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Die Gartenlaube (1860)/Heft 8

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum: 1860
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 8. 1860.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Guntershausen.
Von Claire von Glümer.
(Fortsetzung.)
IV.

Frau von Hersenbrook hatte gerade im Hauptgebäude die Arbeiten der Bauleute in Augenschein genommen, als der Wagen der Aebtissin am Verwalterhause vorgefahren war. Auf die Meldung des Dieners war die Generalin hinübergeeilt, ihren Gast zu empfangen, und war auf halbem Wege mit Hedwig zusammengetroffen, die nach flüchtiger Begrüßung weiter ging, um sich, wie sie sagte, nach Eva umzusehen. Die Generalin war selbst so erregt, daß sie die Unruhe des jungen Mädchens übersehen hatte. Auch war es ihr im höchsten Grade erwünscht, mit der Aebtissin allein zu sein, und mit einer ihr sonst fremden Hast trat sie wenige Augenblicke später in das Gemach, das sie nothdürftig zum Empfangszimmer eingerichtet hatte. Ernestine von Guntershausen hatte sich in einen Sessel am Fenster niedergelassen. Beim Eintritt der Generalin stand sie auf. Es war eine mittelgroße, etwas hagere Gestalt, die sich trotz sechszig Jahre vollkommen aufrecht hielt und in ihrer schwarzen Ordenstracht mit der feingefalteten Haube, der breiten Halskrause und dem goldenen Kreuz an der linken Schulter beinahe aussah, als wäre sie aus einem der alten Rahmen im Ahnensaale zu Guntershausen niedergestiegen. Auch das scharfgeschnittene, wachsbleiche Gesicht der Dame hatte etwas von der Starrheit eines Bildes. Der strenge, eigensinnige Zug um die schmalen, blassen Lippen, die tiefe Falte zwischen den Augenbrauen, selbst die hochmüthige Haltung des Kopfes blieben sich immer gleich. Nur in den großen, runden, hellgrauen Augen mit den schwarzen Wimpern und Brauen war Leben und wechselnder Ausdruck. Aber mochten sie Haß oder Liebe, Gleichgültigkeit oder Zorn, Spott oder Beifall verrathen, unheimlich waren sie immer und übten fast auf Jeden, der von ihrem scharfen Blick getroffen wurde, eine beängstigende oder doch erkältende Wirkung.

Auch die Generalin empfand diesen Einfluß, besonders wenn sie, wie heute, nach langer Abwesenheit oder zur Besprechung wichtiger Fragen mit der Aebtissin zusammenkam. Der sonst so gewandten Frau stand jetzt kaum ein Wort zu Gebote, um den Dank für die schnelle Erfüllung ihrer Bitten auszusprechen. Ernestine schnitt ihre Rede durch eine abwehrende Handbewegung ab.

„Lassen wir das, Frau Schwägerin,“ sagte sie in ihrem harten Tone, indem sie sich wieder setzte und die Generalin bedeutete, ihr gegenüber Platz zu nehmen. „Sie haben mir nicht zu danken und werden sich nicht mehr freuen, wenn Sie hören, warum ich hier bin. – Umschweife und Redensarten,“ fuhr sie fort, ohne den höflichen Einwendungen der Generalin die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, „Umschweife und Redensarten sind einmal nicht meine Sache. Um allen Mißverständnissen vorzubeugen, will ich Ihnen darum gleich von vorn herein erklären, daß ich mit Ihrer Ansicht der Verhältnisse nicht harmonire. Ich bin mit Lothars Wahl zufrieden und werde dem jungen Paare mit tausend Freuden meinen Segen geben.“

„Sie sind gütig!“ erwiderte die Generalin mit dem ihr eigenen feinen, vielsagenden Lächeln. „Ich muß aber gestehen, daß ich weniger um Lothars Glück in Sorge war, als um das meines Kindes.“

„Glück!“ wiederholte die Aebtissin, deren Augen spöttisch aufleuchteten. „Ich weiß nicht, Liebste, was Sie darunter verstehen. Was man gewöhnlich so nennt, gehört für mich unter die Popanze der Kinderstube. Ich weiß freilich, meine liebe Hersenbrook, daß es Leute in Menge gibt, die nur danach streben, ihr Leben mit Amüsements und Thorheiten aller Art zu füllen, aber ich habe dazu niemals Zeit gehabt und danke Gott dafür.“

„Ich weiß, Sie haben sich immer für Andere geopfert,“ schaltete die Generalin sarkastisch ein.

„Da sind Sie wieder im Irrthum, Frau Schwägerin!“ rief die alte Dame. „Geopfert habe ich mich nie; Sentimentalität und was dahin gehört, ist mir in den Tod zuwider. Ich habe einfach meine Augen aufgemacht, habe gefragt: was thut Noth – was kann ich ausrichten? – und wenn ich das einmal wußte, bin ich auf mein Ziel losgegangen, ohne erst zu fragen, ob der Weg auch hübsch bequem für Atlasschuhe und Florkleider eingerichtet wäre. Das, meine Liebe, verlange ich auch von Andern – das verlange ich z. B. jetzt von Ihrer Eva.“

Die Generalin hatte wieder ihre kindliche Miene angenommen. „Sie schildern das so schön, es klingt so leicht, so einfach!“ seufzte sie. „Und doch können wir niemals wissen, ob wir auch wirklich auf rechtem Wege sind, dem rechten Ziele nachstreben. Schon vor Jahren sollte meiner Tochter dieselbe Aufgabe beschieden sein, die Sie ihr jetzt wieder zuweisen – plötzlich wurde eine Andere an ihrer Statt berufen – wer sollte da den alten Glauben, die alte Ueberzeugung festhalten? Wenn Eva nun nicht mehr frei wäre?“

„Ich verstehe, Sie wollen mir den Vorwurf der Inconsequenz machen,“ fiel die Aebtissin ein. Ihr Ton blieb unverändert – kalt wie ihre Miene, aber das Sprühen der weit geöffneten grauen Augen verrieth, daß sie zornig erregt war. „Sie irren sich,“ fuhr sie fort, „ich will heute noch, was ich vor zehn Jahren wollte – es ist dasselbe, was ich seit vierzig Jahren unter allen Verhältnissen [114] erstrebte. Daß ich zuweilen in der Wahl der Mittel fehl gegriffen habe, will ich nicht leugnen.“

„Aber beste Schwägerin, davon ist ja gar nicht die Rede,“ fiel die Generalin ein, die mit Schrecken bemerkte, daß sie sich immer weiter von ihrem Ziele entfernte. „Im Gegentheil, das Vertrauen auf Sie ist’s ja gerade, was mich zu Ihnen führt. Ich lege Ihnen meine Sorgen und Wünsche an’s Herz, weil ich weiß, daß mir Niemand besser rathen und helfen kann, als Sie. Ihre Hand ist die einzige, die dies unheilvolle Band wieder lösen kann. Lothar wird gegen Ihren Willen keine Verbindung schließen, das weiß ich. Ich halte es überhaupt für Wahnsinn, für Unrecht, daß er heirathet – und nun gar diese Wahl! Wenn es noch ein junges, lustiges frisches Wesen wäre, das ihn aus seinem Trübsinn aufrütteln könnte – aber meine stille Eva! Glauben Sie mir, Eva ist keine Frau für Lothar!“

„Sagen Sie lieber, daß Sie keine Schwiegermutter für ihn sind,“ fiel die Aebtissin spöttisch ein. „Uebrigens ersparen Sie sich die Mühe, mich umstimmen zu wollen,“ fuhr sie ernsthaft fort. „Ich habe mir, wie ich schon sagte, mein Urtheil über die Partie gebildet. Die jungen Leute lieben sich; der Himmel hat sie gleichsam durch Zeichen und Wunder zusammengeführt – ich werde sicher nichts thun, um sie zu trennen. Außerdem, liebe Hersenbrook, habe ich gelobt, in solchen Dingen nie mehr weder Hand noch Fuß zu rühren. Hätte ich das nicht mit heiligen Eiden geschworen, so wären Lothar und Eva längst durch meine Vermittelung zusammengekommen, und was Sie heute beklagen, wäre vielleicht schon vor Jahr und Tag geschehen.“

Die Generalin starrte die Sprechende an, als ob sie ihren Sinnen nicht traute. „Sie wollen nicht eingreifen?“ stammelte sie endlich, „Sie wollen sich jede Einmischung untersagen? Aber ohne Ihre Zustimmung wird ja in der ganzen Familie nie auch nur das Geringste beschlossen oder ausgeführt! Wahrhaftig, liebe Schwägerin, ich verstehe Sie nicht mehr!“

„Als ob Sie mich je verstanden hätten,“ erwiderte die Aebtissin bitter. „Ihr Alle,“ fuhr sie nach einer Pause grollend fort, „Ihr Alle haltet mich doch nur für ein herrschsüchtiges Geschöpf, das überall seinen Willen durchsetzen, seine Launen befriedigen will. Das ist Eure Meinung! Aber fragt einmal, was ohne mich, ohne mein, wenn Ihr wollt, despotisches Eingreifen aus Guntershausen geworden wäre!“

Die Aebtissin stand auf und ging mit über der Brust gekreuzten Armen in gemessenem Schritt auf und nieder. Das schwarze Seidenkleid rauschte in schweren Falten um ihre Gestalt, die in diesem engen, niedern Raume viel größer erschien als sonst. Dazu hatte ihr Gesicht seinen strengsten, stolzesten Ausdruck, und die großen Augen starrten glanzlos in unbestimmte Fernen. Der Generalin wurde immer unbehaglicher zu Muth, die gewöhnliche Sicherheit ihres Benehmens war erschüttert; sie wußte nicht, ob sie schweigen oder sprechen sollte. Endlich fing die Aebtissin wieder zu reden an. „Heut zu Tage kommt freilich nichts mehr darauf an, ob alte Geschlechter zu Grunde gehen,“ sagte sie, „ob Familien zerrissen und zerstreut werden, und ob das Haus, wo wir geboren wurden, in fremde Hände übergeht. Ihr wollt nur leicht, behaglich, lustig leben. Das gotteslästerliche: „après moi le déluge“ ist Euch Allen in Fleisch und Blut übergegangen.“

Die Generalin zuckte die Achseln. „Ihr alter, ungerechter Vorwurf!“ sagte sie. „Was können wir gegen das Geschick? Was zerfallen soll, zerfällt, was vergehen soll, vergeht, wir mögen uns noch so sehr dagegen stemmen.“

„Feige Ausreden, nichts als feige Ausreden!“ rief die Aebtissin. „Ich habe an mir selbst erfahren, was Entschlossenheit, Beharrlichkeit und feste Hand vermögen. Hätte ich damals, als der Vater verunglückte und seine Angelegenheiten in der größten Verwirrung hinterließ, auch gedacht: „was zerfallen soll, zerfällt“, Guntershausen wäre längst in fremde Hände übergegangen, und der Sohn meines Bruders hätte keine Heimath mehr.“

„Sein Leben hätte sich darum vielleicht nicht unglücklicher gestaltet,“ fiel die Generalin ein.

Die Aebtissin blieb stehen und sah sie mit zornig funkelnden Augen an. „Unglücklicher vielleicht nicht,“ sagte sie; „aber unwürdiger jedenfalls. Haben Sie denn wirklich kein Gefühl für die Heiligkeit des Vaterhauses? Sie sind freilich nie in Gefahr gewesen, daraus vertrieben zu werden,“ fuhr sie milder fort, indem sie den Platz am Fenster wieder einnahm. „Man muß es erlebt haben, wie ich, als nach des Vaters Tode ganze Schaaren jüdischer und christlicher Wucherer über uns herfielen, mit gierigen Blicken unsere Habe taxirten, die begehrlichen Hände nach allen Seiten ausstreckten. So oft ich unter unserm Wappen am Portale den Wahlspruch: „Wahr dich, wehr Dich“ erblickte, gab es mir einen Stich in’s Herz, und ich schrie zu Gott mir Kraft zu geben, um zu wahren und zu wehren. Die Brüder waren noch halbe Kinder, neunzehn, siebzehn und fünfzehn Jahre alt, die Mutter war eine schwache Frau, die ganz in ihrer Wittwentrauer unterging; ich selber war ein unerfahrenes Geschöpf von kaum einundzwanzig Jahren – aber die Noth machte mich selbstständig. Nach kurzer Zeit hatte ich eine vollständige Uebersicht der Verhältnisse gewonnen. Sie waren trostlos. Eine Menge Processe, zum Theil um Nichtigkeiten, fraßen unsere Einkünfte, die Lehen waren auf Jahre verpfändet, die Forsten verwüstet; die Oekonomie war schlecht verwaltet. Das war schon zur Zeit des Großvatern so gewesen. Der Vater hatte aus Bequemlichkeit Alles im alten Gleise gelassen. Jetzt nahm ich die Zügel der Wirthschaft in die Hand. Ich erzwang, daß Einschränkungen gemacht, unredliche Diener entlassen, günstigere Pachtverträge abgeschlossen, Processe beigelegt wurden. Und weil ich mit Muth und Vertrauen an’s Werk ging, gelang es mir. Als Bruder Hans fünf Jahr später Guntershausen übernahm, konnten wir ohne zu schwere Sorgen in die Zukunft blicken. Am Wollen, Frau Schwägerin, da liegt’s.“

„Es liegt auch am Können,“ erwiderte die Generalin. „Sie hatten gerade die Aufgabe gefunden, die Ihnen angemessen war. Hersenbrook hat mir zu hundert Malen voll Bewunderung erzählt, mit welcher Umsicht und Energie Sie damals zu Werke gegangen sind.“

„Hat er das?“ fragte die Aebtissin und für einen Moment flog eine leichte Röthe über ihr Gesicht. „So hat er Ihnen auch wohl erzählt, daß er sich damals um mich bewarb, daß ich ihm von Herzen gut war, ihn aber zurückwies, weil ich erkannte, wie viel leichter ich in seinem neu zu gründenden Hause ersetzt werden könnte, als in dem verfallenden meiner Väter. Hans war wie der Vater eine stille, weiche, träumerische Natur, wenig zur Verwaltung großer Güter geeignet. Er hatte das auch selbst erkannt, und ich hatte ihm versprechen müssen, ihn nie zu verlassen. Ich erwähne das jetzt nur, liebe Hersenbrook, um Ihnen zu beweisen, daß ich vor keiner Consequenz zurückgewichen bin, die mit der Aufgabe verbunden war, Guntershausen für seine angestammten Herren zu erhalten und unsrer Familie so viel als möglich vom alten Glanz und Wohlstand wiederzugeben.

„Dies sind denn auch die Zielpunkte gewesen, die ich im Auge behalten habe, als es sich später um die Berufswahl und Verheirathung meiner Neffen handelte. Ich weiß nicht, ob Sie erfahren haben, daß Hans, etwa fünf Jahre vor der Verheirathung mit Hersenbrooks Schwester, schon einmal verlobt war. Seine Braut war eine der schönsten Geschöpfe, die mir jemals vorgekommen sind. Sie haben ja die arme Isidore gekannt – gerade so war Friederike von Waldburg. Dasselbe blonde Haar, dieselben tiefblauen Augen, die rosige Färbung, die weichen Formen, das halb anschmiegende, halb spöttisch neckische Wesen. Hans nannte sie scherzend seine Sirene – es war ein ganz bezeichnender Ausdruck. Wie sie sich zu meinem einfachen, stillen Hans gefunden hatte, begriff ich nicht, vielleicht hatte sie auch nur den Vorstellungen ihrer Mutter nachgegeben. Aber sie schien glücklich, Hans war es in der That – es war einmal wieder Sonnenschein nach langer, schwerer Zeit. Die Hochzeit war schon bestimmt, als mein jüngster Bruder Max von langen Reisen zurückkam. Er war ein schöner, gewandter Mann, sehr jung, sehr feurig – Friederike und er entbrannten in einer wahnsinnigen Leidenschaft für einander. Sobald Hans das erkannte, trat er zurück. Seine Großmuth setzte das Paar in den Stand sich zu verheirathen, und gleich nach der Hochzeit ging Max als Gesandtschafts-Attaché mit seiner jungen Frau nach Paris. Es hat kein Segen auf dieser Ehe geruht. Max war eifersüchtig, Friederike soll kokett gewesen sein – so haben sich Beide, im vollen Sinne des Wortes, zu Tode gepeinigt. Nach zehnjähriger Ehe ist Friederike gestorben; Max ist ihr ein Jahr später gefolgt, und von ihren fünf Kindern hat nur das jüngste, Isidore, die Eltern überlebt. Das Kind wurde mir übergeben, aber ich mußte seine Erziehung fremden Händen überlassen, denn es war seiner Mutter so ähnlich, daß sein Anblick auf Hans den traurigsten Eindruck machte. Gleich nach Friederikens Treubruch [115] hatte ich an ihm die ersten Spuren jener Gemüthskrankheit bemerkt, die nachher in so trauriger Weise überhand nahm. Anfangs war es eigentlich nur ein Versinken in selbstquälerische Gedanken. Sonderbarer Weise kam dabei die Erinnerung an Friederike nicht in’s Spiel. Er griff um einige Jahr zurück und redete sich ein, daß er am Tode unserer Mutter schuld wäre. Konnte dieser Vorwurf einem Menschen gemacht werden, so hätte er nur Friedrich, meinen zweiten Bruder, treffen können.

„Friedrich war ein leidenschaftlicher, leichtsinniger Bursche, der echte Großsohn des einst so berüchtigten „wilden Guntershausen“. Zum Unglück stand er bei der Garde, einem Corps, das sich immer durch wüstes Leben hervorgethan hat. Oft hat der Junge in einer Nacht mehr verspielt, als sein ganzes Jahreseinkommen betrug. Wenn er dann in Verzweiflung schrieb oder selber kam, war die Mutter immer bereit dem Liebling zu helfen; auch der schwache, gutmüthige Hans ließ sich wieder und wieder zu Opfern hinreißen, die weit über seine Kräfte gingen.

„Ich war die Einzige, die Widerstand leistete, aber ich wurde überstimmt. Mit Schrecken sah ich die Frucht jahrelanger Mühen verloren gehen – die alten Verwirrungen drohten über uns hereinzubrechen. Das durfte ich nicht dulden; Guntershausen durfte nicht um eines leichtsinnigen Knaben willen ruinirt werden. Zum ersten und einzigen Male im Leben kam es zu einem heftigen Auftritt zwischen Hans und mir, aber ich trug den Sieg davon. Hans gab mir sein Ehrenwort, nichts mehr für den Unverbesserlichen zu thun. Nun schritt ich ein, gab den Rest meines kleinen Vermögens hin, um Friedrichs Schulden zu bezahlen, erzwang aber, daß er sich zu einem andern Regimente versetzen ließ. Er kam in eine kleine Garnison, deren Commandant die Sitten der jüngeren Officiere mit unerbittlicher Strenge überwachte.

