße hinab dem Schiffe zu. Rechts in der Ecke des Marktes vor dem Wirthshause sitzt im Abendsonnenscheine eine kleine Gesellschaft beim Schoppen, auch der Maler des Bildes ist darunter und einige seiner guten Freunde. Durch die Gasse hinab aber und über den Rhein fällt unser Blick auf die Rüdesheimer Weinberge und die Ruine der Burg Ehrenfels, und so dürften wir etwa auf dem Marktplatze von Bingen uns befinden, auf welchen auch einige der Baulichkeiten deuten, aber allerdings in einer durch die Phantasie des Künstlers etwas umgestalteten Welt.

Der Maler soll die Natur nicht blos „abschreiben“, er soll sie in ihrer charakteristischen und schönsten Gestalt erfassen, poetisch gestalten und so uns wiedergeben, er soll die Poesie seines eigenen Gemüthes in die gegebenen Stoffe hineinlegen, dann sehen wir mit ihm, was er zuerst mit schärferem Auge und wärmerer Empfindung gesehen hat. In solcher Weise schafft Böttcher seine Genrebilder. Er bildet die Natur nach, aber er sieht in derselben vor Allem das Anmuthige und Schöne; man wird ihm nicht nachweisen können, daß er seine Figuren idealisire, über ihre nothwendigen und gegebenen Bedingungen hinaushebe; die Schönheit der Darstellung liegt in der Wahl des Stoffes, der Gegenstände, der Charaktere, in ihrer Zusammenstellung und Beziehung zu einander. Trefflich durchgeführt im Einzelnen, wie alle seine Werke, ist dieses neueste größere Werk des Meisters auch in der Farbe und Haltung trefflich, von vollkommener einheitlicher und klarer Wirkung.

In allen den zahlreichen Werken Böttcher’s spricht sich immer ein großer Schönheitssinn aus, ein Sinn für das Anmuthige und Edle der Erscheinung, er ist nie trivial, wenn auch manchmal humoristisch und spaßhaft in der Wahl seiner Gegenstände. Von seinen größeren Werken sind außer den schon oben angeführten noch zu nennen: „Eine Heuernte“, „Ein Abend im Schwarzwalde“ und die „Heimkehr vom Schulfeste“; seine kleineren Bilder aus dem engeren Kreise des Familienlebens und besonders aus dem Kinderleben sind sehr zahlreich; besonders glücklich ist Böttcher in der bald anmuthigen, bald schalkhaften Darstellung der Kinder und ihres Treibens und Wesens, wie denn den Lesern der Gartenlaube seine reizende Zeichnung „Schlage ’mal her“ gewiß noch in guter Erinnerung ist; ein guter Beobachter des Charakteristischen der Erscheinung ist Böttcher auch ein trefflicher Bildnißmaler und hat sich häufig als solcher bewährt.
Hermann Becker.




Ein Kaiser-Gefängniß.
Von Theodor Fontane.


Ich kam von Frankreich; Metz und Straßburg lagen als letzte Stationen hinter mir. Nach sechs Wochen Fremde hat man es meist eilig, wieder daheim zu sein! Es erging mir auch in der That nicht anders wie Andern; aber, eilig oder nicht, ich wollte die Strecke zwischen Rhein und Spree nicht durchfliegen, ohne an der Fulda flüchtig Rast genommen und Wilhelmshöhe besucht zu haben. Natürlich nur um seines letzten Gastes, um Louis Napoleon’s willen. Ueberall, wohin ich gekommen war, war ich der Erinnerung an irgend eine Phase seines romanhaften, aventurenreichen Lebens begegnet; in Ham, in Straßburg, in St. Denis und Dieppe, vor Allem in Sedan hatten seine Thaten zu mir gesprochen; ich wollte nun auch die Stätte sehen, die das Facit war, das schließlich Gott und Geschichte aus dieser complicirten Lebensrechnung, aus diesem Chaos von Addition und Subtraction, gezogen hatten. Viele begnügen sich mit dem einfachen Regula de Tri-Ansatz: ein Teufel macht eine Hölle, wie viel Höllen macht Napoleon der Dritte? Aber dieser Regula de Tri-Ansatz ist mir doch zu einfach.

An einem schönen Maimorgen – das Pfingstfest dämmerte schon – fuhr ich denn also in Kassel ein, um daselbst einen Tages-Aufenthalt zu nehmen. Ich that es, wie schon Eingangs hervorgehoben, um „Wilhelmshöhe“ willen; aber wenn neun Zehntel meines Interesses somit auf dieses letztere fielen, so entfiel das letzte Zehntel doch gut und gern auf Kassel selbst, das ich noch nicht kannte. Es giebt Städte, die einem nun einmal, bis zu [719] äußersten Terminen hin, verschlossen bleiben, und zu diesen Städten (neben Braunschweig und Hannover) hatte durch zwanzig Jahre hin, wo ich fast jahraus jahrein an ihnen vorüberflog, auch Kassel gehört. Ich war also, indem ich Wilhelmshöhe besuchte, zugleich in der angenehmen Lage, eine alte Schuld gegen die weiland kurhessische Hauptstadt abtragen zu können.

Im Großen und Ganzen – alle Kasselaner mögen es mir verzeihen – hat mich ihre vielgerühmte Haupt- und Residenzstadt enttäuscht, was eine Bewunderung im Einzelnen, wie dieses kurze Capitel zur Genüge erweisen wird, nicht im Geringsten ausschließt. Ich werde meine Gegner, die mich nach diesem Ausspruch zunächst im Verdacht des Borussismus und der Berlinerei haben werden, am besten dadurch entwaffnen, daß ich ihnen erkläre: Kassel gehört unter die Potsdame der Weltgeschichte. Das Wesen dieser Potsdame – wobei ich Potsdam als alten überkommenen Begriff, nicht als etwas tatsächlich noch Vorhandenes fasse – das Wesen dieser Potsdame, sage ich, besteht in einer unheilvollen Verquickung oder auch Nichtverquickung von Absolutismus, Militarismus und Spießbürgerthum. Ein Zug von Unfreiheit, von Gemachtem und Geschraubtem, namentlich auch von künstlich Hinaufgeschraubtem, geht durch das Ganze und bedrückt jede Seele, die mehr das Bedürfniß hat, frei aufzuathmen, als Front zu machen. Front zu machen. Ja, dies ist das Eigentlichste! Ein gewisses Drängen herrscht in diesen der Zeit Louis des Vierzehnten entsprungenen oder nach ihr gemodelten Städten vor, in die erste Reihe zu kommen, gesehen, vielleicht gegrüßt zu werden, Hoch und Niedrig nehmen gleichmäßig daran Theil und bringen sich dadurch, während der Hochmuth wächst, mit um das Beste, was der Mensch hat: das Gefühl seiner selbst. Es kann keinen wärmeren Lobsprecher des richtig aufgefaßten „Ich dien’“ geben, als mich; es ist ein Charaktervorzug, gehorchen zu können, und ein Herzensvorzug, loyal zu sein, aber man muß zu dienen und zu gehorchen wissen in Freiheit. Man hat von den Berlinern gesagt, sie hätten alle „einen kleinen Alten Fritz im Leibe“ – beiläufig das Schmeichelhafteste, was je über sie gesagt worden ist –; so kann man von vielen Klein-Residenzlern sagen: sie tragen den Hofmarschall v. Kalb irgendwie oder irgendwo mit sich herum.

So viel über die Menschen. Aber es bleibt nicht bei diesen. Wie immer, so modelt sich auch hier die Schale nach dem Kern, der Geist schafft sich den entsprechenden Leib; die Wohnung, die Architektur der Stadt empfängt ihren Stempel nach dem, was darin zu Hause ist. Alles freie, individuelle Schaffen und Gestalten hört auf; die fürstliche Laune, der sich der Hofbaumeister bequemt, läßt überall Straßen für pensionirte Kammerdiener, im günstigsten Falle Schnörkelvillen für alte (oder auch für junge) Hofdamen entstehen, und so erwächst denn jenes steife, parademäßige, mitunter hypersplendide, meist aber kärglich abgeknapste Bauwesen, das langweilt, halb trübselig, halb komisch stimmt und die recht eigentliche Kehrseite bildet von den Giebelhäusern, den „Rolands“, den Gürzenichs, den Werften und Schiffen der freien Städte.

Es ist kein Zweifel, daß sich Kassel mehr und mehr in die Danzige und Lübecks hinein- und aus den Potsdams herauswachsen wird. Die Anfänge dazu sind unverkennbar gemacht. Je mehr dies geschieht, desto schöner wird die Stadt werden, für welche die Natur so viel gethan.

Wie viel sie gethan, dessen wird man am besten ansichtig vom Au-Thor und der Bellevuestraße aus, von deren terrassenförmiger Höhe man eine prächtig-schön zu Füßen gelegene Wiesen-Insel überblickt. An dieser Stelle concentrirt sich die Schönheit der Stadt. Den Blick drüben auf die abschließenden Berge richtend, hat man den Au-Park tief unten vor sich, den Friedrichs-Platz in gleicher Höhe mit dem Stadt-Plateau hinter sich. Park wie Platz haben einen Ueberfluß von Palästen, die herzuzählen bei ihrem auch architektonischen Reponirtsein nicht mehr verlohnen würde. Was hat die Welt davon, die Façade der Fürstin von Hanau, will sagen ihres Palastes noch fernerhin beschrieben zu sehen?

Habeat sibi!

Aber in eines dieser Schlösser, unten im Au-Park, in ein halb verschlossenes, überall angebröckeltes Rococo-Pavillon-Schloß, in dieses führ’ ich die Leser dennoch, unbekümmert darum, ob sie es kennen oder nicht, – in das vielberühmte Marmorbad, jene Schöpfung Peter Monnot’s (geboren 1658 zu Besançon, gestorben 1733 zu Rom), die architektonisch eine Null ist, aber ihrem Sculpturen-Inhalt nach zu dem Entzückendsten zählt, das man sehen kann. Von Allem, dem ich in Nord-Europa begegnet bin, geht nur das Kopenhagener „Thorwaldsen-Museum“ durch Fülle, Adel und Reinheit der Erscheinung darüber hinaus. An Grazie, Heiterkeit und technischer Vollendung muß es sich damit begnügen, diesem Marmorbade ebenbürtig zu sein. Je mehr ich davon ausgehen darf, daß ich über allgemein Bekanntes spreche, daß Bacchus und Bacchantin, Apoll und Minerva – der großen Reliefs zu geschweigen, die ganz nach Art historischer Bilder wirken – längst zu den Sinnen der Mehrzahl meiner Leser gesprochen haben, desto mehr kann ich mich darauf beschränken, hier ein Urtheil oder, wenn dies zu viel gesagt ist, ein Sentiment abzugeben.

