Die Gartenlaube (1864)/Heft 52
Trotz der mannigfachen Nachahmungen und trotz der Gegner, welche unserm Blatte neuerdings erstanden sind, haben wir die Genugthuung, daß die Verbreitung der Gartenlaube sich abermals und nach allen Gegenden hin sehr wesentlich gesteigert hat, indem derselben seit Beginn dieses Jahres wiederum eine Zahl von weit über Zehntausend neuen Abonnenten zufloß. Diese nachhaltige und fort und fort wachsende Theilnahme des Publicums ist der beste Beweis, daß wir, wie Rückschrittsmänner und Finsterlinge auch gegen unsere Zeitschrift eifern mögen, mit dem von uns Gebotenen nach wie vor auf dem rechten Pfade geblieben sind, den wir auch künftig unbeirrt verfolgen werden, treu unserem Banner – Volksbelehrung und Humanität – und neben dem guten Ziele die schöne Form fest im Auge.
Die als trefflich anerkannten Beiträge einesBock, Beta, Brehm, Schulze-Delitzsch, Karl Vogt, Ludwig Storch, Fr. Gerstäcker, Georg Hiltl, Levin Schücking, Johannes Scherr, Temme, G. Hammer, K. A. Heigel, Julius Rodenberg, Roderich Benedix, Ernst Förster, Arnold Schloenbach, G. Rasch, L. Ernesti, Ludwig Steub, Ludwig Walesrode u. s. w. werden auch den Jahrgang 1865 zieren und unter vielen anderen ausgezeichneten Aufsätzen im nächsten Quartale die nachverzeichneten interessanten Artikel zum Abdruck kommen:
Gleich und Gleich. Erzählung von Melchior Meyr. – Der Richter. Von Temme. – Erkauft und erkämpft. Novelle von Johannes Scherr. – Ein Hochthal auf Island. Von Karl Vogt. Mit Illustration. – Ein Abend bei Heinrich Heine. Von H. M…n. – Aus einem Leipziger Künstleratelier. Mit dem Portrait Karl Werner’s von A. Neumann. – Unter dem Wasserfall. Von Brehm. Mit Illustration von H. Leutemann. – Die deutsche Schillerstiftung. Von Fr. Gerstäcker. – Aus dem Leben eines deutschen Naturforschers. Mit dem Portrait Berthold Sigismund’s. – Heim aus dem Exile. Mit dem Portrait K. Struve’s. – Bilder aus der Berliner Industrie. Von Dr. Levinstein. – Des Freiherrn von Trenck’s Gefängnißbibel und ihre Blutschrift. – In der Region der Gemsen. Von Ludwig Steub. Mit Illustration von Th. Pixis. – Die deutsche Wissenschaft in England. Mit dem Portrait Max Müller’s. – Die weiße Magie und ihre Geheimnisse. – Ein Capitel aus der deutschen Martyrologie. Von Johannes Scherr. – Nordischer Kampf. Mit Illustration nach einem Gemälde von Tidemand. – Nachklänge aus dem letzten Kriege in Schleswig. Mit Illustration von Paul Thumann. – Aus der deutschen Weinstadt. Von Ludwig Storch. Mit Illustrationen. – Die Christnacht in den Alpen. Mit Illustration von Stauber. – Bilder aus der kaufmännischen Welt. 3. H. Gerson’s Bazar in Berlin. – Das Werk eines deutschen Bürgers. Von Ludwig Walesrode. Mit Abbildung der Lebensversicherungsbank für Deutschland zu Gotha. – Ein König der deutschen Industrie. Von M. M. v. Weber. Mit Abbildungen aus dem Krupp’schen Etablissement in Essen. – Die nationale Bedeutung der Genossenschaft. Von Schulze-Delitzsch. – Aus den Erinnerungen eines Gefängnißinspectors. – Verkümmerte Existenzen. Von Roderich Benedix. – Uebersicht des Neuesten aus dem Gebiete der Industrie und Technik. – Bei dem Lumpenhändler. Von Professor Dr. H. Schwarz in Breslau. – Eine Quelle des Uebels in der Küche. – Der Kampf der Dominicaner und Franciscaner. Von Alfred Meißner. – Specialmittheilungeu aus Amerika. – Aerztliche Kinderstubenpredigten. Von Bock. 1. Gewöhnung zur Gesundheit.
Von den am Schlusse den letzten Vierteljahrs angekündigten Beiträgen, die bis jetzt noch keine Aufnahme in unserer Zeitschrift finden konnten, werden im nächsten Jahrgang erscheinen: Der baierische Hiesel. Ein Bild aus dem Volksleben. Von Herman Schmid (beginnt in einer der nächsten Nummern von 1865). – Glanz und Elend. Böhmisches Industriebild. – Ein seltener Mönch. Von Gustav Steinacker. Mit Illustration. – Ein Tag im Harem. Mit Illustrationen nach persischen Originalbildern. – Eine Tochter Nürnbergs. Deutsches Culturbild. – Aus den Sclavenstaaten. Von einem deutschen Naturforscher. I. Der Negerball. II. Das Haus des Creolen. – Geschichte den Claviers.
Leipzig, im December 1864.
(Schluß.)
Auf Gustav’s Pochen wurde die Hausthür aufgeschlossen, und Frau Flemming’s Diener, ein weißhaariger Alter, begrüßte Gustav mit sichtlicher Freude. „Gott sei Dank,“ sagte er, „Gott sei Dank, daß Sie da sind! Welche Nacht, welche Angst!“
„Schläft meine Mutter?“
„Freilich, freilich,“ entgegnete der Diener, „und wir müssen recht leise sein, denn wenn Ihre Frau Mutter erwachte und erführe, daß Sie während des Spectakels in der Stadt gewesen sind – ich glaube, sie wäre jetzt noch halb todt vor Schrecken … Ihre Frau Mutter nämlich,“ fuhr er erzählend fort, „legte sich [818] um acht Uhr zu Bett. Als der Feuerlärm losging, klingelt sie der Marianne und ruft in einem Athem: ,Wo brennt’s und wo ist Gusti?’ Die Marianne hatte glücklicherweise einmal einen gescheiten Gedanken und sagt, es brenne weit draußen im Vorwerk, und der junge Herr seien längst zu Hause und schliefen der Hitze wegen im Pavillon. Da lacht Ihre Frau Mutter still vor sich hin und sagt: ,Wie gut, wie gut! Dort wird er vom Feuerlärm nicht geweckt’ … Dann legte sie sich wieder auf’s Ohr und ist seitdem nicht mehr erwacht. Wir aber, die Marianne und ich, starben fast vor Angst und Sorge, als der Kutscher mit der Nachricht nach Hause kam, daß am Marktplatz Mord und Todtschlag los sei. Und die Marianne und der Kutscher sind fortgelaufen, um Sie zu suchen. Ach Gott, ach Gott! weil Sie nur da sind!“
Gustav spiegelte dem Alten vor, er habe einen Freund mitgebracht, der plötzlich erkrankt sei. „Wir wollen ihn nach dem Pavillon bringen,“ sagte er, „denn Du hast Recht, meine Mutter darf nicht geweckt werden.“
Sie begaben sich auf die Straße, wo Oldenburg noch auf dem Steine saß, das Haupt müde zur Brust geneigt, seine Arme um die Kniee geschlungen. Der Diener trug eine Laterne. Als ihre Strahlen den Mann auf dem Stein beleuchteten, fuhr der Alte entsetzt zurück.
„Nun?“ fragte Gustav.
Der Diener schüttelte unwillig den Kopf und murmelte: „Nichts für ungut, Herr Gustav – aber ich hörte jeden Andern lieber, als den, Ihren Freund nennen!“
Flemming biß sich auf die Lippen. „Unverschämter!“ flüsterte er dann; „eine zweite ähnliche Bemerkung, und Du verläßt meiner Mutter Dienst!“
Murrend gehorchte der Diener. Sie richteten Oldenburg empor, und indem sie ihn unter beiden Schultern faßten, führten sie ihn langsam zum Pavillon, der hinter dem Hause tief im Garten lag.
Im hohen, luftigen Gemach war ein Feldbett aufgeschlagen. Nachdem sie Oldenburg, der willenlos und stumm Alles mit sich geschehen ließ, auf das Lager gestreckt hatten, entfernte sich der Diener. Die Laterne ließ er zurück.
Gustav stellte das Licht auf einen Tisch unweit des Lagers. Dann öffnete er das Fenster. Es war sehr breit und gewährte die Aussicht auf den Fluß, der am Fuß eines abschüssigen Rasens vorüberglitt. Nach einem Blick in die dunkle Landschaft trat Gustav an das Ruhebett. Oldenburg lag mit zurückgelehntem Haupt und geschlossenen Wimpern da. Seine Rechte ruhte lässig auf der Brust; die andere Hand hing herab. Die Ohnmacht von Leib und Seele hatte sich in wohlthätigen Schlaf verwandelt …
Gustav nahm dem Bett gegenüber in einem niedrigen Lehnstuhl Platz und dachte, während er mit gerunzelter Stirn den Schlummernden betrachtete, über das wundersame Spiel des Lebens nach. Wer ihm gestern gesagt hätte, daß jemals eine Stunde komme, wo er Elisen’s Verführer stützend den Arm reichen und eine Stätte unter seinem Dach bereiten würde! Wie empört würde er die Zumuthung zurückgewiesen haben! Und nun traf dies Ereigniß zwischen heut’ und gestern ein …
Doch ändert diese Gegenwart das Vergangene? Löscht sie Elisens Schuld und Gustav’s Haß? „Ich habe ein Recht, diesen Mann zu hassen,“ sucht Gustav sich selber zu stacheln. Aber ist es die Folge der überstandenen, mächtigen Aufregungen oder das erhabene Bild des Schlafes – seine Empfindung gleicht der lodernden Flamme nicht mehr, ergießt sich nicht mehr in gewaltsame Wünsche. Es ist, je länger er den Schläfer betrachtet, als würde seiner Hand ein Dolch entwunden, und nur noch ein bitteres Gefühl bleibt ihm, daß dieser Mann ihm ein süßes Glück geraubt. Ein süßes Glück, denn auch das war ihm jetzt innerlich klar geworden, daß ein Leben, wie er es fern von der Heimath führte, nur eines Thoren Leben auszufüllen vermag und daß er weit, weitab von dem Weg gerathen, der einen Mann zum Glück und Segen leitet.
Das Wort des Arbeiters fällt ihm ein: „Sie ernten, was wir säen.“ Seine Wahrheit zerschmettert den Müßiggänger auch noch durch den Mund eines häßlichen, gemeinen Menschen. Alle Redlichen und alle Unglücklichen treten auf des häßlichsten und gemeinsten Menschen Seite, wenn er nur eine schwielige, von Arbeit gehärtete Hand hat und diese Hand gegen den feingekleideten Sybariten erhebt.
Dann taucht das Bild des Mannes vor ihm auf, der auf dem Straßenpflaster liegt, mit verzerrtem Antlitz, mit blutiger Brust. Er sieht das Weib, das über den Starren sich hinwirft, wahnsinnig auffährt und „Todt! todt!“ zu den Sternen emporschreit … Wünschte Gustav nicht gestern, ihn, der zwei Schritte von ihm schläft, mit blutiger Brust auf der Erde liegen zu sehen? Malte er es sich nicht aus, wie Elise über den bleichen Buhlen sich werfen und die Hände ringen würde: „Todt! todt!“? Er entsetzt sich jetzt vor seinen eigenen Gedanken.
Aber kann es nicht immer noch dahin kommen? Wenn sein Gast vom Schlummer erwacht, wenn der Tag die Eindrücke der Nacht verdrängt und ihnen gegenseitig den Feind beleuchtet? Soll Gustav schweigen? Wird er es können? Und was folgt, wenn das Wort zwischen ihnen gesprochen wird? Gustav, der gelehrige Schüler moderner Romanhelden, kennt noch keine andere Sühnung, als die mit dem Degen, mit dem Mordgewehr vollzogen wird … „Nein, nein!“ denkt er, „wenn es dahin kommt, mag mich die Kugel treffen, und Elise wird dann an mir auch niedersinken und jammern ,Todt!’“ … O, wie entwindet sich ihm der häßliche Haß mehr und mehr!
In diesem stillgeschäftigen Wirken der Gedanken saß der Schlaflose lange, lange. Durch das offene Fenster hörte er vom nächsten Kirchenthurm die Viertelstunden schlagen. Aber er zählte sie nicht. Er hatte Angst vor dem Erwachen des Tages und des Schläfers.
Als sein Blick einmal vom Antlitz Oldenburg’s auf das Licht am Tische fiel, bemerkte Gustav, daß das Roth der Flamme düsterer glühte. Er erhob sich rasch und trat zum Fenster.
Die Sterne am Himmel waren verschwunden, und über dem Fluß wallten weiße Schleier. Der Morgen graute.
Das Geräusch der Schritte aber weckte den Schlummernden. Als Gustav sich umdrehte, stand Oldenburg vom Lager auf und streckte Jenem die Hand entgegen.
„Ich danke Ihnen,“ sagte er herzlich, während Gustav in den Boden gewurzelt blieb, „ich danke Ihnen. Zwar weiß ich nicht einmal Ihren Namen, wiewohl mir Ihre Züge nicht unbekannt dünken; aber wer immer Sie sein mögen, Sie haben die entsetzlichste Stunde meines Lebens mit mir durchlebt – ich meine damit nicht den Augenblick der Gefahr, sondern den unserer Rettung. Mehr noch, Sie gewährten mir Hülfe und ein gastlich Dach, als ich mir ein Ausgestoßener erschien –“
„Sie vergessen, mein Herr,“ unterbrach ihn der Jüngere mit herber Kälte, „Sie vergessen, daß ich Ihnen mein Leben verdanke.“ Seltsam! Anstatt ihn völlig zu entwaffnen, belebte die Erinnerung, daß Oldenburg ihn einer rasenden Meute entrissen, das Gefühl tiefster Kränkung und Rachgier, welches er kurz vorher fast überwunden hatte.
„Sprechen wir davon nicht “ erwiderte Oldenburg mit unveränderter Herzlichkeit. „Suchen Sie diese Nacht um der Menschen willen zu vergessen. Ich weiß nicht, ob Sie das Volk kennen und wie Sie von ihm denken, immerhin glauben Sie, daß seine Unvernunft von heute mehr Vernunftgründe hat, als manche gute That. Mir ist unbekannt, wodurch Sie ihre Wuth erregten, gewiß war es nicht Ihre Schuld – aber verbannen Sie den Gedanken an das Unrecht, um nicht daran denken zu müssen, wie Sie gerächt wurden! Die Nacht ist vorüber, und indem Sie mir, einem armen, unglücklichen Manne, die Hand reichen, versöhnen Sie sich mit jenen Armen, Unglücklichen!“ Damit trat er zu Gustav und ergriff dessen Hand; aber dieser, nun wieder ganz in Wuth, entriß sie ihm.
„Sie wissen nicht, zu wem Sie sprechen,“ rief er hastig. „Mein Name ist Gustav Flemming … Wollen Sie mir noch Ihre Freundschaft antragen? Sie retteten mir zufällig das Leben, gut; aber das Mädchen, das ich liebte, mit dem ich glücklich zu werden hoffte, haben Sie mit Ueberlegung und, wer weiß, mit welchen Buhlerkünsten und Intriguen, verführt! Mir däucht, ich komme viel zu kurz, wenn ich sage, daß wir quitt sind …“
Oldenburg prallte überrascht zurück. Wie oft nicht hatte ihm Elise den Namen Gustav’s genannt, um Gustav’s willen sich in Vorwürfe, Anklagen und Thränen ergossen. Und nun, da das Verhängniß sich Schlag auf Schlag entlad’t, tritt auch dieser Mann ihm entgegen, und Oldenburg sieht sich unvermuthet als Gustav’s Retter, Leidensgefährte, Gast …
Nachdem er im Dämmerlicht das Antlitz des jungen Mannes [819] mit einem langen Blick betrachtet hatte, durchwandelte er einigemal das Zimmer, um Fassung und einen klaren Gedanken zu gewinnen. Dann blieb er eine Weile am Fenster stehen und schaute hinaus auf das Wogen und Wallen der Nebel, auf den Kampf von Licht und Schatten in den Gefilden und auf das erglimmende Morgenroth. Als er sein Antlitz wieder Gustav zukehrte, gab der Aufruhr seiner Seele nur den großen Augen Feuer, seine Züge, seine Bewegungen waren fest, ruhig, würdevoll. Das offene Fenster im Rücken, leicht an den Sims sich anlehnend, begann er:
„Ich weiß, wohin Sie zielen. Sie sind beleidigt und wollen Genugthuung, das heißt, was man so Genugthuung nennt. Wohlan. Ich bewies Ihnen in der verflossenen Nacht meinen Muth. Sie werden mir also nicht Feigheit als Beweggrund zuschieben, wenn ich Ihnen eine bessere Genugthuung verspreche. Hören Sie mich an!