„Friedrich war in Verzweiflung – die engen Verhältnisse erdrückten ihn. Zugleich kam er mehr und mehr zur Erkenntniß seines Unrechtes. Uebermäßig wie sein Leichtsinn gewesen war, war nun auch seine Reue – er wurde lebensmüde, menschenscheu. Die Mutter war nahe daran, Hans und mich zu verfluchen. Ich selbst habe eine Weile das Aergste gefürchtet, und wer weiß, wozu es gekommen wäre, hätte Friedrich nicht in der Liebe Erlösung gefunden. Die Tochter seines Obersten war die gute Fee, die ihn vollständig zur Besinnung brachte. Sie heiratheten sich, und Friedrich ist bis zu seinem Tode ein musterhafter Gatte und Vater gewesen. Sein Sohn, Lothar, ist ihm in vielen Dingen ähnlich, auch er, davon bin ich überzeugt, wird sich an der Seite einer Frau, die für ihn paßt, vollständig zurecht finden.“

„Aber Eva paßt nicht für ihn,“ schaltete die Generalin in ihrer eigensinnigen, beharrlichen Weise ein. Die Aebtissin beachtete diese Unterbrechung nicht. „Während sich Friedrichs Leben so günstig umgestaltete,“ fuhr sie fort, „wurde die gute Mutter krank und starb. Möglich, daß die Sorge um den Lieblingssohn ihr Ende beschleunigt hatte – aber Hans trug sicher keine Schuld. Kurze Zeit schien auch von seiner Seele die Trübung wieder zu weichen – damals, als Hersenbrooks Schwester auf meine Einladung nach Guntershausen kam, und seine Neigung gewann. Sie erfüllte unsere Wünsche, wurde sein Weib und so verlebten wir ein paar ruhige, glückliche Jahre, obwohl ihrer Ehe der Kindersegen versagt blieb. Dann starb sie – des Bruders Schwermuth kam im verstärkten Maße wieder, Friedrich’s Tod gab ihr neue Nahrung – so ging das fort, bis der Tod seiner langen Qual ein Ende machte.“

Es war etwas Erschütterndes in der Ruhe, womit die alte Frau auf alle diese Trübsal zurück blickte. Selbst die Generalin fühlte sich so davon ergriffen, daß sie keines Wortes mächtig war und schweigend zu der Aebtissin aufsah, bis diese nach einem schweren Seufzer zu sprechen fortfuhr:

„Da war ich nun in dem verödeten Guntershausen,“ sagte sie. „Das Haus stand fest gegründet, aber die berufen schienen, es mit mir zu bewohnen, hatten mich verlassen. Meine beiden Neffen, Friedrich’s Söhne, waren die letzten Repräsentanten unseres alten Geschlechts, in ihrer Hand mußte sich Alles vereinigen, was unser Haus an Ruhm, Macht und Reichthum besaß. Aus diesem Grunde wollte ich Isidore, die Erbin von Rothach – dem Gute, das Hans in seiner Großmuth an Max gegeben hatte – mit Werner verheirathen. Daß ich Eva für Lothar bestimmte, geschah theils aus alter Zuneigung für Hersenbrook, theils aber auch, weil sie für einen jüngern Sohn eine wünschenswerthe Partie war.

„Wieder legte der Tod sein Veto ein – Werner starb – und so war’s nicht meine Laune, sondern die unvermeidliche Consequenz meines ganzen Strebens, daß ich Isidorens Hand nun für Lothar bestimmte. Wie ich dabei gefehlt und wie ich dafür gelitten habe, das, Frau Schwägerin, gehört nicht hierher. Genug, daß ich seit der Zeit nicht mehr Schicksal spiele – wir sind ja nie zu alt, um zu lernen! Aber ich gestehe, daß ich seit Jahren wünsche, Lothar zu Eva zurückkehren zu sehen, und ich danke Gott, daß meine Wünsche erhört sind.

„Aber nun lassen Sie uns nicht weiter von alledem sprechen,“ fuhr sie in ihrem gewöhnlichen, harten Tone fort, indem sie aufstand und die Hand auf den Arm der Generalin legte. „Lassen Sie uns einmal hinübergehen, ich möchte den Neubau in Augenschein nehmen – und glauben Sie mir, liebe Hersenbrook, lassen Sie die Kinder gewähren. Was Gott zusammenfügt, das soll der Mensch nicht scheiden!“




V.

Während sich Tante Ernestine so energisch für die Verlobten erklärte, war für diese eine schwere Stunde gekommen.

Beim ersten Blick in Lothar’s düstre Miene bereute Eva, daß sie Hedwig zum Bleiben gezwungen hatte. Sie wollte das junge Mädchen bedeuten, die traurigen Erklärungen auf eine bessere Stunde zu versparen, aber es war zu spät. Das leidenschaftliche Geschöpf sprang auf, sobald sich der Bruder näherte, stürzte ihm entgegen, warf sich weinend an seine Brust und überschüttete ihn mit Vorwürfen und Klagen.

Nun war kein Rückhalt mehr möglich. Eva trat zu ihm, faßte seine Hand und bat ihn, der Ungestümen zu verzeihen.

„Laß uns jetzt nicht mehr davon sprechen,“ bat sie, indem sie sorgenvoll in sein blasses, verstörtes Antlitz sah. „Ich bin ruhig – Du brauchst mir nicht erst die Versicherung zu geben, daß dem Allem ein Mißverständniß zum Grunde liegt.“

Lothar küßte ihre Stirn, setzte sich auf die Rasenbank, zog Eva an seine Seite und sagte mit trübem Lächeln, indem er ein Päckchen aus der Tasche nahm: „Da ist meine Antwort, meine Beichte, wenn Du willst; die traurige Geschichte meiner ersten Ehe. Die ganze Nacht habe ich geschrieben, ganz früh sollte der Brief in Deinen Händen sein. Ich wollte Dich nicht wiedersehen, bis Du Zeit gehabt hättest, Dich zu prüfen. – Dann konnte ich mich wieder nicht entschließen, die Blätter einem Fremden anzuvertrauen – ich wollte sie Dir selber bringen, trage sie nun schon seit vielen Stunden mit mir herum, und wer weiß, wie lange ich das noch gethan hätte, wären wir hier nicht zusammengetroffen.“ Er gab Eva den Brief. „Und nun,“ fuhr er fort, „nimm auch das Versprechen zurück, das Du mir gestern gegeben hast. Ich wußte nicht, was ich that. Der Schmerz, Dich zu verlieren, hatte mich der Besinnung beraubt. Verzeih’, Eva! Du bist frei, ganz frei – Du sollst Dich erst entscheiden, wenn Du Alles weißt.“

„Ich habe nichts mehr zu entscheiden, es ist Alles, Alles fest und klar!“ erwiderte Eva und schickte sich an, den Brief in ihre Kleidertasche zu versenken. Aber Lothar kam ihr zuvor, nahm ihr den Brief aus der Hand, erbrach das Couvert, entfaltete die engbeschriebenen Blätter und reichte sie der Schwester, die unruhig und verwirrt an seiner linken Seite saß.

„Lies, Hedwig,“ sagte er. „Auch Dir bin ich Aufklärung schuldig. Und mich laßt hier, ich bin müde, todtmüde!“ Mit diesen Worten schlug er die Arme über der Brust zusammen, lehnte den Kopf an den Stamm der Buche und schloß die Augen; aber nur einen Augenblick, dann wandte er sich zu Hedwig. „Fang an,“ sagte er ungeduldig. „Die erste Seite magst Du überschlagen. Fang an bei den Worten: Ich war einundzwanzig Jahre alt.“

Hedwig nahm alle ihre Kraft zusammen, trocknete die Augen und begann mit unsicherer Stimme die Aufzeichnungen des Bruders vorzulesen, während Lothar sich wieder an den Baumstamm lehnte und Eva, in athemloser Spannung lauschend, bald einen bekümmerten Blick auf den Geliebten warf, bald die traurigen Augen der Lesenden zuwandte. Lothar hatte geschrieben:

„Ich war einundzwanzig Jahre alt, als die Verlobung meines Bruders mit Isidore Guntershausen declarirt wurde. Isidore hatte den Sommer und Herbst bei Tante Ernestine in Fischbach zugebracht, war dort mit Werner zusammengekommen, der eben seine Güter übernommen hatte, und seine Berichte über sie waren so [116] überschwänglich, sein Jubel über ihren Besitz so gross, daß ich voll Ungeduld dem Augenblicke entgegensah, der mich mit ihr bekannt machen sollte. Zu meiner Freude kam Tante Ernestine auf den Gedanken, daß wir Geschwister das Weihnachtsfest wieder einmal zusammen verleben sollten. Natürlich war Guntershausen zum Sammelplatz erkoren. Tante Ernestine wollte mit Isidore auf ein paar Wochen herüberkommen; auch Heinrich von Hardorf, der Bräutigam meiner Schwester Margarethe, hatte Werner’s Einladung angenommen – das alte Nest der Familie, das ich so still und düster in der Erinnerung trug, war ganz voll Licht und Leben, als ich wenige Tage vor dem Feste mit meinem Schlitten vorfuhr.

„Obwohl meine Erwartung in Betreff Isidorens aufs Höchste gespannt war, machte sie mir doch beim ersten Anblick einen blendenden, verwirrenden Eindruck, und je länger ich sie beobachtete, um so mehr nahm mich der Zauber ihres Wesens gefangen. Es war etwas Sylphenhaftes in dieser anmuthigen Gestalt, diesem feinen weißen Gesicht, diesen blonden Locken, und etwas so Flatterndes in ihrem ganzen Sein, daß man eigentlich nicht zu einem bestimmten Bilde ihrer Persönlichkeit gelangte. Wenn sie – was freilich selten geschah – sinnend dasaß, mit großen, träumerischen Augen, wäre sie für den bildenden Künstler das edelste Modell einer Psyche gewesen, aber schon im nächsten Moment war sie wieder der neckische Kobold, der lachend durch alle Winkel strich, oder ein verzogenes Kind, das der Tante Ernestine zu tausend Ermahnungen Anlaß gab. Dabei war es rührend, zu sehen, mit welchem bewundernden Entzücken Werner’s Augen an ihr hingen. „Ist sie nicht bezaubernd, hast Du je etwas Lieblicheres gesehen?“ flüsterte er mir zu, so oft er in meine Nähe kam. Ich hatte meinem ernsten, ruhigen Bruder solche Schwärmerei gar nicht zugetraut.

„Als wir uns vorgestellt wurden, hatte mich Isidore freundlich und einfach begrüßt, dann aber nicht weiter beachtet. In größern Kreisen, besonders Damen gegenüber, war ich immer ein schüchterner Junge, und hier war’s nicht Isidore allein, die mich befangen machte, auch den Schwestern war ich fremd geworden, und Tante Ernestine’s scharfe Blicke flößten mir immer das beängstigende Gefühl ein, als überwache sie nicht nur, wie mein guter Hauptmann, jeden Knopf meiner Uniform, sondern auch jeden Gedanken und jede Empfindung meiner Seele. Darum zog ich mich, sobald die Begrüßungen vorüber waren, auf ein schattiges Plätzchen zurück und begnügte mich, zu antworten, wenn direct eine Frage an mich gerichtet wurde.

„Noch mehr trat ich in den Hintergrund, als wenige Stunden nach meiner Ankunft ein zweiter Schlitten vorfuhr und gleich darauf Heinrich von Hardorf in’s Zimmer trat.

„Ich habe noch einen Gast mitgebracht!“ rief er in seiner lauten, lustigen Weise. „Einen alten Bekannten; Isidore soll rathen, wer es ist.“ Aber ehe diese antworten konnte, wurde die Thür, deren Griff Hardorf noch in der Hand hielt, aufgerissen und ein großer, schwarzhaariger Mann trat in’s Zimmer.

„Machen Sie nicht so viel Umstände um einen ungebetenen Gast, lieber Hardorf!“ sagte er, sich vor den Damen verbeugend.

„Ach, Victor!“ rief Isidore, seinen Gruß mit einem kurzen Neigen des Kopfes erwidernd, während Hardorf den Fremden als Freiherrn von Rieth vorstellte.

„Nie im Leben hat mir eine Persönlichkeit beim ersten Anblick einen so widerwärtigen Eindruck gemacht, wie dieser Herr von Rieth, und doch war er nicht häßlich zu nennen. Seine Gestalt war von vollkommenem Ebenmaße, seine Haltung bequem und nicht ohne Eleganz, sein bartloses, rothes Gesicht hatte regelmäßige Züge, seine Stirn war bedeutend, sein Mund fein, aber um seine Lippen zuckte ein höhnisches Lächeln, seine graugrünen Augen hatten einen bösen, lauernden Blick, sein ganzes Wesen verrieth ein maßloses Selbstgefühl und sein Organ erinnerte mich an Shakespeare’s Worte: „wenn er spricht, so klingt’s wie geborstne Glocken.“

„Was mich aber am meisten gegen ihn einnahm, war sein Benehmen gegen Isidore. (Er war weitläufig mit ihr verwandt und hatte sie, als sie in der Pension war, zuweilen gesehen.) Während Hardorf ausführlicher von seiner Stadtfahrt berichtete – die Damen hatten ihn mit Weihnachtsaufträgen hingeschickt – und von dem „glücklichen Zufall“ erzählte, der ihn mit Rieth zusammengeführt hatte, setzte sich dieser zu Isidore und begann ein eifriges Gespräch. Was er ihr sagte, verstand ich nicht, weil ich die Beziehungen seiner Worte nicht kannte, aber ich sah deutlich, daß er dem Kinde weh that. Es war etwas unbeschreiblich Bitteres in seinem Tone, etwas Gereiztes, Verbissenes, Spöttisches in seinem ganzen Wesen. Isidore wurde verlegen, sie erröthete ein Mal über das andere, und schien vergebens nach Antwort zu suchen. Endlich schlug sie den Blick halb ängstlich, halb flehend zu ihm auf, und nun sah ich, daß ihre Augen voll Thränen standen. Ich hätte den Unberufenen am liebsten zur Thür hinaus geworfen – aber nun lenkte er ein, nahm einen andern Ton an und wandte sich bald darauf dem allgemeinen Gespräche zu. Nun war auch sofort jede Spur von schmerzlicher oder zorniger Erregung aus Isidorens Zügen verschwunden; sie lachte und scherzte wieder mit Allen, selbst mit dem widerwärtigen Rieth und versuchte endlich auch mich aus meiner Schweigsamkeit aufzurütteln – aber es war nicht mehr die kindlich-unbefangene Heiterkeit, die mich anfangs so entzückte, es war eine erzwungene Lustigkeit, ein Lachen, das mir in Ohr und Herzen weh that.

„Das blieb so in den nächsten Tagen. War Isidore allein mit uns, so war sie das lieblichste Geschöpf, das man sich denken kann. Kam der Herr von Rieth dazu, so war ein Mißklang da. Werner, dem ich meine Bemerkung mittheilte, wollte mir freilich nicht glauben.

„Du siehst Gespenster, lieber Junge!“ sagte er. „Herr von Rieth ist ein ganz liebenswürdiger Mensch. Etwas eingebildet – die Frauen haben ihn verzogen; etwas malitiös – die gefährliche Gabe des Witzes verführt leicht dazu; aber Isidore hat ihn gern, das weiß ich. Und verstimmt, wie Du meinst, ist sie ganz und gar nicht – sieh doch nur in ihre strahlenden Augen.“ Und mit innig glücklichem Gesicht fügte er hinzu: „Sie hat mir auch eben wieder die Versicherung gegeben, sie wäre das glückseligste Geschöpf auf der ganzen Welt.“

„So kam der heilige Abend. Tante Ernestine war beschäftigt, nach altem Brauch die Weihnachtsbescheerung für Alles, was zum Hause gehörte, im großen Saale aufzustellen. Werner durchsuchte die Gewächshäuser nach blühenden Blumen für seine Isidore; Margarethe und Anna schmückten den Christbaum, Hardorf mußte helfen. Die kleine Hedwig lief Trepp auf Trepp ab, um womöglich eins der wichtigen Weihnachtsgeheimnisse zu erspähen. Ich Ungeschickter war überall überflüssig, hatte mich in das blaue Zimmer zurückgezogen, saß im Lehnstuhl am Ofen, hörte dem Knistern der Flamme zu und dachte an vergangene Weihnachtsabende – an den letzten besonders, den ich beim Onkel Hersenbrook mit meiner lieben Eva verlebt hatte.

„Plötzlich knarrte die Thür; im unsichern Feuerschein sah ich, daß Rieth hereintrat. Ich wollte nicht mit ihm sprechen, hoffte, daß er wieder gehen würde, lehnte mich in den tiefen Sessel zurück und verhielt mich still.

„Isidore!“ rief er mit halblauter Stimme, ging an’s Fenster und hob den Vorhang, als ob er sie dahinter suchte. In demselben Augenblicke näherte sich ein leichter Schritt; die Thür wurde abermals geöffnet und eine helle Gestalt erschien auf der Schwelle. Es war Isidore, sie trug einen brennenden Wachsstock in der einen, ein Körbchen in der andern Hand.

„Victor!“ rief sie erschreckt, als ihr Rieth aus dem Dunkel entgegentrat. „Lassen Sie mich!“ fuhr sie halb ängstlich, halb unwillig fort, als er ihre Hand fassen wollte: „ich muß zur Tante.“

„So eilig?“ sagte er in dem spöttischen Tone, der mir so verhaßt war. „Sie hatten doch sonst mehr Zeit für mich, mein Kind! Wir haben uns ja hier noch gar nicht in Ruhe gesprochen – ich habe Ihnen noch nicht einmal so recht aus Herzensgrunde Glück wünschen können, Gräfin von und zu Guntershausen.“

„Isidore hatte Licht und Körbchen auf den nächsten Tisch gestellt. Ich sah, wie sie zitterte, und war im Begriff hervorzutreten, um sie von dem Lästigen zu befreien. Aber in demselben Augenblicke sagte sie mit zorniger Stimme: „Es ist schlecht von Dir, daß Du mich so quälst. Warum bist Du überhaupt hierher gekommen?“

„Das Blut gerann mir zu Eis bei diesem Du. In welchem Verhältnisse stand sie denn zu dem Menschen? Das mußte ich wissen, um Werner’s willen. Ich blieb in meinem Versteck.“

(Schluß folgt.)



[117]

Ein Gang nach und durch Melbourne.