Diese Dinge sind und bleiben allerersten Ranges. Es hilft nichts, von philiströs vorgefaßten Standpunkten, will sagen, von der eitlen Annahme aus, daß der jeweilig herrschende Geschmack der einzig richtige, der aufgeklärte, der keusche, der geläuterte sei, ich sage, es hilft nichts, von solchen vorgefaßten Standpunkten aus diese Dinge blos bedingungsweis, blos mit Vorbehalt oder wohl gar mit einem herablassenden „i, nun ja“ anerkennen zu wollen. Sie sind, wie sie da sind, ersten Ranges, und keine Cliquerei und Schulfuchserei wird sie um ihren vollen und ganzen Ruhm bringen können. Die Welt hat auch nach dieser Seite hin die Phrasen satt und läßt sich mit „Reinheit des Stils“, worunter zuletzt der Eine dies, der Andere das versteht, nicht länger gängeln. Je selbstständiger das künstlerische Empfinden wird, je mehr der Einzelne den Muth ausbildet, individuelle Ansprüche zu erheben und, unbekümmert um das Fühlen eines Zweiten oder Dritten, sein Fühlen, seine Hinneigungen, ja selbst seine Launen (denn auch die wurzeln in seinem Innersten) zu befragen, je mehr wir die infallible Dogmenwirthschaft auch in der Kunst los werden, desto höher werden diese Monnot’schen Arbeiten wieder steigen, denn es giebt berechtigte Tausende, die gerade dies sehen wollen und denen man seither mit der spießbürgerlichen Versicherung, „es sei nicht keusch genug“ oder „es widerspreche dem Marmor“, einfach einen Theil ihrer Freude verdorben hat.




Der Nachmittag blieb mir für Wilhelmshöhe. Ich benutzte die Eisenbahn, die hier eine Station hat, und stand bald nach drei Uhr in jener Avenue, die zu dem berühmten Kurfürstenschlosse hinaufführt. War je ein Ruhm verdient, so ist es dieser; es ist Alles ersten Ranges. Man versteht hier völlig den scherzhaften Ausspruch eines hohen Herrn, der, hier auf der Terrasse stehend, in gewohnter guter Laune seinem kurfürstlichen Vetter proponirte: „Gieb mir Wilhelmshöhe und ich baue Dir ein Serail am goldenen Horn.“ Er lehnte ab. Weder der, der diese Worte sprach, noch der, an den sie gerichtet waren, hatte eine Ahnung davon, daß ein Wechsel der Herrschaft und zwar ohne Aequivalent, so nah in der Zeiten Schooße lag.

Dieser Wechsel der Herrschaft hat sich vollzogen, aber – eine einzige kleine Stelle abgerechnet – ist nichts da, woran sich dieser Wechsel erkennen ließe. Diese einzige kleine Stelle ist das Portierhaus unter am Park. Hier, von der Mehrzahl kommenden und gehenden Besuches sicherlich übersehen, befindet sich, hart an der Ecke des Hauses, zwei Hand breit unter dem Dache, jene bekannte weiße Tafel, auf der es heißt: „Schloß Wilhelmshöhe, Landkreis Kassel, Regierungsbezirk Kassel, 1. Bataillon 1. hessischen Landwehr-Regiments Nr. 81“. Ach, wo diese Tafeln stehen, da ist Kattenthum und Welfenthum von den Tafeln der Geschichte gewischt, und wer in der Geschichte mehr sieht als einen Witz des Zufalls, dem steht es fest: sie sind getilgt auf Nimmerwiederkehr.

Ich stieg nun links die Biegung des Weges hinan, meldete mich in einem Parterrezimmer des Schlosses beim Castellan und sah alsbald eine hübsche junge Dame, groß, mit tiefdunklen Augen, erscheinen, die mir ihre Bereitwilligkeit erklärte, mich durch die „Napoleon-Zimmer“ des Schlosses zu führen. Ich bemerke dabei gleich hier, daß die vertrauensvolle Unbefangenheit, mit der die junge Dame mir ihre Führerdienste zur Verfügung stellte, noch dazu in Räumen, die doch weder durch die alten Kurfürsten, noch durch Jerome, noch durch Napoleon den Dritten zu einem Vestatempel gestempelt sein konnten, im ersten Moment etwas geradezu Beschämendes für mich hatte, bis ich später durch ein dann und [720] wann sich wiederholendes Klappern von Eimern und Stehleitern, das von den Corridoren bis in die Zimmer hereindrang, zu meiner Beruhigung die Wahrnehmung machte, daß das Gefühl unbedingter Sicherheit weniger aus meiner Erscheinung als aus dem Vorhandensein einer unsichtbaren, aber gewiß sehr energischen Hülfs-Truppe hergeleitet war.

Die Napoleon-Zimmer, so lange wir darunter lediglich die von dem Kaiser selbst bewohnten Räume verstehen, befanden sich im ersten Stock. Wir schritten diesem zu.

Der erste Stock besteht aus neun Frontzimmern und zwar aus einem Tanzsaal in der Mitte, an den sich nach jeder Seite hin vier Zimmer anlehnen. Der Tanzsaal war während des Napoleonsemesters vom September bis März begreiflicherweise etwas sehr Nebensächliches; es fehlte nicht blos an Stimmung zum Tanzen, sondern auch an Damen; außer der Prinzessin Murat und der Herzogin von Hamilton (die mir genannt wurden, ich lasse dahin gestellt sein, ob mit Recht) war der Hof des kaiserlichen Gefangenen damenlos. Es verblieben also dem Gefangenen in der von ihm eingenommenen Etage acht Zimmer, die er auch sämmtlich bewohnte, aber in zwei Abschnitten. Vom September bis December diente ihm die Links-Hälfte zum Aufenthalt; als aber der ungewöhnlich strenge Winter ein Erheizen dieser Links-Hälfte immer schwieriger machte, gab er sie auf und zog in die etwas wärmer gelegene Rechts-Hälfte hinüber. Eine Beschreibung dieser beiden Hälften wird glücklicherweise dadurch wieder vereinfacht, daß die Einrichtung beider so ziemlich dieselbe ist. Auf die Farbenabstufung der Zimmer in Tapeten und Möbeln verlohnt es sich nicht, hier näher einzugehen; alle Schlösser weisen Aehnliches auf.

Die Links- wie die Rechts-Hälfte bestand aus je einem Empfangs-, Wohn-, Schreib- und Schlafzimmer.

Nehmen wir die Links-Hälfte zuerst. Ihr Ruhm, weil sie später durch die Rechts-Hälfte, die dann bis zuletzt aushielt, abgelöst wurde, ist schon wieder verblaßt. Es ist nichts Gegenständliches da, das die Erinnerung festhielte. Selbst das mit Geschmack eingerichtete Schlafzimmer empfängt das beste Theil seines Interesses daraus, daß ein unmittelbar daran stoßendes, schon im Flügel des Schloßgebäudes gelegenes Hintercabinet der Kaiserin Eugenie bei ihrem nur eine Nacht andauernden Besuch in Wilhelmshöhe als Schlaf- und Toilettenzimmer diente. Sie schlief unter einer mit den hessischen Löwen gestickten Atlasdecke; was aber die schöne, unglückliche Frau (Einige, zu deren Gesinnungskraft ich mich nicht aufraffen kann, nennen sie nur das „spanische Weib“) noch viel verwundersamer als jene hessischen Löwen berühren mußte, das waren die Portraits Ludwig’s des Fünfzehnten und seiner Gemahlin zu Häupten und zu Füßen ihres Bettes. Louis der Fünfzehnte trug den Krönungsmantel mit den Lilien. Der Lilienmantel fiel, wie nun der Mantel mit den goldenen Bienen gefallen war.

Etwa Anfang oder Mitte December, wie schon erwähnt, zog Louis Napoleon in die Rechts-Hälfte hinüber. Er fand hier nicht nur mehr Wärme, er fand auch eine gesteigerte Eleganz. Die Wände, zum Theil wenigstens, sind Atlaswände. Im Wohnzimmer zeigt noch die Kamineinrichtung (in der ganzen Vollständigkeit englischen Comforts), daß hier vor Kurzem gewohnt wurde. Vom Wohnzimmer aus treten wir in das Arbeitszimmer ein. Seidengestickte Fauteuils stehen umher, am Schreibtisch ein Stuhl von purpurfarbenem Plüsch. Alles reich, elegant. Das unsere Aufmerksamkeit am meisten in Anspruch nehmende Möbel ist der Schreib- und Arbeitstisch des Kaisers. Er macht den Eindruck einer bequemen Fülle, zugleich einer gewissen Gemüthlichkeit, da Alles, was da ist, weder nach Zahl noch Werth der Gegenstände irgendwelche Uebertreibung übt. Leuchter und Schalen, Vasen und Flacons, Tintenfässer und Tintenwischer (diese in komischen Figuren) stehen umher; ein eingebrannter Fleck zeigt die Stelle, wohin er gewohnt war die brennende Cigarre zu legen; das Reizendste aber sind die Briefbeschwerer, insonderheit ein Amor, der den Bogen auf dem Rücken trägt und, beide Arme unterschlagend, jedem Herantretenden zu sagen scheint: ich habe meinen Dienst eingestellt. Wie Eugeniens Auge (Frauen sehen Alles) auf diesem Amor geruht haben mag? Gläubig oder zweifelvoll, gehoben oder bedrückt?!

Neben dem Arbeitszimmer das Schlafcabinet. Es ist viel reicher und prächtiger als das Schlafzimmer der linken Hälfte. Natürlich. Denn es war dies das Schlafzimmer der Fürstin von Hanau. In solchem Zimmer ist das Bett natürlich die Hauptsache. Auch hier eine Decke von weißem Atlas, aber statt mit langweiligen Wappenlöwen, mit Füllhörnern überstrickt, aus deren weiten Oeffnungen Alles, was Farbe und Duft hat, in einem Blüthenregen niederfällt. Eine Lyoneser Stickerei. Unter dieser Prachtschöpfung französischen Geschmacks schlief der französische Kaiser. Wenn er erwachte, fiel sein Auge nach links hin auf einen kronengeschmückten Ofenschirm, während zu seinen Füßen zwei alabasterne Bacchantinnen ihn grüßten. Was traf ihn tiefer?

Aus dem Bettzimmer in das Betzimmer. Es befand sich parterre neben dem, dem Tanzsaale des ersten Stockes entsprechenden Speisesaale. Die Einrichtung dieses Betzimmers war die einfachste von der Welt: ein großer auf goldenen Füßen ruhender Tisch, dessen Marmorplatte zu einem Altar hergerichtet zu werden pflegte.