„Es gab zu allen Zeiten Schwärmer für Ideen, welche zu Märtyrern für dieselben werden, auch wenn es weder Zeit, noch Umstände erfordern. Ich war ein solcher Schwärmer. Weil es in meinem System stand, daß ein Mann des Volkes – dafür halte ich mich auch heute noch – heirathen muß, verband ich mich mit einer armen Wäscherstochter von unaussprechlich sanfter Gemüthsart und zarter Schönheit, harmlos, unerfahren, unwissend wie ein Kind. So weit war es gut: der Volksmann freit die Tochter aus dem Volke. Meine Schuld begann erst, als der Mann des Volkes begehrte, daß seine Frau mehr als gut, häuslich und arbeitsam sein sollte; als ich die Geduld verlor, wenn die Wäscherstochter nicht für Lessing und Goethe schwärmte; als ich unwillig wurde, wenn sie mit erschrockenen Augen meinem Arbeitstisch sich näherte, und außer mir war, weil sie meine literarische Thätigkeit, meine Ideen und Pläne, meinen Ehrgeiz für ein Unglück hielt. Unsere Ehe blieb kinderlos. Aeußeres Mißgeschick trat hinzu. Die tausend Räthsel und Probleme der Gegenwart im Staats- und Völkerleben, in Kunst und Wissenschaft lasteten auf meiner Seele. Ich zersplitterte meine Kraft, indem ich alle zu lösen versuchte. Meine Frau siechte. Ich zog ihr zu Liebe hierher, in meine stille Heimath, das heißt, ich gab Alles auf, was ich in der großen Stadt und durch die große Stadt zu erreichen hoffte. Hier begegnete mir Elise Reiser, die ich als Kind verlassen hatte, als herrliche Jungfrau, geistreich ohne Affectation, bei aller Grazie voll Wissen und Wißbegierde, feurig und schwermüthig zugleich, gut und schön. Sie begriff die titanischen Kämpfe in meiner Brust, weil sie die Zeit begreift; nahm an meinen Arbeiten Theil und hielt mich hoch bei den Verdächtigungen und Vorwürfen, die ich als Journalist von Gegnern und Parteigenossen erlitt, weil ich ihnen bald zu viel, bald zu wenig sagte. Sie ergänzte meine Frau, und wir Drei waren in der Freundschaft glücklich. Aber das Entzücken meines Geistes hielt ich für den Taumel der Empfindung und eines Tages, als Elise Ihren Verrath beweinte, zog ich sie an meine Brust und küßte sie mit den Lippen, die von der Reinheit des Volkes und von Bürgertugend so trefflich zu sprechen wissen … Wir fanden uns wieder, aber der Fluch fiel auf uns Beide. Die Verleumdung, die an unser Ohr schlug, vergrößerte nur, aber erdichtete nicht die Schuld. Meine Frau welkte rasch unter dem Schatten, der auf uns lag. Ich begrub sie gestern, und gestern auch ward mein Urtheil gesprochen: Ich sah das Volk, dessen Vertheidiger, Freund und Bruder ich sein will, im Wahn und Irrthum, aber es weist meine Stimme zurück, weil auch mein Leben nicht mehr rein von Makel ist; ich darf den Armen nicht mehr Geduld! zurufen, seitdem ich gegen die Losung meines Standes knirschte, die Resignation, die Entsagung persönlichen Glücks. Wer Priester sein will, muß den Nimbus haben!“
Er schwieg eine Weile. Als Gustav ihn nicht unterbrach, fuhr er fort: „Sie hegen wahrscheinlich den Wunsch, mich zu tödten. Ich gestehe Ihnen, daß ich nicht weiß, wie ich weiter leben soll, seitdem ich die Entdeckung machte, daß ich im Entsagungsmuthe wanken kann. Von großen Ideen für den Fortschritt der Menschheit, für das Wohl des Allgemeinen erfüllt, nahm ich Rücksicht auf mein kleines Ich und wollte mehr als nützlich, wollte geliebt sein. Das verdient den Tod … Was aber berechtigt Sie, mein Richter zu sein?! Ihre Wahlstatt ist – soviel, ich gehört habe – der Salon, Ihre Losung Genuß, Ihr Abgott die eigene Person. Sie könnten ebensogut unter Nero in Rom oder unter Ludwig dem Vierzehnten in Frankreich leben. Ich aber bin der getreue Sohn meiner Zeit. Mit meinen Anlagen würde ich in vergangenen Tagen vielleicht ein berühmter Mann geworden sein, und doch, wenn ich mit einem Wink meiner Hand die Welt verwandeln könnte – ich würde mir lieber die Rechte abhauen, als sie gegen meine Zeit erheben. Ich leide unermeßlich, daß ich einmal, auch nur einmal des Vaterlandes vergessen und genießen wollte. Wann denken Sie an Ihr Volk, weinen über ihm zugefügtes Unrecht, träumen von seiner Zukunft? Ich arbeite, und wenn es auch nur ein Wälzen von Gedanken ist, ich arbeite. Was thaten Sie bisher?“
Er hatte sich in leidenschaftlicher Erregung hoch aufgerichtet. Hinter ihm leuchtete und flammte jetzt der ganze Himmel. War es der Wiederschein des Morgens oder Scham, Gustav’s Antlitz glühte. Aber mit dem rauhen Ton verletzter Eitelkeit entgegnete er: „Halten wir uns an die Thatsache, mein Herr! Ich bilde mir nicht ein, Haupt- und Staatsfragen zu lösen, aber über die Tugend eines Mädchens kann ich urtheilen, wenn ich mein Urtheil nöthigenfalls mit der Pistole in der Hand vertheidige.“
„Herr,“ versetzte der Andere zornig, während er vorwärts trat und Gustav’s Arm preßte, „die Tugend der Frauen ist kein Ziel für Kugeln.“
„Bah, ich glaube mit mehr Recht, als Sie, für Elise schwärmen zu dürfen. Ich liebte sie; ich war überzeugt von ihrer Tugend, stolz auf ihre Treue.“
„Würden Sie diese Sprache auch Ihren Genossen, Ihren Freunden gegenüber führen?“ fragte Oldenburg mit kühler Verachtung und ließ den Arm des Andern los. „Würden Sie vor der jeunesse dorée der Residenz Ihrer Liebe zur Apothekerstochter in anderem Ton, als Ihrer andern Eroberungen, Erwähnung thun?“
„Herr!“ brauste Gustav auf.
„Ich frage, warum Sie den Fehltritt eines Mädchens plötzlich schmähen, da ich hundert Mal Ihresgleichen sich solcher und größerer Vergehen rühmen hörte!?“
In der Verwirrung widerstreitender Gefühle entflohen Gustav die Worte: „Sie thun mir Unrecht. Ich wäre an Elisens Seite etwas geworden.“
Oldenburg sah mit ernstem, großem Blick den Jüngling an. „Was thaten Sie denn,“ sprach er, „den Traum Ihrer Jugend zu verwirklichen? Man muß sich sein Ideal verdienen. Wenn Sie nicht Seelenstärke genug besitzen, dem Mädchen zu verzeihen, seien Sie wenigstens auch darin Egoist, sich aus Ihrem Verlust Gewinn zu schaffen. Im Schmerz liegt Kraft. Widmen Sie diese Kraft dem Guten, dem Schönen, dem Vaterlande!“
Gustav blickte nachdenklich vor sich hin. In seiner Seele ward es mehr und mehr klar und lichtvoll, wie draußen am Himmel … „Sie sind frei,“ sagte er leise, „Sie werden Elisen jetzt Ihre Hand reichen.“
„Wie klein denken Sie von ihr, von mir!“ versetzte Oldenburg mit schmerzlichem Lächeln. „Sollen wir die Lästerungen durch eine Lüge zum Schweigen, soll ich über dem Grabe meiner Frau des Mädchens Zukunft zum Opfer bringen? Nein, Elise liebt mich nicht. Ich aber werde meine Schuld büßen, ohne Sie in mein Schicksal zu ziehen und Sie zum Mörder zu machen. Gestern Nachts während des Brandes erhielt ich aus der Residenz die Nachricht, daß unser König für Schleswig-Holsteins Recht das Schwert ergreift. Der Krieg ist erklärt, das Heer bricht auf. Ich werde für die Ehre Deutschlands kämpfen, ich werde dafür fallen …“
Er sprach dies mit schlichter Innigkeit; der erbittertste Verleumder hätte seinen Worten geglaubt. Und wie er so dastand, von rosigem Licht übergossen, die Augen voll milden Ernstes dem Sonnenaufgang zugewandt, ein Bild kraftvoller Schönheit, ergriff Gustav tiefe Bewegung. Aber noch drängte dieser den Sturm zurück. „Was wird aus Elise werden?“ fragte er mit bebender Stimme.
„Elise ist eine große Seele,“ gab Oldenburg als Antwort zurück. „Sie wird denjenigen, welche sie gestern am grimmigsten lästerten, am meisten Gutes thun. Ihr Alle, wenn ich längst vergessen und begraben bin, werdet sie einst bewundern und segnen.“
Da warf sich Gustav plötzlich aufweinend an Oldenburg’s Hals. „Nein,“ rief er, „ich werde Sie niemals vergessen, so wenig ich dieser Nacht vergesse, die mich in meinem tiefsten Wesen verwandelt und geläutert hat. Sie sind ein Held, ich will wenigstens ein Mann sein. Heute noch, in Ihrer Gegenwart, werfe ich mich [820] Elisen zu Füßen, bitte um Vergeben und Vergessen, um die alte Liebe und Treue. Und wenn die ganze Welt sich gegen sie erhebt, trotz’ ich der ganzen Welt, und will sie hochhalten und lieben als mein Weib, so lang ich lebe … “
Oldenburg sah dem Leidenschaftlichen verwundert, zweifelnd in’s Antlitz, dann aber erwiderte er die Umarmung und sagte: „Dies Wort ist eine größere Heldenthat, als wenn Sie mit Todesgefahr zehn Leben retteten …“
Durch das Gemach und draußen in der Natur fluthete der goldene Quell des Tages; in den Blüthen und Bäumen des Gartens sangen die Vögel, und fernab bliesen die Zinkenisten der Waldkirchener Schützengilde zum Beginn ihres Festes die erhabene Weise eines Chorals …
Beide Männer lagen sich noch in den Armen, als Frau Flemming hastig in den Pavillon trat. Sie war zu erregt, um über Oldenburg’s Anwesenheit zu staunen, eilte auf ihren Sohn zu und küßte, ihn zu sich niederziehend, ihn auf die Stirn. Dann ergoß sie sich in zärtliche Vorwürfe. Aus einem unholden Schlaf, erzählte sie, dessen Traumbilder ihr Gustav bald mit dem ausgetretenen Fluß kämpfend, bald von Flammen umringt, gezeigt hätten, wäre sie beim Morgengrauen erwacht. Marianne, an ihr Bett gerufen, hätte ihr die entsetzlichen Vorgänge der Nacht geschildert, sie über Gustav’s Anwesenheit beruhigt, aber auch von einer Frau erzählt, welche von einem Fenster am Markt Flemming mitten im wüthenden Haufen gesehen haben wollte. Darum überzeuge sie sich mit eigenen Augen, daß die Aussage der Frau ein Märchen, und Gustav wohlbehalten und unverletzt nach Hause gekommen sei. „Nein, kein Märchen!“ rief sie plötzlich erblassend, indem ihre schwachen Augen den Liebling näher betrachteten. „An Deinem Haar klebt Blut, Deine Kleider sind zerrissen – – Heiliger Gott! Du bist verwundet! Was ist geschehen? Wer, wer that’s?!“
Gustav beruhigte die Frau, die außer sich war, und indem er ihre Hand in die Oldenburg’s legte, sagte er: „Ich war in Todesgefahr, aber dieser edle Mann wurde mein Retter.“
„Sie?!“ rief Frau Flemming in aufwallender Dankbarkeit und wiederholte dann, nicht ohne Verwirrung und kälter: „Sie!?“ Gustav jedoch, als er sah, wie sie mit Staunen und Unruhe bald ihn, bald seinen Gast betrachtete, bat sie, mit einem bedeutungsvollen Blick auf Oldenburg, mit ihm einen Gang durch den Garten zu machen.
Im Garten kam es zwischen Mutter und Sohn’ zu einem heftigen Auftritt. Als Gustav gestanden hatte, daß er Elise Reiser noch immer liebe und heute noch bei ihrem Vater um sie freien wolle, erklärte die erst erstaunte, dann empörte Frau rund heraus, daß sie das nimmer und nimmer zugeben werde. Bittere Anklagen Oldenburg’s und Elisens folgten. Gustav nahm Beide in Schutz, worauf sie ihn zornig aufforderte, sich also wegzuwerfen, den Spott der Stadt auf sich zu ziehen, aber auch das mütterliche Haus für immer zu meiden. Als Flemming einsah, daß weder Bitten, noch Beschwichtigungen ausreichten, fragte er seine Mutter, ob sie die Ueberzeugung hege, daß ein Mädchen auf seine Wahl stolz sein dürfe.
Sie sah ihn verwundert an und erwiderte, sie hoffe es.
„Nun denn,“ versetzte er gelassen, „so befindest Du Dich in einem gewaltigen Irrthum, denn bis gestern war ich ein müßiger, heuchlerischer, herzloser Taugenichts.“
Frau Flemming fragte verdrießlich, was das heißen solle.
„Daß ich zur Selbsterkenntniß gekommen bin,“ rief er und begann dann mit grausamer Wahrheit sich und sein Leben in der Residenz zu schildern. „So war Dein geliebter, wackerer Sohn,“ schloß er. „Während Du daheim Thränen der Rührung über seine heuchlerischen, erlogenen Briefe weintest, während Du ihn brav und fleißig wähntest und für ihn wie für ein köstliches Kleinod Gottes Schutz und Segen anriefst, verpraßte er seines ehrlichen Vaters Vermögen und Deine großmüthigen Geschenke mit liederlichen Burschen, charakterlosen Speichelleckern und feilen Dirnen. Soll ich Dir mein Tagewerk schildern? Wenn der Morgen angebrochen war, taumelte ich mit schlotternden Kleidern und verworrnem Haar, mit gerötheten Augen und gelbem Gesicht aus einem Weinkeller, das Aergerniß und der Abscheu der Redlichen, die an mir vorüber schon wieder zur Arbeit eilten. In viehischem Schlaf bis Mittag dann stärkte ich die erschlafften Kräfte zu neuem Schwelgen. Am Toilettentisch, einer verweichlichten Buhlerin gleich, empfing ich die Besuche von Gecken oder Wucherern. Dann in einem Strudel sinnloser, wüster Vergnügungen, niemals in ernster Thätigkeit, niemals in würdigen Gedanken! So lebte, so war ich, mit Elise verglichen, häßlicher als ein Satyr neben einer Heiligen. Ich, höre mich! ich wäre nicht werth, den Saum ihres Kleides zu berühren, wenn nicht einzig und allein die Liebe zu ihr mir einen Schimmer von Adel und die Hoffnung verliehe, mit ihr und durch sie ein Besserer zu werden. Verstoße, enterbe mich, ich kann nicht anders; der erste Schritt in meinem neuen Leben wird, muß der sein, was ich, ich verschuldete, zu sühnen und Elisen mein Wort, meinen Schwur zu halten … “
Gustav’s Mutter stand erstarrt, vernichtet, während zwei Thränen langsam über ihre Backen rannen. Dann faßte sie sich gewaltsam und sagte: „Komm!“ Sie gingen in den Pavillon zurück, wo Frau Flemming Oldenburg beide Hände reichte. „Verzeihen Sie es der alten, thörichten Frau,“ sagte sie, „daß ich mich vorhin so undankbar zeigte. Gott segne Sie! Gott segne Sie! Ich glaube, Sie haben meinen Sohn zweimal gerettet.“
Um die Mittagsstunde saß Elise in der Wohnstube ihres Vaters. Vom Marktplatz herauf schallte der Lärm eines friedlich lebendigen Gewühles. Denn die Unruhen waren gestillt, die Weber zur Arbeit zurückgekehrt, und der Jahrmarkt hatte begonnen. Das Gesumme der auf- und niederwogenden Menge, das Gekreische der Verkäufer, Pferdewiehern und Räderrollen, Trompetenstöße und Gebrüll einer Thierbude tönten wirr und wunderlich, aber lustig zum blauen Sommerhimmel empor.