Es war mitten im südaustralischen Sommer, d. h. nach unserm Kalender im Februar, als ich von dem felsigen Vorsprunge Liardet’s Jetty in die Hobson-Bucht hinausathmete, um gegen die brennende, auf Bretern und Balken Blasen ziehende Sonne etwas Luft und Kühlung zu erhaschen. Alles schien zu verbrennen, zu knistern und zu spalten unter den Brandstrahlen dieser entsetzlichen Sonne. Alle Schiffe, Maste, Takelagen, Boote krochen gleichsam zusammen vor brennendem Schmerz, wie Schafe unter einem deutschen Juli, und schnappten, ohne sich weiter zu rühren.

Aber plötzlich wird’s lebendig, wenigstens auf einem Schiffe drüben in der Hobson-Bucht. Eine Flagge steigt bis an die äußerste Mastspitze, ein Signal für die Wasserpolizei, wie mein Begleiter sofort erkennt. Die Matrosen auf dem Schiffe schreien und toben, der Capitain schlägt, stößt und haut wild unter ihnen umher und steht mit einem Revolver über dem Boote, in welchem die Matrosen ihre Flucht vorbereitet hatten. Inzwischen schießt das Polizeiboot blitzschnell heran. Der Capitain wirft ihm ein Tau zu, und die Constabler klettern hinauf wie Katzen und balgen sich auf dem Verdeck umher wie Wahnsinnige. Aber der Kampf ist bald zu Ende. Die Haupthelden der aufrührerischen Matrosen gehen still mit eisengefesselten Händen auf dem Rücken auf und ab, die Andern staunen und starren halb wüthend, halb ehrfurchtsvoll auf die Constabler, die nun ganz kaltblütig auf dem Deck umhersitzen und ihre Pfeifen rauchen. Inspector und Capitain rauchen als Auszeichnung Cigarren. Die physisch und moralisch geduckten Matrosen thun ihre Schuldigkeit, da sie alle Commandos des Capitains pünktlich ausführen. So kommt das Schiff bald auf den Seeweg und verschwindet allmählich aus unsern Augen. Das Polizeiboot kehrte nach einigen Stunden zurück; es hatte eine seiner ziemlich alltäglichen Hafenpflichten gethan und Matrosen, die in der Betrunkenheit gemiethet, aufs Schiff geschleppt, nüchtern und rebellisch geworden waren, zur Ordnung, das Schiff ordentlich auf Oceanwasser gebracht und dann dem Capitain und der Gewalt des offenen Salzwassers das Uebrige anheimgegeben. Matrosen rebelliren nicht auf offenem Meere, sondern nur verführt von dem Anblick der Sirene: Land.

Melbourne.
Nach einer Abbildung der Melbourner deutschen Zeitung.

Vom Hafendamme her kommt uns ein armseliges Skelett von Jungen entgegen, der mit dünner Stimme vertrocknete, melancholische kleine Torten von einem armseligen Blech anbietet. Er sieht so hoffnungslos und körperlich wie geistig verkommen aus, daß ich mitleidig einen seiner „puffs“ kaufe und ein menschliches Wort fallen lasse. Dieser Ton der Humanität rührt ihn sofort zu Thränen. Eines Arztes Sohn in England, seit zwei Monaten hier mit den besten Empfehlungen und hübschen goldenen Pfunden – Alles verloren, in Lumpen, handelt er auf Straßen umher, schläft, wo er müde ist und nicht weiter kann. „O, wenn mich meine Mutter so sähe!“ – Alltägliche Geschichte von Hunderten, die mit rosigen Hoffnungen fast täglich aus der alten Welt herbeiströmen und in gelber Verzweiflung enden. – Da wächst ja eben wieder eine schwimmende Stadt voll Einwanderer heran! Die frisch gestrichenen Planken und Maste, neu getheerte Takelage und weißen Segel glänzen und glitzern unter der wolkenlosen Sonne. Eine rothe Flagge flappt von der Mastspitze. Alles, auch die auf dem Vorderdeck gedrängten Passagiere, trägt Festtagsputz. Segel auf Segel wird eingezogen, bis die vollschwellende Takelage zum Gerippe einschrumpft. Die Ankerkette knattert wie eine Salve durch das Hawse-Loch, bis der Anker unten festen Fuß faßt und das lange auf den Wogen geschleuderte Schiff lammfromm still steht. Beamte rudern heran, klettern auf, untersuchen und inspicircn, wie in dem polizeireichsten Hafen der alten Welt, und lassen erst nach vollendeter Arbeit die lauernden Lösch- und Passagierboote anlegen. Auch ein Dampfboot ist da mit flammingofarbigem Capitain auf der Räderbrücke. Passagiere und Gepäck stürzen sich ungeduldig auf dasselbe, auch verkleidete Matrosen als Deserteurs in der Menge, sodaß es bald triumphirend stromaufwärts davon schießt und den kleineren Booten Platz macht. Alles singt und jauchzt, auch die auf dem Dampfboote, die für ihr Gepäck auf der Flußstraße von acht englischen Meilen bis an das eigentliche Melbourne blos ein Bischen mehr bezahlen müssen, als für das schwerste Frachtgut von London bis in die Hauptstadt des „glücklichen Victoria-Australiens“; sie werden, hoffnungstrunken, nicht einmal nüchtern durch den Anblick des schmutzig gelben Yarra-Yarra und seiner geborstenen, trostlosen Ufer mit den knurzigen, verkrüppelten, roth- und braunblätterigen Bäumen und den schläfrigen Pelikanen, nicht durch die Labyrinthe von Schiffen, Tauen und Theerjacken, die weiter oben den Fluß verengen und das Gelb zu schmutzigem Kaffeebraun verdüstern, nicht durch den Geruch der Talg-, Theer- und Seifensiedereien an den Ufern – durch nichts; denn sie brennen vor Begier, die Glückspilzstadt des Goldes zu betreten, in kürzester Frist Crösus zu werden und goldbeladen sich in die beste Gesellschaft des Westendes zu London einzukaufen, oder als Dukatenmänner und Wunderthiere den Philistern in Deutschland beim Biere erbitternd unglaubliche Fabeln aufzubinden. Sie landen und finden sich heimathlos und allein unter Bergen von Gepäck und wahren Cannibalen von Trägern und Fuhrleuten, denen man den Werth seines Koffers bezahlen muß, wenn sie ihn bis zur Stadt fördern sollen.

Auf der linken Seite des Landungsplatzes lockt uns zum ersten [118] Male wieder das englische Bierzeichen. Wir trinken ein Glas Porter, das in London 1, hier 8 Pence kostet, und quälen uns mit unserm Gepäck nach Melbourne zu, die Sandrücken-Straße hinauf, vor einigen Jahren noch eine melancholische Wildniß, jetzt eine auf beiden Seiten von Häusern und Palästen, Läden und dichtem Verkehr belebte Hauptstraße, wie denn überhaupt das ganze Melbourne mit all seiner glänzenden Pracht von außen boden- und geschichtslos, pilzartig in die Höhe geschossen ist, blendend in Neuheit, überall unvollendet und überall schon wieder ruinenhaft zerbröckelnd, berstend unter glühender, farbloser Sonne und kalten Platzregen der Nächte.

Hunderte von Quadratmeilen ringsum sind goldhaltig, Tausende von der mehr als 100,000 Geviertmeilen großen Oberfläche menschenleer und fruchtbar; aber das Gold und die englische Aristokratie haben bereits dafür gesorgt, daß der großen Masse der fruchtbare Boden verschlossen bleibe oder ein Fluch werde. Man hat ihn in Bausch und Bogen in Beschlag genommen, verkauft ihn sehr selten als reines Eigenthum und zwar nur zu fabelhaft hohen Preisen und verpachtet ihn in der Regel auf bestimmte Zeit, bis der Pächter durch seinen Schweiß der Scholle Werth gegeben; dann jagt man ihn fort und verpachtet für 5–10 Mal höheren Preis. Das ist, nebst dem Golde, der englische Fluch Australiens, von welchem nur die Deutschen bei Adelaide (die 1848 größtentheils von Berlin auswanderten) und überhaupt die älteren Colonisten ausgenommen sind. Daher sind diese auch reich und wohlgebildet, während die moderne, bodenlose Masse, die kein Grundeigenthum erwerben kann, ebenso verlumpt und verkommt, wie das Proletariat Englands.

In Amerika blühen Millionen freier, deutscher Bodenbesitzer und Weinbauern (die Zukunft des Weines gehört Amerika, und zwar den Deutschen); in Australien können Deutsche blos als Dienstboten, Tagelöhner, Handwerker oder als Lehrer gedeihen, natürlich auch als Kneipiers, als welche sie sich unter allen Längen- und Breitengraden ebenfalls auszeichnen.

Doch wir sind immer noch nicht in Melbourne, und die grosse Lagune zur Rechten, das verhältnißmäßig schönste und charakteristischste Landschaftsbild in der Nähe, hält uns noch ein Weilchen auf. Mageres Gras mit einigen violetten, sternförmigen, geruchlosen Blumen knistert brechend unter unsern Füßen. Dazwischen einzelne traurige, blechartige Bäume mit grauem, rothem, versengtem Laubwerk. Alles umher brütet unheimlich still in der Hitze: nur unzählige Insecten brummen emsig umher, und die Papageien, Kakadus, Lori’s und gespenstisch graue Königsfischer oder Lochvögel mit den seltsamsten aller monströsen Schnäbel krächzen, schimpfen, pfeifen, lachen, schmatzen zuweilen auf, toller wie in einer Wolfsschlucht des Freischütz, aber nicht ein einziger kann singen. Lange schwarze Schlangen mit weißen und rothen Streifen schnellen sich bei Seite und werfen Dir aus grausamen, stieren Augen Blicke des giftigsten Hasses zu. Aus dem Baumstumpfe, der wie ein riesiger hohler Zahn aussieht, starrt, wie versteint, eine vorsündfluthliche Eidechsenform Ignana. Plötzlich rauschendes Leben zwischen dem gelben, schilfigen Ufergrase. Bronzene Flügel und purpurne Schwänze durchkreuzen die sapphirische Himmelsfarbe – eins – zwei – drei – vier Schüsse – eben so viel fallende Enten, die von zerlumpten, deutsch sprechenden Kerls aufgefischt und an die Speisewirthe verkauft werden.

Von der Lagune steigen wir über Emerald Hill in die Mitte der Stadt, die in ihren Straßen und Häusern, in Armuth und Pracht, in Liederlichkeit und sauberer Vornehmheit so alltäglich modern nichtssagend aussieht, daß wir darüber kein Wort verlieren. Der Wunder größtes auf diesem Wege und den Straßen überhaupt ist die Fülle von Unreinlichkeit mit abgelegten, man darf kaum sagen, alten Sachen. Schuhe, Strümpfe, Hemden, Röcke männlichen und weiblichen Geschlechts, Halstücher, ganze Garderoben liegen auf den Straßen umhergestreut, ohne daß sie Jemand beachtet oder gar aufhebt, selbst wenn er in Lumpen vorbeigehen sollte. Wo sind die Habichtsnasen mit ihrem Enthusiasmus für „alte Sachen?“ Das Geheimniß ist bald gelöst: erstens kostet ein Hemd zu waschen mehr, als ein neues, ein Rock auszubessern mehr als ein neuer; zweitens wüthet die Pest, der Typhus, in der Stadt von Zelten, die sich am Emeraldhügel hinzieht. Wenn Tausende von Emigranten wöchentlich hereinströmen, so können sich oft auch wohlhabende Leute und Familien für das schwerste Geld nicht Dach und Fach erkaufen. Eine sehr reiche englische Familie, die mit mir gekommen war, wohnte in einem noch nicht ausgebauten Hause von drei Zimmern einen Monat für vierzig Pfund Sterling.

Die meisten Ankömmlinge sind froh, wenn sie zunächst in der Zeltstadt Schutz vor den Nachtregen finden; aber wenn die Fluthen die Koffer aus dem Zelte wegschwemmen und beim Aufwachen das Wasser bis an den Mund reicht, kein Feuer brennen will und der Sturm die Zelte wie Regenschirme umkrempelt, wenn Typhus-Pest und unerhörte Ruchlosigkeit um uns im tiefsten, stinkenden Schmutze wüthen: dann verliert das romantische Zigeuner-Leben in der Leinwandstadt bald seinen Reiz. Vor meinen Augen begruben sie eines Tages zwei Typhus-Leichen in einem Pökelfleischfasse und brüllten lustige Zoten dazu und tranken Spiritus wie Wasser. Zwischen den Zeltgassen werden nicht selten am hellen Tage einzelne Neulinge überfallen, beraubt und noch lebendig tief in den Koth hineingetreten, daß sie ersticken und liegen bleiben, bis ein Nachtplatzregen sie zum Theil herausspült. Was Thucydides, Boccaccio und Defoe Schreckliches von den demoralisirenden Wirkungen der Pest schilderten, in der Zeltstadt von Melbourne wiederholte es sich ziemlich genau während der Typhuszeit, deren schrecklichste Periode in das Jahr 1853 fiel, die seitdem aber nie wieder ganz aufhörte.

Weiter stadtwärts passiren wir den botanischen Garten in noch chaotischer Unordnung und gehen über die „Fürstenbrücke“, gebaut von Gold, wenigstens lauter goldhaltigen Quarzstücken, in das eigentliche Verkehrsnetz der Stadt. Im abenteuerlichsten Gänsemarsch wackelt uns eine Horde Chinesen entgegen, weitblauhosig mit kleinen Kähnen statt der Schuhe, braungelb, immer lächelnd, schiefschlitzäugig, mit bienenkorbartigen Kopfbedeckungen, Jeder mit einer Bambusstange auf der Schulter und einem baumelnden Bündel ganz oben an der Spitze, von den Jungen an den Zöpfen gezupft, von Allen höhnisch verlacht und immer lächelnd, die geheimnißvollsten Menschengestalten der Welt, eben so unverständlich in ihren Gesticulationen wie mit ihrer bald tief im Magen knurrenden, bald in der höchsten Fistel quiekenden Sprache. Je nach der Tonlage oder Tonfolge hat manches einzige Wort 20–30 Bedeutungen. Ueberhaupt ist hier das wahre, lebendige ethnologische Museum: Franzosen, deutsche Biergesichter, Italiener, schielende Spanier, Dänen, Malaien mit wilden, mordlustigen Augen, tättowirte Maori’s (Eingeborne von Neuseeland), betrunkene Neger aus Amerika, zähnefletschende, bläulich braune Papuaner ohne Stirn und mit weit hervorragenden, breitmäuligen Gebissen, magere, gelbe Amerikaner, hakennasige Juden, Engländer, Schotten, Irländer, alle mögliche Nationen beider Halbkugeln mit dem charakteristischen, professionellen „Digger“ oder „Goldsucher“, aus dessen Wasserstiefeln ein frecher, wilder Kerl hervorragt mit einem Gesichte aus lauter Bart, aus welchem nur Nase und barbarische Augen hervorscheinen, pistolenumgürtet, Straußenfedern auf dem Hute, reitend, fahrend, brüllend, Champagner aus Zinn-Bierkrügen trinkend – heute ein Crösus, morgen ein Bettler. „Wie gewonnen, so zerronnen“! Vielleicht ist es ein Natur- und Sittengesetz, daß Geld, je leichter es in die Hände kommt, desto leichter und rascher, demoralisirender wieder davonläuft. Die „Diggers“ verbringen oft thatsächlich in einer einzigen, liederlichen Nacht den Lebensunterhalt eines ganzen Jahres. Sie kommen mit einem Sacke voll Goldstaub oder „nuggets“ an, verkaufen es im ersten besten Laden, an dessen Schaufenstern mit ungeheueren Buchstaben tausendweise die Worte prangen: „Gold bought in any quantity“ (hier wird jede Menge von Rohgold für baar Geld gekauft), poltern in große Restaurations-Paläste hinein, an deren Eingangsthüren „Very dear!“ (sehr theuer!) als Lockspeise für die Eintagsfliegen von Crösus angebracht ist, und verbringt die Nacht in den lebensgefährlichsten Spitzbuben-, Mörder- und Dirnenherbergen, den Clubs Londoner „Schwarzbeine“ (entkommener Verbrecher) und der „Herren von Drüben“, wie die entlassenen Deportirten von Van Diemensland genannt werden.

Auf dem Wege nach Hause wird der „Digger“, wenn er nicht Alles durchgebracht hat, sehr oft nieder- oder todtgeschlagen und beraubt. Oder er besucht Concertsäle, wo er der Primadonna Champagner in Zinn-Bierkrügen reicht, den Pianisten, der ihm nicht Lärm genug macht, mit Orangenschalen bombardirt und fortfährt, allen möglichen Unfug zu treiben, bis er unter cannibalischem Tumult hinaus- und den Nachthabichten als Beute vorgeworfen wird.

Von Theatern, Concertsälen, Kirchen, Spiel- und noch schlimmeren Häusern kann ich nicht viel Rühmliches sagen, zumal da ich nicht dafür stehen kann, was sich Alles während der wenigen [119] Monate, seitdem ich Melbourne verließ, geändert und gebessert haben kann. Wie die südaustralische Victoria- und Goldhauptstadt binnen wenigen Jahren äußerlich glänzend aufschoß und sich ausbreitete, verändert sie sich stets eben so rasch, immer im Fieber, immer in einer Art von Wuth, das ältere, solidere, durch dauernd und regelmäßig aufblühenden Handel begünstigte Sidney zu übertreffen. Deshalb tragen auch alle Unternehmungen für Kunst und Wissenschaft, für Cultur und Luxus das Gepräge des Uebereilten und Forcirten, des Unfertigen, Unsoliden und des Humbugs. Erziehung und Unterricht, Kunst und Wissenschaft kommen immer mehr in deutsche Hände. Ich lernte mehrere Hunderte von Landsleuten kennen (von 1848 bekannte und berühmte Namen darunter), die theils als Privatlehrer, theils als Vorsteher eigener Schulen, als Gesang-, Musik- und Sprachlehrer fast durchweg gut leben und zum Theil reich werden. Einige deutsche Vereine sind bis jetzt ohne Bedeutung. Man schätzte die Zahl unserer Landsleute in Melbourne selbst auf 7–10,000, mit der Umgegend und den Goldregionen auf mehr als 20,000. Drei Deutsche geben seit vorigem Herbste die „Melbourner Deutsche Zeitung“, wöchentlich einen halben bis dreiviertel Bogen, heraus, aber die drei Redacteurs Brahe, Kruse und Püttmann finden so wenig Stoff auf diesem „unhistorischen Boden“, daß sie über drei Viertel ihrer Spalten, wie z. B. in Nr. 6, mit Nachdruck aus dem Londoner „Hermann“ füllten.