Im Schlosse bleiben nur noch die Räume für die Ordonnanzen und Dienerschaften. Hier befinden sich die vielbesprochenen Erinnerungen an die Jerome-Zeit: große napoleonische Familienportraits, deren Schicksale von Anfang an so wundersam waren, daß ihrer an dieser Stelle gedacht sein mag. Es mochte im zweiten oder dritten Jahre seiner Regierung, also etwa 1809 oder 1810, sein, als Jerome den Plan faßte, Wilhelmshöhe mit einem napoleonischen Ahnen- und Familiensaale zu schmücken. Er befahl zunächst sein eignes Bild im Krönungsornat zu fertigen; daran sollten sich dann die Bildnisse seiner Brüder (voran der Kaiser), zuletzt auch die Bildnisse der vielgeliebten Reine Hortense und ihres „Lulu“, des spätern Louis Napoleon, reihen. Der Befehl erging natürlich nach Paris und die Paletten junger und alter Künstler erhielten zu thun. Aber alle Bemühungen reichten doch nicht so weit, daß nicht die Hast der Ereignisse die Hast des Schaffens überholt hätte, und als endlich in einer mächtigen Kiste König Jerome im Krönungsmantel eintraf, war der Krönungsmantel schon wieder von seiner Schulter gefallen. Wilhelmshöhe war wieder kurfürstlich geworden, und die Kisten, die unliebsame Erinnerungen weckten, wurden einfach in den Keller gestellt. Dort standen sie dreiundfünfzig Jahre. Erst 1866, als das kurfürstliche Hessen unter die Pickelhaube gekommen war, wurden die halbvergessenen Kisten neu entdeckt und ihre Bilderschätze an’s Licht gezogen. Es lag für die neue Herrschaft kein pressanter Grund vor, ihnen die Existenz, das Recht des Daseins nach so vielen Prüfungen noch länger vorzuenthalten, und so wurden denn verschiedene Zimmer des zweiten Stocks zu einer Art Erinnerungsgalerie an die Jerome-Zeit auserkoren. In diesen Zimmern befanden sich die napoleonischen Familienportraits noch, als der Kaiser am 4. September in Wilhelmshöhe eintraf. Seine Adjutanten erhielten ihre Wohnungen in speciell diesen Räumen angewiesen. Doch scheint es (wenn ich recht verstanden habe), daß eben diese Bilder noch während der Anwesenheit des Kaisers auf Wilhelmshöhe aus den betreffenden Zimmern entfernt und, nach kurzem Dasein in der Welt des Lichts, in ihre alte Kistenbehausung zurückbefördert worden sind.

So viel über die Kaiserzimmer auf Wilhelmshöhe; ich war bemüht, auch über das Leben, das der Kaiser in diesen Zimmern führte, das Eine oder das Andere in Erfahrung zu bringen. Ich hörte auch dies und das, aber es tröpfelte nur. Ich gebe dies Wenige.

Er war zu guter Stunde auf, hatte um Elf sein Dejeuner, um Fünf oder Sechs sein Diner. Sein Hofstaat, wenn man von einem solchen sprechen darf, bestand nur aus wenigen Personen, aus dem General Pajol, dem General Castelnau, dem Prinzen Murat etc. Wie aus dem inzwischen erschienenen Büchelchen des Prinzen Napoleon (gegen Trochu) bekannt geworden ist, erbot sich auch dieser, von Florenz aus, die Gefangenschaft auf Wilhelmshöhe mit dem „Haupte der Familie“ zu theilen. Der Kaiser lehnte dies Anerbieten aber dankend ab. Das Leben auf Wilhelmshöhe, wie es in einem engsten Cirkel sich bewegte (die Zeiten der „ersten, zweiten und dritten Serie“ waren vorüber), war auch zugleich ein sehr zurückgezogenes, sich absolut auf Schloß und Park beschränkendes. Der Kaiser ging, ritt, fuhr; – dies erhielt ihn körperlich frisch; an schlechtesten Tagen mußte die Billardtafel aushelfen. Im Uebrigen aß er, las und schrieb er; seine alten literarischen Gewohnheiten traten sofort wieder in den Vordergrund. Man darf füglich sagen, er hatte zu allen Zeilen etwas von einem vornehmen, eigene Wege gehenden, still-ehrgeizigen Publicisten und kehrte, wenn der Wandel der Geschicke es erheischte, jedesmal mit einer gewissen Vorliebe zu seinem eigentlichen „Rübenfeld“ [721] zurück. Es ist möglich, daß ich mich irre, aber ich habe diesen Eindruck. Ein gewisses „Müdesein der Macht“ scheint neben all seinen Machtbestrebungen wie ein Schatten herzugehen. Eine spätere Zeit wird Aufschluß über die Gesammtheit seiner politisch-literarischen Thätigkeit während der Tage auf Wilhelmshöhe, ganz besonders über seine Correspondenz innerhalb des genannten Zeitabschnittes geben; bis zu dieser Stunde ist nur Einzelnes davon in die Oeffentlichkeit gedrungen: Erstens ein Brief, datirt Wilhelmshöhe, 26. September, den er nach Abbruch der Verhandlungen zwischen Graf Bismarck und Jules Favre, mit der Mahnung, Versöhnlichkeit walten zu lassen, in das Preußische Hauptquartier schickte. Die Echtheit dieses Briefes ist nicht bestritten worden, sonst würde ich, seinem Inhalte nach, dieselbe bezweifeln. Zweitens eine Proclamation an das französische Volk, datirt Wilhelmshöhe, 4. Februar, worin er sich, bevor nicht eine neue Volksabstimmung stattgefunden, als den wahrhaften Repräsentanten der Nation proclamirt; endlich drittens eine über die preußische Wehrverfassung abgefaßte Brochüre (Wilhelmshöhe im Februar 1871) die den Titel führt: „Note sur l’organisation militaire de la confédération de l’Allemagne du Nord.“ Er tritt in dieser höchst interessanten Schrift ganz für die Preußische Wehrverfassung ein, von der er an einer Stelle die höchst beherzigenswerthen Worte sagt: „Die Armee in Preußen ist eine Schule, in der ein Jeder, der Reihe nach, das Kriegshandwerk lernt und in dem Gefühl der Pflicht erstarkt. Der junge Mann, der zu den Fahnen einberufen ist, lernt nicht nur exerciren, man lehrt ihn auch die Treue zum König, die Ergebenheit für das Vaterland. Eine Armee, die nicht aus Söldnern, sondern aus der Elite der Nation besteht und auf dem Princip der Autorität beruht, das mit den Rechten des Bürgers nicht im Widerspruch steht, eine solche Armee ist der Schutz für die Festigkeit eines Staates.“

Besuche trafen nicht eben zahlreich in Schloß Wilhelmshöhe ein; der immerhin erschwerte Verkehr, vielleicht auch der ausgesprochene Wunsch des Kaisers, der sich von der Mehrzahl dieser Besuche wenig versprechen mochte, hielten davon ab. Das einzige große Besuchsereigniß war das schon erwähnte Eintreffen der Kaiserin. Sie blieb nur vierundzwanzig Stunden. Was zu dieser Reise führte (die Capitulationsfrage von Metz war wohl die erste Veranlassung gewesen), ist noch nicht aufgeklärt.

Ein einziges Mal während einer Zeit von mehr als sechs Monaten verließ der Kaiser die unmittelbare Umgebung des Schlosses und fuhr nach Kassel, um einer Theatervorstellung beizuwohnen. Es war ersichtlich, daß er es aus Courtoisie gegen eine Bevölkerung that, innerhalb welcher er sechs Monate lang ein unfreiwilliger Gast gewesen war und deren verzeihliche Neugier er wenigstens einmal glaubte befriedigen zu müssen, – um so mehr als man sich, bei gelegentlichen Begegnungen in Wilhelmshöhe selbst, jederzeit rücksichtsvoll gegen ihn benommen hatte. Nur ein einziger Ausnahmefall ist festgestellt: ein siebenzehnjähriger Heißsporn hatte sich eingefunden, um als zurückgebliebener Oberquartaner, aber fortgeschrittener Patriot „Deutschland von seiner Geißel zu befreien“. Dieser Brave war aber kein Kasselaner, sondern natürlich ein Berliner.

Am 19. März, nach einer Gefangenschaft von beinahe genau sechs und einem halben Monat, verließ der Kaiser Wilhelmshöhe; bis zuletzt wurden ihm alle einem Souverain zukommenden Ehren erwiesen; zwei Compagnien Dreiundachtziger bildeten bei seiner Abreise Spalier, General Graf Monts begleitete den Kaiser bis zur belgischen Grenze.

Er hatte sich, nach der gewinnenden Art, die ihm eigen, auch hier, auf Wilhelmshöhe, manches Herz zu erobern, manche Theilnahme zu wecken gewußt; nur das Herz meiner schönen Führerin schlug ihm nicht entgegen. Davon ausgehend, daß die Gefühlswelt der jungen Dame schwerlich etwas Anderes sein werde, als das Echo der allgemeinen Haus- und Schloßstimme, hatten ihre Anschauungen einen gewissen Werth für mich. Freilich nur einen gewissen. Es war nämlich ersichtlich, daß man sich ,,mehr von ihm versprochen hatte“. Da lag es. Ein Ausgleich durch persönliche Liebenswürdigkeit, sobald dieser Punkt überhaupt erst mitklingt, ist fast immer unmöglich. Ja, man kann sagen, jede Liebenswürdigkeit, die prätendirt an Zahlungsstatt angenommen zu werden, hat ganz besondern Widerwillen zu überwinden.

Ich empfahl mich mit dem guten Gewissen, diese Form der Abneigung nicht herausgefordert zu haben, und schritt in Front des Schlosses auf einen freien Platz zu, der mir nochmals einen Ueberblick über das Ganze gestatten sollte. Im Hintergrunde ragte im grauen Gewölk die Löwenburg auf, im Vordergrunde leuchteten freundlich die weißen Wände des Hôtel Schombart. Ich schwankte einen Augenblick zwischen der Keule des Hercules dort oben und einer muthmaßlichen Rehkeule hier unten. Aber die Tage der Allerweltsseherei, vor Allem der Steigerei und Kletterei lagen zu lange hinter mir, als daß der Kampf anders als ein kurzer hätte sein können.

Anderthalb Stunden später schritt ich wieder auf Kassel zu, nur durchdrungen von dem einen Gefühl, daß es doch ein rechter Treffer für den Kaiser Napoleon gewesen sei, an einem so angenehmen Ort und so zu sagen Arm in Arm mit „Onkel Schombart“ sechs Monate lang durchs Leben pilgern zu können.




Die Rochows auf Rekahn.
Zur Armee- und Schulgeschichte in Preußen.

Es sind gerade hundertunddreißig Jahre, da war, trotz des weltberühmten „Kammergerichts in Berlin“, im zweiten Regierungsjahre des damals noch jungen „alten Fritz“ ein Gewaltact möglich, der seitdem im Staate Preußen nicht mehr seines Gleichen gefunden hat.

Die preußische Armee zieht in der Gegenwart die Blicke der Theilnahme und Bewunderung in einem Maße auf sich, daß man das Thun und Treiben im Entwickelungsgang derselben mit eben dem Interesse bis in die Jugendzeit verfolgt, wie bei einer denkwürdigen Person, bei welcher man ebenfalls gern zurückgeht bis auf die Flegeljahre. Ferner haben die jüngsten großen Kriege Preußens ein paar Zweige ihres Lorbeerkranzes auf die Volksschule fallen lassen, man hat eine Verwandtschaft des Bakels mit dem Feldmarschallsstab herausgefunden. Und da nun auf der Stätte jenes „Straf-Lagers“ eine Musterschule für das preußische Volk entstand, so werden unsere Leser es nicht für unzeitgemäß erklären, wenn wir diese militärischen und pädagogischen Seltsamkeiten aus vergilbten Blättern hervorholen und wieder auf weiße bringen.