Als vor der nahen Post ein Posthorn anhob und gleich darauf der Wagen unter den Fenstern der Apotheke vorbeirasselte, stürzte Elisens Vater athemlos in das Zimmer.
„Um Gottes willen, was ist’s?“ fuhr das Mädchen in der Ahnung neuen Unglücks empor. Der alte Mann rieb sich wie wahnsinnig die schwarzsammetne Mütze auf dem Kopf. „Ich weiß nicht, was ich denken soll,“ sagte er. „Doctor Oldenburg reist ab, verläßt Waldkirchen – die Actuarius Müller kam in den Laden und erzählt es mir – ich kann es nicht glauben und stürze auf die Post, da, da, just wie ich ankomme, steigt der Doctor in die Chaise und winkt zum Abschied – wem, glaubst Du, wem winkte er? und wer, glaubst Du, wer am Wagen stand und ihm nachwinkte – still!“ unterbrach er sich plötzlich, aufhorchend. „Es kommt Jemand.“
Auf der Treppe näherten sich Schritte.
„Ich bitte Dich, Vater, laß Niemand – –“ stammelte Elise.
Aber schon hatte der alte Reiser die Thür geöffnet und die Nahenden erblickt. Außer sich, stürzte er zurück, schlug in die Hände und rief: „Wer, glaubst Du, kommt zum Besuche?! Wer kommt mit seiner Mutter?“
Elise warf einen jähen Blick auf ihren Vater, dann von einer himmlischen Ahnung durchzuckt, schrie sie auf: „Gustav?!“
„Ja,“ jubelte der Alte. „Er und seine Mutter – er, er kommt.“
Wer Berlin kennt, ja, möchten wir behaupten, wer nur ein Mal ein paar Tage in Berlin gewesen ist, kennt auch das Wallnertheater, wie er die Linden und das Brandenburger Thor, Kroll und Kranzler, Gardelieutenants und Schutzmänner, Papa Wrangel und die Rinnsteine kennt. Das Wallnertheater ist jetzt eine Merkwürdigkeit der preußischen Residenz, die Bädeker und andere rothe Eckarte der Reisenden mit dem obligaten Doppelstern decoriren.
Im Jahre 1857 war es, als Franz Wallner, der beliebte Schauspieler, an dessen Darstellung gemüthlich-österreichischer Rollen sich sicher so mancher unserer Leser ergötzt hat, nach Berlin kam, um hier sich als Theaterprincipal zu etabliren. Damals hatte noch [821] der bekannte Director Rudolph Cerf die Concession zu einem Theater inne und seine Breter in der Blumenstraße aufgeschlagen. Diese Gasse mit dem poetischen Namen lag in jenen Tagen so ziemlich am Ende der Berliner Civilisation und die Cerf’sche Bühne in ihrer selten gestörten Einsamkeit so gut wie im Sterben. Es war darum wohl ein Wagestück, daß Wallner die Concession zu diesem hinsiechenden Theater von ihrem Eigenthümer pachtweise übernahm und in dem kleinen ärmlichen Hause seine Wirksamkeit als Berliner Theaterdirector begann. Aber er ging mit frischem Muthe und der ihn kennzeichnenden Thatkraft an das problematische Werk, – und es gelang über alle, jedenfalls auch weit über Wallner’s eigene Erwartungen, wenn schon im Anfange, trotz der Anerkennung, welche die Presse spendete, die bessere Berliner Gesellschaft sich nur mit Mühe zu einem Besuche des in den öden Gebreiten des Ostens gelegenen Musentempels überreden ließ. Mehr und mehr aber wird es in der Stadt bekannt, welche Genüsse das dürftige Haus zu bieten hatte, welches reiche interessante Repertoire, was für ein exactes Zusammenspiel des trefflichen Personals, welche vorzüglichen Kunstleistungen, und so krönte schließlich der günstigste Erfolg die von Wallner gemachten Anstrengungen, dem Publicum zu genügen, so daß er sich schon im nächsten Jahre in den Stand gesetzt sah, auf einem daneben liegenden Grundstücke, dem Bouchee’schen Garten, ein Sommertheater in großem Maßstabe errichten zu lassen.
Bald war das Haus zu klein für die Schaulustigen. Es mußte ausgebaut und erweitert werden; doch in kurzer Zeit genügte auch dies nicht mehr dem Bedürfniß des täglich wachsenden Publicums. Der Besuch des Wallnertheaters gehörte zum guten Ton; die feine Welt, die Fremden strömten täglich massenhafter nach der ehedem gemiedenen Blumenstraße; deshalb trug sich der glückliche Unternehmer der in Mode gekommenen Bühne mit dem Gedanken, seiner Wirksamkeit eine völlig neue, den Ansprüchen der Zeit entsprechende räumige und elegante Stätte zu bereiten, nachdem er die seither nur erpachtete Concession, welche Cerf mit Gründung des Victoriatheaters zurückgezogen, inzwischen für den Stadttheil seiner Thätigkeit auf seinen eigenen Namen zu erlangen gewußt hatte. Es sollte dieses neue Theater ein der schönen Residenz in jeder Weise, durch künstlerische Vollendung und Erfüllung aller Anforderungen auch der Technik, ebenbürtiges und würdiges Bauwerk werden, und Baumeister Titz, der sich bereits durch Erbauung von dreizehn Schauspielhäusern als ein Meister seines Faches bewährt, wurde mit der Leitung des Neubaues beauftragt. Die demselben gestellte Ausgabe lautete: ein Sommer- und Wintertheater in einem Raume zu schaffen.
Jetzt steht dies neue Schauspielhaus vollendet da, ein Zeugniß der Genialität des Architekten, wie des Geschmackes seines Besitzers, und unbedingt eines der schönsten, elegantesten und zweckmäßigsten Theater Deutschlands. Eine wahre Wallfahrt zog es in letzter Woche hinaus, als es feierlichst eröffnet wurde. Die Elite der Berliner Gesellschaft, die Majestäten an der Spitze, die Minister, Vater Wrangel, die elegantesten Damen Berlins in zauberhaften Toiletten, die Hauptvertreter der Presse füllten bei der ersten Vorstellung die gasstrahlenden Räume, – man wußte nicht, wohin zunächst die Augen richten, und ein Glück war’s, daß uns Freund Wallner schon vorher überall durch sein prachtvolles Kunsthaus geführt hatte, denn an jenem Abende schwanden die Einzelheiten vor dem feenartigen Ensemble, das unsere Blicke blendete und uns förmlich berauschte.
Schon die Lage des Theaters ist vortrefflich. Was früher noch halbe Wüste war, ist jetzt ein schöner Stadttheil geworden, mit eleganten Straßen und bequemen Zugängen. Die durch einen prächtigen Säulenvorbau geschmückte Vorderfaçade des Gebäudes ist [822] einem eigens für das Theater geschaffenen freien Platze zugekehrt, während die Hinterfronten, welche den 1600 Personen umfassenden Zuschauerraum umschließen, durch ihre Hallen und mächtigen Freitreppen mit einem umgebenden hübschen Park in Verbindung stehen. Im Sommer öffnet sich das Auditorium durch hohe Arcaden und Gänge auf diese lieblichen Baumgruppen und Rasenpartien; Kühlung und erfrischende Luft strömen aus ihnen ein, und das Tageslicht dringt in den Zwischenacten hell und freundlich durch die buntgemalten Scheiben, während die Vorstellungen selbst, ebenso wie im Winter, nur bei voller Gasbeleuchtung stattfinden. Für die Abend-Concerte bietet der durch die brillanteste Erleuchtung erhellte, von Springbrunnen, Säulenhallen, Lauben und Statuen phantastisch geschmückte Park den reizendsten Aufenthaltsort.
Jetzt während der Wintermonate ist der Zuschauerraum abgeschlossen von dem Parke. Hier nun hat die Kunst Alles aufgeboten. Säulen und Karyatiden tragen die Balcons, figürlicher und ornamentaler Schmuck, von den ersten Meistern Berlins ausgeführt, ziert die Brüstungen; ein mächtiger, von acht gewaltigen korinthischen Säulen gebildeter Porticus bildet die Oeffnung zur Bühne. Zierliche, vergoldete Säulen, zwischen denen die Brüstung des dritten Ranges, hinter die anderen Ränge zurückspringend, sich befindet, stützen die Decke, die in höchster Entfaltung plastischer und malerischer Kunst, unter anderen durch ein Gemälde von Bega’s Meisterhand, das Ganze würdig schließt. Ein neuerfundener Apparat ruft durch concentrirtes Gas eine fortwährende Luftcirculation hervor und setzt eine vollständig ausreichende Ventilation in’s Werk, während durch Heizung mit erwärmter Luft selbst im strengsten Winter eine stets behagliche Temperatur im Hause erzielt wird.
Für alle Arbeiten waren die tüchtigsten Kräfte gewonnen worden. Hunderte von Händen schafften auf dem Bau selbst oder außerhalb desselben an der Vollendung des Werkes, und nur so ist es erklärlich, wie dieses in der verhältnißmäßig so kurzen Zeit vom 1. Februar bis zum Spätherbst d. J. geschaffen werden konnte. Das sich immer schöner gestaltende, immer mehr fesselnde Berlin, dem Jahr aus Jahr ein größere Fremdenschaaren zustreben, hat im jetzigen Wallnertheater einen neuen Magnet erhalten, der, wie wir den Mann kennen, der ihn schuf, und die Künstler, die er um sich versammelte, sicher lange seine Anziehungskraft auf Nähe und Ferne ausüben wird.
Das kleine Stübchen erscheint als die gemüthlichste Behaglichkeit selbst. Je ärger es draußen stürmt und tobt, desto wohliger fühlen sich seine Bewohner in der Nähe des warmen Ofens. Und doch birgt das Gemach bereits den furchtbaren geheimen Feind, der ihnen mit Tod und Verderben droht, ohne daß sie eine Ahnung von seiner Anwesenheit haben. Arglos gehen sie zur Ruhe, goldene Träume des Glückes und der süßesten Lebenshoffnungen umgaukeln die jugendlichen kräftig-gesunden Schläfer – die dennoch der nächste Morgen nimmermehr erwecken wird, die schon in wenigen Stunden daliegen werden als starre, kalte Leichen!
Noch viel weiter könnten wir das grausige Bild ausmalen; wie der furchtbare Mörder, einem finsteren Gespenste gleich, auf die Schläfer heimtückisch eindringt, sie umgarnt, so daß sie jede That- und Bewegungskraft verlieren, sie dann wohl gar zum Bewußtsein erweckt und nun langsam, unter Pein und Qualen erwürgt. Doch es sei hiermit genug, denn der Vorgang ist ja in Wirklichkeit viel entsetzlicher, als ihn auch die geschäftigste Phantasie uns darzustellen vermöchte.
Vielleicht haben die Leser es schon errathen, daß wir die Erstickung in Kohlenoxydgas meinen, welche ja leider in jedem Winter zahlreiche Menschenleben als Opfer fordert. Nachdem auch der ebenso düster geheimnißvolle, wie beklagenswerthe Vorfall in Glogau die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Luftart gezogen hat, dürfte es wohl an der Zeit sein, dieselbe einmal nach allen ihren Eigenschaften hin zu beleuchten.
Verfasser dieses hatte einst Gelegenheit, diesen Feind der Menschheit sehr nahe kennen zu lernen, und ist daher im Stande, auch die Empfindungen zu schildern, welche durch die Einwirkung des Gases auf den menschlichen Körper hervorgebracht werden. In Folge der Glogauer Geschichte sind mannigfache, häufig sich widersprechende Angaben über das Kohlenoxydgas in die Oeffentlichkeit gelangt, so daß unter anderen die Erörterung der Frage: wann und in welcher Weise ist das Gas durch die menschlichen Sinne wahrzunehmen? als außerordentlich wichtig erscheinen muß.
Nach einer ermüdenden Tagesreise im eisigen Januar kehrten wir, mein jüngerer Bruder und ich, in einem Gasthofe ein und begaben uns sogleich in das für uns vorherbestellte Zimmer. Eine starke Hitze strahlte uns von dem großen Kachelofen entgegen, die, zwar im ersten Augenblicke unangenehm, doch allmählich sehr wohlthuend unsere frosterstarrten Glieder durchwärmte. Durch Speise und Trank erquickt, suchten wir bald die einladenden Betten auf. Obwohl aus der frischen Lust kommend und ohne im Geringsten an Schnupfen zu leiden, hatten wir Beide eben so wenig, wie der ab- und zugehende Kellner, beim Betreten des Zimmers außer dem grellen Contrast der Hitze im Zimmer gegen die Kälte draußen irgend etwas Verdächtiges wahrgenommen — wenngleich die Stube doch bereits stark mit Gas gefüllt sein mußte. Sehr ermüdet, waren wir Beide rasch eingeschlafen, und noch war kaum eine Stunde vergangen, als ich durch ein röchelndes Stöhnen meines Bruders erweckt wurde. Der Vollmond schien in die Stube, so daß sie fast tageshell erleuchtet war. Sobald ich mich soweit ermuntert, daß ich jene ängstlichen Laute deutlich hören konnte, wollte ich aufspringen, um dem Armen, den ich von irgend einer Krankheit befallen glaubte, zu Hülfe zu eilen. Allein was war denn das? Ich fiel machtlos in die Kissen zurück, unfähig, Hände oder Füße zu gebrauchen.
Ein entsetzlicher Zustand, so bei vollem, klarem Bewußtsein gelähmt dazuliegen und das immer furchtbarer werdende Stöhnen, vielleicht das Todesröcheln des geliebten Bruders mit anhören zu müssen! So lag ich wohl eine geraume Zeit, ich konnte die Uhr auf dem Stuhle sehen und unterschied ganz deutlich, daß es noch frühe an der Zeit war. Noch immer wußte ich mir aber darüber keine Erklärung zu geben, was eigentlich mit uns vorgegangen war. Indessen wurde ich immer matter, ein entsetzliches Gefühl, wie wenn mit einem stumpfen Instrumente mir auf die Stirn gehämmert und dann wieder oben die Schädelplatte durchbohrt würde, nahm mehr und mehr zu, verschwand dann für Augenblicke, um mit erneuerter Heftigkeit plötzlich wiederzukehren. Darauf wurde das Bewußtsein dunkler und entschwand, trotz des starken Stöhnens des Andern, allmählich ganz. Sonderbarer Weise, und ich erinnere mich dessen ganz genau, fühlte ich durchaus keine Beschwerden beim Athemholen, keine Beklemmungen und dergleichen, und ebenso entsinne ich mich noch, daß ich bis zum letzten Augenblick des Bewußtseins in größter Angst um den Bruder war.
Wie lange wir so gelegen, weiß ich nicht; ich wurde aus der Ohnmacht durch das Gepolter aufgerüttelt, welches ein Stuhl, den mein Bruder, wohl in der Qual des beginnenden Erstickens, umgeworfen hatte. Das volle Bewußtsein kehrte mir zurück, und nun kam mir mit einmal der Gedanke, daß es Kohlenoxydgas sein müsse, was uns Beide krank gemacht. Sei es, daß mir noch einmal etwas größere Kraft zurückgekehrt, oder daß die Macht der Verzweiflung in der Angst vor dem Erstickungstode mir geholfen, genug, ich wälzte mich aus dem Bette, kroch mit unsäglicher Mühe bis nach dem Fenster, erhob mich mit noch viel größerer Anstrengung und schlug mit beiden Fäusten in die Scheibe und zum Glück so stark, daß sie klirrend zu Boden flog.
Die kalte Winterluft, welche in starkem Zuge in das noch immer sehr erhitzte Zimmer drang, war mir wohlthätig und belebte mich allmählich soweit, daß ich um Hülfe rufen konnte. Wir wurden nun Beide schleunigst in ein anderes, gelinde erwärmtes Zimmer gebracht und genasen unter der Pflege eines erfahrenen Arztes, so daß wir in vier bis fünf Tagen das Bett verlassen konnten. Allein die Pein dieser vier Tage war noch eine entsetzliche, denn die beschriebenen Schmerzempfindungen tobten noch die ganze Zeit [823] mit furchtbarer Heftigkeit in meinem Kopfe, und ein eigenthümliches dumpfes Kopfweh habe ich noch Monate lang behalten. Mein Bruder kam etwas besser davon. Jedenfalls dankten wir unsere Rettung aber nur dem Umstande, daß wir Beide kräftige, gesunde Menschen zwischen sechszehn und vierundzwanzig Jahren waren, sonst würden wir dem tödtlichen Einflusse des giftigen Gases wohl erlegen sein.