Deutsche, die auswandern, sollten am allerwenigsten an Australien denken. Die Welt ist hier schon weggegeben. So Viele unserer Landsleute sich auch emporgearbeitet haben, wer zählt die Menge der Untergegangenen? Mir ist besonders ein Beispiel unvergeßlich. Die reiche Frau eines Berliner Philosophen und Schriftstellers, der in Berlin im Elend gestorben ist, wurde von einem ehemaligen Berliner Lieutenant hierher begleitet und verlassen. Sie suchte erst als Lehrerin, dann als Waschfrau zu leben, sank dann bis zum nächtlichen Wandern auf den Straßen, wurde endlich zerknirschte Betschwester und starb mit dem „Brode des Lebens“, der Bibel, in der Hand, aber aus Mangel an irdischer Nahrung.




Die neue Pariser Betäubungsmethode.
Von Dr. Pinkus in Glogau.

Anfangs December 1859 berichteten Correspondenzen verschiedener Zeitungen aus Paris, daß ein Arzt zufällig ein neuen Verfahren entdeckt habe, in kurzer Frist einen Menschen in tiefen Schlaf zu versenken. Das Verfahren war folgendes: „Die Person, welche eingeschläfert werden sollte, setzte sich auf einen Lehnsessel oder ein Sopha, befreite sich von allen beengenden Kleidungsstücken und brachte den ganzen Körper, besonders den Kopf, in eine bequeme Lage; der Arzt hielt in einer Entfernung von 1/2–1 Fuß der experimentirenden Person eine polirte Kupferplatte vor das Gesicht; die Platte wurde von dem Experimentirenden angeschaut. Nach zwei Minuten,“ so wurde weiter berichtet, „nahmen die Züge den Dasitzenden den Ausdruck der Abspannung an, die Augenlider schlossen sich, nach ferneren zwei Minuten war tiefer Schlaf eingetreten; die Kupferplatte wurde entfernt. Das Gesicht des Schlafenden hatte den Ausdruck großer Ruhe; er war unempfindlich gegen die Berührung eines kalten Gegenstandes, unempfindlich gegen laute Geräusche, unempfindlich gegen tiefe Nadelstiche. Zugleich zeigten seine Glieder eine wächserne Biegsamkeit, d. h. der Arzt Kopf, Arme und Beine durch Anwendung einer geringen Kraft in verschiedene Stellungen bringen konnte, und die Glieder verharrten in dieser Stellung (auch wenn dieselbe im wachen Zustande einen Aufwand großer Muskelkraft verlangt hätte) so lange, bis sie in eine andere gebracht wurden. Nach Verlauf einer halben Stunde verlor sich die wächserne Biegsamkeit, die Arme sanken schlaff zur Seite, das Gesicht deutete auf eine eintretende große Abspannung, diese ging jedoch, nach den Zügen zu urtheilen, rasch vorüber, die Miene wurde wieder belebt, der Schlafende erwachte und fühlte keine Beschwerde.

„Bei einem ferneren Versuche richtete sich das Hauptaugenmerk des Arztes auf Prüfung des Empfindungsvermögens des Schlafenden, alle Empfindung schien erloschen.

„Die Entdeckung dieses Verfahrens ist von der höchsten Wichtigkeit,“ wurde hinzugefügt. Es sei unzweifelhaft, daß Operationen aller Art während dieses Kupferplatten-Schlafs vorgenommen werden könnten; die bisherigen Betäubungsmittel wirkten alle in hohem Grade schwächend, ließen nach einmaliger Anwendung eine unüberwindliche Abneigung gegen ihren ferneren Gebrauch zurück und hätten in mehreren Fällen den Tod herbeigeführt. Das neue Mittel ließe sich ohne jede Gefahr anwenden! – Unzweifelhaft sei damit die Herrschaft des Chloroform beendet!

Die ersten Correspondenzen machten in Deutschland wenig Eindruck. Das große Publicum verhielt sich passiv, denn das magische Tischrücken und der Psychograph hatten den Gläubigen viel bedeutendere Resultate geboten, als einen todtenähnlichen Schlaf, mit dem selbst der größte Heißhunger nach sinnlicher Wahrnehmung überirdischer Kräfte nichts anfangen konnte; – und der Arzt hatte ein Recht, sich der neuen Entdeckung gegenüber mit einem ungläubigen Lächeln abzufinden.

Allein Mitte December nahm der Entdecker das Recht der Wissenschaftlichkeit für seine Entdeckung in Anspruch, nachdem er eine sehr große Zahl von Versuchen gemacht habe; er stellte eine Theorie der magischen Kupferplatten-Wirkung zusammen, für welche die Lehren des Magnetismus, der Elektricität, des Mesmerismus, der Polarität des Geistes Bausteine hatten liefern müssen. Er hoffte, der wissenschaftliche Dünkel der Collegen würde diesmal nicht der Aufnahme einer so segensreichen Entdeckung hinderlich in den Weg treten. – Die Correspondenten berichteten weiter, daß in einer außerordentlich großen Anzahl von Familien zu Paris der Versuch wiederholt worden sei; in der größeren Mehrzahl der Fälle mit Erfolg; die Versuche mit negativem Resultat wären an höchst unruhigen oder böswilligen Subjecten gemacht worden, die nicht veranlaßt werden könnten, zwei Minuten lang unverwandt in die Kupferplatte zu schauen.

Die Lehre wurde bald verbreitert: eine große Zahl der Menschen, an welcher die Kupferplatte keinen Schlaf herbeigeführt, wären in todtenähnliche Starrheit versunken, sobald der Arzt seine ausgebreitete Hand von der Platte aus langsam nach dem Kopfe des ruhig Dasitzenden hinbewegte. Die Zeitdauer von zwei Minuten wurde übrigens im Allgemeinen als zu kurz befunden, hingegen sollte nach spätestens fünf Minuten der Erfolg unausbleiblich eintreten, wenn nicht etwa das Individuum überhaupt zu der kleinen Minderheit gehörte, die unempfindlich sei gegen die neuentdeckte Kraft. Die Stellung der Platte wurde dahin bestimmt, daß sie höher als der Kopf des Sitzenden und diesem nahe genug gehalten würde, um ein geringes Schielen der Augen hervorzurufen.

Diesen Berichten gegenüber durfte sich der Arzt nicht mehr einfach abwehrend verhalten; er mußte von ihnen Notiz nehmen und durfte erwarten, daß bei dem regen Verkehr, der gerade in Paris zwischen den Laien und den Männern der Wissenschaft herrscht, die Entdeckung bald die Aufmerksamkeit höherer Kreise erregen würde, falls nicht etwa die Correspondenten das Opfer einer Mystification geworden waren.

Ende December berichteten auch in der That medicinische Journale, daß die Akademie zu Paris eine Commission zur Untersuchung der neuen Entdeckung niedergesetzt habe, und daß an der Spitze der Commission Velpeau stehe, ein Mann von europäischem Rufe. – Von diesem Augenblicke an lag für den Mediziner die Verpflichtung vor, die neue Entdeckung wo möglich durch eigene Versuche zu prüfen.

Verfasser hat durch die freundliche Bereitwilligkeit seiner Bekannten zweiundvierzig Versuche machen können, von denen indeß nur einige wenige hier angeführt werden sollen, da sie alle ziemlich dasselbe Resultat ergaben.

A. Versuche mit einer Kupferplatte und gleichzeitigen Manipulationen der Hand.

Ein Mädchen von dreizehn Jahren, von mäßiger Phantasie, cholerischem Temperament, reizbarem Nervensystem. Kurz nach Beginn der Sitzung macht sich ein Gefühl des Unbehagens in der Augen- und Stirngegend bemerkbar; die Augen müssen öfter geschlossen werden. Gefühl der Spannung: was wird nur daraus werden? darauf Gefühl der Langweile. Dauer der Sitzung: sechs Minuten. – Dasselbe Mädchen, fünf Minuten später. Es schildert die Empfindungen und Gedanken, welche es während des Versuchs gehabt hat, folgendermaßen: „Bin ich nicht eigentlich eine Närrin, daß ich mich zu solchem Blödsinn hergebe? – aber es ist doch spaßhaft. Was der Doctor für närrische Bewegungen mit [120] seinen Fingern macht! Er will mich umgarnen, wie eine Spinne, ich werde ihm aber ein Schnippchen schlagen. Mir fangen aber bei dieser Kupferplattirung die Augen an, weh zu thun, und nachher will ich noch die Sonate spielen. Ich möchte mir jetzt wohl einmal den Magnetiseur ansehen, ob er wohl ein ernstes Gesicht macht – aber nein, dann wird er brummig! Hui! Da kommt er wieder mit seinen Fingern! Mir wird etwas duselig im Kopfe. Hoffentlich ist die Zauberei bald beendet, denn mir wird wahrhaftig übel! – Nun geht es besser!“ – Objectiv wahrnehmbar war in den Zügen anfangs ein Gefühl der Spannung; die Miene wurde dann lächelnd, wieder ernst, zeigte darauf den Ausdruck der Mattigkeit, der jedoch gegen das Ende der Sitzung wieder verschwand. Sie dauerte im Ganzen acht Minuten. Die Uebelkeit bestand dann noch eine Zeit lang fort und war mit dem Gefühl der Mattigkeit verbunden.

Ein Sekundaner, sechzehn Jahre alt, ein klarer Kopf von sanguinischem Temperament und sehr guter Selbstbeobachtungsgabe. Die Manipulationen meiner Hand machen auf ihn den Eindruck des Komischen, was sich auch in den Zügen ausprägt; die Richtung der Augen auf einen nahgelegenen Gegenstand erregt ein Gefühl von Unbehagen in Augen- und Stirngegend. Die Spannung der Aufmerksamkeit auf die Dinge, die da kommen sollen, weicht sehr bald dem Gefühl der Langweile. Die Augen wollen sich von der Kupferplatte abwenden, und nur wiederholte Willensanstrengung kann sie in der verlangten Richtung erhalten. – Keine Neigung zum Schlaf, keine Trübung des Selbstbewußtseins, kein Schwindel, keine Veränderung des Empfindungsvermögens. – Dauer der Sitzung: acht Minuten.

B. Versuche mit der Kupferplatte allein.

Ein junges Mädchen von elf Jahren, reger Phantasie, nervösem Temperament. Der Versuch wurde in größerer Gesellschaft angestellt, kurz nach Beginn der Sitzung entsteht ein Gefühl von Drücken in den Augen, das jedoch bald schwindet. Die Züge, anfangs frisch und belebt, werden allmählich matt. Die Augenlider werden öfter für mehrere Secunden geschlossen und nach immer größer werdenden Pausen erst wieder geöffnet; sieben Minuten nach Beginn der Sitzung bleiben sie geschlossen, – das Mädchen schläft. Die Kupferplatte wird entfernt. Die Gesellschaft, welche während der Dauer des Versuchs in größter Ruhe verharrt hatte, wird nun belebt; Alles drängt sich um das junge Mädchen; eine Schwester derselben, besorgt um ihr Befinden, ergreift ihre Hand und ruft ihren Namen; sie erwacht, klagt über große Müdigkeit, verläßt den Sessel und begibt sich in ein kühles Nebenzimmer. Nach Anwendung einiger Belebungsmittel verliert sich die Schlafneigung, doch das Gefühl der Mattigkeit und Abspannung dauert über zwei Stunden.

Eine Dame von zweiundvierzig Jahren, zarter Constitution, hoher nervöser Reizbarkeit, innerlicher Natur. Im Beginne der Sitzung macht sich ein Gefühl von Druck im Kopfe bemerkbar, das allmählich an Intensität zunimmt. Die Züge, anfangs munter und frisch, nehmen bald den Charakter der Mattigkeit und Abspannung an. Es findet sich ein Gefühl des Unbehagens in der Stirngegend ein, dieses steigert sich zu einer unerträglichen Höhe, die Dame springt auf, flüchtet in das Nebenzimmer und fällt dort bewußtlos nieder. Dauer der Ohnmacht: eine Minute. Ein Gefühl großer Abspannung hatte sich nach vierundzwanzig Stunden noch nicht verloren. Die Sitzung hatte sechs Minuten gedauert.

Eine junge Dame, 16 Jahr alt, von zarter Constitution, großer Reizbarkeit des Nervensystems, innerlicher Natur. Es ist der Experimentirenden gleich im Beginn der Sitzung nicht möglich, ihre Lachlust zu bemeistern. Ohne daß sich ihre Phantasie mit komischen Bildern bevölkert, genügt die Erinnerung an das Eigenthümliche ihrer Situation, um sie trotz ernsten Gegenstrebens immer wieder von Neuem in die heiterste Stimmung zu versetzen. Fünf Minuten nach Beginn der Sitzung wird die Miene ruhig, und drei Minuten darauf wird der Versuch beendet. – Die Dame fühlt sich ganz wohl, geht einige Mal im Zimmer auf und nieder und fühlt dann das Bedürfniß nach Ruhe; sie setzt sich auf ein Sopha und liegt nach wenigen Minuten im Schlafe. – Das Empfindungsvermögen ist während dieses Schlafes nicht krankhaft verringert. Bei Nennung ihres Namens öffnete sie die Augen, drückte jedoch durch Miene und Gebehrde den Wunsch aus, nicht gestört zu werden. Das Licht der Lampe war ihr unangenehm, sie änderte ihre Lage stets so, daß das Gesicht möglichst viel beschattet wurde. Keine Spur von wächserner Biegsamkeit der Glieder! der Schlaf war nicht tief. Drei Viertelstunden darauf wurde die junge Dame durch wiederholtes Anrufen und leises Rütteln erweckt. Die noch fortdauernde Schlafneigung wurde von ihr bekämpft, doch fühlte sie sich geistig unfrisch. Sie verstand kaum, was man mit ihr sprach, gab halbe Antworten und mit matter Stimme und hörte theilnahmlos der Unterhaltung zu, für die sie sonst reges Interesse hat. Nach zwei Stunden verlor sich dieser Zustand allmählich.

Forschen wir nun nach dem Resultate der Versuche, so ergibt sich, daß in fast allen Fällen ein Gefühl von Unbehagen eingetreten war, welches von den Experimentirenden auf verschiedene Gegenden des Kopfes bezogen wurde, ferner Uebelkeit, große Abspannung, Schwindel, Schlaf während der Sitzung und kurz nach Beendigung derselben Ohnmacht. Die Ausbeute an auffallenden Ergebnissen ist also nicht groß, aber immerhin groß genug, um die Pflicht zur Erforschung des Zusammenhanges aufzulegen.

Es wirkten bei jedem Versuche folgende Momente: 1) der Experimentirende nahm eine bequeme Stellung ein; 2) rings um ihn herrschte Ruhe; 3) seine Aufmerksamkeit wurde auf Einen Gegenstand gerichtet; 4) seine Augen wurden nach oben gewendet und einigermaßen zum Schielen gezwungen, eine Stellung, die nur mit Anstrengung der Augenmuskeln eingehalten werden kann; 5) auf seine Augen wirkte sein Bild und das nah gelegener Gegenstände im Zimmer in der eigenthümlich röthlichen Kupferfärbung; 6) dazu kamen noch bei Einigen die Windströmungen und Temperatur-Veränderungen durch die „magischen“ Striche der ausgebreiteten Hand.

Es erzeugt nun aber die Anstrengung der Augenmuskeln bei fast allen Menschen auch das Gefühl der Anstrengung; dieses Gefühl setzt sich bei verschiedenen Menschen in Druck, Spannung oder, ohne nähere Begriffsbestimmung, in Unbehagen um, und das Unbehagen wird nicht immer auf den Ort bezogen, an dem es entsteht. Dauert die Anstrengung längere Zeit fort, so kann das Gefühl des örtlichen Unbehagens sich zu dem der allgemeinen Abspannung erweitern.

Die dauernde Richtung der Aufmerksamkeit auf Einen Gegenstand wirkt ebenfalls abspannend. Anstrengung der Augenmuskeln, Concentrirung der Aufmerksamkeit auf Einen Gegenstand, Anstrengung beider Augen durch eine mehrere Minuten dauernde Einwirkung heller Strahlen ruft bei reizbaren Personen einen vermehrten Blutgehalt und Ueberreizung des Gehirns hervor, und dadurch erzeugt sich Mattigkeit, bei Personen von größerer Reizbarkeit Schwindel, große Ermüdung, Ohnmacht. – Diese Reihe von Erscheinungen wird noch leichter eintreten, wenn ein ähnlich wirkendes Moment, nämlich hohe Temperatur der Luft, sich hinzugesellt.

Die Richtung der Aufmerksamkeit auf Einen Gegenstand ist ein bekanntes und beliebtes Einschläferungsmittel; die Ermattung, welche auf die Anstrengung der Augenmuskeln eintrat, die enorme Temperatur der umgebenden Luft, die Stille der Umgebung mußten ebenfalls einschläfernd wirken.

Damit sind alle Ergebnisse der Versuche als natürliche Folgen der genau bekannten einzelnen Momente, aus denen jeder Versuch bestand, erklärt.

Es ergeben sich daher als Resultat folgende Sätze:

1) Das Kupferplatten-Experiment erzeugt bei den meisten Menschen ein unbehagliches Gefühl im Kopfe,
2) Bei einzelnen, sehr reizbaren Personen Schwindel, Ohnmacht, Schlaf.
3) Der Schlaf unterscheidet sich in keiner Weise von demjenigen[WS 1], der durch andere Einflüsse, welche zugleich anstrengen und ermüden, hervorgerufen wird. Namentlich ist eine auffallende Verringerung der Empfindungsfähigkeit und das Eintreten von wächserner Biegsamkeit der Glieder nicht vorhanden.
4) Es treten keine Erscheinungen ein, zu deren Erklärung die Einwirkung irgend welcher unbekannten „metallischen“ oder „magischen“ Einflüsse angenommen werden müßte. Die physiologische Einwirkung aller der Momente, welche bei dem Versuch einwirken, erklärt alle Folgen desselben.
5) Bei der sehr geringen Zahl von Personen, welche durch den Versuch in Schlaf versenkt werden, bei dem Mangel an Tiefe, den der Schlaf dort zeigt, wo er eintritt, kann das Chloroform in keiner Weise durch die Kupferplatten-Wirkung ersetzt werden.




[121] Wir sind im Laufe des letzten Jahrzehnts von Paris aus mit einer Reihe Entdeckungen auf dem Gebiet des „magischen Geisteslebens“ beschenkt worden, die eine Rundreise durch ganz Europa machten, in die besseren Kreise drangen, in allen gläubige Anhänger fanden und auf viele Frauen der besten Art sinnverwirrend einwirkten. Der Vorwurf, den man damals unseren Physikern und Aerzten mit Recht machte: daß sie, statt Unheil zu verhüten, sich dem Spuk gegenüber nur lächelnd verhalten hätten, macht es jedem Arzt zur Pflicht, gegen einen neuen Spuk, der nicht von selbst rasch verschwindet, in seinem Kreise Bannformeln zu suchen.