Der königlich preußische Staatsminister Friedrich Wilhelm v. Rochow war früher Präsident der Kriegs- und Domainenkammern der westfälischen Länder des Königs gewesen. Als solcher soll er sich gewissen unrechtmäßigen Verfügungen und Handlungen von Personen widersetzt haben, welche mit dem Hofwind zu segeln verstanden. Außerdem war auf dem eigenen Stammbaum derer von Rochow ein Generallieutenant v. Rochow zu Gölzig verzeichnet, der mit Jenem wegen des „Havelbruchs“ in Feindschaft lebte und dazu einen Schwiegervater besaß, einen Feldmarschall v. Katt, der auf die Wahl des Orts, wo das Lager, von dem wir nun erzählen werden, aufgeschlagen werden sollte, nicht ohne Einfluß sein konnte. Diese genealogischen Andeutungen tragen jedenfalls zur Erklärlichkeit des Vorgangs bei.

Als König Friedrich der Zweite im December 1740 den ersten schlesischen Krieg eröffnete, hielt er es für nothwendig, zur Deckung seiner Länder im ober- und niedersächsischen Kreise eine Armee in der Gegend von Brandenburg in einem Feldlager aufzustellen. Die Truppenmasse sollte aus fünfunddreißig Bataillonen Infanterie und zweiundvierzig Escadrons Reiterei mit der nöthigen Artillerie und sonstigem militärischen Zubehör bestehen. – Nun dehnten sich südlich von Brandenburg die Besitzungen des damaligen Staatsministers Friedrich Wilhelm v. Rochow aus und umschlossen die Güter und Dorfschaften Rekahn (seit neunhundert Jahren der Sitz der Familie), Krahne, Gettin, Rotscherlinde und Mesdunk. Das Flüßchen Plane, ihm zur Linken die Temnitz und andere Bäche, bewässerten die von einzelnen Gehölzgruppen unterbrochenen weiten waldigen Auen; zur Linken der Temnitz aber zog sich bis zur krummen Havel hinauf ein wohlgepflegter starker Kiefernwald, der zur Anziehung der Regenwolken beitrug, den Flugsand von [722] den Feldern und Wiesen abwehrte und reich an Hochwild war, also eine dreifache Wohlthat und Zierde der Besitzung. Und der Eigenthümer wußte besonders diesen Schatz zu würdigen, weil er zu seinen eifrigen Gutsverbesserungen wesentlich beigetragen hatte. War es dem Fleiße und der Umsicht des Ministers doch gelungen, den Abwurf dieser Güter, den er mit kaum zwölfhundert Thaler Höhe überkommen hatte, bis zum Jahre 1740 auf mehr als sechstausend Thaler zu steigern. Kein Wunder, daß ihm eine solche Besitzung eben deshalb ganz besonders am Herzen lag.

In schnurgeraden Linien mittendurch diese Güter, von Gettin an, das in etwa halbstündiger Entfernung von Brandenburg liegt, anfangs die Plane entlang, dann querfeldein bis nach dem Kirchdorf Krahne hin, in einer Länge von fünf Viertelstunden, wurden im Frühjahr 1741, die Zeltpflöcke eingeschlagen, und bald marschirte und trabte es heran, füllte Zelte, Baracken und Ställe und warf ein großartiges Kriegsbild mitten in die Gefilde des Friedens. Die Fronte dem Rittersitz und Hauptquartier Rekahn zugewendet, stand das Centrum der ersten Lagerlinie, lauter Infanterie; die beiden Flügel nahm die Cavallerie ein. Die zweite, in viertelstündiger Entfernung mit der ersten parallel laufende und etwa eine Viertelmeile kürzere Lagerlinie bewahrte im Centrum den Artilleriepark, zu beiden Seiten lagerten wieder Infanterie-Abtheilungen, und auf beiden Flügeln Dragoner. Bei Schmöllen an der krummen Havel und am Rande des obengenannten Fichtenwaldes war das Proviantmagazin und die Brodbäckerei hinter Feldschanzen geborgen und das Lazareth in Brandenburg eingerichtet, Commandirender der gesammten Armee war, wie bereits bemerkt, der Feldmarschall v. Katt.

Und nun ging’s los. Man kann sich mit dem besten Willen nicht einreden, daß Schonung des Rochow’schen Eigenthums der Mannschaft zur besonderen Pflicht gemacht worden sei. Es ist kaum glaublich, wie weit die vollendetste Rücksichtslosigkeit in der Verwüstung hier gegangen ist. Daß die Wasserbauten in der Plane, namentlich im Mühlteich, völlig verdorben, der Fluß versandet wurde, kann durch den außerordentlichen Wasserbedarf entschuldigt werden; aber daß man auch den ganzen Kiefernwald ruinirte, indem man nicht weniger als vierunddreißigtausend Bäume umschlug, während das nöthige Holz von allen Seiten leicht beigeschafft werden konnte, ist schon höher anzukreiden. In ähnlicher Weise litten alle Dörfer. In Krahne kam schon Ende April zu allem Unglück auch noch eine Feuersbrunst hinzu und legte das ganze Dorf sammt Vorwerk, Schäferei und Kirche in Asche. Später gesellte sich zur eingerissenen Noth noch die rothe Ruhr und decimirte die Bevölkerung so, daß ganze Häuser ausstarben. Alles mitten im Frieden und Freundesland.

Das Empörendste ist aber das Folgende. Im adeligen Hause zu Rekahn, in dem Familiensitz der Rochows, residirte Feldmarschall v. Katt, der feindselige Vetter des Hauses. Er hatte seinen Bedienten die Gerichtsstube zur Wohnung angewiesen, in welcher nicht nur viele wichtige Acten, sondern auch das alte Familienarchiv aufbewahrt wurde. Der Anordnung, Bedienten einen solchen Aufenthaltsort anzuweisen, verdankt man es, daß nach zwölf Wochen, wo v. Katt das Zeitliche gesegnete und dem neuen Commandirenden, dem General-Feldmarschall Fürsten v. Dessau und dem General der Infanterie, Prinzen v. Zerbst Platz machte, von sämmtlichen Actenstücken und Familienpapieren keine Spur mehr vorhanden war; sie waren sämmtlich verbrannt, als ob die vierunddreißigtausend niedergehauenen Fichtenbäume des Waldes nicht zur Feuerung ausgereicht hätten.

Sieben volle Monate währte die Herrlichkeit dieses Lagers, und als die Armee endlich abgezogen war, hinterließ sie eine Wüste, nicht schöner, als wenn die Türken in der Gegend gehaust hätten. Trotz alledem hat eigentlich Niemand das Recht, dieses königliche Truppen-„Campement“ ein Straflager zu nennen, denn obrigkeitlich ist es durchaus nicht als ein solches angekündigt oder rechtlich verhängt worden. Wenn man aber ferner erfährt, daß allerdings eine königliche Commission den mannigfaltigen Schaden auf den Rochow’schen Gütern selbst auf fünfzigtausend Thaler schätzt (und sie hat gewiß nicht überschätzt!), und daß dennoch dem Geschädigten nur wegen des Dorfes Krahne sechstausend Thaler Vergütung zuerkannt wurden, so wird sich wohl vom Standpunkt geschichtlicher Beurtheilung aus die Bezeichnung „Straflager“ nicht vermeiden lassen.

Wie durchgreifend die Verwüstungen waren, zeigt am besten die Nachhaltigkeit derselben. Im folgenden Jahr zählte das ganze Kirchspiel nur eine Trauung und fünf Geburten, während zweiundvierzig Personen männlichen und neununddreißig weiblichen Geschlechts starben – genau wie nach einem verheerenden Krieg. Die Bodenverschlimmerung durch das Niederhauen des großen Fichtenwaldes war eine der härtesten Nachwehen der allgemeinen Verwüstung des Gutes, und erst nach zwanzigjährigen rastlosen Arbeiten war der Ertrag desselben dem vor der Lagerherrlichkeit wieder nahe zu bringen gewesen.

Um sich der Rettung seines Eigenthums ausschließlich zu widmen, hatte Minister von Rochow im Jahre 1742 seine Entlassung genommen. Sein Sohn, Friedrich Eberhard v. Rochow, war der denkwürdige Mann, zu dem unser Artikel nun übergeht. Er ist am bekanntesten als der Domherr v. Rochow und als Reformator des preußischen Volksschulwesens in Wort und Leben, durch Lehre und That.

Wie so oft das Schicksal dem Menschen in der Jugend die Wege nicht verräth, die er als Mann laufen soll, so hätte wohl auch hinter dem wilden preußischen Garde-du-Corps-Reiter in den Schlachten von Lowositz und Prag schwerlich Jemand den frommen Domherrn gesucht, der nicht nur als trefflicher Landwirth, sondern noch mehr als Volkserzieher im Basedow’schen Geiste den Segen des Friedens hochhielt. Die Umkehr dieses Saulus in einen Paulus vermittelte allerdings ebenfalls das Schwert, denn wären dem kecken Reiter nicht nach der Prager Schlacht die Pulsadern der rechten Hand nebst der Hand selbst so durchhauen worden, daß er bei der Reiterei nicht weiter dienen konnte, so hätte ein Jährchen später das Fräulein v. Bose, die noch den herzoglichen Hof von Weißenfels gesehen, wo ihr Vater als Kanzler und Geheimrath geglänzt hatte, schwerlich den sanften Mann bekommen, mit dem sie, wenn auch selbst kinderlos, die geistige Mutter der Paar Hunderte von Kindern des ihr untergebenen Landvölkchens geworden ist.

Der Weg von der Gardereiterei bis zur Reformation der Volksschule ging mitten durch die Landwirthschaft hindurch. Die kostspieligen Kriege Friedrich’s des Großen hatten zur Verwahrlosung der Schulen auf dem platten Lande beigetragen und diese Vernachlässigung des Unterrichts drohte mit ihrem Gefolge von Unwissenheit, Aberglauben und Verdorbenheit auch die Nahrungsquellen des Bauern zu zerstören. Am bittersten spürte der Domherr dies an seinen eigenen Gütern. Binnen nur zehn Jahren waren ihm durch die Schuld seiner Schäfer allein für neuntausend Thaler Schafe zu Grunde gegangen. Es ist auch erstaunlich, auf welche Curen diese Leute bei ausbrechenden Schafkrankheiten verfielen. Ein solches Mittel war das sogenannte Nothfeuer. Der Schäfer mußte es durch Reiben mit einem Wagenrade und bei ernsthaftestem Stillschweigen hervorbringen, und durch dieses Feuer hindurch wurden dann die Schafe gejagt. Andere machten einen Reif von einem Faß rothen Weins auf dem Boden fest und jagten durch diesen die Schafe. Wehe dem Thierarzte, welcher sich diesen unfehlbaren Mitteln der Schäfer widersetzt hätte!