Bekanntlich sind die Empfindungen, welche man unter dem Einflusse des Kohlenoxydgases zu erleiden hat, sehr verschieden. Mein Bruder schwebte über einem furchtbaren Abgrunde, in den er in jedem Augenblick hinabzustürzen wähnte; Andere versichern, sie fühlten sich gewürgt oder gepreßt etc. Im Allgemeinen sind die Symptome, unter denen auch schauderhafte Uebelkeit und Drang zum Erbrechen eines der häufigsten ist, mindestens den Aerzten genau bekannt. Ein Vergleich sei mir aber gestattet zwischen diesem Tode und dem des Erfrierens. Kurze Zeit nachher hatte ich nämlich auf der Jagd auch die Gelegenheit, dem letzteren nahe zu kommen, und wurde erst gerettet, nachdem ich bereits erstarrt und völlig bewußtlos war. Während aber die Kälte uns mit den angenehmsten und trotz der völlig bewußten Rettungslosigkeit mindestens ruhigen Betrachtungen und Träumen schmerz- und quallos einzuschläfern vermag, ertödtet uns das Kohlenoxydgas auch im besten Falle, dem der baldigen Bewußtlosigkeit, nimmer ohne heftiges Weh, bis zum letzten lichten Augenblicke.
Ueber die Fähigkeit, das Kohlenoxydgas wahrzunehmen, habe ich mehrfache Beobachtungen gemacht. Es giebt Personen, welche in eine damit völlig gefüllte Stube eintreten können, ohne das Geringste zu empfinden, während Andere die kleinste Spur davon sofort bemerken. Im Allgemeinen dürfte die Annahme richtig sein, daß zartorganisirte und besonders nervöse Leute die Anwesenheit des Gases stets weit früher erkennen, als stark und kräftig gebaute. Auch ist dies bekanntlich viel leichter der Fall, wenn man in eine bereits mit dem Gase gefüllte Stube hereinkommt, als wenn man während der Entwickelung desselben sich schon drinnen befindet. Dies bezieht sich jedoch nur auf das reine eigentliche Kohlenoxydgas selbst und allein. Ist dagegen der wirkliche Kohlendunst, ein Gemenge aus Kohlenoxydgas, Rauch und verschiedenen in dem letzteren enthaltenen brenzlichen und sauren Dämpfen, in das Zimmer gedrungen, so muß denselben Jeder zu entdecken vermögen, welcher die Fähigkeit des Riechens besitzt. Während im Kohlendunst sich aber jederzeit auch Kohlenoxydgas befindet und der brenzliche und saure Torf- ,Stein- oder Braunkohlengeruch uns ein sicherer Warner und Mahner ist, das Gemach sofort durch Oeffnen von Thüren und Fenstern zu reinigen, kann das Kohlenoxydgas sehr wohl allein, ohne den begleitenden Dunst, in das Zimmer dringen. Und in diesem Falle ist es, wie vorhin bemerkt, von vielen Personen gar nicht oder doch erst an seinen Einwirkungen zu erkennen.
Das Kohlenoxydgas entsteht überall dort, wo Feuermaterialien bei behindertem oder ungenügendein Luftzutritt verbrennen. So bildet es sich im Kohlenbecken, wenn die Kohlen ohne lebhaften Luftzug sich mit einem Aschenhäufchen bedecken, oder im Stubenofen, wenn die Klappe zu früh geschlossen und damit der Luftzug abgeschnitten wird. Während bei jeder regelrechten, lebhaften Verbrennung Kohlensäure entsteht, ist in solchen Fällen nicht mehr Sauerstoff genug vorhanden, und es bildet sich eine niedere Oxydationsstufe, eben das Kohlenoxyd, welches letztere aber unter günstigen Umständen sofort verbrennt und zwar mit einer lichtblauen Flamme, d. h. sich mit mehr Sauerstoff zu Kohlensäure verbindet.
Diese blaue Flamme ist ein charakteristisches Kennzeichen unseres Gases. Wir bemerken sie stets beim Anzünden der Kohlen, bevor dieselben so recht in den vollen Zug gerathen. Seine ferneren Eigenschaften sind folgende: Es kann weder das Verbrennen eines Körpers, noch das Athmen eines lebenden Wesens unterhalten und würde uns daher, wie die Kohlensäure, schon den Tod in einer mit ihm angefüllten Stube bringen. Dies ist es indeß noch nicht allein, was uns das Gas so furchtbar macht, sondern dasselbe wirkt beim Einathmen auch direct giftig auf unsern Körper ein. Es bringt eine Zersetzung des Blutes hervor, und in dieser Einwirkung sind eben die schmerzlichen Nachwehen begründet, die mehr oder weniger jeder dem Gase ausgesetzt gewesene Mensch zu erdulden hat. Bemerkenswerth ist noch die Eigenschaft des Kohlenoxydgases, daß es, mit atmosphärischer Luft gemengt, eine Art Knallgas bildet und daher sogar, wenn sich große Mengen desselben plötzlich entzünden, Explosionen verursachen kann.
Fast sollte es nun unbegreiflich erscheinen, wie immer noch Unglücksfälle durch Kohlenoxydgas vorkommen können. Eine Reihenfolge von einfachen Sicherheitsmaßregeln muß sie ja durchaus unmöglich machen. Wir dürfen ja nur einen beim Beginne jedes Winters gut gereinigten, kräftig ziehenden Ofen haben, denselben niemals früher schließen, als bis das Brennmaterial völlig ausgebrannt ist, nur noch reine, ganz durchglühte Kohlen vorhanden sind und nicht der geringste Brand mehr zu entdecken ist, darauf die Klappe zumachen – wie soll nun wohl Kohlendunst in die Stube kommen? Wer noch sicherer gehen will, läßt sich eine hermetisch schließende Ofenthür machen und hat nun doch gewiß nichts zu befürchten.
Und dennoch vermag der arge Feind bei ihnen Allen einzudringen, ihnen Leben und Gesundheit zu gefährden!
Tausend Nachlässigkeiten lassen irgend eine jener Sicherheitsmaßregeln außer Augen setzen, Eile, Unbedachtsamkeit, Vergessenheit etc. verursachen eine geringe Unregelmäßigkeit und das Zimmer füllt sich mit dem Gas, das Tod und Verderben Allen droht, die den Raum bewohnen. Selbst bei einem Ofen mit luftdicht verschließbarer Thür ist ein Eindringen des Gases in das Zimmer möglich. Bekanntlich wird die Thür zugemacht, sobald das Feuermaterial tüchtig durchgebrannt ist; ein besorgtes Achtgeben, ob die Kohlen schon ausgeglüht sind oder nicht, ist ja nicht nöthig, im Gegentheil, man sucht die ganze Hitze im Ofen zu erhalten und schließt darum auch die Klappe sobald wie möglich. Zufälliger Weise ist aber beim Einheizen durch die Nachlässigkeit der Dienstboten eine Thonschicht losgestoßen oder auch von selbst losgeplatzt, das Gas sucht sich durch eine davon entstandene Ritze einen Ausweg, dringt vermöge seiner Leichtigkeit in die Stube und kann die Bewohner gefährden, trotz der hermetisch schließenden Ofenthür.
Wie, wird man fragen, wie ist es dann aber möglich, sich gegen diesen heillosen Feind zu bewahren? Am Ende sind wir demselben rettungslos verfallen und vermögen ihm in keiner Weise zu entgehen! Nein, einen Weg giebt es, freilich nur einen, doch einen völlig sicheren, der die ganze unheimliche Gefahr ein für allemal verbannt. Es ist dies die Einrichtung der Oefen mit luftdicht schließender Thür, jedoch ganz ohne eine Klappe des Ofenrohres.
Sobald das Feuermaterial in einem solchen Ofen tüchtig durchglüht ist, wird die Thür zugemacht, und während dadurch jede Dunstentwickelung oder doch das Eindringen des Dunstes in die Zimmer an und für sich verhindert wird, verbindet sich damit auch zugleich der ganze Vortheil der Klappe von selbst. Sobald nämlich der Luftzug vorn abgeschnitten ist, kann, erklärlicher Weise, auch kein Zug mehr zum Rohre hinaus stattfinden. Die ganze Hitze muß also im Ofen bleiben und die Klappe ist völlig überflüssig, während sie andererseits doch die größte Gefahr bringen kann.
Nach diesen längst schon allenthalben anerkannten Thatsachen müßte es uns wahrlich als ein Schimpf und eine Schande für die gesammte aufgeklärte Menschheit erscheinen, daß noch immer Unglücksfälle durch Kohlenoxydgas vorkommen können. Doch leider hat der größte Theil unserer Oefen noch gar nicht einmal luftdicht oder nach neuerer verbesserter Construction eingerichtete Thüren, Roste und Klappen. Weder der Gedanke an die nothwendige Ersparung des immer theurer werdenden Brennmaterials, noch der an die in jedem Winter vorkommenden zahlreichen Ofenmorde hat den deutschen Philister bis jetzt aus seiner Gleichgültigkeit aufzurütteln vermocht, und dadurch ist der größte Theil unserer deutschen Oefen noch in einem Zustande, der den Erstickungstod der Zimmerbewohner unter Umständen unabweisbar macht.
Unverantwortlich muß es erscheinen, daß in Gasthöfen und anderen öffentlichen Anstalten noch dergleichen Oefen vorhanden sein dürfen. Die wohlmeinende Fürsorge der Polizei, die sich ja so mütterlich besorgt um alles Mögliche bekümmert, sie hätte diesen die Menschheit so arg bedrohenden Oefen längst den Vernichtungskrieg erklären müssen, und jeder denkende gebildete Mann sollte dies in seinen Kreisen mit aller ihm zu Gebote stehenden Macht ebenfalls thun.
Das Allerschlimmste ist noch der Umstand, daß das Kohlenoxydgas oft genug in Schulstuben und anderen von Menschen erfüllten Räumen vorhanden ist, wo Niemand eine Ahnung von seiner Existenz hat und wo es doch eine nur zu betrübende Wirkung ausüben mag. Wie viele Brust-, Hals- und andere Uebel mögen [824] durch diesen heimlichen, schleichenden Feind der Menschheit ursprünglich begründet sein! Wie unendlich viele Opfer mag derselbe im Laufe der Zeit heimlich verschlungen haben, außer Denen, die uns bereits in wahrhaft erschreckender Zahl bekannt werden!
Beiläufig sei noch bemerkt, daß man selbst in den leichteren Erkrankungsfällen in Folge des Einathmens von Kohlenoxydgas alle Ursache hat, einen tüchtigen Arzt zu Hülfe zu ziehen. Bei dem geringsten Vorkommen des Giftes säume man nimmer, das Zimmer augenblicklich durch Zugluft (Oeffnen von Thüren und Fenstern) unverweilt zu reinigen und die davon bereits Angegriffenen in ein anderes reines Zimmer zu bringen. Der geringste Aufschub kann gefährlich werden.
In keinem Lande der Erde, von China allein abgesehen, hegt das Volk eine so außerordentliche Vorliebe und enthusiastische Freude an der Verherrlichung der verschiedensten Feste durch künstliche Lichtmassen, wie in Italien. Nirgends anderwärts die gleiche Erfindungsgabe und der feine, künstlerisch gebildete Geschmack, um in das rasch vorübereilende, Auge und Ohr zugleich in Anspruch nehmende und oft sehr kostspielige Schauspiel einer mit Feuerwerk verbundenen Illumination Abwechselung und Harmonie zu bringen. In solcher Verbindung ist derlei Fest kein bloßes Darstellen großer und imposanter buntfarbiger Lichtgestalten, sondern es verläuft in bedachter und wohlgeordneter Folge, in Acte getheilt, als ein Drama, das von Scene zu Scene eine Ueberraschung durch eine noch unerwartetere, noch aufregendere und noch gewaltigere bis zum Ende zu steigern vermag.
Wir lassen dahin gestellt, woher diese Neigung gekommen; ob sie von den mit Hunderten von brennenden Kerzen umstrahlten Altären des katholischen Cultus in das bürgerliche Leben übertragen, oder ob umgekehrt dergleichen Darstellungen, weil sie in der Volkssitte altherkömmliche waren, aus ihr, wie so vieles Andere, von der Kirche aufgenommen und zu jenen magischen, wahrhaft schönen Aufführungen fortgebildet worden sind, die auch den Nordländer mit staunendem Entzücken erfüllen.
Man gehe in Rom zur Zeit eines Heiligenfestes an den Straßenbuden der Kleinhändler umher. Zwischen den Waaren und dem Kram der verschiedensten Art sieht man da ein Räumchen ausgesondert, worin die Legende des Tages in Gruppen von Puppen veranschaulicht ist, die in ihrer Costümirung, in der Wahl der Farben, Stellung, Zusammenordnung oft etwas außerordentlich Reizendes und Anziehendes haben, zumal wenn sie des Abends durch die an passendster Stelle vertheilten Lichter aus dem Dunkel hervorleuchten. Man wird es inne, das Volk hat bis in seine unteren Schichten wie Freude, so Uebung und besonderen Geschmack in dergleichen.
Alle Zeit unvergeßlich wird mir ein großartiger Anblick bleiben, der mich am 18. März 1860 bei meinem Eintritt in Italien empfing. Die Eisenbahn hatte mich gegen Abend, an dem herrlichen Gardasee entlang, bei Desenzano über die piemontesische Grenze und dann an Brescia vorbeigeführt; da tauchten plötzlich etwa um acht Uhr in Westen, wo eine schwarze Bergwand sich am Horizont abzeichnete, auf einem vorliegenden niedrigen Hügel völlig unerwartet, aus Lichtstreifen gebildet, die Umrisse einer bedeutenden Stadt aus der dunkeln Nacht auf. Der ganze Lauf einer langen Umfassungsmauer mit Vorsprüngen und Bastionen wie einer Festung war durch einen leuchtenden Faden gezeichnet; über der Mauer ließen sich im Innern die höhern Straßenzüge an den intensiven Lichtmassen verfolgen, während einzelne besonders hohe Häuser mit ihren breiten strahlenden Fronten vor den andern hervortraten; über alle aber erhoben sich zwei thurmhohe gewölbte Kuppeln, deren Rippen und Rundungen mit Lichterreihen umschrieben und wie mit glänzenden Bändern durchzogen waren. An einer Stelle in der Stadt, auf einem Hügel vor dem Dome, ließ sich nichts Einzelnes unterscheiden, es war lauter Glanz und Licht, eine compacte Feuermasse wie ein convex nach oben gekehrtes Gluthbecken. Hier mußten Tausende von Lampen zusammengehäuft sein. Dies Bild stand hinlänglich nahe vor Augen, um das Besondere deutlich unterscheiden, und auch fern genug, um es mit einem Male überschauen zu können. Der ganze Anblick hatte in seiner Ruhe und Stille etwas höchst Feierliches und zauberartig Wirksames, weil der Beschauende, in raschem Fluge herangeführt, nach kurzer Rast auf der Station der Eisenbahn ebenso schnell entrückt und Alles wie in einem Feenmärchen wieder in Nacht und Dunkel entschwunden war. Die also erleuchtete Stadt war Bergamo; man feierte die Annexion Mittelitaliens an Piemont.