Im Gefühl dieser Pflicht sind die vorstehenden Untersuchungen vorgenommen worden.




Pariser Bilder und Geschichten.
Von Moritz Hartmann.
Nr. 6. Heuchler des Reichthums.

Wir haben in den frühern Skizzen von den Heuchlern des Lasters und der Tugend erzählt, es gibt auch Heuchler des Reichthums, und ihre Anzahl muß Legion sein in einer Welt, in der das Geld eine so große, eine so ungeheuere Rolle spielt.

Die Familie Faussimont besteht aus der Mutter, Madame Faussimont, aus dem Sohne Gustave und aus den zwei Töchtern Pauline und Zelia. Die Familie bewohnt auf dem Quai Voltaire ihr eigenes Haus, d. i. das Haus, das in der That der Familie gehörte, aber seit vielen Jahren an einen Notar verkauft ist. Niemand weiß von diesem Verkaufe; man hat dieselbe Wohnung vom Notar gemiethet, die man als Eigenthümer bewohnt hatte, und so wohnt man noch immer im „eigenen Hause“. Die ganze Bekanntschaft hält Madame Faussimont für eine Proprietaire, nur der Portier weiß, daß er einer fremden, außer dem Hause wohnenden Macht gehorcht, und da er eine gewisse Anhänglichkeit an die alten Eigenthümer hat, läßt er die Bekannten in ihrem Wahn und achtet das Geheimniß der Familie Faussimont. Seit lange plagt sich Madame Faussimont mit einer Rente von 6–7000 Francs; in ihrer Stellung, in ihrem Kreise ist es schwer, sich mit 7000 Francs durch’s Jahr zu schlagen. Die Revolution ließ sie einige Zeit aufathmen. Es war damals Mode, ruinirt zu sein, und Madame Faussimont erklärte sich für ruinirt und lebte in den Jahren 1848 und 1849 sehr behaglich. Sie konnte sich in ihrer Gene gehen lassen; sie und ihre Kinder trugen sehr schäbige Kleider, sie gab keine Gesellschaften und war in zwei Sommern nicht gezwungen, auf’s Land zu gehen.

Indessen haben sich alle durch die Revolution Ruinirten wieder erholt; Alles lebt wieder auf großem Fuße, die Familie Faussimont kann nicht zurückbleiben, um so weniger als Pauline und Zelia längst herangewachsene Fräulein sind, die sich, wenn sie heirathen wollen, in der Welt müssen sehen lassen. Um in die Welt zu gehen, muß man auch die Welt zu sich kommen lassen. Das kostet in Paris eigentlich nicht viel: etwas Thee, etwas Kuchen, zwei Lampen mehr, als gewöhnlich, voilà tout – aber es kostet doch etwas. Auch sind die Möbels so schrecklich alt; der Plüsch derselben, aus dem Empire stammend, so abgeschabt, daß man sie kaum mehr sehen lassen kann. Zelia beklagt sich gegen alle Welt über den schrecklichen Conservatismus der Mutter, die sich von den Großvaterstühlen nicht trennen kann, welche den achtzehnten Thermidore gesehen. – „Was willst Du, mein Kind?“ – sagt die Mutter lächelnd, „ich bin nun einmal so: ich hänge am Alten; übrigens passen diese Möbel zu unserem Hause. Auch unser Haus ist altmodisch – aber diese großen Räume, die von Ludwig XIV. erzählen, sind mir lieber als die modernen Häuser des Faubourg St. Honoré. Willst Du vielleicht auch, daß ich unser Haus restaurire, daß ich es vielleicht verkaufe, um ein so modernes aufzubauen? Nicht um alle Schätze der Welt. Nenne Du mich nur pedantisch, Zelia; ich liebe das Alte. Wenn ich erst todt bin, dann mögt ihr euch moderne Fauteuils und Kanapees und kleine Möbelstückchen von Tahan und Odiot anschaffen, dann werde ich euch nicht mehr geniren mit meinen alten Ideen.“

„Aber Mama,“ ruft Zelia, und wirft sich der Mutter weinend an den Hals, „was sprichst Du vom Tod? Nicht ein Nagel soll an diesen Möbeln verändert werden.“

Nun weiß die Welt, warum die Familie Faussimont so elende, alte Möbel hat – wahrhaftig, sie könnten so schöne Möbel haben, wie irgend Jemand; man weiß, daß Madame Faussimont Renten hat, und das Haus Nr. 5, Quai Voltaire, ist eins der schönsten und einträglichsten Häuser an der Seine.

Aber Thee, Kuchen, Zuckerwasser, Lampenöl kosten auch Geld, und alle die Krämer, Bäcker, Patissiers der Umgegend kennen die inneren Angelegenheiten und Finanzverhältnisse des Hauses besser, als alle intimen Freunde. Auf diese Epiciers ist nicht zu hoffen; sie denken klein, sie sind gemein, sie wollen bezahlt sein und zwar sogleich bezahlt sein. Pauline, Zelia und Gustave legen sich die härtesten Entbehrungen auf; sie versagen sich des Morgens zum Kaffee das Weißbrod und dergl. mehr, nur um ihren Mittwoch Abend aufrecht zu halten. Gustave ist eine sehr gute Haut; er ist zwar zu Nichts zu brauchen, man hat ihn schon aus den verschiedensten Bureaux der verschiedensten Ministerien fortgeschickt, und er wartet nun schon lange vergebens, daß man ihn bei irgend einer Gesandtschaft anstelle, aber die Schwestern machen aus ihm und mit ihm, was sie wollen. Er muß so viel als möglich außer dem Hause essen, bei ehemaligen Schulcameraden, bei neuen Bekanntschaften, die er fortwährend vermehrt, und was an Gustave’s Kost erspart wird, legt man ebenfalls dem Thee zu. Der kostet nicht sehr viel, denn man kauft nicht eigentlichen Thee, sondern man kauft bei Marquis im Passage Panorama Theestaub, der nur schlechter anzusehen ist, aber das beste Getränk gibt. Zelia bereitet ihn nicht im Salon, so sieht man auch nicht, daß es Staub ist.

Aber trotz dieser Anstrengungen vergeht doch ein Winter nach dem andern, und weder Pauline noch Zelia hat einen Mann gefunden, und es ist doch hohe Zeit, daß eine oder die andere unter die Haube komme. Da hört man, wie ein ganz armes Fräulein, aber aus der „guten Gesellschaft“, im Bade St. Sauveur einen Bräutigam gefunden. Eine lichte Idee erleuchtet die ganze Familie Faussimont; man muß in ein Bad, coûte qui coûte, man muß in ein Bad. Die letzten Anstrengungen dürfen nicht gescheut werden. Nach Monaten der Entbehrung wird Gustave auf’s Land geschickt zu einem Freunde – er soll nur acht Tage bleiben, aber seine geheimen Instructionen lauten auf Monate – und Madame Faussimont mit Töchtern setzen sich in der Nacht in einen Waggon zweiter Classe, und ehe das Tageslicht diese Schmach beleuchten kann, sind sie in Dieppe, im Seebade.

Mehrere Tage verfließen ereignißlos. Die Damen treten sehr bescheiden auf, sind aber überall zu sehen: auf der schönen Plage, im Badehause, am Hafen, am Leuchtthurm, und wenn große Partien nach den Ruinen von Arques gemacht werden, auch dort und in dem nahen Parke. Schon sind sie bekannt, aber sie haben keine Bekannte. Nachmittags sitzt man am Ufer des Meeres, auf der Düne; die Mama arbeitet, Pauline liest ihr Verse vor, Zelia springt im Sande und Kiese umher und sucht Muscheln. Manchmal eilt sie mit kindischem Geschrei herbei und zeigt der Mama und der Schwester irgend eine besonders schön gezeichnete Schale. „Wie kindisch Du bist, liebe Zelia!“ sagt die Mutter, wenn eben Leute vorübergehen. – Schon nach zwei Tagen sammelt auch ein junger Mann aus der Gascogne Muscheln; ein Herr v. Faillet, der an der Garonne Weinberge besitzt. Am dritten Tage gleitet Zelia aus und fällt bis an die Knöchel in’s Wasser; sie schreit auf, der junge Mann eilt herbei und führt die Erschrockene der Mutter zu, ist verlegen, lächelt und entfernt sich wieder. Aber er ist in den nächsten Tagen wieder an der Düne und bewundert das Heranrauschen der Fluth; so thut auch Zelia, die auf einem Felsen steht. Herr v. Faillet erlaubt sich, sie zu warnen; der Felsen wird in wenigen Minuten von der Fluth umgeben sein. Aber Zelia ist so kindisch. „Desto besser,“ sagt sie, „das wird herrlich sein!“ – Schon ist der Felsen von der Fluth umgeben; Zelia bemerkt es nicht, endlich sieht sie sich ängstlich um, und ihr Blick weilt Hülfe flehend auf Herrn v. Faillet. Das hat er nur erwartet; er stürzt herbei, er schreitet bis an’s Knie durch die salzige Fluth, [122] er faßt die Jungfrau, die sich in Verschämtheit sträubt, und trägt sie auf seinen Armen auf’s Trockene. Jetzt erst bemerkt die Mutter, was vorgeht; sie eilt herzu, sie ist außer sich, sie faßt die Hände des Fremden, sie nennt ihn ihren Wohlthäter, den Retter ihres theuren Kindes. In Aufregung bewegt sich die ganze Gruppe der Wohnung zu.

Ein Roman wäre denn glücklich eingeleitet. Zelia ist zwar die Jüngere, aber Pauline ergibt sich gern in ihr Schicksal; die Geschichte, die Verhältnisse der Familie müssen doch eine Wendung nehmen. Wenn nur Zelia verheirathet ist, und zwar mit einem reichen jungen Manne, der hoffentlich Freunde hat!

Der Roman wird hoffentlich seinen guten Gang gehen. Man kann es nicht leugnen, daß die beiden Mädchen ihre Reize haben, die selbst erfahrenere Männer, als es Herr v. Faillet ist, umstricken könnten. Sie sind nicht eben außerordentlich schön, aber sie haben feine, braunblasse, regelmäßige Gesichtchen mit großen, braunen Augen; die Komödie selbst, die sie im Leben spielen müssen und die sie lieber nicht spielen möchten, gibt ihnen einen intelligenten, zugleich geheim traurigen Ausdruck, der desto anziehender ist, je schwerer man sich ihn erklären kann. Hinter diesem Ausdruck ahnt man tiefe Seelenvorgänge, obwohl es eigentlich nur traurige häusliche Angelegenheiten sind, sogar sehr prosaische. Aber was schadet das? die Mädchen sind interessant; das muß jeder gestehen, der sie in Dieppe zum ersten Male sieht.

In der Familie wird beschlossen, daß der junge Mann fern gehalten werden müsse, auf daß er nicht einen Blick in die Geheimnisse der Familie werfe. Man empfängt ihn doch einige Male, und nachdem er mit einem Worte, mit einem Blicke gegen Zelia Muth und Liebe gezeigt, bittet ihn die Mutter auf das Freundschaftlichste, seltener zu kommen, es sei um seinet- und um Zelia’s wegen. Zwei Tage lang macht Herr v. Faillet einen großen Umweg, sobald er die Familie Faussimont aus weiter Ferne erblickt. Am dritten Tage erhält Zelia einen geheimen Brief; er kann nicht ohne sie leben, er muß sie sprechen. Triumph und Familienrath!

Nachmittags trifft man ihn auf der Düne. Die Mutter erklärt ihm, daß sie die Sache nicht so arg genommen; er solle ihnen doch nicht so ausweichen; sie seien ja gute Freunde. Er müsse nur verstehen, daß eine Wittwe mit zwei Töchtern mehr als andere Mütter auf ihrer Hut etc. etc. Und sie kenne ja Herrn v. Faillet nicht, und er müsse bedenken, daß sich so viele junge Leute, Glücksritter, épousseurs, Mitgiftjäger etc. herandrängen etc. etc. Sie sagt das Alles auf die zarteste Weise, und Herr v. Faillet kann nicht umhin, er muß ihr Recht geben, er muß sie nur höher achten. Nur Eines thut ihm weh, daß Madame Faussimont glauben könne, er nähere sich Fräulein Zelia wegen der Mitgift.

Indessen geht er an Zelia’s Seite, von Mutter und Schwester gefolgt, am Ufer des Meeres auf und ab, manchmal im Mondenschein, und er weiß es schon, daß seine Liebe erwidert wird. Aber was nützt das Alles? der Bruder Zelia’s – ein schrecklicher Bruder, vor dem Alles zittert und der glücklicherweise nicht in Dieppe ist, sonst hätte er Herrn v. Faillet längst den Hals gebrochen – hat andere Pläne mit ihr. Pläne, bei denen sie mit ihrem Herzen nicht im Geringsten betheiligt ist, denen sie sich aber, einmal nach Paris zurückgekehrt, nicht wird entziehen können. Das Alles erfährt Herr v. Faillet nur stückweise, in abgebrochenen Sätzen, an verschiedenen Tagen; er muß sich die Geschichte selbst zusammensetzen. Seine Leidenschaft und sein Unglück sind grenzenlos. Schon hat er einmal von Entführung gesprochen, aber der zornige Blick Zelia’s wies ihn wieder in die Schranken des Anstandes zurück. Am Abende jenes Tages, da das Wort „Entführung“ gefallen, findet wieder großer Familienrath statt. Die Sache muß so rasch als möglich zu Ende geführt werden. Einmal nach Paris zurückkehrt, werden sich die Verwandten Faillets drein mischen, wird Alles seinen regelmäßigen, langsamen Schritt gehen, und wie Vieles kann in so langer Zeit hindernd dazwischen treten!

Nächsten Tag vertraut Zelia dem erschrockenen Geliebten das Geheimniß, daß die Mutter in sehr kurzer Zeit in ihr Hotel nach Paris zurückkehren wolle; sie wird dann Faillet nie wieder sehen. – Die letzten Worte sind von einer fließenden und einer unterdrückten Thräne begleitet. Herr v. Faillet sieht sie mit einem eben so vielsagenden, als verzweifelnden Blicke an. Mit ausgestreckten Armen ruft er aus: „Dort drüben liegt England!“ – „Alles, alles will ich für Dich thun, Alles gebe ich für Dich hin, die Achtung meines stolzen Bruders, die Liebe meiner theuren Mutter und meine Ehre.“

Das Dampfschiff im Hafen braust und lärmt, aber gewaltiger lärmt es im Herzen des jungen Herrn v. Faillet, der vor der Landungsbrücke auf- und abgeht; über dem lärmenden Herzen eine Brieftasche tragend, in welcher viele Pfundnoten und ein falscher Paß für Zelia neben einander ruhen. – Wird sie kommen? wird sie nicht kommen? Gott, wenn die Mutter das Complott durchschaut hätte! – Aber nein! sie kommt, sie eilt athemlos herbei, ohne das mindeste Gepäck, selbst ohne Porte-Monnaie; Pauline hat Alles an sich genommen, als man sich Adieu sagte, ein heiteres, glückliches Adieu. – Zelia spricht kein Wort. Faillet führt sie auf’s Schiff wie sein Opfer und kommt sich vor wie ein Opferer, wie ein Verbrecher. Und hinaus, gegen Brighton zu, dampft der Jean Bart. Lächelnd sehen ihm hinter dem Fenstervorhange Madame und Mademoiselle Faussimont nach.

Tags darauf kehrt man nach Paris zurück. Dort erhält man den ersten Brief von Zelia; auf ihren Knieen bittet sie die Mutter um Verzeihung, sie ist zerknirscht, ihr Herz ist voll Reue, aber auch voll Liebe. – Herr v. Faillet wagt es, seine Bitten mit denen Zelia’s zu verbinden. – Die Mutter ist unbarmherzig. – Sie bleibt es, als sie drei Wochen später die Nachricht erhält, daß Zelia Frau v. Faillet geworden. Erst mit Anbruch des Winters kehrt das junge Ehepaar nach Paris zurück und im Dunkel des Spätabends wagen sie es, in Nr. 5 Quai Voltaire einzudringen; die Mutter ist überrascht, gerührt – sie verzeiht.

Glaubt der Leser, ich hätte ihm die Geschichte einer Spitzbubenfamilie erzählen wollen? Nein, nur die Geschichte einer Pariser Familie. Unter anderen, weniger drängenden Verhältnissen, unter minder tyrannischen Ansprüchen der Gesellschaft wäre die Familie Faussimont so ehrlich geblieben, wie tausend andere ehrliche Familien in kleinen Städten. Sie aber schwamm mitten in einem grossen Meere auf einem schwankenden Balken, in ewiger Angst, verschlungen zu werden. Zelia ist eine gute und treue Frau geworden, und man kann nicht leugnen, daß sie die Bekanntschaften und das große Vermögen ihres Mannes gewissenhaft benutzt hat, um auch ihrer älteren Schwester einen Mann zu verschaffen. Es ist ihr gelungen. Pauline ist die sehr wirtschaftliche Ehegattin eines Unterpräfecten im Departement der Gironde und bringt jeden Sommer auf dem Landgute ihrer Schwester Madame de Faillet zu.




Andreas Hofer.
Zur fünfzigjährigen Todtenfeier seiner Ermordung.

Zu Mantua in Banden
Der treue Hofer war,
In Mantua zum Tode
Führt ihn der Feinde Schaar;
Es blutete der Brüder Herz,
Ganz Deutschland, ach! in Schmach und Schmerz,
Mit ihm das Land Tyrol. –

So klingt das schöne Lied des schwer erkrankten Julius Mosen zum Andenken des unsterblichen Volkshelden von Tyrol, der vor fünfzig Jahren, am 20. Februar 1810, von den Franzosen auf den Wällen von Mantua erschossen wurde und mit seinem Blute seine Treue für das Haus Oesterreich besiegelte.

