Die Gartenlaube (1872)/Heft 15

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1872
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 15.   1872.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Am Altar.


Von E. Werner, Verfasser von „Ein Held der Feder“.


(Fortsetzung.)


Im Stifte sollte das feierliche Todtenamt für den jungen Grafen Rhaneck gehalten werden. Der Rang und Name des Verstorbenen und die Umstände seines Todes erhoben diese Feier zu einer außergewöhnlichen, die selbstverständlich all den kirchlichen Pomp und Glanz beanspruchte, den ihr düsterer Charakter nur gestattete. Der ganze Adel der Umgegend erschien, um den Eltern seine Theilnahme zu beweisen, aber auch die sämmtlichen Dorfschaften, welche unter der Herrschaft des Stiftes oder des Schlosses Rhaneck standen, hatten ihre Bewohner gesandt, es galt ja dem Neffen des Prälaten und dem Sohne des Majoratsherrn. Die Landleute drängten sich noch sämmtlich in dem Klosterhofe, um zu sehen, wie der Prälat an der Spitze seiner Geistlichkeit und begleitet von dem Adel und den Beamten der Umgegend sich in die Kirche begeben werde.

Die Gräfin Rhaneck hatte den ersten furchtbaren Schlag einigermaßen überwunden, aber ihr Zustand gestattete ihr noch immer nicht, einer so aufregenden Feier beizuwohnen, der Graf dagegen war erschienen und hatte sich bis zum Beginn derselben in die Gemächer seines Bruders zurückgezogen.

Seine Uniform trug heute die Abzeichen tiefer Trauer, und wer ihn so sah, wie er im Armsessel saß, den Kopf in die Hand gestützt, das Auge düster vor sich hinstarrend, der hätte in ihm kaum den noch immer schönen, lebenskräftigen Mann wiedererkannt, die wenigen Tage hatten ihm etwas Greisenhaftes gegeben. Der Prälat, der kalt, selbstbewußt und energisch wie immer neben ihm stand, erschien heute als der Jüngere von Beiden.

„Quäle Dich und mich doch nicht mit solchen Sorgen, Ottfried!“ sagte er nachdrücklich. „Die Beweise gegen diesen Günther sind nicht erschöpfend genug, um ihm ernstlich etwas anzuhaben. Wir können ruhig der Untersuchung zusehen, im schlimmsten Falle bleibt es uns immer noch, unseren Einfluß geltend zu machen, um das Aeußerste zu verhüten.“

Rhaneck’s Antlitz hellte sich nicht auf, trotz dieses Zuredens. „Du hast ihn schon einmal vergebens geltend gemacht, als es sich darum handelte, die Untersuchung überhaupt zu verhindern, es gelang Dir nicht.“

Der Prälat zog die Stirn in Falten. „Dieser neue Landrichter ist eine höchst unbequeme Persönlichkeit, die erste dieser Art, die man uns nach E. schickte; ich werde sorgen, daß er nicht allzulange dort bleibt. Aber ich wiederhole es Dir, diese Kette von Zufälligkeiten war genug, Günther zu verhaften, nicht ihn zu verurtheilen, dazu gehören andere Beweise, man wird ihn wegen Mangels derselben freisprechen müssen.“

„Und damit einen ewigen Makel auf seine Ehre werfen.“

„Willst Du es unternehmen, ihn davon zu reinigen, so thue es!“ sagte der Prälat scharf.

Der Graf machte heftig eine abwehrende Bewegung und wandte sich nach dem Fenster, seine Augen schweiften theilnahmlos über die Landschaft draußen, aber man sah es, seine Gedanken waren ganz wo anders. Der Prälat schwieg, doch ein leiser Ausdruck von Befriedigung lag in seinem Blick; ihm war es vielleicht nicht unlieb, daß die Untersuchung gerade diese Wendung genommen; wurde damit doch ein Feind unschädlich gemacht, der mit seinen Neuerungen und seiner Autorität die ganze Gegend bedrohte; was galt ihm die bedrohte Freiheit und Ehre dieses Mannes! Er war künftig machtlos dem Volke gegenüber, wenn ein solcher Flecken an seinem Namen haften blieb.

„Hast Du – hast Du die Maßregeln ausgeführt, von denen Du mir schriebst?“ fragte der Graf plötzlich. Die Frage kam bebend und leise von seinen Lippen und er wandte sich dabei nicht um, um dem Auge des Bruders begegnen zu müssen.