Damit sollte jedoch an demselben Abende das Lichtschauspiel noch nicht zu Ende sein. Nach etwa anderthalb Stunden zeigte sich an der Tiefe des Horizonts in weiter Breite ein Lichtstreifen, wie von einer brennenden Stadt, deren Flammen man nicht sieht. Wir nahten Mailand. Auch da wurde dasselbe Fest mit einer dem Reichthume und der Exaltation der Bevölkerung entsprechenden prachtvollen Beleuchtung gefeiert. Die Straßen, durch welche sich unser Fahrzeug bewegte, und die Nebengassen, in die sich der Blick öffnete, waren von unten bis oben wie in ein Meer von Licht getaucht; die Privathäuser, kleine wie große, die öffentlichen Amtsgebäude, Paläste, Kirchen mit Fahnen und langen Bahnen buntfarbiger Zeuge und malerischen Drapirungen reich geschmückt; vor allem aber flatterten von dem Wunderbau des Domes auf den Tausenden von Thürmen und Thürmchen, Zacken und Spitzen, wie auf einem riesenhaften Schiffe, Flaggen und Wimpel ohne Zahl, während die Säulen und Nischen, Portale und Frontispize und der unsäglich reiche Schmuck architektonischer Zierrathen bis zur äußersten Höhe mit dichten Lampenreihen besetzt waren, deren Licht vom weißen Marmor des Baues reflectirt wurde. Anderswo, auf einem kleinen Platze, schwebte, ohne daß sichtbar war, wodurch er gestützt wurde, hoch in der Luft ein Ballon oder ein länglicher Turban von der Weite eines Thurmes, mit Zeugen von Roth, Weiß, Grün durchflochten und mit Sternstreifen mannigfach durchzogen, von innen mit intensivstem Licht erhellt. Wohin man in der Stadt den Blick wandte, die langen auf- und absteigenden Lichtbahnen und die hellen Farben der Schmuckstoffe, das zusammen machte einen in der That überwältigenden Effect des Lebens und der Heiterkeit, dem Niemand zu widerstehen vermochte.
In dem Lande der Wunder wird aber das Staunenswerthe durch noch Wundersameres überboten. Wenn die päpstliche Kirche so ziemlich alle menschlichen, sinnerregenden Künste in ihre Dienste genommen hat, so mag es ihr am wenigsten verargt werden, gerade auch das Licht als das feinste und ätherischste Element, nach der Schrift die Hülle der Gottheit selbst, für ihre Symbolik verwendet zu haben. Den Höhepunkt aller katholischen Kirchenfeste, ja man kann sagen, aller christlichen Feste überhaupt, macht die Feier der Charwoche in St. Peter zu Rom, die selbst wieder in einer Menge feierlicher Handlungen und Darstellungen, Processionen, Versammlungen verläuft, um die tiefste Trauer und höchste Freude dem religiösen Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Als Schluß des Ganzen dürfen die beiden Lichtfeste, die Erleuchtung der Peterskirche und die Girandola, betrachtet werden, womit alles vorhergehende überstrahlt und das Aeußerste geleistet schien, wozu menschliche Kunst und Herrlichkeit sich steigern können. Nachdem die sieben Tage der Festwoche hindurch die Mitfeiernden ununterbrochen körperlich und geistig in Bewegung gehalten worden und selbst die stärksten Nerven abgespannt und ermattet worden sind, wird in jenen beiden Acten noch einmal die vollste und höchste Kraft sinnlichen Reizes gleichsam zusammengenommen, um die apathisch Gewordenen aufzurütteln und die innersten Saiten der Empfindung noch einmal in Schwingung zu bringen.
Im Jahre 1860 war nach dem Verluste vieler der ergiebigsten Einnahmequellen des römischen Staats und unter dem Drucke der politischen Ereignisse, die noch Schlimmeres fürchten ließen, die Stimmung in Rom um die Osterzeit eine sehr niedergeschlagene. Dazu strömte fast täglich Regen vom Himmel. Die Frage, ob dieses Jahr eine Erleuchtung St. Peter’s stattfinden oder unterbleiben, aus finanziellen Rücksichten vielleicht unterlassen werden müsse, wurde von Einheimischen wie Fremden überall [825] lebhaft discutirt. Ein Unterlassen wäre wie ein Fall des Papstthums selbst empfunden worden. Aber der Fels St. Peter’s stand noch fest und ließ sein Licht leuchten.
Am Sonntag nach Ostern, den 15. April, wogte des Abends ein dichter Menschenstrom über Ponte St. Angelo nach dem St. Petersplatze. Von der Brücke aus sah man gen Westen nur die Kuppel und Laterne des Domes leuchtend emporragen, indem eine zwischenliegende Höhe und dunkle Häusermasse den Unterbau verdeckte. Durch die Straße Borgo nuovo vom Gedränge fortgeschoben, gelangte ich bis an den ägyptischen Obelisk, der, aus Heliopolis durch Caligula nach Rom gebracht, jetzt im Mittelpunkt jener in der Welt einzigen Piazza di S. Petro aufgerichtet ist; zur Rechten und Linken das Oval der Colonnade von 284 Säulen und 84 Pfeilern in einem Längendurchmesser von 804 Fuß, gegenüber die Façade der Peterskirche mit der Loggia, aus welcher der Papst den Segen ertheilt, 372 Fuß breit, 150 Fuß hoch, über der dann die weiteste Kuppel, welche einen irdischen Raum überspannt, mit der Laterne, dem Knopfe von 18 Fuß Durchmesser und dem 14 Fuß hohen Kreuze, bis zu einer Höhe von 413 Fuß emporsteigt. Dieser ganze Wunderbau stand jetzt sammt der Säulenhalle in allen seinen Haupttheilen und Nebengliedern und architektonischem Schmucke von viertausend und vierhundert Lampen bis in die äußersten Spitzen beleuchtet in ruhiger Grandiosität vor mir, in strahlender Pracht sich auf dem schwarzblauen Hintergrunde des unbewölkten Sternenhimmels abhebend. Am hellsten waren die Laterne und die Rippen der Kuppel von oben an der Wölbung herab beleuchtet; hier einigten sich die Lichtpunkte fast zu allen Linien, und wieder umzog die Kuppel da, wo sie auf dem Unterbaue aufsitzt, eine dichte Lichtguirlande. Niemals sonst wird man so wie in dieser Beleuchtung sich der Immensität jener wundervollen Bauschöpfung bewußt.
Mit ungeduldiger Spannung erwartete die Menge die Verwandlung. Beim ersten Glockenschlage der zweiten Stunde nach Sonnenuntergang flammte plötzlich auf der äußersten Spitze des Kreuzes über der Kuppel ein blauweißes Brillantfeuer auf und bedeckte blitzschnell die ganze Kreuzesform mit blendendem Glanze. Im Nu bewegten sich Fackeln zugleich auf allen Stellen des Baues und nach allen Richtungen durcheinander wimmelnd, auf dem Dach des Haupt- und der Nebendome, an der Façade, auf den Gängen, am Frontispize, an den Säulen umher, und in ungefähr einer halben Minute strahlte wie durch einen Zauberschlag das Ganze von etwa siebenhundert Fackeln und Feuerbecken in einem Glanze großer Flammensterne von so intensiver Stärke, daß die vorige Beleuchtung kaum schwach flimmernd noch und schattenartig durchdämmerte. Das ganze ungeheure Bauwerk war wie mit lauterstem, hellstem Golde übergossen. Großartigeres, Imposanteres von überwältigendem Lichtglanze in den schönsten Bauformen kann ein menschliches Auge nicht sehen!
Die unglaublich schnelle Umwandlung wird folgendermaßen ausgeführt. Auf den Dächern der Peterskirche und in anderen ihrer Räume haben fünfzig Familien Wohnungen, von denen zweihundert und einundfünfzig Personen an bestimmten Stationen über den ganzen Bau vertheilt werden und mit Fackeln bereit stehen; auf das gegebene Zeichen entzündet ein Jeder mit größter Geschwindigkeit vier große Feuerpfannen, die ihm zugewiesen sind.
Michel Angelo soll der Urheber dieses Staunen und Bewunderung erregenden Schauspiels sein. Seine Wirkung erneut sich dem Beschauenden, so oft er sich einige Minuten mit dem Gesicht abgewendet hat und dann dem Feuertempel und Flammenglanze wieder zukehrt.
Als letzter zugehöriger Schlußact ist die Girandola zu betrachten, ein Feuerwerk, das vormals auf der Engelsburg abgebrannt wurde, an demselben Abend mit der Kuppelbeleuchtung. Die Lichtreflexe in der unmittelbar an jener Veste vorüberströmenden Tiber müssen die Pracht eines solchen Schauspiels bedeutend gehoben, verdoppelt haben. Seit etlichen Jahren, seitdem die päpstliche Citadelle durch die französischen Occupationstruppen besetzt gehalten wird, hat man es, wie man sagte, wegen der Gefahr der dort aufgehäuften Pulvervorräthe in einen andern Stadttheil, einige Male auf das Capitol, verlegt. In dem Jahre 1860 war der Monte Pincio am nördlichen Ende der Stadt nächst der Porta del Popolo, durch welche wir Nordländer gewöhnlich einziehen in der ewigen Stadt, zum Schauplatze gewählt worden.
Wer, der in Rom gelebt hat, kennte nicht jene luftige, breite Berghöhe, zu der man durch die lange Via delle quattro Fontane und Via felice, oder von der Piazza di Spagna oder Piazza del Popolo, dort allmählich, hier steiler, hinansteigt? Ein Lieblingsort der heutigen Römer, die frequenteste Promenade für die zu Fuß Lustwandelnden sowohl, wie für die in stolzen Carossen. Schon im alten Rom trug diese Höhe den Namen des Hügels der Gärtner, und bis heute hat sie, Dank der Fürsorge der Stadtverwaltung, ihren Charakter bewahrt. Ich möchte jedem Fremden rathen, wie es dem Erzähler zu Theil ward, zuerst nach seiner Ankunft dorthin seine Schritte zu wenden. Man genießt von da eine der herrlichsten Aussichten über die ewige Roma. An eine breite, nach Seite der Stadt offene Ebene reihen sich weiter zurück prachtvolle Park- und Gartenanlagen mit Blumenbeeten, wo Veilchen und Rosen den größten Theil des Jahres hindurch duften, die Südgewächse Aloe und Cactus, Lorbeer und Palme im Freien, auch während des Winters, gedeihen und die weißen Marmorbüsten der berühmtesten Dichter und Künstler Italiens, jede von einem Lorbeerstrauch umwölbt, in mäßigen Entfernungen von einander aufgestellt sind.
Auf jenem erhabenen und großen Freiplatze war für die Aufführung der Girandola eine sorgfältige Nachbildung des Capitols in seinen architektonischen Formen und in einer der Höhe dieses Standpunkts entsprechenden, beträchtlichen Größe aus Gebälken, Latten und anderem Holzwerke aufgebaut, mit der Front der Stadt, genauer der Piazza del Popolo, zugekehrt. Der Bau stand dem Abhang nahe, welcher in terrassenförmigen Absätzen von der Höhe des Monte Pincio zu dieser Piazza allmählich abfällt, jedoch steil genug, daß dem unten auf dem Platze Befindlichen eine am Berghange verlaufende Darstellung als ein volles, durch nichts verdecktes Bild vor Augen tritt. Denn der Berg ist vorn offen. Indem aber noch zu beiden Seiten, für den Beschauenden zur Rechten und Linken, die freie Fronte durch dunkelgrüne Pinienbäume umschlossen ist und unten, am Fuße, springende Fontainen ihre perlenden Wasserstrahlen emporwerfen, ist durch Statur und Kunst eine Bühne geschaffen, wie sie nur irgend gewünscht werden kann.
Als Raum für die Zuschauer diente die Piazza del Popolo, ein weiter, ebener Platz in Form einer Ellipse, von dem drei Hauptstraßen, die Via del Babuino, der Corso und die Ripetta, fächerartig auslaufen, groß genug für viele Tausende. An der Nordseite die schöne Porta del Popolo mit Palästen daneben, deren einer der Garde-Gensdarmerie als Kaserne und Hauptwacht diente; im Rücken, der Bergbühne gerade gegenüber, eine Gartenanlage, deren Myrthen- und Pinienbäume eine Mauer überragen, welche in halbrunden, weiten Bogen und mit eisernen Gitterthüren den Platz nach Westen abschließt. Auf der Mauer lagern steinerne Sphinxe; in den Zwischenräumen waren Tribünen aufgerichtet, die, durch Wände von rothen und weißen Zeugen umfaßt und überdeckt, zu Zelten oder nach vorn offenen Nischen hergerichtet und mit Wachskerzen erleuchtet waren. In ihnen nahm die vornehme Welt Platz; in der Ecknische nach der Stadt zu der französische commandirende General Goyon mit Damen und etlichen Cardinälen. An der Südseite endlich wieder hohe Häuser und Paläste, die von den drei genannten Hauptstraßen durchbrochen wurden.
So war gewissermaßen die Anschauung eines alten Circus geboten, nur mit umgekehrten Verhältnissen. Die Arena, den Schauplatz der Kämpfenden, nahmen hier die Zuschauer ein, und wo diese dort ihre Sitze hatten, war hier an dem etagenförmig aufsteigenden Berge der Ort der Handlung.
Mit anbrechender Dämmerung am Sonntage nach der Kuppelbeleuchtung zogen zuerst einzeln, dann in immer dichteren Schaaren Roms Bewohner zu der beschriebenen Stelle. Der weite Raum füllte sich mehr und mehr, und immer schwieriger wurde es während der Stunde, die dem Beginn der Feier vorherging, auch nur einige Schritte sich hin und her zu bewegen. Die Volksstimmung galt als nicht recht geheuerlich. Darum war nicht nur die Gensdarmerie mit ihren hohen Bärenmützen und weißen Lederhosen vor ihrer Wacht, sondern im Hintergrunde und an den Seiten des Platzes waren auch Infanterie-Bataillone aufgestellt, vor deren Fronten stehende Posten den Andrang der Menge an das Militär verhinderten, und noch hatte man Soldaten truppweise, mit dem Seitengewehr bewaffnet, aber nur Franzosen, unter die Volksmasse vertheilt. Drei Militär-Musikchöre im Garten und auf dem Platze spielten abwechselnd bis zum Anfange der Girandola.
[826] Ein Trommelwirbel verkündete um acht Uhr die Ankunft des Generals. Mit dem Glockenschlage eine Stunde nach Ave Maria blitzten und donnerten fünf Kanonenschüsse vom Berge herab; eine Rakete stieg auf und gab das Signal zum Beginnen. In einem Augenblick prangte auf der Höhe des Berges in blauweißlichem, glitzerndem Lichtgefunkel der ganze Capitolbau; die Wände als breite dichte Sternenflächen, der Thurm, die Säulen, die Portale und alle Einzelheiten in treuer Zeichnung. Unbeschreiblich schön war es, als, von solchen bläulich-weißen Strahlen umflossen, in dunkelstem Rothfeuer eine Krone und ähnliche Embleme hervortraten. Nun flogen Leuchtkugeln und Raketen empor, die gewaltige Sternbüschel hier von dunkelrother, dort von kornblumenblauer, oder weißer, oder gelber, oder grüner Farbe aus sich ergossen in unzählbarer Menge. Wie sie, außer in den Generalpausen, unablässig und in jeder Richtung, zischend und sausend ihre leuchtenden Streifen zogen, während die Hauptfiguren des Schauspiels sich Scene um Scene wandelten, machten sie gleichsam den begleitenden Chorus. Das Ganze verlief ungefähr in zehn Acten, zwischen denen sehr zweckmäßig Pausen eintraten, um den Zuschauer einigermaßen wieder Fassung und Besinnung gewinnen zu lassen. Eine einzelne Rakete und einige Kanonenschüsse gaben jedesmal das Signal einer neuen Abtheilung. Die zweite Scene ließ Feuerräder aufflammen, die in symmetrischer Ordnung vom Fuße des Berges aus bis zum Gipfel hinauf über die ganze Fläche vertheilt waren und mit langsamer Drehung dicke buntfarbige Funkenströme in Halbbogen aussprühten, dann aber, alle zugleich mit einem Male stillstehend, vom Mittelpunkte aus vier breite Feuerhörner in gerader Richtung ausfahren ließen, sodaß das Ganze als ein ungeheueres Kreuz über die Bergwand ausgebreitet war. Auch diese Gestalt ward nochmals umgewandelt. In einer folgenden Scene erschien der Berg sammt dem Capitole und den dunkeln Baumgruppen lange mit einem blauen Duftlichte überzogen, das allmählich in ein dünnes Roth überging, hiernach immer intensiver werdend, endlich sich zu dem brillantesten glühendsten Ton dieser Farbe verstärkte und die Paläste, die Volksmasse, den Berg und den ganzen Horizont davon widerstrahlen machte. Ein anderes Mal schien sich der Berg ganz und gar in Feuer und Krachen entladen zu wollen. Die Raketen, Leucht- und Feuerkugeln fuhren zu Hunderten über der ganzen Breite hervor und knatterten und blitzten im wildesten Tumulte kreuz und quer durcheinander, und noch schossen durch das Gewirr, dem das Auge nicht zu folgen vermochte, von Zeit zu Zeit dicke Feuerballen und Tourbillons hindurch, die sich zu zahllosen Schwärmern und sprühenden Schlangen auflösten und im Zickzack nach allen Seiten zischend und bis an die Zuschauer vordringend mit Knallen verpufften.