Wenn man auf der Wanderung durch das schöne Tyrol in das ernste Passeierthal tritt, auf das der hohe Jausen, der Mons Jovis der Römer, melancholisch niederschaut: so gelangt man auf steinigem, zerrissenem Pfade zu einem Hause von zwei Stockwerken, mit einer Doppelgallerie geziert. Dort wohnte der Sandwirth Andreas Hofer mit seiner treuen Ehefrau Anna Ladureer und gab den einkehrenden Gästen ein Obdach und ein Glas von dem rothen Landwein, so gut er es selber hatte. Nebenbei betrieb er die Sennwirthschaft und einen einträglichen Pferdehandel, der ihn bis nach dem benachbarten Italien führte und mit vielen Menschen zusammenbrachte. Er hatte zu jener Zeit sein [123] einundvierzigstes Jahr zurückgelegt und stand im kräftigsten Mannesalter; sein Wuchs war hoch wie die Tannen seiner Berge, seine Gestalt herkulisch, sein Auge schwarz, voll Demuth, wenn er betete, aber gleich einer verzehrenden Flamme, wenn er zürnte oder sich ereiferte. Besonders auffallend war sein langer, dunkler Bart, den er in Folge einer Wette bis zum Gürtel wachsen ließ und sorgsam pflegte. Er ging in der Tracht seines Thales, nur daß er einen großen schwarzen Hut mit breiter Krämpe und niederhangender, gekrümmter Feder trug. Seine gewöhnliche Kleidung war ein kurzer, grüner Lodenrock, ein rothes Unterwamms, darüber ein grüner Hosenträger; rings um den Leib nach Landessitte der schwarze Gürtel, kurze Beinkleider, rothe Strümpfe und Schuhe, die nur bei hohen Festtagen oder auf weiten Reisen mit Stiefeln vertauscht wurden. An seinem Halse hing ein kleines Crucifix, das er jeden Morgen und vor dem Einschlafen andächtig küßte. In Nichts unterschied er sich von den übrigen Landleuten der Gegend und doch übte er von jeher auf Alle einen großen Einfluß aus, nicht durch seinen überlegenen Geist, sondern weit mehr durch die Biederkeit und Treue seines Charakters, durch die Trefflichkeit seines Gemüthes und durch die erprobte Liebe zum gemeinsamen Vaterlande. Er war die lautere Wahrheit selbst, für Lüge und Heuchelei hatte er durchaus keinen Sinn. Wie Schiller’s Tell war er kein Freund von Worten, aber wo es galt, zu helfen und zu handeln, wo eine That, ein Opfer verlangt wurde, da zögerte er nicht lange und stürzte sich ohne Bedenken in die Gefahr. Mit seinen Landsleuten theilte er ihre begeisterte Anhänglichkeit für den Glauben der Väter und die Treue für das österreichische Kaiserhaus.

Als im Jahre 1805 Kaiser Franz nach dem unglücklichen Kriege sich durch Napoleon gezwungen sah, Tyrol an Baiern abzutreten, da war Andreas Hofer unter den Abgeordneten seines Thales, von denen der geliebte Erzherzog Johann zu Brunnecken einen rührenden Abschied nahm. Seitdem hatte der Sandwirth keinen andern Wunsch, kein anderes Gebet, als seinen alten Herrn wieder in Tyrol zu sehen und die verhaßten Baiern zu verjagen. Vor dem Ausbruche des neuen Kampfes im Jahre 1809 ging er mit mehreren seiner Landsleute nach Wien, um dort mit dem populairen Erzherzog Johann im Geheim den Aufstand des Landes zu verabreden, der sich im Stillen vorbereitete. Reich an Versprechungen kehrte er in die Heimath zurück, wo er Alles zum Ausbruch vorbereitete.

Auf das von Wien gegebene Signal erhob sich plötzlich das ganze Land wie ein Mann, die Feuerzeichen loderten von den Bergen zum Himmel auf. Botschafter flogen von Dorf zu Dorf, rothe Fähnchen, Blut und Mehl wurden in den Inn geworfen, um die bewaffnete Mannschaft aufzubieten, die Sturmglocken geläutet, und ehe die überraschten Feinde eine Ahnung hatten, sahen sie sich angegriffen und im mörderischen Kampfe von den Bauern geschlagen. Wie in Spanien siegte das Volk, welches für seinen Glauben und die Freiheit kämpfte.

Allen voran zog der Sandwirth Hofer; auf der Ebene des Sterzinger Mooses griff er die Baiern muthig an. Der verderblichen Wirkung ihrer Geschosse begegnete er durch vorgeschobene Heuwagen, hinter denen geborgen seine Schützen ihre mörderischen Kugeln sandten. Dort war es, wo eine muthige Bauerndirne sich auf die durch das Kanonenfeuer scheu gemachten Pferde schwang und unter lautem Jauchzen den ungeheueren Wagen lenkte. Zahllose Feinde bedeckten den blutigen Boden und die Ueberlebenden mußten die Waffen strecken. In achtundvierzig Stunden waren die Baiern aus Tyrol vertrieben und Innsbruck befreit. Unter lautem Jubel hielten die Sieger ihren Einzug und grüßten den österreichischen Adler mit ihren Thränen und heißen Küssen. „Gelt!“ rief ihm ein alter Bauer zu, „Du Saggra-Schwanz, sein Dir halt doch die Federn wieder gewachsen!“

Zum Lohn für so große Liebe und Treue erließ der Kaiser Franz folgendes Schreiben an seine tapferen Tyroler aus dem Lager von Welkersdorf, den 29. Mai 1809:

„Im Vertrauen auf Gott und meine gerechte Sache erkläre ich hiermit meiner treuen Grafschaft Tyrol, mit Einschluß des Vorarlbergs, daß sie nie mehr von dem Körper des österreichischen Kaiserstaates soll getrennt werden und daß ich keinen andern Frieden unterzeichnen werde – als den – der dieses Land an meine Monarchie unauflöslich knüpft. – So bald möglich wird sich mein lieber Herr Bruder, der Erzherzog Johann, nach Tyrol begeben, um so lange der Anführer und Schützer meiner treuen Tyroler zu sein, bis alle Gefahren von der Grenze der Grafschaft Tyrol entfernt sind.“

Gestützt auf dieses feierliche Versprechen ihres Kaisers gelobte das Volk von Tyrol dagegen: bis an’s Ende auszuharren und die ganze Welt zu überzeugen, daß es eher möglich sei, den Tyroler über dem Erdboden zu vertilgen, als ihm seine angeborene Liebe und Anhänglichkeit für Eure Majestät und Dero durchlauchtigstes Kaiserhaus zu benehmen.

Es sollte bald anders kommen.

Nach dem Siege bei Aspern, den der Erzherzog Karl gegen das französische Heer erfochten, wandte sich das Kriegsglück; eine Niederlage folgte der andern; Kaiser Franz sah sich genöthigt seine Hauptstadt aufzugeben, in die Napoleon einzog. Mit der geschlagenen Armee floh jener nach Ungarn und schloß endlich den Waffenstillstand zu Znaym mit dem übermüthigen Sieger. In einem Artikel desselben verpflichtete er sich, seine in Tyrol mit dem Volke verbundenen Truppen zurückzuziehen und das treue Land den einrückenden Baiern und Franzosen Preis zu geben. Er entschloß sich um so leichter dazu, da schon vorher in der nächsten Umgebung des Kaisers bedenkliche Stimmen laut wurden, welche den Tyroler Aufstand als ein böses Beispiel bezeichneten. Es hieß: „Was das Volk heute für den Kaiser leistet, könne es ein ander Mal gegen ihn thun!!!“

Unglaublich erschien den Betheiligten diese Schreckensbotschaft, wodurch die Regierung sich von ihnen öffentlich lossagte; um so mehr, da die Nachricht ihnen nicht auf gesetzmäßigem, officiellen Wege zukam, sondern nur durch ein Zeitungsblatt, welches ein bairischer Vorposten zwei Tyroler Schützen zustellte. Außerdem hatte der Erzherzog Johann noch am 18. Juli aus dem Hauptquartier zu Téth, zwischen Raab und Papa, an den Baron von Buol, den Befehlshaber der österreichischen Truppen, folgenden Brief erlassen:

„Da es sein kann, daß ein feindlicher Parlamentair Ihnen den Befehl bringt, Tyrol in Folge eines Waffenstillstandes zu räumen, so haben Sie diesem Befehl nicht nachzukommen, ausgenommen, er wäre von mir unterfertigt.“

Konnten und durften die Tyroler unter solchen Verhältnissen die Waffen niederlegen?

Bald aber bestätigte sich die Nachricht von dem abgeschlossenen Waffenstillstande; die österreichischen Soldaten rüsteten sich zum Abzuge aus Tyrol; sie thaten es knirschend und forderten wiederholt die Anführer des Aufstandes auf, sie zu begleiten und ihr Leben in Sicherheit zu bringen. Viele thaten es, aber Hofer blieb, unerschüttert, er vertraute noch immer auf das Wort seines Kaisers. Als er auch seinen treuen Waffenbruder, den tapferen Speckbacher, unter den Flüchtigen erblickte, da rief er schmerzlich: „Joseph, Joseph! Du willst mich auch in Stich lassen?“ – Bei diesen Worten sprang Speckbacher ohne Hut von dem Wagen, auf dem er bereits saß, wieder herab und folgte seinem alten Cameraden. Beide waren entschlossen, den Krieg auf eigene Faust fortzusetzen und den einrückenden Franzosen den entschiedensten Widerstand zu leisten. – Sie wurden dazu außerdem durch die Sprache des Wiener Cabinets und durch das Benehmen des Erzherzogs Johann aufgemuntert, der es nicht an geheimen Instructionen und Aufforderungen fehlen ließ. Der Regierung mußte Alles daran gelegen sein, Napoleon während des Waffenstillstandes so viel Schwierigkeiten als möglich zu bereiten; es lag daher ganz und gar in ihrem Interesse, den Aufstand in Tyrol im Stillen von Neuem anzufachen, während sie sich öffentlich von den Insurgenten lossagte. Zu diesem Zwecke hatten die abziehenden Oesterreicher nach des Erzherzogs Weisung einige tausend Stück Gewehre und mehrere kleine Gebirgskanonen mit der nöthigen Munition zurückgelassen.

Vielen versuchten Unterofficieren und Soldaten wurde zu verstehen gegeben, man würde sie nicht als Deserteure ansehen, wenn sie bleiben und mit den Tyrolern fortkämpfen wollten. Auch die nöthigen Geldmittel wurden den Häuptern zur Disposition gestellt. Das Alles geschah mit so großer Vorsicht, daß man sich durchaus nicht compromittiren und im Nothfalle das arme Volk für die eigene Rettung opfern konnte. – Verführt durch das zweideutige Spiel der Regierung, durch die Versprechungen ihres geliebten

[124]

Ermordung Andreas Hofer’s.
Originalzeichnung von H. Plüddemann.

Erzherzogs, rückten sie dem Feinde entgegen. Der Abzug der österreichischen Truppen machte sie nicht muthlos, nur um so kühner; sie vertrauten der eigenen Kraft. Der Herzog von Danzig, welcher sich vom Elsasser Müllerburschen bis zum Marschall von Frankreich emporgeschwungen, erfuhr, mit welch einem gefährlichen Gegner er es zu thun hatte. Er wünschte sich die österreichischen Generäle zurück, von deren Talenten er eine nur sehr geringe Meinung hatte. „I wollt’,“ rief er in seinem derben elsassischen Dialekt, „sie wäret not herinne, die Confusionsräth.“

Hofer und Speckbacher, im Verein mit dem Kapuziner Haspinger, dem Rothbart, waren Meister des Gebirgskrieges; wo sie sich zeigten, war der Sieg mit ihnen.

Eine furchtbare Niederlage erlitten die damals mit den Franzosen verbündeten Sachsen, welche sich durch ihre Tapferkeit und Menschlichkeit in dem Tyroler Kriege auszeichneten und zum Dank von Napoleon stets der größten Gefahr ausgesetzt wurden. Hinter dem Dörfchen Mittewald, zwischen waldgekrönten Bergen, erwarteten achthundert Tyrolerschützen den anrückenden Feind unter dem Befehle des Generals Rouyer. Der größte Theil seiner Truppen bestand aus den braven Sachsen, welche muthig und sorglos vorrückten. Ein achtzigjähriger Tyroler gab das Beispiel für alle seine jüngeren Waffenbrüder; er richtete seinen Stutzen vorzugsweise auf die sächsischen Officiere. Endlich auf seinem Felsen umgangen und von hinten, wie von vorn angegriffen, schleuderte er die Büchse von sich, packte einen feindlichen Soldaten mit noch immer kräftigen Armen und stürzte sich mit ihm: „Juchhe! in Gottes Namen!“ – rufend, in den tiefen Abgrund. Das war noch nicht das Schrecklichste.

Die Tyroler hatten sich hinter den Felsen verborgen, an deren steiler Wand die Straße hinläuft, welche der Feind passiren mußte; auf der andern Seite schäumte die wilde, durch Regengüsse angeschwollene Eisack, über die hier beim Laditschpasse eine hölzerne Brücke führt. Hohe schwarze Lärchbäume waren oben gefällt, mit Wieden aneinander gebunden, mit Erde, Gesträuch und schweren Steinen belastet, durch einige Seile an starke Tannen befestigt, wie eine drohende Wetterwolke von dem Berge niederschwebend. Jetzt zog in der Tiefe die feindliche Colonne vorüber. „Steffel! soll ich abhacken?“ tönte eine Stimme. „Noch nicht!“ lautete die Gegenrede. [125] Alles lauschte still und machte unwillkürlich Halt; dem General Rouyer wurden die geheimnißvollen Worte hinterbracht; er achtete nicht darauf und befahl den Weitermarsch. Die Avantgarde ist glücklich vorüber, die Hauptmasse folgt. Da erschallt die schreckliche Mahnung: „Hiesel, hau’ ab im Namen der heiligen Dreieinigkeit!“ – Laut tönt die Axt, ein dumpfer Donner dröhnt vom Fels zum Felsen und weckt das Echo in den Klüften.

„Da hob zu dröhnen und zu wandern an
Der Berg und ging, ein rollend Weltgericht,
Hinunter in die Tiefe! – Alsobald
Klang ein erschrecklich Wimmern aus dem Schlunde,
Geschrei und Heulen, wie dicht bei uns, tönte.
Drauf stieg ein Dampf empor und rollte qualmend,
Die Schlucht bedeckend bis zu unseren Füßen.
Wir aber schossen durch den Dampf hinab,
Daß, wer noch lebt, empfing vom Blei sein Grab!
Wie nun der Staub vergangen war, so stiegen
Wir von dem Grat und gingen zu den Feinden.
Da sahn wir nichts, als Stein’ gethürmt auf Stein,
Gebrochne Augen, rauchendes Gebein,
Die Brücke lag in Trümmern, und die Eisack,
Von wild verschränkten Todtengliedern starrend,
Sprang wie ein rasend Unthier über’s – Schlachtfeld!“

Nach einer Reihe von entscheidenden Siegen mußte der Herzog von Danzig mit den Franzosen auf den Rückzug denken. An der Spitze der siegreichen Tyroler rückte Hofer zum zweiten Mal in das befreite Innsbruck ein, wo er jetzt als Obercommandant von Tyrol seinen dauernden Sitz nahm und das ganze Land im Namen seines Kaisers regierte. Die neue Größe fand ihn bescheiden und demüthig; der Regent von Tyrol brauchte für seine Person täglich kaum einen Gulden; er frühstückte nur Käse und Brod und aß zu Mittag aus einem gewöhnlichen Speisehause. Jeder Tyroler nannte ihn Du und redete ihn mit seinem Vornamen „Anderl“ an. Nur mit einer Leibwache hatte er sich umgeben; sie bestand aus den bildschönen, riesengroßen, aber auch furchtbar groben Burschen des Passeierthals in ihrer kleidsamen Landestracht.

Bei seinem Einzuge in Innsbruck drängte sich das Volk um ihn und jubelte dem Sieger zu; er dankte mit naiver Rede: „Grueß Enk Gott, meine lieben Innsprucker! Weil ös (ihr) mi zum Obercommandanten g’wöllt habt, so bin i holt do. Es sein aber viele Andere do, die koane (keine) Innsprucker sein. Alle, dö (die) unter meine Waffenbrüder sein wöll’n, dö muessen für Gott, Koaser und Vaterland, als tapfere, rödle und brave Tyroler streiten, dö aber dös nit thun wöll’n, dö solln heimziehn. Dö meine Waffenbrüder werden wöll’n, dö soll’n mi nit verlassen, i wer Enk aa (auch) nit verlassen, so wahr i Andere Hofer hoaß. G’sagt hab i Enks, g’söhn habt’s mi, b’hied Enk Gott.“

Als der Jubel kein Ende nehmen wollte, zog er sich in die nah gelegene Franziskaner-Hofkirche zurück, um zu beten. Mittags brachten ihm die Studenten eine Tischmuslk, die er sich jedoch verbat, weil sein Herz von ernsten Dingen beschwert sei.

In der That ruhte eine schwere Last und eine hohe Verantwortung auf den Schulten des schlichten, einfachen Mannes. Trotz seiner wiederholten Siege war die Gefahr keineswegs beseitigt. An den Grenzen sammelte sich ein bairisches Heer, während der Herzog von Danzig neue Verstärkungen an sich zog. Vom Kaiser und dem Erzherzog blieb trotz wiederholter und demüthiger Bitten jede Botschaft aus. Endlich kamen zwei von den geflüchteten Tyrolern aus dem österreichischen Hauptquartier; sie brachten für Hofer dreitausend Dukaten, die große goldene Gnadenkette mit der goldenen Verdienstmedaille, das geistliche Verdienstkreuz für den Kapuziner und ansehnliche Geschenke für Speckbacher und die übrigen Häupter des Aufstandes. Außerdem ließ der Erzherzog Hofer mündlich durch die beiden Abgeordneten zu wissen thun, wie Oesterreichs Kriegsmacht wieder 300,000 Mann zähle, wie wichtig es sei, daß Tyrol sich standhaft behaupte bis zum erneuten Kriege oder zum Frieden, daß England es nicht an Geld fehlen lassen werde, und daß Preußen und Rußland gegen Napoleon sich rüste. Solche Nachrichten mußten nothwendiger Weise Hofer in seinem Thun bestärken und ihn auf das Aeußerste anspornen.

Am Namensfeste des Kaisers, am 4. Oktober, wurde in der Hofkirche zu Innsbruck am Grabe Maximilians ein feierliches Hochamt abgehalten und das Tedeum gesungen. Hierauf weihte der ehrwürdige Abt von Wiltau, der einzige des Prälatenstandes, der treu zum Vaterlande hielt, die auf einer silbernen Schüssel befindliche Gnadenkette und hing sie dem knieenden Hofer, um den Hals. Das war der schönste, aber leider auch der letzte Freudentag in dem Leben des Helden!

Acht Tage später schloß Oesterreich mit Napoleon den Frieden zu Wien, worin der Kaiser Franz, uneingedenk seines feierlichen Wortes und seiner Versprechungen, Tyrol an Baiern zurückgab und das treueste Volk der Erde rücksichtslos aufopferte. Ein Handbillet des Erzherzogs Johann bestätigte die unglaubliche Schreckenspost mit nichtssagenden Ermahnungen zur Ruhe. Zugleich erließ der Vicekönig von Italien, der hochherzige Eugen, einen Aufruf an die Völker Tyrols, die Waffen niederzulegen.