Mußte so zunächst wohl die Nothwendigkeit einer Schäferschule, wie eine solche bereits zu Stolpen in Sachsen bestand, dem Domherrn einleuchten, so scheint von da der Schritt zur Radicalcur der gesammten Volksschule ein sehr rascher gewesen zu sein. Schon im Jahre 1773 errichtete derselbe die neue Schule zu Rekahn, bildete sie zu einer Musterschule für seine übrigen Dörfer aus und sorgte durch seine vielen und vortrefflichen Schriften dafür, daß dieses Beispiel endlich sich auch über die Provinz Brandenburg und weiter in den Staat, in „das Reich“ hinaus Ansehen und Geltung erwarb.

In jene Zeit und diese Schule führt uns Niemand in liebenswürdigerer Weise ein, als der Vater der neuen Geographie, der alte Anton Friedrich Büsching. Dieser gründliche Mann machte mit seiner Gattin im Jahre 1775, und zwar vom dritten bis achten Juni, eine „Reise von Berlin über Potsdam nach Rekahn unweit Brandenburg“, deren Beschreibung er in einem Buche von nicht weniger als dreihundertzweiunddreißig Seiten mit einem Register von vierzehn Seiten und „Landkarten und anderen Kupferstichen“ herausgab. – Auf der Eisenbahn legen wir jetzt die Strecke dieser „Reise“ von Berlin nach Brandenburg mit dem Courierzuge in einer Stunde vier Minuten zurück; Büsching fuhr die acht Meilen in einer anstrengenden Tagereise von früh [723] drei bis Nachts elf Uhr, erlebte aber auch die Freude, über diesen einzigen Tag vierzehn Druckbogen voll schreiben zu können.

Beide, der Domherr wie Büsching, waren ihrer Zeit treue und wahrhafte Volksfreunde und der Hinblick auf ihr energisches Streben für die möglichste Erhebung der Volksschule thut noch heute dem Herzen wohl. Dazu kommt für unsere Gegenwart, daß viele Klagen über damalige Zustände der Lehrer und der Schulen fast klingen, als wären sie nicht beinahe hundert Jahre alt, sondern von gestern. Wie entrüstet ist Büsching über Diejenigen, welche behaupteten, es sei für die gemeinen Leute wegen des Jochs, welches sie drücke, schädlich, ihnen viel Einsicht und feines Gefühl zu verschaffen! „Also ganz wie in Rußland,“ ruft er, „wo von den Edelleuten behauptet wurde, daß die Kinder ihrer Bauern weiter nichts zu lernen brauchten als den Satz: ‚Sergé powelel!‘ zu Deutsch: der heilige Sergius will es, nämlich, daß Du als Soldat hingehst, wohin man Dich schickt.“ Leider ist Rußland nicht das einzige Land, wo man so denkt; es giebt auch westlich davon noch Landstrecken, wo angesehene Leute, schwarze und bunte, unter sich dieselbe Ansicht hegen.

Wer denkt auf hundert Jahre zurück, wenn er folgenden Zornausbruch liest? Büsching sagt: „Ich weiß nicht, ob ich mich wundern oder ärgern soll, daß man so wenig auf hinlängliche Mittel bedacht ist, den Stadt- und Landschulen tüchtige Lehrer zu verschaffen. Es fehlt zwar in Ansehung derselben nicht an Klagen, Wünschen und Schriften, wohl aber an Geld und Ehre, und doch ist ohne beides nichts anzurichten! Gesetzt auch, man ertheilte beides den Lehrern, welche dem Rang nach die ersten sind, so sieht man doch gar zu wenig auf die Belohnung und Ermunterung der untersten Lehrer, auf welche doch das Meiste ankommt. Ich kann den alten Wahn kaum länger erdulden, daß zu dem Unterricht in den ersten Anfangsgründen Leute von geringerer Geschicklichkeit hinlänglich wären, da doch unaussprechlich viel darauf ankommt, daß die Kinder nicht im Zuschnitt verdorben werden.“

Der Domherr spricht beziehungsreiche Wahrheiten aus in Folgendem: Woher rührt die Vortrefflichkeit des preußischen Kriegsheers anders, als von den Officieren, die von unten auf gedient haben? Unsere Premierlieutenants können im Nothfall ganz füglich die Stellen der Obersten vertreten (– das ist 1775 geschrieben, nicht 1871 –). Alles dieses hat einleuchtende Wahrheit. Dagegen hat man bisher zu den Küster- und Schulmeisterstellen auf dem platten Lande nur Handwerksleute und Bediente bestellt, welche in Seminarien höchstens mechanisch zu denken und zu unterrichten lernten. Der Handwerksmann und Bediente denkt aber sein Leben lang als ein solcher und wenn man ihn zum ansehnlichsten Rang erhöbe. Also sind beide Arten der Menschen für das Lehrfach im Zuschnitt verdorben, und was sie später etwa noch lernen, ist nur so lange zu schätzen, als man es auf eine Reparatur, nicht auf einen Hauptbau zur Verbesserung der Nation abgesehen hat.

Auf diesen Hauptbau war des Domherrn edler Geist gerichtet. Seine reformatorische Thätigkeit beschränkte sich, wie bereits bemerkt, nicht auf die Errichtung von Schulen im Basedow’schen Geiste zu Rekahn, in dem Mutterdorfe Krahne, in Gettin etc.; er ging auch in seinen Wünschen für die Lehrer dem Staate mit seinem guten Beispiele voran, indem er für das sorgte, was noch jetzt in der Lehrerwelt nicht weniger Landstriche so schmerzlich vermißt wird: entsprechende Würdigung ihres Wirkens durch gerechte Einnahme und wohlverdiente Ehre. Dafür verlangte er Fähigkeit, Geschick und Eifer derselben für die Erstrebung seines Zweckes: eine bessere sittliche Ausbildung und die Beförderung einer größeren Brauchbarkeit der Kinder auf dem Lande nach ihrer besondern künftigen Lage, und danach waren Hauptgegenstände des Unterrichts: Verstandesübung, moralische Bildung, Sprache und Sachkenntnisse.

Die Rochow’schen Schulen trugen schon nach wenigen Jahren gute Früchte, und die Rochow’schen Schriften sorgten dafür, daß Beides nicht verborgen blieb, sondern zur Nachahmung aufforderte. Schon die Titel dieser Schriften deuten uns an, was Geist und Herz dieses edeln Mannes vor Allem beschäftigte. Da lesen wir: Versuch eines Schulbuchs für Kinder der Landleute; der Kinderfreund, ein (weltbekannt gewordenes) Lesebuch zum Gebrauch in Landschulen; ein Handbuch in katechetischer Form für Lehrer, welche aufklären wollen und dürfen; – Von der Bildung des Nationalcharakters (schon 1779!). Auch veröffentlichte er eine „Geschichte meiner Schulen“ und errichtete sich damit selbst das schönste Denkmal.

Das war die Rache derer v. Rochow für das „Campement“ auf dem väterlichen Erbgute. Durch Geist und Fleiß im Bunde mit Herzen, die auf dem rechten Flecke saßen, erwuchs aus der Verwüstung wieder ein blühender Besitz und aus diesem die noch edlere Blüthe einer mit aufopfernder Liebe gepflegten Volksbildung. Und als der Domherr im Jahre 1805 starb, ein Glücklicher, der den Fall Preußens und die tiefste Erniedrigung Deutschlands nicht erleben sollte, war diese Blüthe der schönste Schmuck seines Namens.

Was bis heute davon übrig geblieben? Wir sind darüber ohne Kunde, aber wünschenswerth wäre es schon, es zu erfahren.

Friedrich Hofmann.




Die Flucht einer Verschollenen.

Es war in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag, am 4. September 1870, Morgens ein Uhr. Vor dem Palaste des Gesetzgebenden Körpers zu Paris wogte eine unabsehbare Menschenmenge auf und nieder. Drinnen ward eine rasch improvisirte Sitzung gehalten, bei der indeß kein Mitglied fehlte. Ebenso waren sämmtliche Minister an ihren Plätzen und die Galerien gefüllt zum Bersten. Da erhebt sich der Präsident. Todtenstille ringsum, so daß man jeden Athemzug hört. Traurig läßt der alte Herr mit dem feinen Gesichte und dem schönen weißen Haar, Napoleon’s treues Werkzeug, der vielgenannte Schneider, den Blick über das Haus schweifen.

„Das Unglück sieht uns zu dieser ungewöhnlichen Stunde bei einander,“ beginnt er mit vibrirender Stimme. „In aller Eile habe ich Sie zusammenberufen, damit Sie über die Krisis des Augenblicks berathen.“ Nach diesen Worten sinkt er wie gebrochen in seinen Stuhl zurück.

Alle Augen richten sich auf die Ministerbank. Immer noch Grabesschweigen ringsum. Palikao steht auf, mit seinem sorgfältig rasirten steinernen Antlitz, mit dem fest geschlossenen Munde, über den sich ein kleiner Schnurrbart legt, dem eisigkalten Blicke und dem zierlich gebürsteten grauen Haare. Der „Held von Peking“ ist kein Redner, aber seine Stimme ist fest und sein Auge schaut muthig, ja mit einer gewissen Verachtung umher, während er die Katastrophe von Sedan verkündet. „Einer solchen Nachricht gegenüber,“ spricht er langsam und gelassen, „ist es dem Ministerium unmöglich, sich vor morgen in eine Diskussion einzulassen. Vor wenigen Minuten erst hat man mich aus dem Bett hier in den Sitzungssaal gerufen.“

Gambetta schleudert eine Exclamation in die Versammlung hinein, die aber kein Mensch zu verstehen scheint. Darauf fragt der Präsident die Kammer, ob sie einer Vertagung ihrer Sitzung zustimme. „Oui, oui!“ erschallt es von verschiedenen Seiten, als mit einem Male ein buschiger Kopf in die Höhe fährt und eine heisere, mißtönige Stimme dem Hause drei Anträge zur Beschlußfassung, vorlegt:

     Entthronung des Kaisers,
     Ernennung einer provisorischen Regierung und
     Beibehaltung Trochu’s als Gouverneurs von Paris.

Nur Namen von der äußersten Linken figuriren unter dem Antrag, der mit überraschender Gleichgültigkeit aufgenommen wird. Favre fügt kein Wort weiter hinzu, ein Mitglied der Rechten aber erklärt, daß man die Absetzung des Kaisers zu beschließen nicht das Recht habe. Auch hierauf bleibt Alles merkwürdig still. Dieselbe Ruhe und Stille herrschen während der ganzen Nacht bis zum Morgen auf Straßen und Boulevards.

Als wir jedoch am Vormittage durch die Stadt schlendern, umbraust uns von allen Seiten die Marseillaise, und rundum flattern rothe Fahnen. Ein kleiner Bengel von kaum zehn Jahren hat soeben das Bronzegitter vor den Tuilerien erklettert und die Spitzen desselben mit rothen Fähnchen geschmückt. Tausende und

[724]

Ein Abend am Rhein.
Nach seinem Oelgemälde auf Holz gezeichnet von Christian Böttcher.

[725] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt.


 [726] Abertausende von Menschen ergießen sich über die prachtvolle Place de la Concorde und werden nicht müde, ihr „Vive la République!“ zu brüllen. An die Schmach von Sedan denkt kein Mensch. „Er“ ist gestürzt, der Krieg nun beendigt, das der allgemeine Gedanke in Paris an jenem vierten September, welcher vom Morgen bis zur Nacht als Festtag bejubelt wird.