Mit solchem betäubenden Höllenlärmen wechselten dann wieder ruhigere Bilder und Scenen. Eine der anmuthigsten war es, als eine Menge Feuerbäumchen aufleuchtete; ihre kugeligen runden Kronen auf schlanken Stämmen gaben ihnen Aehnlichkeit mit Orangen- und Citronenbäumen, deren Blätter wie aus bläulichen Diamanten gebildet schienen. Sie waren zu einem Theil am Fuße des Berges als ein Halbkreis um die Fontainen in gleichmäßigen Abständen gereiht, ein anderer Theil bildete eine Allee den Berghang hinan bis an das Capitol. Diese ruhig strahlenden Baumgruppen umspielten wieder fliegende farbige Lichtsterne.
Beim Schlußacte des ganzen Schauspiels glitten von verschiedenen Punkten unten am Berge in langsamem Zuge nicht gar hoch über den Köpfen der Zuschauermenge und in horizontaler Richtung an geraden Leitfäden zischende Raketen gleichzeitig nach dem Obelisken, der in der Mitte der Piazza del Popolo steht und vom Volke umdrängt war. Beim Zusammentreffen entzündeten sie an diesem Centralpunkte andere Raketen, die nun, wie die Speichen eines großen Rades, ebenso langsam und horizontal über der Volksmasse sich nach außen an die Peripherie des Platzes bewegten, wo rundherum Pfähle mit Leuchtstoffen aufgepflanzt waren, die von den herzufahrenden Raketen entflammt wurden. In einem Momente war der Platz in seiner ganzen Rundung von Rothfeuer übergossen. Einen Augenblick darauf gerieth der Berg noch einmal wie in eine donnernde und Blitze schleudernde Erregung. Wie ein unerschöpflicher Feuerregen flogen Brennstoffe jeglicher Art empor und hernieder, Funken und feurige Schlangenmassen zuckten kaum unterscheidbar in den verschiedensten Windungen ineinander, knatterten, prasselten, pufften, knallten; Kanonenschläge donnerten, die Geschütze gaben Salven darein, der Boden unter den Füßen bebte, über die Zuschauer wurden Feuergarben ausgeschüttet, und so endete betäubend, mit gewaltigem Krachen und blendendem Glanze, dieses Schauspiel der Girandola.
Noch ist in diesen Kirchenfesten etwas von der alten römischen Größe und Herrlichkeit zu spüren. Wann aber werden solchen physischen Lichtspenden die geistigen gleichen?
Vor allen Dingen sei mir zum Beginn der das nachstehende Bild erläuternden Zeilen die Versicherung gestattet, daß in demselben Nichts übertrieben ist; Alles, nicht blos das muthvolle und herausfordernde Auftreten des kühnen Mädchens, sondern auch die verschiedenen Arten, sowie die Gesammtzahl der dargestellten Bestien und deren Auftreten, ist streng wahrheitgemäß. Einmal scheint mir diese Versicherung nicht überflüssig, weil sich dem Beschauer des Bildes, der diesen Glanzpunkt der Kreutzberg’schen Menagerie noch nicht in Wirklichkeit gesehen hat, leicht Zweifel an der Wahrhaftigkeit des Küstlers aufdrängen möchten. Sodann giebt sie mir aber auch Gelegenheit, eine Lanze einzulegen gegen Die, welche, oft dazu am wenigsten berufen, die üblich gewordene Redensart von den „grämlichen, faulen, halbtodten, sich selbst nicht mehr ähnlichen Löwen“ der Menagerien immer von Neuem wiederkäuen. Weil sie vielleicht den Löwen in seinem Käfig gähnend oder schlafend antrafen und er so vernünftig war, sich nicht stören zu lassen, so müssen nun alle Menagerielöwen verkommene Geschöpfe sein. Mit einem Gerard, der allein und oft auf wenige Schritte Entfernung dem Löwen der Wildniß entgegengestanden und ihn erlegt hat, ließe sich über diesen Punkt streiten, mit jenen Leuten nicht. Ich verweise einfach auf das Bild.
Dies vorausgeschickt, will ich nun mich gleich der Hauptperson des Dramas, der kühnen Thierbändigerin, zuwenden. Fräulein Cäcilie Nicolai aus Stockholm, in den Ankündigungen der Menagerie nur „die junge Schwedin“ genannt, arbeitet, ohne sich vielleicht dessen selbst bewußt zu sein, mächtig mit an den Aufgaben der Zeit. Jedermann weiß, daß unter die Zeitströmungen der Gegenwart auch das Bestreben gehört, der Frauenthätigkeit neue und größere Bahnen anzuweisen. Man hat Mädchen und Frauen zum Schriftsetzen empfohlen, leider aber wollen die Herren Schriftsetzer Nichts davon wissen; in den Telegraphenstationen will man sie beschäftigt sehen, allein die Telegraphisten sind nicht damit einverstanden, und nur die edlen Künstler empfangen die Künstlerinnen stets mit offenen Armen.
Unserer Künstlerin muß das große Verdienst zugeschrieben werden, sich und andern ihres Geschlechts durch eigene Kraft eine neue Bahn gebrochen zu haben. Gleich den großen Künstlern der Vergangenheit und Gegenwart, welche ohne die jetzt oft unentbehrlichen Kunstkritiker ihren Weg fanden, hat sie nicht erst einen Hinweis auf das Thierbändigen abgewartet, sondern ist kühn dem Fingerzeig des Schicksals gefolgt. Zwar ist sie keineswegs die erste Dame, welche Zahmheitsproductionen mit wilden Thieren zeigt, aber in der Vorführung von Wildheitsvorstellungen dürfte sie denn doch noch keine Nebenbuhlerin haben. Wie es geschehen ist, daß gerade sie berufen war, bei den in solcher Weise noch nicht dagewesenen Vorstellungen der Kreutzberg’schen Menagerie eine so bedeutende Rolle zu spielen, soll hier, soweit mein Wissen reicht, mitgetheilt werden.
Schon seit einer Reihe von Jahren haben Damen bei den Vorstellungen in dieser Menagerie mitgewirkt und Herr Kreutzberg scheint den Schwedinnen eine besondere Anziehungskraft zugetraut zu haben. Die erste Frau des Menageriebesitzers, welche zunächst mit auftrat, führte diese Bezeichnung nicht, wohl aber ein mehrere [827] Jahre nachher sich producirendes junges, sehr hübsches Mädchen, die Tochter des dänischen Zauberkünstlers Bils, also eine Dänin. Sie trat unter der Bezeichnung der „sechzehnjährigen Schwedin“ auf, indem sie zu Bären, Hyänen und Leoparden in den Käfig ging und mit ihnen das oft gesehene afrikanische Gastmahl aufführte. Sie schien sich nicht sehr glücklich in der wohl nicht ganz freiwillig gewählten Thätigkeit zu fühlen und mochte auch kein rechtes Talent dazu haben, womit ich ihr keineswegs zu nahe treten will. Lange hat sie darum nicht gethierbändigt, denn sie ist schon seit geraumer Zeit glückliche Gattin geworden. Für die Menagerie schien aber seitdem das Auftreten einer sechzehnjährigen Schwedin zur Nothwendigkeit geworden zu sein, und Herr Kreutzberg hat es verstanden, für doppelten Ersatz zu sorgen. Zunächst war es die eine seiner eigenen Töchter, welche die Reisen der Menagerie begleitete und in das Geschäft mit eintrat. Ziemlich gleichzeitig aber dürfte unsere Heldin der Menagerie durch das Schicksal zugeführt worden sein, und zwar als Kreutzberg die Städte Rußlands besuchte. Unsere Dame war bis dahin als Sängerin gereist, und noch jetzt rühmt man ihre schöne Stimme. Ob nun die kühne Sängerin und der Schwedinsuchende Herr Kreutzberg sich in Riga oder Petersburg trafen und fanden, dürfte gleichgültig sein; genug, unsere Heldin brach mit ihrer Vergangenheit, denn, so sagte sie einst zu mir, „wenn man jetzt kommen will durch die Welt, so muß man haben Courag!“ So reist sie denn bereits seit einigen Jahren nun in Begleitung der Bestien und hat bis Ostern dieses Jahres gewöhnlich in den Vorstellungen mit Fräulein Kreutzberg abgewechselt. Dabei war aber fast immer die „junge Schwedin“ angekündigt, so daß damals wohl Mancher die wahre gar nicht zu Gesicht bekam.
Seitdem ist dies anders geworden. Fräulein Kreutzberg hatte in letzter Ostermesse das Unglück, bei einer der Vorstellungen von einer Hyäne in den Arm gebissen zu werden, so daß sie zur Heilung ihrer Wunde in Leipzig zurückbleiben mußte, und, wie mir der Vater sagte, nicht mehr mitwirken wird. (Beiläufig hier gleich die Bemerkung, daß merkwürdigerweise gerade diese Hyäne von dem noch zu erwähnenden Löwen Leo bei einer Vorstellung todtgebissen wurde; zugleich ein Beweis, daß die Nemesis überall waltet, in der Menagerie so gut wie sonstwo.) Nunmehr ist unsere Heldin wieder die alleinige Schwedin geworden, und gerade dieses Jahr sollte ihren Ruhmeskränzen neue hinzufügen.
Die Leser der Gartenlaube werden sich vielleicht erinnern, daß ich ihnen vor einem halben Jahre die Vorstellung, welche Batty mit seinen fünf Löwen in Deutschland gab, in Wort und Bild zu schildern versuchte. Die nicht gewöhnliche Dressur dieser Thiere war es keineswegs, welche das Aufsehen verursachte, sondern vielmehr die fortwährende Gefahr, in welcher sich der eine Mann den fünf auf’s Höchste gereizten Bestien gegenüber zu befinden schien und auch wirklich befand. Nun, Herr Kreutzberg verstand das Zeichen der fortschreitenden Zeit und, dem Thun mancher alten Leute entgegen, welche sich von der Verfahrungsweise ihrer Jugend nicht trennen können, säumte er nicht, dem Zeitgeist Rechnung zu tragen. War die Devise bisher: „Zahme Löwen“, so hieß sie jetzt: „Wilde Löwen“, und zwar so viel als möglich. Sie wurden geschafft. Sieben Löwen, in einem großen Käfig vereinigt, wurden angekauft, alle ungezähmt und von gleichem jugendlichen Alter. Sie stammten sämmtlich aus Südafrika und waren von dem allen Menageriebesitzern und zoologischen Gärten wohlbekannten Thierhändler Jamrach in London an Herrn Kreutzberg für die Summe von 3500 Thalern verkauft.
Bis dahin waren die Vorstellungen in der Weise gegeben worden, daß die Schwedin, nachdem sie mit den Bären und Hyänen in deren Käfig „gearbeitet“ hatte, dieselben, d. h. zwei schwarze Bären, drei gefleckte und zwei gestreifte Hyänen, aus dem Käfig auf die nebenan befindliche Bühne ließ, wozu dann von der andern Seite der schöne Löwe Leo kam. Das afrikanische Gastmahl folgte und den Schluß machte die Vorführung der Dressur des Löwen.
Jetzt sollte Neues geboten werden; es galt die sieben frisch angekommenen Zöglinge mit der bisherigen Gesellschaft bei den Vorstellungen zu vereinigen. Wie mir Herr Kreutzberg erzählte, hat er diesen sicher höchst interessanten Versuch zuerst in Schwerin, wo sich die Menagerie bei der Ankunft der Sieben befand, vor dem Großherzog unternommen. Ich selbst mußte mir daher sehr erhaben vorkommen, als Herr Kreutzberg eines Morgens vor mir und einem mitgebrachten Freunde allein die nämliche Probe wiederholte. Es war dies in Hamburg im August. Er hatte die Scene dort noch nicht vorgeführt, wahrscheinlich um bei längerer Anwesenheit ein neues Anziehungsmittel in Bereitschaft zu haben.
Ich habe viel Aehnliches gesehen und bin daher nicht gleich hingerissen, bei dieser Gelegenheit sah ich indessen doch manches mir ganz Neue. Vor Allem überraschend und zugleich rührend war der Anblick, wie, als zunächst die sieben jungen mit dem erwachsenen Löwen Leo zusammenkamen, jene sich zu diesem hindrängten und unter eigenthümlichen, an das Miauen der Katzen erinnernden Tönen ihn mit ihren Liebkosungen förmlich bestürmten.
Leo fühlte sich aber durch das Massenhafte dieser Liebe offenbar sehr beängstigt, er suchte die Stürmischen durch kurzes, seinen Zweck aber ganz verfehlendes Brüllen zurückzuschrecken und nahm wohl auch manchmal den Kopf des nächsten ganz in seinen Rachen, ohne ihm aber zu schaden, wahrscheinlich nur zur Andeutung des Möglichen. Außer bei einer schon früher in der Gartenlaube erzählten Gelegenheit habe ich das Seelenleben dieser edlen Raubthiere noch nie so schön und rührend hervorbrechen sehen, denn es war klar, daß die noch nicht ganz erwachsenen sieben Löwen, welche die Erinnerung an ihre Eltern offenbar noch nicht verloren hatten, in dem erwachsenen und ausgebildeten Thier ihren Vater zu erblicken glaubten und nun ihre Freude darüber zu erkennen gaben.
Dieser Auftritt fand aber nur statt, so lange die acht Löwen unter sich waren; sobald die Hyänen und Bären mit ihnen zusammenkamen, entwickelte sich ein entgegengesetztes Bild. Die sanften Regungen der Löwen verschwanden und machten dem entschiedensten Widerwillen gegen die Hyänen Platz, den ich in solchem Grade bis dahin noch nie beobachtet hatte. Stets suchten sie sich auf der einen Seite des Theaters zusammenzuhalten, um nur ja den Verhaßten nicht zu nahe zu kommen. Diese aber, vor allen die gefleckten Hyänen, liefen mit einer fast pöbelhaften Frechheit überall umher, kamen den Löwen trotz deren Aufbrüllen bis unter die Nase, fraßen gierig den Koth ihrer Feinde und thaten überhaupt Alles, um den Widerwillen jener zu verdienen. Die furchtbarste Aufregung entstand aber, als die Löwen nun von Herrn Kreutzberg, welcher sich bis dahin nur als Zuschauer verhalten hatte, gezwungen wurden, über ein Bret und mitten in ihre Feinde hineinzuspringen. Auf der einen Seite das zornige Widerstreben der Thiere, ihren Platz zu verlassen, die schönen Gestalten der springenden Thiere in der Mitte und die wilde Aufregung der unter ihre Feinde gerathenen Löwen auf der andern Seite – dies bildete und bildet noch jetzt bei jeder Vorstellung ein so gewaltiges Schauspiel, daß es wohl Jedem unvergessen bleiben wird.
Selbst ich, nachdem ich die Vorstellung in Leipzig von Herrn Kreutzberg noch öfter vorgeführt sah, erwartete nicht, auch die Schwedin in dieser wilden Scene zu erblicken. Und doch war’s der Fall. Nachdem sie die seit Jahren vorgeführte Dressur der Bären und Hyänen gezeigt, läßt sie dieselben auf die Bühne, zu ihnen den Löwen Leo, führt das afrikanische Gastmahl auf und tritt, nur mit einer dünnen Reitgerte bewaffnet, schließlich in den Käfig der Sieben, um die Widerstrebenden heraus und unter die übrige Gesellschaft zu treiben. Man vergesse nicht, daß jetzt noch von keiner vollendeten Dressur derselben die Rede sein kann; ihr Anfang besteht darin, daß einige von ihnen auf zwei an dem Gitter befestigte Breter hinaufzuspringen und die übrigen über ein Bret zu setzen haben, was, wie schon erwähnt, Mühe genug verursacht. Zum Ausruhen setzt sich dann wohl auch unsere Heldin auf ein umgekehrtes Faß, mit einer Unbefangenheit, als befände sie sich in der gemüthlichsten Kaffeegesellschaft und nicht umgeben von zähnefletschenden Bestien.
Mit unverkennbarer Freudigkeit und großer Eile verlassen übrigens jedesmal die Sieben den Schauplatz, sobald ihnen durch Oeffnen der Käfigthür das Zeichen dazu gegeben wird, und ihre Aufregung schwindet erst nach geraumer Zeit. Auch die Bären und Hyänen empfehlen sich und nur Leo bleibt zurück, um im Gegensatz zu der bisher so wilden Scene nunmehr Proben seiner Zahmheit abzulegen, wobei gleichfalls Fräulein Cäcilie eine merkwürdige Kühnheit entwickelt.