Die meisten Anführer fügten sich der Nothwendigkeit; auch Hofer war anfänglich geneigt, dem Befehle zu gehorchen. Aber seine Rathgeber, unter denen sich der halbverrückte Herr von Kolb und der verrätherische Priester Joseph Denay von Schlanders befanden, überredeten aus eigennützigen Gründen den leider nur zu bigotten und von der niederen Geistlichkeit fanatisirten Mann, von Neuem die Fahne des Aufruhrs zu erheben. Vergebens bemühte sich der menschenfreundliche General Baraguay d’Hilliers und der trotz des französischen Bündnisses deutsch gesinnte Kronprinz Ludwig von Baiern, den Verirrten zu retten, umsonst warnte ihn der bekannte Hormayr vor dem trügerischen Pfaffen; Hofer konnte zu keinem Entschlusse kommen und schwankte, von den widersprechendsten Gefühlen hin- und Hergetrieben. Im entscheidenden Augenblicke verließ ihn die ruhige Besonnenheit, durch Oesterreichs Verfahren hatte er den festen Boden verloren und wurde zum Spiel und Werkzeug in den Händen schlauer und gemeiner Intriguanten. Den 15. November forderte er von Neuem seine Landsleute zum Kampfe gegen den Feind auf, mit dem Zusatze: „Dieses sehe ich mich verpflichtet, Euch in Kürze zu melden, wenn ich mich nicht selbst als ein Opfer meiner eigenen Leute Preis geben will, welches auch Ihr von meinen Leuten zu hoffen hättet, wenn Ihr unthätig und nichts mehr für Gott und Vaterland zu thun bereit sein wollt.“

Nur Wenige folgten diesem neuen Aufrufe; bald wurden die Insurgenten von der Uebermacht der Feinde unterdrückt und Hofer sah sich mit den übrigen Häuptern gezwungen, zu fliehen. In einer verfallenen Sennhütte, auf den in dieser Jahreszeit fast unnahbaren Schneebergen, fand er mit seinem Schreiber Dönniger, einem verdorbenen Studenten, eine Zuflucht. Aber auch hier war er nicht sicher vor Verrath; ein Bauer, Namens Raffel, entdeckte ihn und eilte, trotzdem ihn Hofer beschwor, Niemandem von seinem Aufenthalte Etwas zu sagen, zu dem General Baraguay d’Hilliers, um in Gemeinschaft mit dem Pater Denay das auf Hofers Kopf ausgesetzte Blutgeld von 1000 Gulden zu verdienen. Noch funkelten am 27. Januar die Sterne am Himmel, als eine Abtheilung französischer Soldaten die Hütte umringte, in der Hofer mit seiner Familie schlief. Ruhig und gefaßt trat er seinen Häschern entgegen.

„Sie sind,“ sagte er zu dem Commandanten des Piquets, „gekommen, mich gefangen zu nehmen, hier stehe ich; mit mir mögen Sie thun, was Sie wollen, denn ich bin schuldig, aber für mein Weib, meinen Sohn und meinen Schreiber, den jungen Menschen, bitte ich um Gnade, denn sie sind wahrhaftig unschuldig.“

Doch man achtete nicht auf seine rührende Bitte, sondern fesselte ihn und all die Seinigen. So wurden sie zunächst nach Botzen gebracht, der Zulauf des Volkes war groß, Einige weinten, Andere beteten, doch fehlte es auch nicht an Abtrünnigen, die Hofer als die alleinige Ursache des Unglücks verwünschten und beschimpften. Der französische General benahm sich edel und menschenfreundlich, er achtete den besiegten Helden, ließ ihm die schweren Ketten abnehmen und wies ihm ein anständiges Gefängniß an. Hofers Frau und Sohn wurden sogleich von ihm freigegeben, dagegen der Schreiber am nächsten Morgen mit nach Mantua abgeführt. Herzzerreißend war der Abschied des Gefangenen von seiner Familie, die er nicht mehr wiedersehen sollte. In Mantua wurde sogleich ein Kriegsgericht über Hofer niedergesetzt; die Stimmen waren getheilt, mehrere sprachen sich nur für Gefängniß aus. Ein junger, talentvoller Advocat jüdischer Religion, Namens Basera, wendete seine ganze Beredsamkeit an, um ihn zu retten, aber aus Mailand kam der Befehl zu Hofers Hinrichtung. Während man in der Hofburg zu Wien über die nahe bevorstehende Verlobung Napoleons mit der österreichischen Erzherzogin Marie Louise jubelte, schrieb der Verurtheilte an seine verlassene Familie seinen letzten Gruß: – – „und so lebt’s denn Alle wohl auf der Welt, bis wir oben im Himmel wieder zusammenkommen und dort Gott loben ohne Ende. – Alle Passeyrer und Bekannten sollen meiner eingedenk [126] sein im heiligen Gebete und meine Wirthin (Hofers Frau) soll sich nicht gar so bekümmern. Ich werde bitten bei Gott für Euch Alle. – Ade du schnöde Welt! – So leicht kömmt mir das Sterben an, daß mir nicht die Augen naß werden.“

Der 20. Februar 1810 war der Tag seiner Hinrichtung. Hofer nahm das Abendmahl aus den Händen des Erzpriesters Manifesti, der ihn bis zum letzten Augenblicke nicht mehr verließ voll Bewunderung für den Heroismus dieses Märtyrers der Treue. Schlag elf Uhr traten die Führer des Executionscommando’s in sein Gefängniß, um ihn abzuholen; er hielt ein mit Blumen umwundenes Crucifix in seinen Händen. Als er an der Porta Molina bei den Casematten vorbeikam, worin viele seiner Landsleute gefangen saßen, lagen Alle auf den Knieen, laut betend und weinend; die Tyroler, welche frei herumgehen durften, warfen sich vor ihm nieder und flehten um seinen Segen. Er bat sie um Verzeihung, wenn er an ihrem Unglück schuld sei; sie möchten nur getrost und standhaft bleiben, treu dem Vaterlande.

Dem Geistlichen übergab er das Letzte, was er besaß, fünfhundert Gulden zur Vertheilung an die Unglücklichen; seine silberne Tabaksdose, einen schönen Rosenkranz und das silberne Crucifix, welches er trug, hinterließ er dem treuen Begleiter zum Andenken.

Auf einer breiten Bastion, nicht weit von der Porta Ceresa, machte das Commando Halt; die Grenadiere bildeten ein nach rückwärts geöffnetes Viereck; zwölf Mann und ein Sergeant traten vor. Der Tambour forderte Hofer auf, sich die Augen verbinden zu lassen und niederzuknieen; er wies das Tuch zurück und blieb fest und aufrecht stehen.

„Ich stehe,“ sagte er mit lauter Stimme, „vor Dem, der mich erschaffen hat und stehend will ich ihm meinen Geist wiedergeben.“

Den Sergeanten mahnte er, „gut zu schießen“, und schenkte ihm einen Tyroler Zwanziger, „der ihn noch in diesem Augenblicke an sein unglückliches Vaterland erinnere.“

Darauf rief er: „Gebt’s Feuer!“

Nicht gleich zu Tode getroffen, sank er zu Boden; erst die Kugel des Sergeanten endete das Leben des Helden.

Die Franzosen ehrten den todten Feind; die Grenadiere bedeckten ihm das Haupt mit seinem Hute und trugen ihn auf einer schwarz ausgeschlagenen Bahre in die Pfarrkirche von St. Michael, wo die Exequien gehalten und die Leiche feierlich ausgestellt wurde, damit alles Volk sich überzeugen sollte, daß der gefürchtete Sandwirth wirklich todt sei.

In dem Gärtchen seines würdigen Seelsorgers wurde er beerdigt; eine einfache Tafel mit italienischer Inschrift verkündigte: „Hier liegen die Ueberreste des Andreas Hofer, genannt General Barbone, Obercommandant der Tyroler Milizen, erschossen am 20. Februar 1810 in Mantua und hier begraben.“

Weder Kaiser Franz, noch der biedere Erzherzog Johann hatten einen Schritt gethan, um den treuesten Mann der Welt, der hundertmal sein Blut für sie vergossen, zu retten, obgleich es dem zukünftigen Schwiegervater Napoleon’s vielleicht nur ein Wort gekostet hätte, um das Todesurtheil zu hindern.

Vierzehn Jahre lag der todte Held vergessen in fremder, ungeweihter Erde. Erst im Jahre 1823 faßten drei muthige Jägerofficiere, geborene Tyroler, den Entschluß, mit Erlaubniß des Gartenbesitzers die Leiche auszugraben und nach dem Vaterlande zu bringen. Mit den theueren Ueberresten zogen sie über den Brenner und den Berg Isel, an Hofer’s Kampf- und Ehrenfeldern vorüber, bis nach Innsbruck. Ihr patriotisches Unternehmen, von dem Volke laut gerühmt und gebilligt, mahnte die Regierung endlich an ihre Pflicht. Dieselbe ordnete die feierliche Bestattung des Helden in der Hofkirche zu Innsbruck an, neben dem Grabmale des ritterlichen Max und der schönen Philippine Welserin. Sein Marmorbild, von Johann Schaller, einem vaterländischen Künstler, gefertigt, bezeichnet Hofer’s jetzige Ruhestätte. Auch für seine Familie wurde gesorgt, die Kinder in den Adelstand erhoben, auf kaiserliche Kosten erzogen und mit Gütern reichlich ausgestattet.

Im Herzen des Volkes aber lebt noch immer der treue Sandwirth von Passeier, der für seinen Kaiser so treu und muthig in den Tod gegangen.
M.




Ein Mann der Volksschule.
(Fortsetzung.)

Es mag in früherer wie in unserer Zeit gar Manche gegeben haben – besitzen wir doch selbst Schriften über diesen Gegenstand – welche vom Pfarrer verlangen, sich vom Volke in möglichster Entfernung zu halten, damit er wie ein halber Heiliger in einem sein Haupt umschwebenden Nimbus von seiner Gemeinde verehrt werde. Diese müsse ihn fast nie anders als im feierlichen Ernste, in der Amtskleidung sehen. Es bedarf keiner ausführlichen Erwähnung, daß Dinter diese Ansicht nie theilte. Er wollte von seiner Gemeinde nie als Hoherpriester Aaron angestaunt, sondern als „Vater Dinter“ geliebt werden. Wie der Arzt den Patienten kennen muß, dem er helfen soll, so besuchte Dinter, namentlich in den kürzeren Tagen, wo der Bauer oft nicht weiß, was er am Abende vor langer Weile anfangen soll, seine Bauern. Doch kam er erst, nachdem er zu Hause gegessen hatte, damit sein Besuch die Hausfrau nicht in Verlegenheit bringen, und der Bauer auf den Gedanken kommen könne, der Pfarrer wolle von ihm tractirt sein. Nur eine Tasse Kaffee, ein Glas Milch nahm er an, damit man umgekehrt nicht meine, der Pfarrer sei zu stolz, Etwas bei ihnen zu genießen. So besuchte er Reiche und Arme, den reichen Rittergutsherrn, wie den Hirten, Keiner durfte vor dem Andern einen Vorzug haben. Nur solche, die in schlechtem Rufe standen, besuchte er nie. Der Einfluß dieses steten Umgangs mit der Gemeinde, ja dieses Verwachsen mit derselben, war ungemein segensreich. Man lernte seine Sprache verstehen, und Dinter hatte Gelegenheit, Viele für das Höhere und Edlere zu gewinnen, nicht zu gedenken, daß er bei solchen Besuchen die Anschauungsweise, die Wendungen und Begriffe des Volkes, seine Vorstellungen, sowie das, was auf dasselbe den meisten Eindruck machte, und seine Vorurtheile kennen und letztere sofort berichtigen lernte. Hier konnte Manches gesagt werden, was auf die Kanzel nicht gehörte, und Manches in einem Tone, den der öffentliche Unterricht nicht verträgt.

So gewann er die Liebe seiner Leute und ward unter ihnen allmächtig. Er gewann Einfluß auf die Kinderzucht, bemerkte und verbesserte ihre Fehler, zog die Kleinen an sich, nahm sie auf den Schooß, wurden sie größer, zwischen die Kniee und gewann so ihre Herzen, noch ehe sie in die Schule kamen. Durch seine Besuche zerstörte er in den meisten Familien den Aberglauben, insbesondere den Teufelsglauben.

Als Hausfreund seiner Gemeinden hatte Dinter oft Gelegenheit, als Schiedsrichter und Versöhner bei Zwistigkeiten zugezogen zu werden, und er hatte die Freude, daß es in den zwanzig Jahren seiner Wirksamkeit als Pfarrer nie zu einer Ehescheidung gekommen ist, so nahe dieselbe auch bisweilen schien. Das hohe Ansehen, in welchem er bei den Gemeinden stand, die Liebe und Verehrung wirkten, daß sein zur rechten Zeit mit Ernst und Weisheit geredetes Wort auch eine gute Stätte fand, was vom Zorneseifer unserer Zionswächter nicht gesagt werden kann, die da nur meinen, Ehescheidungen durch Verweigerung der Trauung Geschiedener verhüten zu können.

Dinters Umgang mit den Gemeindegliedern verhütete die Processe. Möge er selbst erzählen, wie er es angefangen: „So lange mein Bruder Gerichtsverwalter war, ließ ich durchaus keinen Proceß aufkommen. Ich versöhnte entzweite Familien. Mein edler, die Jurisprudenz idealisirender Bruder Rudolph war mit mir über folgende Punkte einig: Wenn’s Spectakel gibt, so mengt sich der Pfarrer, so lange die Gemüther entbrannt sind, nicht in die Sache. Vernunft und Leidenschaft passen nicht zusammen. Sie liefen also, um ihre Feinde zu verklagen, zu meinem Bruder. Dieser sprach: „Geht heute nach Hause! Ich habe nicht Zeit zum Registriren. Kommt auf den Gerichtstag, es soll Geld genug kosten!“ Sie gingen. Inzwischen beruhigten sich die Gemüther. Der Pfarrer besuchte sie Abends und – wenn der Gerichtstag kam, war Alles wieder vergessen. Meines Bruders Nachfolger war ein reicher und guter Mann. Er konnte leben, ohne meine Bauern zu drücken, und würde sie, auch wenn er’s zu Brode gebraucht hätte, nicht gedrückt haben. Kurz nach meines Bruders Tode entstand wieder [127] ein Familienkrieg. Ich kannte meinen neuen Gerichtsverwalter noch nicht und war behutsam genug, mich nicht darein zu mischen.

Der Mann nahm die Sache streng, beide Parteien hatten sich beleidigt und mußten ziemlich viel zahlen. In Gegenwart des Gerichtsherrn sagte mir der Gerichtsverwalter: „Ich hab’s mit Fleiß so gemacht. Nun sehen die Leute, was es kosten kann und kommen nicht gleich um jeder Kleinigkeit willen zum Gerichtsverwalter gelaufen.“ Ich sahe, mit welch gutem Manne ich es zu thun hatte und setzte mein Versöhnungswerk unter ihm fort, wie ich’s unter meinem Bruder angefangen hatte. Summa: So lange ich Pfarrer war, kam nie ein Proceß mit der Herrschaft, nie einer mit mir, selten einer unter den Bauern vor.“

Dinter bekam als Besoldung von seinen Bauern eine Naturalabgabe, den Zehnten. Betrug und Verdrießlichkeiten sind hierbei keine Seltenheiten, gleichwohl bekennt er, daß er fast nie betrogen worden sei. Als ein Mann die Zehntgarben zu auffallend klein gebunden hatte, ließ sie Dinter vor sein Haus fahren, abladen und sagte: „Lieber R., ich sehe, Er hat dies Jahr eine so schlechte Ernte gehabt, daß Er kaum auskommen wird. Von Ihm nehme ich diesmal keinen Zehnten.“ R. schämte sich und machte es nie wieder so. Mehrere Bauern riethen ihm selbst, von welchem Felde er den gesetzten Zehnten nehmen sollte, weil da das Beste stehe. „Was ich bekam,“ erzählt er, „erhielt ich gut und reichlich. Der Bauer ist von Natur nicht undankbar. Die Leute sahen, daß ich’s mit ihnen und ihren Kindern gut meinte, darum meinten sie es mit mir auch gut. Als mein Adoptivsohn vier oder fünf Jahr alt wurde, sagte ich: „Nun gründe ich für Dich eine Sparbüchse. Wo ich bei Taufen, Trauungen und Begräbnissen mehr bekomme, als mir gebührt, so kommt der Ueberschnß in Deine Sparbüchse.“ Und das betrug im Durchschnitt gegen zwanzig Thaler jährlich, trotzdem daß die Kirchfahrt (Görnitz) sehr klein war. Doch dies waren die kleinen Beweise von Liebe, welche er erntete.