Inzwischen hat Gambetta in einer vom Volke überflutheten letzten Sitzung des Gesetzgebenden Körpers die Liste der provisorischen Minister, das „Comité der Nationalvertheidigung“, proclamirt, auf dem Tuilerienpalaste aber weht – es ist mittlerweile drei Uhr Nachmittags geworden – noch immer die kaiserliche Flagge. Kaiserin Eugenie hat das Schloß noch nicht verlassen. Sie hält soeben ihre letzte officielle Unterredung mit Palikao, der ihr mittheilt, daß das Ministerium mit der ganzen Versammlung vom Volke auseinander gesprengt und auf dem Stadthause die Republik proclamirt worden ist mit Trochu als Präsidenten und Oberbefehlshaber, daß er jedoch versuchen wolle, einige zuverlässige Truppen zusammenzuziehen und der Rebellion Einhalt zu thun.

„Um meinet- und der Meinigen willen,“ erwidert die Kaiserin ohne Zaudern, „soll kein Tropfen Blut vergossen werden,“ und beschließt, sofort Paris zu räumen, wenn es noch möglich ist.

Unter dieser Unterredung ist es halb vier Uhr geworden. Bereits toben aufgeregte Menschenmassen im Schloßgarten. Die alten Tuilerien gleichen einem Riesenschiffe mitten in wilder See. Durch die verödeten Säle und Gemächer hallt es wieder vom Tosen der empörten Volkswogen. Schon hört man Geschrei und Waffenrasseln auf der breiten Haupttreppe, da wird die Flagge auf der Kuppel eingezogen, vielleicht in der Hoffnung, dadurch die Aufmerksamkeit des Publicums abzulenken und glauben zu machen, daß die Kaiserin schon abgereist sei.

Allein der Zweck wird nicht erreicht. Näher und näher kommen Stimmen und Fußtritte. „Sie will entweichen!“ brüllt es draußen. „Absetzung! Es lebe die Republik! Nieder mit Badinguet! Nieder mit Frau Badinguet! Auf, hinein in’s Schloß!“

Jetzt war keine Minute mehr zu verlieren. Von Madame Le Breton, der Schwester des Generals Bourbaki, dem Fürsten Metternich, dem italienischen Gesandten Nigra und einigen Damen und Herren ihres Hofstaates begleitet, rüstet sich Eugenie zur Flucht.

Die Straße über den Hof zu erreichen, der vom Carousselplatze durch ein eisernes Gitter geschieden ist, war ein Ding der Unmöglichkeit, denn der Platz wimmelte von Menschen. Man mußte also zurück und einen andern Weg versuchen, das heißt, die Galerie des Louvre in ihrer ganzen Länge durchschneiden. Mittlerweile war das ursprüngliche Gefolge der Kaiserin auf ein winziges Häuflein zusammengeschmolzen. Es bestand nur noch aus Madame Le Breton und den beiden fremden Gesandten. Alle Anderen hatten sich zerstreut, um auf eigene Hand ihre Haut in Sicherheit zu bringen.

Glücklich kam man bis an das Thor, das sich auf den Platz St. Germain Auxerrois öffnet, gegenüber der gleichnamigen Kirche. Jenseit der Pforte liegt ein schmaler Gang mit einem stattlichen Eisengitter zu beiden Seiten, welcher auf eine Straße mündet. Doch wehe! auch diese Gasse ist voller Menschen, die ihr „Absetzung!“ und „Es lebe die Republik!“ aus vollen Lungen rufen. Die kleine Gesellschaft zögerte, ehe sie das Thor aufthat. Allein es blieb ihr nichts Anderes übrig: sie mußte vorwärts.

Hinter ihnen hörte man bereits das Toben der Menge. Kehrte man um, so fiel man ihr unrettbar in die Hände. Das Wagstück mußte unternommen werden! Vorsichtig zogen die Herren die Thür auf, lugten bang in die Straße hinaus, und die Damen gingen eiligst weiter. Sie hatten sich nur wenig unkenntlich machen können; die Schleier, welche ihre Gesichter verhüllten, waren zu dünn, denn einer der unvermeidlichen Gamins, der sie erblickte, schrie sofort los: „Die Kaiserin!“

Zum Glück achtete Niemand auf den Ausruf, und zu noch größerem Glück hielt gerade ein geschlossener Fiacre am Trottoir der Straße. Die Kaiserin und Madame Le Breton stiegen flugs hinein, nannten dem Kutscher eine fingirte Adresse und fuhren für’s Erste geborgen davon.

Gewiß, es war ein äußerst kritischer Moment. Welche entsetzlichen Scenen gefolgt sein würden, hätte man die Flüchtigen erkannt, läßt sich bei den hochgehenden Wogen der allgemeinen Aufregung und Erbitterung unschwer voraussagen.

Die Gefahren und Nöthen der Kaiserin sollten indeß noch lange nicht vorüber sein. Während die beiden Damen den Boulevard Haußmann hinabfuhren, frug Eugenie ihre Begleiterin, ob sie Geld bei sich habe. Sie selbst hatte in der Eile ihre Börse vergessen. Madame Le Breton zog ihr Portemonnaie aus der Tasche und entdeckte zu ihrem Schrecken, daß es nur – drei Franken enthielt. Was nun beginnen? Man hatte ja kaum genug, die Droschke zu bezahlen! Um jedwede Gefahr eines Streites zu vermeiden, beschloß man, den Wagen lieber alsbald wieder zu verlassen und sich zu Fuß nach der Wohnung des Dr. Evans, eines hochfashionablen und mit Recht berühmten amerikanischen Zahnarztes, zu begeben.

Gleich allen anderen Consultanten mußte die Kaiserin mit ihrer Gesellschafterin warten, bis die Reihe, gerufen zu werden, an sie kam. Dies währte eine geraume Zeit. Madame Le Breton trat zuerst in das Zimmer des Arztes, schloß die Thür hinter sich ab und bat Evans um Gottes willen, durch keinen Laut seine Ueberraschung zu verrathen, während sie ihm die Kaiserin präsentirte und erzählte, daß diese unter seinem Dache Schutz und Zuflucht zu suchen gekommen sei, so lange bis ihre Flucht in größerer Sicherheit bewerkstelligt werden könne.

Dr. Evans gehörte zu den Menschen, die ausschließlich ihrem Berufe leben und sich aller Politik fern halten. Er wußte so auch noch nichts von der plötzlichen Wendung der Dinge in Frankreich. Sein Erstaunen läßt sich daher nicht beschreiben. Daß die Kaiserin Grund haben sollte, für ihre persönliche Sicherheit zu fürchten, wollte ihm durchaus nicht einleuchten. Nichts desto weniger aber bat er die Damen, zu verweilen, setzte seinen Hut auf und ging auf die Straße hinab, um sich mit eigenen Augen und Ohren von der Sachlage zu überzeugen. Schon nach wenigen Minuten kehrte er zurück. Jetzt wußte er, daß die Kaiserin das Schloß keine Secunde zu früh verlassen hatte.

Er benahm sich durchaus ritterlich, die Gefahren, denen er sich selber aussetzte, nicht im Mindesten in Anschlag bringend. Unverweilt nahm er, mit Hintansetzung aller anderen Geschäfte, selbst das Werk der Flucht in die Hand und ersuchte die Damen, so lange seine Gäste zu sein, bis er Mittel und Wege gefunden hätte, sie ungefährdet aus Paris zu spediren.

Eine besonders günstige Fügung des Schicksals war es, daß er im Laufe der nächsten Tage zufällig zwei Damen erwartete, die seiner Dienerschaft noch unbekannt waren. Diese Damen mußten jetzt die Kaiserin und ihre Begleiterin vorstellen. Die Frau des Arztes befand sich auf dem Lande, ihr Zimmer wurde der Kaiserin als Patientin eingeräumt.

Sobald es sich thun ließ, fuhr Evans aus, angeblich, um seine gewöhnlichen Krankenbesuche abzustatten, in Wahrheit, um den Paß durch die Barrièren vorzubereiten. Er fuhr nach der Brücke von Neuilly. Man hielt ihn an und frug nach Namen und Zweck der Fahrt. Einer der Nationalgarden erkannte ihn jedoch und sagte seinen Cameraden, man könne ihn ohne weitere Fragen und ohne Paß passiren lassen. „Sehen Sie mich genau an,“ sprach der Doctor darauf. „Ich werde diese Barrière noch öfters zu passiren haben; damit Sie mich dann erkennen und ohne Weiterungen durchlassen.“

Unbehelligt gelangte er wieder nach Hause. Sein Plan war bereits entworfen. Er theilte den Damen mit, daß die genannte Barrière ohne Gefahr passirt werden könne und daß die Kaiserin sich gefallen lassen möge, auf kurze Zeit eine etwas unerfreuliche Rolle zu spielen, nämlich als eine Geisteskranke zu gelten, die er in einer hinter Neuilly gelegenen Maison de santé unterzubringen habe. Madame Le Breton solle ihre Hüterin und Pflegerin vorstellen. Selbstverständlich hatte man gegen den Vorschlag nichts einzuwenden. Was würde in diesem Momente die stolze Eugenie nicht gethan und gelitten haben, um sich vor der Wuth des Volkes zu retten, auf das sie noch vor wenigen Tagen als Halbgöttin herabgeblickt hatte!

Die Fahrt ward angetreten, die Barrière ohne Unfall erreicht.

„Pst! pst!“ machte der Doctor, indem er auf die Kaiserin wies; „hier fehlt es,“ setzte er hinzu, den Finger an seine Stirn legend; „bitte, meine Herren, regen Sie die Kranke durch Fragen nicht auf!“ Die Garden hatten Evans erkannt; sie grüßten ihn höflich und wünschten ihm und seinem Schützlinge glückliche Reise.

[727] Die erste Gefahr war überstanden. Auch nach St. Germain und Manut kam man ohne Aufenthalt. Hier kehrte man in einem Gasthofe ein. „Ich habe eine Dame bei mir,“ sagte Evans dem Hôtelier, „die ich nach einer Privatirrenanstalt bringen muß; bitte, sorgen Sie für ein Zimmer, das möglichst abgelegen ist und Läden vor den Fenstern hat.“

Sein Wunsch wurde gern erfüllt, und mit einem Gefühle wahrhafter Erleichterung nahmen die Kaiserin und ihre Gesellschafterin von dem also geschützten Gemache Besitz, während Evans mit dem ihn begleitenden Freunde ausging, um die nöthigen Vorkehrungen für die Weiterreise zu treffen. Seinen eigenen Wagen, den er bis hierher mitgenommen hatte, sandte er jetzt nach Paris zurück, um dafür ein Miethgefährt mit einem sorgsam ausgewählten Kutscher zu engagiren, der ihn nach einem gewissen Schlosse bringen sollte, welches, wie er sagte, einer der kranken Dame verwandten Familie gehöre.