Schon mehrfach ist die kühne Schwedin verwundet worden, sie spricht aber ziemlich geringschätzig davon. Daß dies vorgekommen, ist bei ihrer Kleidung doppelt erklärlich, denn im Gegensatz zu Batty, welcher bis an’s Kinn zugeknöpft gekleidet war, trägt sie sich nichts weniger als zugeknöpft, was eben auch ihre Sorglosigkeit
[828][829] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [830] bekundet. Die Bären spielen bei der Vorstellung so gut wie keine Rolle. Sobald das afrikanische Gastmahl vorüber und die böse Sieben hereingestürzt ist, ziehen sie sich in eine Ecke zurück, wo sie, auf den Hinterfüßen aufgerichtet und mit höchst bedenklichen Gesichtern, dem Aufruhr der Andern zuschauen und dessen Ende abwarten.
Wie bei den Theatervorstellungen der alten Griechen nach der erschütternden Tragödie ein lustiges Satyrspiel den Schluß bildete, so folgt auch in der Kreutzberg’schen Menagerie auf das gewaltige Schauspiel der im Verein vorgeführten fünfzehn Bestien die heitere Erscheinung des Elephanten Pepita und seiner schönen Künste.
Ein Weihnachtskranz auf das Grab eines Vielgeprüften.
Von Friedrich Hofmann.
„Rastatt! — Bruchsal! — Waldheim! —— Alles überwunden! Freund, leb’ wohl!“ — Diese Scheideworte rief, drei Erdbrocken, für jeden der drei Kerker einen, als letzten Gruß auf den Sarg werfend, am 7. Juli dieses Jahres Ludwig Würkert dem Heimgegangenen in’s Grab. Drei Eichenkränze und ein Lorbeerkranz, geschmückt mit den schwer errungenen Farben Deutschlands, waren der letzte Lohn, den hier ein deutscher Dichter und Freiheitskämpfer mit in die Gruft nahm. Er hatte sie verdient, durch sein Streben und Leiden, wie Wenige. Und wie ein Gruß von den Eisengittern her, hinter denen er einst die Blüthentage seines Lebens im Züchtlingskittel vertrauen, schüttelte ein Regenschauer die Blätter der Bäume auf seine Sargdecke, als eine treue Schaar von Gesinnungsgenossen ihm die letzte Ehre erwies.
Im neuen Gottesacker zu Leipzig, unweit dem Grabe seines Freundes Hermann Marggraff, fand August Peters seine ewige Ruhestätte. Sie gehörten nebeneinander, die beiden Dulder, denen der gemeinsame Nachruf gilt:
„Zwei Dichterherzen haben ausgeschlagen,
Zwei Herzen, die ihr redlich Theil getragen
Von dieses Lebens Liebe, Kampf und Noth;
Zwei Männer, die den Pfad der Freien gingen
Und von der schnöden Welt den Dank empfingen,
Den sie von je dem Dienst der Freiheit bot.“
Der Sturm des Jahres 1848, welcher Tausende von Männern jedes Alters und Standes selbst aus bis dahin ungestörten und der Politik fremden Friedensbahnen zu reißen vermochte, fand in August Peters eine jugendliche Kraft, die durch ihre Natur von selbst in seinen Strom hineingerissen wurde.
Aus tiefer, bitterer Armuth hervorgegangen, ein Kind des Volks, das mühselig von Tag zu Tag um den Bissen Brod ringen muß, hatte August Peters eines mächtigen inneren Triebes bedurft, um eine früh erkannte ungewöhnliche Begabung nicht innerhalb der Schranken des elterlichen Gesichtskreises verkümmern zu lassen. Der tägliche Anblick des Strumpfwirkerstuhls, hinter welchem er seinen Vater sein Leben in Kummer und Sorgen trotz unsäglichen Fleißes hinbringen sah, erfüllte ihn mit Grauen; er war es, der den dreizehnjährigen Knaben aus dem Elternhaus trieb, um sein Glück in der Welt zu suchen. Und denselben Knaben, dessen Vater aus Noth sogar seine Familie verlassen mußte, um in einer böhmischen Fabrik für sie und sich den Unterhalt zu erarbeiten, den sein Handwerk ihm nicht mehr einbrachte, sehen wir, zum Jüngling herangereift, durch eigene Kraft die Lyceen von Marienberg, Annaberg und Chemnitz und endlich die Universität Leipzig besuchen und finden ihn im Jahre 1847 als Redacteur eines politischen Blattes in Berlin. Dazwischen war er Schreiber, Kaufmannslehrling, Soldat, Schauspieler, Forst- und Brandcassen-Secretair gewesen, und alle diese scheinbaren Abschweifungen von der wissenschaftlichen Laufbahn hatten ihm nur als Nothstufen gedient, durch die er bis zu der Möglichkeit „zu studiren“ sich nach und nach hatte emporschwingen müssen.
Eine solche Kraft war, wie oben angedeutet, eine von Natur revolutionäre, sie war im Kampfe gegen Schranken aller Art groß gezogen; eine solche brauchte der Sturm von 1848 nicht erst an sich zu reißen, sie gehörte von selbst zu ihm.
Aber nicht etwa die pure Lust am Umsturz, nein, der redliche Trieb und der feste Entschluß, dem armen Volke, dessen Kind er war und dessen Herz er sich auch als Dichter und Schriftsteller bewahrt hatte, aus Erniedrigung und Gebundenheit emporzuhelfen — das war es, was August Peters die Waffe in die Hand drückte. Nicht ein eigenliebiger Gedanke vermochte in seiner Seele aufzusteigen; unter den uneigennützigsten und opferfähigsten Kämpfern und Duldern jener Zeit gebührt ihm ein Ehrenplatz.
Dieser Sturm von 1848 überraschte den von Berlin schon 1847 wieder nach Sachsen zurückgekehrten August Peters in Dresden. Die frisch aufathmende Presse zur Gründung eines republikanischen Wochenblatts, „die Barrikade“, benutzend, knüpfte er damals im Interesse der Redaction einen Briefwechsel mit Louise Otto an, die schon damals durch ihre freisinnigen Gedichte und Schriften sich einen volksbeliebten Namen erworben hatte. Wie wenig ahnte wohl Peters, daß die treue Liebe der Dichterin später ihm, dem armen Gefangenen, in der Nacht dreier Kerker als Stern des Trostes, der Ermuthigung, der geistigen Rettung leuchten sollte!
Im Januar 1849 begab er sich nach Marienberg (dem Wohnort seiner Eltern, wohin sie von Taura, dem Geburtsdorfe August Peters’, übergesiedelt waren und wo dieser seine Knabenjahre verlebt hatte), um hier, für die eingegangene „Barrikade“, eine neue Zeitschrift, „die Bergglocke“, zu gründen. Er vertrat in derselben jene gemäßigte Demokratie, welche das damalige Ministerium Oberländer in Sachsen lieber stützen, als stürzen wollte, weil man bereits voraussehen konnte, daß kein freisinnigeres an dessen Stelle kommen würde, und weil man erkannte, daß Sachsen der von auswärts drängenden Reaction nicht allein sich zu widersetzen vermöge. Als aber dieses Ministerium dennoch fiel und im Mai in Dresden der Kampf um die Reichsverfassung ausbrach, eilte auch er von Marienberg über Freiberg dorthin. Aber schon in Freiberg kamen ihm Flüchtige entgegen, denen er sich nun anschloß und mit denen er über Chemnitz, Altenburg und dann durch Thüringen nach der Pfalz und Baden eilte. Hier stieß er auf eine verlassene Freischaar, deren Führer davongelaufen waren, wurde aufgefordert sich ihr anzuschließen und kam so nach Rastatt — und in Gefangenschaft.
Ueber Peters’ Thätigkeit in dieser Festung können wir keine authentischere Mittheilung machen, als die betreffende Stelle aus den „Entscheidungsgründen“ seiner Verurtheilung „zu einer gemeinen Zuchthausstrafe von acht Jahren“. Nachdem erwähnt ist, daß Peters erst die Stelle eines Quartiermeisters des sogenannten Rheinhessischen Bataillons und zuletzt die eines Hauptmanns in der Lunette 33 übertragen worden war, heißt es weiter:
„In dieser Eigenschaft leitete der Angeschuldigte am 8. Juli einen Ausfall, welchen er mit Freiwilligen aus der Lunette 33 unternahm, und drang, nachdem er die Mannschaft mit geistigen Getränken angefeuert hatte, im Gefecht mit den königlich preußischen Truppen bis an das Dorf Niederböhl vor. Die Einzelheiten des Ausfalls sind in der Seite 50 der Acten befindlichen Meldung des Angeschuldigten an den Gouverneur der Festung angeführt, einer Meldung, welche zugleich darthut, daß der Angeschuldigte mit großer Energie dabei zu Werke ging und das Kenzinger Aufgebot mit dem Säbel vom Rückzuge abhielt.“
Die Verurtheilung, so hart sie erscheint, war immer noch ein Glück, denn weit Schlimmeres war ihm bestimmt: auch er war vor das Standgericht geladen. Damals schrieb er an Louise Otto und seine Eltern: „daß er wohl Trützschler’s Loos theilen werde und daß er mit ihren Namen auf den Lippen ruhig sterben wolle“ — Wirklich wurden ihm bisher gestattet gewesene Begünstigungen plötzlich entzogen, er kam in strenge Haft in eine Casematte, aus welcher man täglich Einen um den Andern zum „Schlußverhör“ abführte — d. h. vor das Standgericht. Keiner kam wieder. — Da erkrankte Peters mit vielen Anderen an der Ruhr; täglich kam die Anfrage, ob er „zum Schlußverhör“ vorgeführt werden könne; der menschenfreundliche Militärarzt verneinte [831] dies jedoch beharrlich, und so hatte die Krankheit ihn vom sichern Tode gerettet; das Standgericht ward aufgehoben und Peters sammt den noch übrigen Schwer-Gravirten dem ordentlichen Gericht übergeben. — Bitten und Anträge, ihn, wie seinen sämmtlichen übrigen sächsischen Schicksalsgenossen geschehen war, nach Sachsen auszuliefern, oder wenigstens ihn die badische Strafe in Sachsen verbüßen zu lassen, blieben unberücksichtigt.
Im Zuchthause zu Bruchsal, in der Zelle 287, bestand Peters’ Beschäftigung anfangs in Breterhobeln; später gab man ihm seine Zeit für seine Studien frei. Nach den Hausgesetzen durfte er jeden Monat zwei Briefe schreiben und einen Besuch erhalten. Die Behandlung pries Peters als außerordentlich human. Der Director Füßli wie der Pfarrer Heinz ehrten edel in ihm den gebildeten begabten Mann, ohne daß sie dabei der Strenge und Würde des Gesetzes Etwas vergaben. Sie verschmähten die Menschenquälerei, mit der man in anderen Strafanstalten in unmenschlicher Lust sich eine Güte that. Selbst die einzige Härte, die Peters widerfuhr, geschah auf auswärtige Veranlassung. Peters’ im Glück und Unglück unwandelbare Freundin, Louise Otto, wollte den armen Gefangenen gegen Ende August 1851 mit einem Besuch erfreuen. Die Kunde davon war der Badischen Regierung eiligst mitgetheilt worden, so daß ihrer in Bruchsal bereits ein Ausweisungsbefehl harrte. Dennoch gestattete der humane Director Beiden das Wiedersehen und eine Unterhaltung von einer Stunde, aber freilich trennte Beide ein doppeltes Gitter. —
Trotz dieses Doppelgitters und der Ausweisung —— trotzdem Louise Otto und August Peters sich nicht die Hände reichen, geschweige einen Kuß des Wiedersehens geben konnten, — trennte das kalte Eisen zwei glückliche, in gegenseitiger Liebe glühende Herzen. Nur der Mund, nur das Auge dienten dem Ausdruck des bewegten Innern, aber sie genügten, um zwei Seelen, welche Freundschaft und Dankbarkeit zur Liebe geführt, hier die innigste Vereinigung feiern zu lassen, eine Verlobung, wie vielleicht keine zweite gefeiert worden ist. Der Besuch und der arme Gefangene — schieden vom Doppelgitter als Braut und Bräutigam. —
Am 31. Juli 1852 wurde Peters in Baden begnadigt und an Sachsen ausgeliefert. Die nun beginnende neue Untersuchungshaft im Justizamt Lauterstein in Zöblitz, wegen seiner politischen Vergehen in Sachsen, war sehr streng; selbst an Louise Otto durfte er nicht schreiben, bis diese als seine Braut die Erlaubniß dazu erwirkt hatte; besuchen durfte sie ihn erst zu Pfingsten 1853, nach dem Schluß der Untersuchung und der abermaligen Verurtheilung Peters’ zu acht Jahren Zuchthaus.
Im ersten Brief aus Waldheim (vom 10. October 1853) an seine Braut schrieb Peters: „Soll ich Dir erzählen von der Schwere des neuen Wehes, das mir auferlegt ist? Louise! Freue Dich, daß ich mit heiterem Antlitz, mit aufgerichtetem Haupte vor Dich treten und bezeugen kann: Gott legt Niemand mehr auf, als er tragen kann. — Ich verhehle Dir nicht, daß mir hier manches Niederbeugende entgegentrat, dem ich mich bis jetzt (auch in Bruchsal) nicht unterworfen gesehen, — aber das feste Bewußtsein, in der Hand Gottes zu stehen, half es überwinden, — es erhob mich über die ganze Schmach meines gegenwärtigen Looses. Dazu kam Dein letzter Brief (vom 27. v. M.), der mir sagte, daß auch Du muthig und getrost dieses Weh erträgst. Nach diesem Briefe setze ich ein unerschütterliches Vertrauen in Dein muthiges Ausharren bis an’s Ende unserer Leiden. Louise! Wenn einst Alles überwunden sein wird — wie wird uns dann sein? —— Nur sehr wenige Menschen wissen, was uns zusammen innerlich und äußerlich betroffen, was wir miteinander erlebt und erduldet haben — es würde auch den meisten Menschen märchenhaft erscheinen, wenn wir es ihnen erzählen wollten. Aber wir dürfen es einander einst sagen: Das war gekämpft!“
Zu Waldheim durfte August Peters sich literarisch beschäftigen, nachdem Ernst Keil der Anstalts-Direction gegenüber sich dafür verbürgt hatte, daß es Peters weder an Arbeit noch Verdienst fehlen solle; da er unter seinem Namen jetzt Nichts drucken lassen durfte, so nahm er hier den Autorennanmen „Elfried von Taura“ an, nach seiner Leipziger Studenten-Bezeichnung und seinem Heimathsorte. Von Ostern 1854 an durfte drei Mal im Jahre seine Braut ihn — ebenfalls durch ein Gitter geschieden —— sprechen.
In der Züchtlingsjacke schrieb nun Elfried von Taura viele seiner gelungensten Werke, von denen wir besonders hervorheben: den Romanzenkranz „Friedrich der Freudige“ (Freib. 1856); eine Reihe von Sonetten, die zu den besten unserer Literatur gehören; eine Novelle „die stille Mühle“, die einen ersten Preis gewann, und andere treffliche Novellen, welche in der Gartenlaube, in den Unterhaltungen am häuslichen Heerd u. s. w. veröffentlicht worden und später theilweise gesammelt als „Erzgebirgische Geschichten“ und „Aus Heimath und Fremde“ erschienen sind. — Man kann daher wohl dem Herrn Straf- und Corrections- Anstalts-Director Heink in Waldheim nicht widersprechen, wenn er in seiner „Tabellarischen Notiz, den Züchtling August Friedrich Peters aus Taura betreffend“ sein Urtheil über denselben u. A. dahin ausspricht: „Nicht ohne geistige Begabung und als Schriftsteller bereits bewährt.“
Im Januar 1856 hatte der König die Strafzeit Peters’ um die Hälfte gekürzt, eine Verordnung des königl. Ministeriums der Justiz aber schloß ihm schon am 9. Juli desselben Jahres den Kerker auf, nachdem er fünfundachtzig Monate lang den Hauch der Freiheit entbehrt hatte. — Am 24. Novbr. 1858 schloß er in Meißen mit Louise Otto den Ehebund und siedelte Anfang Novbr. 1859 nach Leipzig über. Hier wandelte August Peters erst den „General-Anzeiger“ in eine entschieden demokratische Zeitschrift um, begründete nach der Unterdrückung derselben die Mitteldeutsche „Volkszeitung“ mit und leitete sie bis an seinen Tod. Er starb am 4. Juli d. J., trotz abermaliger Gefängnißstrafe in seinen Grundsätzen unerschüttert, erst siebenundvierzig Jahre alt. Sein Vater war aus Gram über das Unglück des Sohnes kurz vor dessen Eintritt in Waldheim gestorben; sein altes Mütterlein hat ihn überlebt, aber in seiner Wittwe eine Tochter gefunden, die des Sohnes Pflicht auf sich nahm.