Dinter erzog sich eine Gemeinde, von welcher er bekennen mußte, daß die Leute verständiger und besser geworden wären, unter denen er nicht umsonst gearbeitet habe. Er bildete Bauern, welche das Ganze einer Predigt zu übersehen vermochten und denen gegenüber er den Ton seiner Vorträge steigern konnte, und trotzdem verstanden wurde. Die Gemeindeversammlungen, früher fast immer stürmisch in ihrem Verlaufe, waren in den letzten Jahren es fast nie; die Gescheidten gaben den Ton an. Hier ein Beispiel: Der Richter Köhler war, weil er seine beiden Güter durch Brand verloren hatte, in Schulden gerathen. Ein reicher, etwas heftiger Bauer war der Gläubiger. Derselbe will auf der Gemeindeversammlung herrschen und das Gute hindern. Köhler steht auf. „Du, N., ich weiß, daß ich Dir 500 Thaler schuldig bin; Du setzest mich in Verlegenheit, wenn Du mir das Capital kündigst. Aber hier bin ich Richter und darf nicht darnach fragen. Du schweigst oder redest vernünftiger. Machst Du die Gemeinde unruhig, so zeige ich’s dem Gerichtsverwalter an. Nun kündige mir das Capital, wenn Du willst.“ N. schämte sich, hielt Ruhe und kündigte das Capital – nicht. Derselbe Köhler starb leider zu früh. Ein junger Mann (Steinbach) ward sein Nachfolger. Dinter ging zu demselben, um ihn zu würdiger Verwaltung seines Amtes zu ermahnen. Steinbach: „Herr Pfarrer, ich hab’s bei meiner Bereitung Gott geschworen, ich will ein Richter werden, wie er sein soll.“ – Ein solcher Mann bedurfte keiner Ermahnung. Selbst Scenen kamen vor, welche dem gebildetsten Menschen Ehre machen würden. Nur eine davon: Schumann hatte einen Streit über das Mein und Dein mit seinem Nachbar Stäude. In solche Streitigkeiten mischte sich Dinter nie, so lange kein Haß aufglühte. Hier mußte die Gerechtigkeit entscheiden. Schumann war verreist. In seiner Abwesenheit kommt bei Frommold Feuer aus und Schumanns Haus brennt mit ab. Stäude’s Haus bleibt stehen. Dinter begegnet Stäude: „Freund, was wird Er thun?“ Stäude: „Was sich gehört.“ Dinter war in banger Erwartung. Doch was geschieht? Stäude reitet Schumann entgegen, erzählt ihm, was in seiner Abwesenheit vorgefallen und spricht: „Jetzt bist Du im Unglücke, mich hat Gott verschont. Du ziehst in mein Haus und ich helfe Dir, so gut ich kann. So lange Du bauest, ruht unser Proceß. Wenn Du aufgebauet, kannst Du ihn wieder fortsetzen, wenn Du willst.“

Dinter widmete den Kranken seiner Gemeinde die größte Sorgfalt und Aufmerksamkeit und entfernte dadurch nicht nur alle Quacksalbereien, sondern konnte zu rechter Zeit Rath ertheilen. War der Kranke genesen, so veranstaltete er in der Familie ein Genesungsfest, dessen segensreiche Folge oft zeitlebens blieb und ihm die Herzen der Familie gewann. Sein Tagelöhner Kürschner war gefährlich krank gewesen und genesen. Er war einer der redlichsten Männer des Dorfes. Da er wieder an seine Arbeit gehen wollte, versammelte er, vom Pfarrer aufgefordert, in seiner Stube seine Familie und seine Nachbarn. Dinter sang mit ihnen das Lied: „Dir dank ich für mein Leben“, zergliederte drauf die Hauptgedanken dieses Kirchengesanges und rührte dadurch alle Anwesenden auf das Innigste. Der Schlußgesang: „Nun danket Alle Gott“ wurde wohl selten mit solcher Andacht, wie in dieser Familie, gesungen. Kürschner hatte Dinter dafür so lieb, daß er bei seiner Abreise von Görnitz nach Königsberg bis in den Nachbarort neben dem Wagen herlief und, als er ihn bat, doch umzukehren, ausrief: „Ich muß Sie noch so lange sehen, als ich kann, ich sehe Sie doch nachher nie wieder.“

Wir könnten viele derartige Züge aus Dinter’s Amtswirksamkeit anführen, Züge, welche beweisen, was ein Geistlicher mit rechter Weisheit, mit Gottes- und Menschenliebe im Herzen, in seiner Gemeinde zu wirken vermag – und daß das Eifern mit Unverstand, wie wir es leider nur zu oft finden, den beabsichtigten Zweck geradezu verfehlt – doch wir wollen den Leser nicht mit zu vielen Einzelheiten ermüden, so interessant diese einfachen Dorfgeschichten auch immer sein mögen.

Dinter sah Früchte seiner Wirksamkeit im Leben seiner Gemeinde. Er selbst sagt: „Ich habe in zwanzig Jahren keinen Selbstmörder, keinen Hauptverbrecher (einige Kleinigkeitsdiebstähle abgerechnet) gehabt. Wohlthätigkeit war der Geist meiner Gemeinden.“ Liebe und Hochachtung begegneten ihm auf jedem Schritte. Noch im Jahre 1844, den 1. September, dreizehn Jahre nach Dinter’s Tode, errichteten die Gemeinden Görnitz und Hartmannsdorf aus eigenem Antriebe ihrem vormaligen, vor 28 Jahren von ihnen geschiedenen Pfarrer, ein Denkmal neben seiner Wohnung mit der einfachen Inschrift:
Dinter wirkte hier von 1807–1816.

Als bei der vor einigen Jahren in dieser Gemeinde abgehaltenen Kirchenvistation die Visitatoren den kirchlichen Sinn belobten, erwiderte man, daß dies noch von Dinter her so sei, und auf die Frage, welche Wünsche die Gemeinde habe, erklärte man: Man möge dem Schullehrer gestatten, ihnen gelegentlich die seit mehreren Jahren in Sachsen zum Vorlesen in Kirchen verbotenen Predigten ihres lieben Vater Dinter vorzulesen, denn obwohl sie alle daheim seine Predigten besäßen, so verstehe der Lehrer sie doch ganz anders vorzulesen. Wir kennen die Antwort der Visitatoren nicht.

Haben wir bisher den in Pflichttreue und Liebe wirkenden Geistlichen in einzelnen Zügen kennen gelernt, so ist dies nur die eine Seite seiner Thätigkeit, dem Pädagogen und Beamten sei der Schluß unseres Artikels gewidmet.

So segensreich Dinter’s Wirksamkeit als Landpfarrer sein mochte, so ward sie dennoch von der des Volksschulmannes, Erziehers und pädagogischen Schriftstellers weit übertroffen. Schon seit seinem 14. Jahre war Unterrichten sein liebstes Geschäft gewesen. Dieser Lieblingsneigung folgte er in Grimma und Leipzig, als Hauslehrer wie als Pfarrer. Aus Campe’s Seelenlehre erlernte er die von ihm so meisterhaft geübte Katechetik, die Menschenbildnerin, wie er sie nannte. Durch sie feierte er seine schönsten Siege, verwandelte den Bauerknaben in ein klar denkendes Wesen. Als er nach seiner Probepredigt in Kitscher in der Kirche öffentlich katechisirte, sagte sein Freund, der Superintendent Nitzsch: „Ihre Predigt war gut, aber das Katechisiren müssen Sie anders lernen, so kommen Sie mit Bauerjungen nicht fort.“ Dinter: „Herr Superintendent, Eins von Beiden! Entweder ich lerne anders katechisiren, oder die Bauerjungen lernen anders antworten.“ – Ehe ein Jahr verging, war der letzte Fall eingetreten. Dinter besuchte die ihm untergebenen Schulen fast täglich und übernahm in ihnen besondere Unterrichtsfächer. So lernten Schüler und Lehrer zugleich. „Viel und Vielerlei wissende Bauern,“ erklärte er, „habe ich niemals erzogen, niemals erziehen wollen, wohl aber gebildete Menschen, das Praktische klar erkennende Christen. In den ersten Jahren bereitete ich mich sorgfältig auf jede Stunde vor, um es später nicht mehr nöthig zu haben.“ Die Kinder mußten denken, sprechen, fühlen, frei und fröhlich sein lernen. Daher wurden, den Religionsunterricht ausgenommen, selbst scherzhafte Antworten erlaubt, sobald Witz und Gedanke darinnen war. Hiervon [128] nur eine Probe. Der Rittergutsbesitzer von Kitscher ließ auf dem Dorfplatze ein neues Gefängniß anlegen, das Volk nannte es Hundeloch, die Gebildeten Gehorsam. Dinter begegnete dem Sohne des schon früher erwähnten Schuhmachers Zahn und fragte ihn rasch: „Jahn, was bauen sie hier?“ „Das vierte Stück der Buße.“ Dinter: „Junge, wie meinst Du das?“ „Herr Pastor, Sie sagten ja in der Schule, zur Buße gehören vier Stücke: Erkenntniß, Reue, Glaube und neuer Gehorsam. Das ist der neue Gehorsam.“ Solche Freiheit bildete ihm entschlossene Menschen.

Einer seiner liebsten Schüler war im Begriff, ein braves, liebes Mädchen zu heirathen, deren Eltern im Rufe der Unehrlichkeit standen. Dinter begegnet dem Bräutigam, ergreift ihn bei der Hand, sieht ihm scharf in’s Gesicht und spricht: „Lieber Sohn, was höre ich von Dir, hast Du Gefahr und Kraft erwogen?“ Er verstand den väterlichen Freund und sprach: „Herr Pastor, verlassen Sie Sich auf mich!“ „Wohl, ich rechne auf Dich.“ Dinter traut das junge Paar, ist beim Hochzeitschmauße, es geschieht nichts Ungewöhnliches. Am andern Morgen, da man eben die Ueberreste des vorigen Tags verzehrt, tritt sein Schüler auf und spricht: „Ich bin nun Euer Schwiegersohn, und werde Euch ehren, wie man Schwiegereltern ehren muß. Aber das sage ich Euch kurz und gut: bringet Ihr mir einen gestohlenen Groschen in’s Haus, so jage ich Euch zum Hause hinaus und lasse Euch, so lange ich lebe, nicht wieder herein.“ Die Eltern erschraken und versprachen nie mehr zu stehlen. Sie hielten Wort. – Dabei verstand der umsichtige Erzieher den Bauern gelegentlich die Frucht seines Wirkens zu zeigen, um sie zu neuen Opfern zu gewinnen.

Das Denken hätte seine Schulen weniger in Ruf gebracht, der Bauer fühlt dies weniger, aber das Rechnen that’s. Ein junger Bauer löste bei Uebernahme des väterlichen Gutes eine Rechenaufgabe im Kopfe, welche der Gerichtsverwalter und zwei Advocaten auf dem Papiere falsch gerechnet hatten. Das machte Aufsehen, und die Bauern schämten sich, eine solche Schule schlecht zu besuchen. „Mein Junge muß fleißig in die Schule gehen,“ erklärte ihm ein reicher Bauer, „ich werde es ja nicht leiden, daß der Bettelmannsjunge mehr lernt, als meiner.“ Die Bauerkinder machten durch ihre Aufführung Dinter alle Ehre. Was Rochow von sich sagt, als er von dem Rekahn’schen Schulwesen Abschied nahm, daß aus seiner Schule ordentliche Hausväter, treue Unterthanen, gute Menschen hervorgegangen seien, das konnte Dinter auch von seinen Schülern sagen. Dieselben waren gewöhnt, Predigten nachzuschreiben, den Religions-Unterricht als Freund ihres Lebens zu betrachten, ihn zu verstehen, zu empfinden, am Verstehen und Empfinden ihre Freude zu haben. Und die Folge? Sie kamen gern in die Kirche, in die öffentlichen sonntäglichen Kirchenexamina und bestätigten Dinters pädagogischen, freilich zu oft völlig mißachteten Grundsatz: der bloße Lerner (Gedächtnißmensch) geht von Jahr zu Jahr zurück; die gebildete Kraft kommt auch nach vollendeter Schulzeit von Jahr zu Jahr weiter, sie ist ein Magnet, der desto mehr anzieht, je mehr er geübt wird. Dinter hat nie den Unterricht über Oekonomie in den Schulen eingeführt, und doch sind tüchtige Landwirthe aus seinen Anstalten hervorgegangen. Er lebte des Glaubens: „Lehret den künftigen Bauer denken, und entfesselt ihn von der Anhänglichkeit an das Alte, so wird er die gebildete Kraft auch in den Geschäften anwenden, wo es auf Broderwerb ankommt. Schleifet nur das Messer, dann wird es auch Brod schneiden.“ Daß aber über der Verstandesbildung die des Gemüthes nicht unbeachtet blieb, weiß Jeder, welcher Blicke in Dinters Wirkungskreis gethan oder seine Schriften studirt hat. Hier nur ein Beispiel: Ein vater- und mutterloser Dorfknabe war confirmirt worden und schrieb in das ihm von Dinter zum Eintragen eines Gedankens übergebene Stammbuch: „Vater und Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf!“ Und da er dies geschrieben, fiel er dem väterlichen Freunde und Lehrer um den Hals und rief weinend: „Und der Herr Pastor, mein zweiter Vater, verläßt mich auch nicht.“ Licht und Wärme haben in der Erziehung gleiche Berechtigung, keines darf allein gepflegt werden!

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


Giftige Farben. Daß unter den als Farben dienenden Stoffen manche giftige sich befinden, ist längst bekannt. Jede Mutter warnt ihr Kind, die buntbemalten Spielsachen, die Farbtäfelchen der Malkästen nicht in den Mund zu nehmen. Zu den längst als giftig bekannten Kupferfarben, als: Grünspan, Braunschweiger Grün, Bremer Grün etc., sind aber in neuerer Zeit arsenikhaltige so giftige Farben gekommen, daß im Verhältniß zu ihnen die erstgenannten Farben als unschuldig bezeichnet werden könnten. Die gefährlichste dieser Farben ist das durch seine Schönheit ausgezeichnete, von Sattler in Schweinfurt erfundene, sogenannte Schweinfurter Grün. Es übertrifft an Glanz und Feuer alle anderen grünen Farben und hat besonders den Vorzug, daß es auch bei künstlichem Lichte glänzend grün, beinahe schöner als am Tage erscheint. Es ist aber diese Farbe eins der gefährlichsten Gifte, welches 58 Procent weißes Arsenik, außerdem Kupferoxyd und Essigsäure enthält. Längere Zeit hat man diese Giftfarbe zur Färbung von Tapeten, Fensterrouleaux etc., ja sogar in einzelnen Fällen zum Bemalen von Kinderspielzeug und Conditorwaaren benutzt, bis die Behörden gegen solche Verwendungen einschritten. Tapeten mit Schweinfurter Grün gefärbt können auf doppelte Weise die Luft der Räume verderben. Einmal geben sie, besonders beim Abkehren und Abreiben, eben so wie die Rouleaux beim Aufziehen und Niederlassen, einen giftigen Staub, und sodann können sie in feuchten Räumen bei der langsamen Fäulniß des Leimes und Papieres Veranlassung zur Bildung arsenikhaltiger giftiger Gase geben. Was jenen Staub anbetrifft, so haben Tapezierer und Buchbinder, welche letzteren das Schweinfurter Grün zum Färben grüner Bücherschnitte zu benutzen pflegten, oft genug die schädlichen Wirkungen desselben erfahren. Er erzeugt Hautausschläge, Entzündung der Augen, des Schlundes etc. Seit die Behörden das Schweinfurter Grün mit allem Rechte zu vielen Anwendungen verboten haben und seine giftigen Eigenschaften bekannter geworden sind, hat aber keineswegs der Verbrauch desselben abgenommen. Im Gegentheil, die Fabrikation blüht nach wie vor. Wo das Schweinfurter Grün unter diesem Namen nicht auftreten durfte, da erschien es wieder unter dem Namen: Mitisgrün, Kaisergrün, Englisch Grün, Schwedisch Grün, Papagaygrün, Neuwieder Grün, Leipziger Grün, Brixner Grün und vielleicht noch unter anderen Bezeichnungen. Besonders spielt es in der neuesten Zeit eine Rolle auf Bällen, indem man es zum Färben von künstlichen Blättern zu Ballschmuck und zu Ballkleidern wegen seiner schönen Wirkung bei Abende benutzt. Nur arge Unwissenheit in Bezug auf die Natur der Farben oder Gewissenlosigkeit der Fabrikanten hat die abscheuliche Erfindung dieser Giftkleider machen können, welche die Luft bei jeder Bewegung mit Giftstaub erfüllen müssen.

In Leipzig sind neulich Ballkleiderstoffe, sogenannte Tarlatanes, untersucht und in Folge des Ergebnisses von der Behörde mit Beschlag belegt worden, welche zur Hälfte ihres Gewichtes aus Schweinfurter Grün bestanden. Die giftige Farbe haftete dem Zeuge so lose an, daß sie schon beim Reiben, besonders beim Zerreißen des Stoffes abstäubte und durch Waschen mit kaltem Wasser sich abspülen ließ. Sie war nur mit etwas Kleister auf das Zeug befestigt. Die Elle dieser Giftkleider wog zwanzig Grammen und gab zehn Grammen Schweinfurter Grün. Jede Elle enthält also zwei Drittel Loth des Giftes, und eine mit diesem verderblichen Stoffe bekleidete Balldame trägt, zufolge der Dimensionen eines heutigen Ballkleides, mindestens sechs Loth des gefährlichsten Giftes auf ihrem Körper, von welchem sie einen nicht unbeträchtlichen Theil in die Luft des Saales an einem Ballabende verstreut. Daß der Verfertiger oder die Verfertigerin des Kleides zuvor schon einen Theil des Giftes haben schlucken müssen, liegt auf der Hand. – Außer den grünen gibt es übrigens auch rothe arsenikhaltige Malerfarben, namentlich ein von den Zimmermalern benutztes sogenanntes Cochenilleroth, welches wesentlich arseniksaure Thonerde enthält. So drängen sich von allen Seiten Gift und Krankheit unter glänzender Hülle an den Menschen!

E.


Die Schillerstiftung nimmt immer größere Dimensionen an. Nicht nur, daß beim Vorstand wöchentlich und oft nicht unbedeutende Waarensendungen einlaufen, die Lotterie zu Gunsten der Stiftung findet auch immer mehr Anklang und Absatz. Augenblicklich sind bereits 183,000 Loose verkauft, und noch täglich laufen Bestellungen, namentlich aus Oesterreich und Amerika, ein. Sehr unterstützt wird der edle Zweck der Lotterie durch die wahrhaft prachtvollen Geschenke, welche von nah und fern, besonders von deutschen Frauen einlaufen. Dadurch wird auch der Vorstand wieder in den Stand gesetzt, bedeutende Mittel auf die Hauptgewinne zu verwenden, und die Ausloosung dürfte etwas anständiger ausfallen, als die mit großem Pomp ausposaunte deutsch-österreichische Lotterie für verwundete Krieger.

Als Hauptgewinne bezeichnet man bereits: Eine Brosche mit vielen Brillanten und einer Haarlocke von Schiller – das bereits öfters erwähnte Gartenhaus mit Garten in Eisenach – das von dem Vorstand angekaufte, bei Freiburg an der Unstrut reizend gelegene Haus des Turnvaters Jahn – 200 Stück goldene Herren- und Damen-Uhren – – sechs prachtvolle Flügel – Gemälde tüchtiger Meister etc. etc.




In Sachen Vogels. Auf unsere „Mahnung an die Deutschen“ in Nr. 4 unseres Blattes sind uns von allen Seiten Zuschriften, Anfragen und Gelder zugegangen. Indem wir untenstehend den Empfang der Gelder vorläufig quittiren, bemerken wir noch, daß in einer der nächsten Nummern Weiteres über den Stand dieser Angelegenheit mitgetheilt werden wird.

Eingänge: 15 Thlr. 18 Ngr. Sammlung der Winter-Schützengesellschaft in Reinhardtsbrunn, durch Hrn. Bürgermeister Albrecht in Waltershausen. – C. A. S. (mit Postzeichen Schrimm) 10 Thlr. und weitere 10 Thlr. für die Schillerstiftung. – C. H. Dietz in Leipzig 3 Thlr. – v. L. in Dessau 1 Thlr. – 50 Thlr. Verlagsbuchhandlung der Gartenlaube, sobald die Expedition zu Stande kommt. – Alfred 1 Thlr. – Aarland in Leipzig 2 Thlr.

Redaction und Verlagshandlung der Gartenlaube.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: demjegen