Es ward nun weiter verabredet, die Kaiserin solle sich stellen, als widersetze sie sich der Weiterreise nach dem Schlosse, und unterwegs eine solche Aufregung und Widerspenstigkeit simuliren, daß man die gewählte Straße zu passender Zeit – den Moment würde der Doctor schon bestimmen – mit einer andern zu vertauschen genöthigt wäre. Gesagt, gethan. Kaum war man eine halbe Stunde unterwegs, so fing die Kaiserin einen heftigen Streit mit dem Arzte an, und der Zank zwischen der Geisteskranken und ihren Begleitern nahm schließlich so außerordentliche Dimensionen an, daß Evans dem Kutscher zurief, er möge halten, und die Patientin zu bewegen suchte, auszusteigen und eine Strecke zu Fuße zu gehen.

„Das thue ich nicht!“ brauste die Kaiserin auf und begann ein derartiges Geschrei zu erheben, daß die Pferde stutzten und der Kutscher erklärte, er könne nicht weiter fahren, wenn dem Lärm kein Ende gemacht würde. Von Neuem suchte Evans die Tobende zu beschwichtigen, doch vergeblich.

„Ich mag nicht nach dem Schlosse! Ich gehe nicht dahin!“ perorirte Eugenie, so daß dem Arzte nichts Anderes übrig blieb, als Kehrt machen und nach der nächsten Poststation fahren zu lassen, von wo man den Wagen zurückschickte.

Im Gasthof wurden ganz die nämlichen Vorsichtsmaßregeln ergriffen wie im vorhergehenden. Man miethete eine andere Kutsche, und nun erst schlug die Gesellschaft den Weg nach ihrem eigentlichen Ziele ein, nach Déauville, wo Frau Evans die Seebäder gebrauchte.

Auf jeder Station nahm man einen neuen Wagen und einen neuen Kutscher und sandte die alten zurück. Zweimal entging man nur durch ein Wunder den spionirenden Nationalgarden, allein Eugenie war glücklicher auf ihrer Flucht, als achtzig Jahre früher Marie Antoinette mit den Ihrigen. Sie wurde nirgends erkannt, und nach zwei endlosen Tagen voller Angst und Beschwerde langte man todmüde und in Aussicht auf noch manche zu überwindende Schwierigkeit, doch bis dahin wohlbehalten in Déauville bei Madame Evans an, wo die Damen sich einige Tage Ruhe gönnen durften, die, wie sich denken läßt, ihnen sehr noth that. Währenddem erkundigte sich ihr getreuer Paladin nach den vorhandenen Schiffsgelegenheiten, deren man sich etwa zur Fahrt über den Canal bedienen könnte.

Im Hafen ankerten zwei Privatyachten. Evans ging zunächst an Bord der größeren, ihr Eigenthümer war indeß abwesend. Die zweite hieß die Gazelle und gehörte einem englischen Baronet, dem General Sir John Burgoyne. Der Doctor trug demselben sein Anliegen vor und bat inständig, der Kaiserin und deren Gesellschafterin Passage geben zu wollen. Allein Burgoyne weigerte sich zuerst auf das Bestimmteste, seinerseits in irgend einer Weise etwas mit der Sache zu thun haben zu wollen, um sich nicht etwa nachher politischen Erörterungen auszusetzen. Evans aber ließ sich so leichten Kaufs nicht abweisen. Auf das Beweglichste stellte er dem alten Soldaten die angstvolle Lage der Flüchtigen vor und beschwor ihn, das Ganze nicht als politische That, sondern lediglich als einen Act der Menschenfreundlichkeit auffassen zu wollen, auf die ja auch die Kaiserin wohl einen Anspruch machen dürfe. Endlich willigte Sir John ein; nur die Bedingung stellte er, daß die Damen erst unmittelbar vor der Abfahrt des Schiffes an Bord kommen sollten, damit jeder gefährliche Aufenthalt vermieden würde, welcher unfehlbar eintreten müßte, wenn sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die plötzlich erscheinenden beiden Passagiere lenkte.

Wohl lagen die Gefahren zu Lande jetzt hinter unseren Flüchtlingen; die Gefahren zur See aber standen noch bevor. Ein furchtbarer Sturm erhob sich, der entsetzlichste und verheerendste, den der Canal seit langer Zeit gesehen hatte. Es war dasselbe Unwetter, in welchem das neue schöne Schiff, „der Captain“, mit seinem Befehlshaber und aller seiner Mannschaft zu Grunde ging – eine Katastrophe, die das Herz Englands mit größerer Trauer erfüllte, als wenn eine Schlacht verloren worden wäre, und durch Wochen ein stereotypes Klagelied in allen britischen Blättern veranlaßte. Und merkwürdiges Zusammentreffen! Der Capitain des unglücklichen Schiffes war der Sohn des ehrwürdigen alten Generals, in dessen Yacht Eugenie nach England herüber segelte!

Die kleine „Gazelle“ hielt sich wacker, allein die Gefahr war grausig. Die Damen wurden wild umhergeworfen in ihren engen Kojen und mußten bis an’s Ende der Reise darin aushalten. Um Mitternacht schien alle Hoffnung auf Rettung geschwunden zu sein; schon machte sich Alles auf den demnächstigen Untergang gefaßt. Wäre Eugenie durch die heftige Seekrankheit nicht momentan ihres Denkens und Empfindens beraubt gewesen, – welche Betrachtungen würden ihre Seele bewegt haben!

Der Sturm aber, dem der mächtige „Captain“ erlag – er verschonte die winzige „Gazelle“. Ihre Rettung streifte an das Wunderbare; wenigstens ist selten ein Fahrzeug aus ähnlichen Gefahren gleich unversehrt hervorgegangen. Donnerstags am 8. September Nachmittags gegen drei Uhr lief man glücklich im Hafen von Ryde auf der Insel Wight ein.

Noch am selben Tage wandte sich die Gesellschaft nach Brighton. Hier erfuhr Evans, daß Prinz Louis sich in Hastings befand, und dahin reiste Eugenie auf der Stelle ab. Mehrere Tage lang hatten Mutter und Kind nichts von einander gewußt. Wer, der ein menschliches Herz in der Brust trägt, müßte sich nicht im Innersten seiner Seele ergriffen fühlen bei der Vergegenwärtigung eines solchen Wiedersehens nach Begebnissen, die nicht nur allen Glanz und Stolz der Beiden in Stücken gebrochen und hinweggefegt, die auch das ganze Kaiserreich zertrümmert hatten!

Der unermüdliche Evans war es auch, welcher das Asyl ausfindig machte, in dem bis vor Kurzem Exkaiser und Exkaiserin (letztere ist bekanntlich vor Kurzem nach Spanien gereist) das Leben der Verschollenen gemeinsam führten; er miethete für die Entthronten das schöne Camden House in Chiselhurst und kehrte nicht eher nach Frankreich zurück, als bis er seinen Schützling dort glücklich geborgen wußte. –

Ob Eugenie ihren aufopferungsvollen Ritter kaiserlich gelohnt hat, darüber erzählt der Amerikaner, dessen jetzt in New-York erschienenen „Erinnerungen“ wir diese Mittheilungen entnehmen, nichts. Vielleicht hat sie ihren Retter mit einer – Photographie beglückt, die den erhabenen Moment darstellt, in welchem Lulu auf dem Schlachtfelde bei Saarbrücken die Feuertaufe empfängt?




Blätter und Blüthen.


Neu-Deutschland im Orient. Bekanntlich war bis vor Kurzem unsere deutsche Vertretung in fernen Ländern die allerkläglichste, der Schutz, dessen sich unsere Nation, namentlich im Orient, zu erfreuen hatte, glich Null, tausend Rücksichten nach innen und außen traten jedem energischen Versuch zur eigenen Werthfühlung hemmend entgegen. Die General-Consuln und die Unterthanen der vielköpfigen deutschen Regierungen mußten sich ducken, nachgeben und schweigen, selbst wenn das Recht schreiend auf ihrer Seite war. Im Gegensatz zu dieser unglaublichen Mißachtung hob französische Anmaßung dictatorisch in jeglicher Willkür das Haupt; in jede Forderung, war selbe auch noch so rechtslos und aus der Luft gegriffen, wurde eingewilligt aus Scheu vor der „Grande Nation“, die ja nicht einmal den Schein eines Rechtes bedurfte, um blutig einzugreifen in die Geschicke friedlicher Nationen. In Aegypten nahm dieser französische Einfluß noch grellere Gestalt und Farbe an, als sonst irgendwo im Orient. Bei allen guten Eigenschaften, bei aller Klugheit des Vicekönigs ist derselbe von der ausgesprochensten Vorliebe für Franzosen und Franzosenthum befangen. Die Sprache derselben ist das einzige fremde Idiom, das er versteht, ihre Literatur die, welche er kennt. Alle Handelsverbindungen von Aegypten wurzeln in Frankreich, die Personen der nächsten Umgebung des Herrschers sind fast alle Franzosen. Besteht ein Theil derselben, wie zum Beispiel der Leibarzt des Khedive, und Barrot-Bey, dessen vertrauter Secretär, und noch ein Bruchtheil, auch aus ehrenhaften, braven [728] Männern, so haben selbe selbstverständlich doch mehr Sympathien für ihre Landsleute und ihr Vaterland, als gegen fremde Nationen, ihre Abneigung gegen Alles, was deutsch heißt, kann man ihnen, von ihrem Standpunkt aus, weder verdenken, noch übelnehmen. Es ist begreiflich, daß sich alle diese Uebelstände für uns, die „Aschenbrödel aller Nationen“, so fern von der Heimath, breiter und peinlicher fühlbar machten, als sonst irgendwo. Das Jahr 1870, welches so Manches gebrochen, was unzerstörbar schien, scheint auch hier rüstig vorzuarbeiten, man wird endlich auch am Hofe in Kairo und Alexandrien begreifen, daß im Falle der Noth der Schwerpunkt, der Anker, an dem ein fester Halt zu finden, in Berlin liegt, nicht wie bisher in Paris.

Die Umstände zwingen den Schreiber Dieses, der aus eigener Anschauung berichtet, zu dieser Einleitung, die länger zu werden droht, als die Geschichte selbst, die nur als Beleg für obige Behauptungen gelten mag.