Wie August Peters vor der Revolution schon eine Sammlung Gedichte (Schneeberg, 1845) und mehrere Erzählungen und später viele politische Artikel veröffentlicht hatte, so trat in der neu gewonnenen Freiheit Elfried von Taura mit einer Reihe Romane und Erzählungen hervor, die, nach dem glücklichen Novellen-Preisdebüt im Zuchthause, seinen neuen Autornamen bald zu einem von gutem Klang erhoben. Um so mehr muß man wünschen, daß auch der literarische Nachlaß der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten werde, namentlich seine noch ungedruckten und neuausgewählten Novellen und die von ihm begonnene Selbstbiographie, die seine bewegte Jugend schildert und, von der Hand der treuen Gattin mit einer Auswahl der Briefe des Gefangenen aus seinen drei Kerkern verbunden, ein in vieler Beziehung sehr interessantes, sehr beachtenswerthes Buch werden und das schönste Denkmal dieses Vielgeprüften sein würde.
Eine naturwissenschaftliche Vexir-Frage. Als wir neulich den Lesern der Gartenlaube ein technisches Räthsel zur Lösung vorlegten, hatten wir darauf gerechnet, daß das gebildete Publicum, wenn es auch am liebsten unterhalten und dabei belehrt sein will, es nicht verschmähen würde, auch einmal selbst über die „Natur der Dinge“ nachzudenken. Wir hatten uns nicht geirrt und haben noch immer unsere Freude an dem Interesse, welches unsere Notiz erregt hat; noch jetzt gehen uns von allen Seiten kleine Aufsätze·über den Gegenstand zu, welche beweisen, wie viele Köpfe sich eifrig mit demselben beschäftigt haben. Deswegen glauben wir im Sinne Vieler zu handeln, wenn wir auch heute wieder eine naturwissenschaftliche Frage zur Beantwortung verlegen, ist sie auch nicht von der Art, daß die Männer vom Fach selbst nicht die richtige Antwort darauf geben vermöchten. Sie kann sogar durch einen von Jedermann bequem anzustellenden Versuch sofort entschieden werden. Wir bitten daher die Leser und Leserinnen, uns zuvörderst durch Handschlag zu versichern, daß sie die Frage beantworten wollen, ohne daß sie diesen Versuch anstellen. Erst wenn sie mit sich selbst über die Antwort einig geworden sind, wollen sie den Versuch darüber entscheiden lassen, ob die Antwort richtig war oder falsch. Also aufgepaßt! Die Sache ist folgende:
„Man stelle auf die eine Wageschale einer gewöhnlichen Wage ein Glas mit Wasser und lege auf die andere Wageschale so viele Gewichte, daß vollkomenes Gleichgewicht hergestellt ist. Nun tauche man den Finger in das Wasser — Frage: wird die Wageschale mit dem Glase Wasser sich senken oder wird der Wagebalken in seinem Gleichgewicht verharren?“
Wie gesagt, der einfache Versuch entscheidet die Sache augenblicklich; aber die denkenden Leser mögen sich die Frage beantworten, bevor sie den Versuch anstellen. Was gilt die Wette, daß die Antwort der einen Hälfte „ja“, die der andern Hälfte „nein“ lauten wird?
Ehe wir uns nun die Sache näher überlegen, sei noch eine kleine Bemerkung vorausgeschickt. Wenn man den Finger in ein Glas Wasser taucht, [832] so kann dies sehr behutsam, en kann aber auch sehr schnell und plötzlich geschehen. Im letztern Falle wird die Wageschale sofort sinken, das ist keine Frage; denn der Finger vollführt einen Stoß auf das Wasser und da die Wassertheilchen dem Finger nicht schnell genug ausweichen können, so muß die Wagschale mit dem Glase tief gehen. Von einem Stoße soll aber bei unserm Versuche durchaus nicht die Rede sein, vielmehr soll der Finger so langsam und so behutsam wie möglich in die Flüssigkeit eindringen, so daß dieselbe Zeit genug hat, dem Finger Platz zu machen. Ob nun auch so die Wage noch außer Gleichgewicht kommen wird, ist eine andere Frage, die wir untersuchen wollen. Wenn der Finger direct auf das Ende des Wagebalkens drückt, so senkt sich dieser natürlich, denn er kann dem Drucke nicht anders ausweichen als dadurch, daß er sich senkt; der Finger kann aber auf das Wasser eigentlich gar keinen Druck ausüben, denn dasselbe ist so leicht beweglich, daß es dem Drucke des Fingers innerhalb des Glases ausweichen kann, auch ohne daß die Wageschale sich senkt. Wenn meine Hand einer Backe einen Streich versetzt, so ist derselbe nur wirksam, wenn die Backe mehr oder weniger still hält; weicht aber die Backe ebenso schnell aus, als meine schlagende Hand sich bewegt, so wird der Backenstreich nicht sitzen, d. h. naturwissenschaftlich ausgedrückt: die Hand wird keinen Druck auf die Backe auszuüben im Stande sein. Oder ein besseres Beispiel! Jedermann weiß, daß die Fortbewegung eines Raddampfers bewirkt wird durch den Druck der Radschaufeln gegen das Wasser. Die Radschaufeln bewegen sich so schnell, daß das Wasser ihrem Drucke nicht schnell genug ausweichen kann. Bei einer sehr langsamen Drehung des Schaufelrades wird das Schiff, wie man sich auf jedem schiffbaren Flusse leicht überzeugen kann, um keinen Zoll vorwärts getrieben, denn die Wassertheilchen haben Zeit, den Schaufeln auszuweichen. Nach alledem muß also auch die Wage beim behutsamen Eintauchen des Fingers im Gleichgewicht bleiben. Aber wie jedes Ding zwei Seiten hat, so kann man auch unsere Frage von einem andern Gesichtspunkte betrachten und dann kommt man zu einem andern Resultat.
Wenn ich mit dem Finger gegen eine Wand drücke, so wird nicht nur die Wand von meinem Finger gedrückt, sondern auch mein Finger wird von der Wand gedrückt – der Druck des Fingers ist ja auch fühlbar! Im Allgemeinen: überall, wo überhaupt ein Druck ausgeübt wird, wird er immer in zwei entgegengesetzten Richtungen ausgeübt. Nun ist es aber schon seit Jahrhunderten bekannt, daß jeder Körper, welcher in eine Flüssigkeit getaucht wird, von dieser einen Druck auszuhalten hat. Also wird auch der in das Wasserglas eingetauchte Finger vom Wasser einen Druck erfahren und nach dem oben Gesagten auch wiederum einen Druck auf das Wasser ausüben. Da aber jeder Körper, auf welchen ein Druck ausgeübt wird, diesem Drucke ausweicht, wenn er nur ausweichen kann, so hat auch unser Glas Wasser das Bestreben, dem Finger auszuweichen, und da es durch Senkung des Wagebalkens recht gut ausweichen kann, wird es auch ausweichen. Das Resultat dieser Ueberlegung ist also: die Wageschale mit dem Glase Wasser wird sich beim Eintauchen des Fingers senken – gerade das entgegengesetzte des obigen.
Nach dieser Auseinandersetzung haben wir für gewiß angenommen, daß der in das Wasser getauchte Finger einen Druck auf die Flüssigkeit und somit auch auf die Wageschale ausübt. Dagegen scheint sich denn aber doch noch ein gewichtiges Bedenken erheben zu lassen. Eine Fischverkäuferin versicherte mir einmal alles Ernstes, daß, wenn man Fische wägen wolle, man sie nicht etwa im Wasser schwimmend auf die Wagschale setzen dürfe, sondern in einem durchlöcherten Gefäß, denn wenn sie auf der Wagschale schwömmen, so wögen sie eben gar nichts. Daß dies nur eine alberne Einbildung der Fischverkäuferin war, werden mir auch die Leserinnen sicherlich zugeben.
Der schwimmende Fisch wiegt natürlich mit, und ein Stück Holz, welches in das Glas Wasser geworfen auf dessen Oberfläche schwimmt, wiegt ebenfalls mit und zwar genau so viel, als es schwer ist. Wenn ich aber meinen Finger in das Glas Wasser tauche, so wird mir doch wohl kein Mensch bestreiten wollen, daß mir mein Finger angewachsen ist und daß ich ihn selbst trage; also kann doch unmöglich die Wageschale etwas von seinem Gewichte zu tragen haben. Hiernach würde sich also die Wageschale mit dem Glase Wasser beim Eintauchen des Fingers nicht senken.
„Gut,“ sagt jetzt der freundliche Leser der Gartenlaube, „jetzt haben wir zwei Gründe, welche uns die Frage verneinen lassen, und nur einen, aus welchem wir sie bejahen könnten; da zwei Gründe aber mehr wiegen, als einer, so antworten wir mit einem Nein.“ So schnell lassen wir dich nicht los, naturforschender Leser; in der Natur sind keine Widersprüche vorhanden, sondern nur in dem menschlichen Gedanken, und diese Widersprüche müssen gelöst werden. Wenn du aber wirklich meinst, daß zwei Gründe für Nein mehr wiegen, als ein Grund für Ja, so wollen wir doch sehen, ob wir nicht noch einen stichhaltigen Grund für Ja anführen können. Und wahrhaftig, hier ist einer! Ueberlegen wir noch einmal! Es ist doch sicher, daß der Versuch ganz derselbe bleibt, mag nun unser in das Wasser getauchter Finger von Fleisch, von Eisen oder von Holz sein. Nehmen wir demnach einmal an, er wäre von Holz und wäre an der Hand nur befestigt. Also zuvörderst befindet sich die Wage im Gleichgewicht. Nun nehme ich meinen Holzfinger von der Hand ab und werfe ihn in das Wasserglas.
Wird die Wagschale sinken? Natürlich, denn jetzt wiegt ja der Holzfinger mit! Nun aber weiter! Ich bringe meine Hand mit dem schwimmenden Holzfinger in Berührung, aber nur in Berührung, ohne den mindesten Druck auszuüben – wird sich in der Stellung des Wagebalkens etwas ändern? Natürlich nein! Denken wir uns nun, daß in dieser Stellung der Finger plötzlich wieder an der Hand fest würde – würde dadurch etwas geändert? Natürlich wieder nein! So, nun sind wir fertig: der Wagebalken hat sich gesenkt und ich halte meinen an der Hand befestigten oder, (was dasselbe ist) festgewachsenen Finger in dem Wasser. Das Resultat ist also hier wieder: die Wagschale mit dem Glase Wasser senkt sich beim Eintauchen des Fingers.
Wir wollen unsere Untersuchungen nicht weiter fortführen und es dem Leser überlassen, noch Mancherlei für und wider zu denken und zu sagen. Hat er sich aber für Ja oder Nein entschieden, so erfahre er durch den Versuch, ob er Recht habe, und – was die Hauptsache ist – er widerlege sich alle Gegengründe. Die einfachsten Dinge machen manchmal die größten Schwierigkeiten!
Vom Sterbebette des Prinzen Albert. Erst ganz vor Kurzem ist in London ein Brief in die Oeffentlichkeit gedrungen, welchen eine der königlichen Familie sehr nahe stehende Persönlichkeit, die von den kleinsten Vorgängen im Windsorschloß und im Buckinghampalaste genau unterrichtet zu sein pflegte, wenige Tage nach dem Hintritte des Prinzen Albert an einen Freund geschrieben hat. Einige auf die letzten Tage des vielbeklagten Prinzen bezügliche Einzelheiten jenes Schreibens dürften auch heute noch in Deutschland nicht ohne ein wehmüthiges Interesse gelesen werden. –
Der letzte Sonntag, welchen der Prinz erlebte, wird der ganzen königlichen Familie, namentlich aber der Prinzessin Alice, unvergeßlich sein. Prinz Albert war schon sehr angegriffen und leidend und darum seine Tochter Alice um ihn geblieben, während die andern Glieder der Familie sich, der englischen Etikette gemäß, zum Gottesdienste begeben hatten. Er bat sie, das Sopha, auf dem er saß, an das Fenster rollen zu lassen, damit er den Himmel und die über ihn schiffenden Wolken sehen könnte, deren Bewegung für ihn immer so große Anziehung gehabt hatte, und äußerte dann den Wunsch, sie möchte ihm ein paar Stücke auf dem Piano spielen, welche er ihr bezeichnete. Die Prinzessin willfahrte ihm, und da der Vater sie so gern singen hörte, so sang sie ihm auch einige deutsche Lieder.
Als sie den Flügel zumachte und sich nach dem Kranken umschaute, hatte er sich auf den Divan gestreckt, die Augen geschlossen und die Hände gefaltet, als wenn er gebetet hätte, so unbeweglich liegend, daß die Prinzessin glaubte, der Vater sei eingeschlafen. Leise wollte sie sich in seine Nähe schleichen; doch wie sie sich erhob, schlug er plötzlich die Augen auf und lächelte.
„Hast Du geschlafen, lieber Papa?“ frug sie.
„Nein, mein Kind, ich hatte nur so süße Gedanken, daß ich sie durch keine Bewegung verscheuchen mochte.“
So faltete er während seiner letzten Krankheit häufig die Hände, und sein ruhiges, friedvolles Antlitz zeigte, daß diese „süßen Gedanken“ oft bei ihm einkehrten.
Die Fassung der Prinzessin Alice war bewundernswerth; sie hat uns Alle in Erstaunen gesetzt. Vom ersten Tage an, wo der Vater erkrankte, sah sie ein, daß sie sich zusammenraffen müßte, um durch ihre Energie und Standhaftigkeit Vater und Mutter Muth und Trost zu geben, und beschloß, diese ihre Pflicht getreulich bis zum Ende zu erfüllen, wie schwer es sie auch ankommen mochte, ruhig zu bleiben, wo sie nicht mehr hoffen konnte.
Der Prinz selbst täuschte sich nicht über die Bedeutung seiner Krankheit und lieh seinen Befürchtungen unverzagt und unumwunden Worte. Jedesmal aber, wenn er von der Möglichkeit seines Scheidens sprach, brach die Königin in solchen herzzerreißenden Jammer aus, daß er ihr nicht mehr von seinem Tode zu reden wagte. Und doch hatte er noch so Manches zu sagen, von so Manchem sein Herz zu erleichtern, so manchen Wunsch zu äußern, so vielerlei Anordnungen zu treffen!
Das entging der Tochter nicht, sie begriff daher, wie sie sich verhalten müßte, wollte sie dem geliebten Vater seine letzten Stunden wirklich erleichtern. Mit einer überraschenden Kraft wußte sie ihre Gefühle zu beherrschen, so daß sie im Beisein des Kranken nicht ein einziges Mal die schmerzliche Erregung verrieth, welche ihr die Brust zu zersprengen drohte, und nie den Thränen freien Lauf ließ, von denen ihre Augen überströmen wollten. Neben dem Kopfkissen des Vaters sitzend, hörte sie aufmerksam den Bestimmungen zu, die er gab, und den letzten Verfügungen, die er traf, und sang ihm von Zeit zu Zeit eines seiner Lieblingslieder, mit fester klarer Stimme, ob ihr auch das Herz dabei brechen wollte. Nur ab und zu einmal stahl sie sich in die Einsamkeit ihres Zimmers und weinte sich aus, um bald darauf mit der alten Fassung zu dem sterbenden Vater zurückzukehren.
Und als der Theuere den letzten Athemzug gethan und die unglückliche Königin sich nicht mehr täuschen konnte über den Verlust, welchen das Schicksal über sie verhängt hatte, wieder war es allein die Prinzessin Alice, welche für die in ihrem Schmerze schier zusammenbrechende Mutter das Wort linden Trostes fand, wo Niemand sonst das Ohr der in dumpfer Schwermuth hinbrütenden Königin zu erreichen vermochte.
Mit dieser Nummer schließt das vierte Quartal und der zwölfte Jahrgang unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen (dreizehnten) Jahrgangs, in dem selbstverständlich, ebenso wie in den frühern Jahrgängen,
jede mögliche Berücksichtigung finden werden, schleunigst aufgeben zu wollen.