Bekanntlich dürfen laut den Tractaten keine Zeitungen in fremden Sprachen ohne Zustimmung der Behörden im Orient erscheinen. Ein Franzose, wenn wir nicht irren, der Vicomte de Macorri, der in seiner Eigenschaft als solcher über dem Gesetz zu stehen dachte, gründete in Aegypten ein Journal, unter dem Titel: „Independant“. Die Tendenz dieses Blattes war: Schmähung gegen die dortigen Behörden, Schmähungen in maßloser Heftigkeit, – die Absicht lag auf der Hand. Selbst seinen eigenen General-Consul, den Vicomte Brenier du Montmeraud, schonte der Redacteur nicht, er beschimpfte diesen so gut wie die Regierung des Landes, als dessen Gast er lebte. Gegen diesen Rochefort von Alexandrien trat nun Nubar Pascha, der kluge und besonnene Minister des Aeußern, klagbar auf, indem er sich zu wiederholten Malen an das französische Generalconsulat wandte, das ungesetzliche Verfahren des Herausgebers des rechtlos erscheinenden Journals hervorhob, und um sofortige Aufhebung desselben nachsuchte. Der Minister erhielt die absonderliche Antwort: „man möge sich aus den Schmähungen des Mannes nichts machen, da ja auch er, der Generalconsul, die Beschimpfungen desselben schweigend hinnehme.“ Dies wunderliche Argument scheint denn doch Nubar Pascha nicht eingeleuchtet zu haben, und eines schönen Tages wurde die Zeitung confiscirt, und ein Colporteur, auch Franzose, der trotzdem eben mit einer großen Anzahl von Exemplaren die Druckerei verließ, wurde von ägyptischen Beamten verhaftet und direct dem Generalconsulat zur Bestrafung übergeben. Der Vertreter der grande nation antwortete damit, daß er den Arretirten sofort auf freien Fuß setzte, und dafür, daß die ägyptische Behörde gewagt habe, einen französischen Unterthan zu verhaften, die eclatanteste Satisfaction verlangte. Als diese nach einigen Tagen nicht erfolgte, erschien zum maßlosen Erstaunen der ganzen Bevölkerung eine Ordonnanz, worin alle Franzosen ermächtigt wurden, „Waffen zu tragen, um sich selbst vertheidigen zu können, ja er, der Generalconsul, gestatte seinen Landsleuten, im fremden Lande sich selbst Recht zu verschaffen, und wenn sie irgend wie angegriffen würden, von ihren Waffen Gebrauch zu machen.“

Die Bekanntmachung dieser frechen Ordonnanz à la commune, die allem Menschen-, allem Völkerrechte Hohn sprach, sich zum Kläger und Richter in eigener Sache aufwarf, erregte bei allen Rechtlichdenkenden die tiefste Entrüstung.

Der älteste der politischen Agenten in Aegypten, der österreichische Generalconsul Baron von Schreiner, berief eine Zusammenkunft sämmtlicher Generalconsuln, in welcher die obige Ordonnanz des französischen Vertreters für unlegal, gegen die bestehenden Tractate und die allgemeinen Menschenrechte – droits des gens – verstoßend, erklärt wurde. Als unter einigen der Anwesenden die Stimmung schwankend und aus Aengstlichkeit für etwaige Folgen zweifelhaft wurde – zu obigem Beschluß war die volle Stimmeneinheit nöthig –, als namentlich der Vertreter des gerade abwesenden tüchtigen englischen Generalconsuls ungewiß erklärte, er müsse in so wichtigen und vielleicht von schweren Folgen begleiteten Angelegenheiten erst die speciellen Befehle seiner Regierung einholen, da trat der deutsche Generalconsul und politische Agent des neuen Kaiserreiches, Herr von Jasmund, auf und riß die Versammlung durch eine hinreißende und bewältigende Rede zum einstimmigen Beschluß hin. Er erklärte, daß durch diese völkerrechtswidrige, unnatürliche und unmoralische Ordonnanz die Sicherheit aller übrigen Nationalitäten auf’s Aeußerste gefährdet sei, daß der französische Generalconsul weder ein Recht noch eine Veranlassung zu einer solch unerhört willkürlichen Ordonnanz habe, daß sich Frankreich überhaupt im Orient in unlegitimster Weise stets eine Ueberhebung zu Schulden kommen lasse, welche die Ehre und Würde der anderen Nationen auf das empfindlichste verletze. Diese Ueberhebung, die sich bei jeder Gelegenheit geltend gemacht, müsse von jetzt an ein Ende haben!

Er – Herr von Jasmund – beanspruche nicht den geringsten Vorzug vor den übrigen Vertretern der Großmächte, aber nie werde er zugeben, daß ein anderer sich herausnehme, eine höhere Machtstellung gebrauchen zu wollen, als die deutsche. Zu große Opfer seien gebracht für diese Berechtigung, zu viel edles Blut sei geflossen für dieselbe, als daß Deutschland solch schlecht begründeten Ansprüchen gegenüber ruhig zusehen könne. Er stelle es dem französischen General-Consul frei, die übereilt gegebene Ordonnanz zurückzunehmen, ehe er von seiner Regierung gezwungen werde, dies zu thun.

Eine so männlich kühne Sprache war aus deutschem Munde an dieser Stelle noch nicht vernommen worden. „Die Kanonen von Sedan haben gesprochen!“ erzählten sich die erstaunten Einwohner am nächsten Morgen in Kairo. „Wird er nachgeben, oder nicht?“ frugen die Franzosen. „Lächerlich, er wird, er kann und darf nicht!“ Und doch – er mußte: Jules Favre rief den Vertreter seiner Regierung nach drei Tagen telegraphisch ab und hob die Ordonnanz auf. Die Kanonen von Sedan hatten gesprochen! Zum ersten Male wurde eine Satisfaction verweigert, welche der französische General-Consul in Kairo forderte, zum ersten Male protestirten alle Vertreter fremder Mächte einstimmig französischer Anmaßung gegenüber, zum ersten Male gelang es nicht, eine Maßregel der Willkür gewaltsam durchzuführen. Möchte der Vicekönig endlich einsehen, daß bisher nur Eigennutz den größten Theil seiner Umgebung an ihn kettet, und daß das Wort „Deutsche Treue“ kein leerer Schall sei. An dem tapferen Benehmen des General-Consuls v. Jasmund kann er sehen, wie fest und treu der Deutsche steht, wenn es gilt: als Wacht am Rhein oder als Wacht am Nil!


Rettung dreier Erbschaften. 1) Einige zwanzig größtentheils arme sächsische Gebirgsbewohner haben Anrecht auf eine Erbschaft von etwa dreihundert Thalern. Die Erbregulirung stößt sich jedoch an die Abwesenheit eines Miterben, der vor fünfundzwanzig Jahren nach Amerika ausgewandert ist. Sollen nach demselben gerichtsamtliche Aufrufe in den Zeitungen erlassen werden, so würde dies die Erbschaftsmasse leicht bis auf ein Minimum verringern. Da muß nun wohl die „Gartenlaube“ wieder ihr Glück versuchen und bittet, etwaige Kunde über Johann Gottlieb Krüger aus Johanngeorgenstadt im Königreich Sachsen, der 1846 nach Newyork reiste und dessen Ehegattin Johanna Concordia im Jahre 1870 zu Marienberg gestorben ist, der Redaction freundlichst mitzutheilen.

2) Im Jahre 1864 ist Christian Scheeler aus Herbartswind im Herzogthum Meiningen nach Amerika gegangen und hat seine zwei unehelichen Kinder ihrem Schicksal überlassen. Vier Jahre später soll er gestorben sein und Vermögen hinterlassen haben. Kann Niemand den Ort angeben, wo Scheeler gestorben und sein Nachlaß aufbewahrt ist? Scheeler’s Eltern und Verwandte haben den armen Kindern zu Liebe auf jedes Erbrecht verzichtet.

3) So mancher jenseits des Oceans verlorene oder verschollene Sohn ist durch einige Zeilen in der Gartenlaube wiedergefunden worden. Sollte es denn nicht möglich sein, in irgend einer deutschen Mutter oder Schwester die Erbin eines hübschen amerikanischen Capitals zu entdecken? Es starb nämlich ein gewisser wahrscheinlich aus Süddeutschland stammender John Hankele im Frühling 1865 in Alton im Staate Illinois, Nord-Amerika, und hinterließ ein Vermögen von 1583 Dollars 85 Cents. Der Verwalter des Nachlasses giebt unter Eid an, daß der Verstorbene keine Erben in den Vereinigten Staaten habe, und darum bleibt nichts übrig, als dieselben in Deutschland zu suchen.


Ein neues Licht. Ein französischer Chemiker hat ein Licht entdeckt, das dem Gas so weit vorzuziehen ist, als dieses seinem Vorgänger, dem Oel. Wir werden bald Gelegenheit haben, dies schöne, klare und der Gesundheit zuträgliche Licht zu bewundern. Die Beamten des Krystallpalastes haben Röhren gelegt und Gasometer aufgestellt, um in wenigen Tagen ihre Krystallspringbrunnen und seltenen Kunstwerke mit dem neuen oxyhydrischen Licht zu erleuchten. Um dem Publicum zugleich durch den Augenschein seine gewaltigen Vorzüge vor dem Gas darzuthun, werden Gas- und oxyhydrisches Licht abwechseln und die dunkle, gelbe flickernde Gasflamme wird doppelt so erscheinen in der ruhigen hellen Beleuchtung, die von ihrem Nebenbuhler ausgeht und welche so stark ist, daß sie das Gaslicht einen Schatten werfen läßt auf der nämlichen Wand, die sie erleuchten soll.

Dies Licht ist viel billiger herzustellen, als Gas, und ist nicht nur glänzend hell, sondern auch der Gesundheit nicht nachtheilig. Ueber der Oeffnung der gewöhnlichen Gaslampe zeigt das Licht einen dunkeln Raum, den die Flamme umgiebt; darin schwimmen spritzende Atome aufwärts; viele davon bleiben unverzehrt, verderben die Luft, schaden den Augen und den Lungen, und andere, die halb an der Flamme verzehrt werden, theilen sich als Rauch und Staub der Atmosphäre mit und ruiniren Gemälde, Decken und Goldrahmen. Nichts von alledem kommt bei dem neuen oxyhydrischen Lichte vor. So berichtet das „Mechanics’ Magazine“ vom 14. October.



Hülfe für Chicago.


Siebenzigtausend Bewohner einer der größten Städte der Vereinigten Staaten sind durch die schrecklichste Feuersbrunst dieser Tage um Haus und Heerd gekommen und sehen dem herannahenden Winter mit Frauen, Greisen und Kindern obdachlos entgegen. Das fordert unsere Opferwilligkeit heraus, auch wenn ein großer Theil der von diesem Unheil Betroffenen nicht der deutschen Nation angehörte.

Die Gartenlaube kommt mit ihrer Bitte allerdings später, als jedes andere Blatt, aus Umständen, die dem Leser ja längst bekannt genug sind. Dagegen werden unsre Bitten durch den bedeutenden Vortheil unterstützt, daß unser Blatt in Leserkreise vordringt, wohin oft wenige andere Zeitungen gelangen, und daß wir an Umfang unsers Wohlthäterkreises den Zeitverlust der Besteuerung reichlich ersetzen.

Unsere verehrten Leser werden mit ihrer Hülfe um so freudiger beigehen, wenn sie sich daran erinnern, welche werkthätige Theilnahme gerade das rastlose Chicago jedem deutschen Unglück gegenüber stets erwiesen und mit welch ansehnlichen Gaben es sich an den Sammlungen für unsere Kämpfenden, Verwundeten und Hinterlassenen des jüngsten Kriegs betheiligt hat.

Und so ist denn die Gartenlaube hiermit bereit, für die von so schwerem Unglück Heimgesuchten in Chicago den Opferstock zu öffnen, den Gebern öffentlich zu quittiren und das Erzielte an den Ort seiner Bestimmung zu befördern.
Die Redaction.

Redaction der Gartenlaube 100 Thlr. – H. Hesse in B. 1 Thlr. – Alfred 3 Thlr.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.