„Ich habe!“ erwiderte dieser ruhig. „Das Hochgebirge war seit drei Tagen abgeschnitten von uns, erst seit gestern sind die Wege wieder passirbar, ich habe das sofort benutzt, um einen Boten hinaufzusenden. Er bringt Benedict meinen Befehl, N. unverzüglich zu verlassen und nach dem Kloster abzureisen, das ich ihm bezeichnete. Der Bote muß ihn gestern noch erreicht haben, und jetzt ist er jedenfalls schon auf dem Wege nach seinem neuen Bestimmungsorte.“

„Und nach welchem Kloster hast Du ihn gesandt?“ Es klang durch die Frage wieder etwas von der früheren Angst hindurch.

„Ottfried, die Angelegenheit liegt in meinen Händen,“ sagte der Prälat kalt, „laß sie mich auch allein zu Ende führen. Es handelt sich jetzt nur darum, Benedict fern zu halten, und zu verhindern, daß man ihn zu einem Zeugniß herruft, ich werde es verhindern – wegen des Weiteren frage mich nicht.“

Mit einem schweren Seufzer ließ sich der Graf wieder nieder. Sein Bruder hatte richtig gerechnet, er ließ den einst so leidenschaftlich vertheidigten Schützling widerstandlos in seinen Händen – der Schlag hatte zu hart getroffen.

[238] Die Thür ward leise geöffnet und der Kammerdiener erschien in derselben.

„Ist es schon Zeit für die Kirche?“ fragte der Prälat sich umblickend.

„Noch nicht, Euer Gnaden, aber der Herr Pater Benedict wünscht –“

„Wer?“ fuhr der Prälat auf, während auch Rhaneck bei dem Namen emporzuckte.

„Herr Pater Benedict wünscht, sofort vorgelassen zu werden und –“ weiter kam der Meldende nicht, denn der Genannte stand bereits neben ihm auf der Schwelle und sagte fast gebietend:

„Lassen Sie es gut sein! Der Herr Prälat wird mich empfangen!“

Der Kammerdiener erschrak beinahe vor diesem Tone, er hatte so gar nichts mehr von der Art, mit der ein Mönch bei seinem Oberen eintritt. Pater Benedict that ja, als hätte er hier zu befehlen, und er drängte auch wirklich den Mann zurück in’s Vorzimmer, schloß die Thür und schritt rasch durch das Gemach auf den Prälaten zu.

Der Graf war bei seinem Erscheinen aufgesprungen und schaute ihn mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Angst und Schmerz an, aber der junge Priester sah das nicht, oder wollte es nicht sehen, er streifte fast den Arm Rhaneck’s, ohne auch nur mit einem Blicke von ihm Notiz zu nehmen.

Vor dem Abte blieb er stehen und verneigte sich, es war noch der übliche Klostergruß, aber es schien, als habe der Nacken des Mönches es auf einmal verlernt, sich zu beugen, so gezwungen war die Bewegung. Der Prälat schaute ihn streng an.

„Sie hier, Pater Benedict? Haben Sie meine Botschaft nicht erhalten?“

„Welche Botschaft?“

„Den Befehl, unverzüglich den Pfarrer Clemens zu verlassen und sich nach dem Kloster zu begeben, das ich Ihnen nannte, vor allen Dingen aber das Gebiet von E. nicht wieder zu betreten. Der Brief muß schon gestern Abend in Ihren Händen gewesen sein.“

„Gestern Abend war ich bereits in E.,“ sagte Benedict kalt.

„Und was führte Sie ohne Erlaubniß dorthin?“ frug Jener drohend.

„Die Verhaftung Bernhard Günther’s!“

Der Prälat ballte unwillkürlich die Hand. „Sie wissen –“

„Ich erfuhr, was man mir um jeden Preis verbergen wollte, weshalb ich heimlich entfernt werden sollte, und ich komme, um Sie jetzt zu fragen, Hochwürdigster: verlangen Sie noch mein Schweigen?“

Es kam zu keiner Erwiderung, denn der Graf, der bisher regungslos der Unterredung zugehört, trat jetzt dazwischen.

„Wenn mein Bruder Dein Schweigen forderte,“ sagte er gepreßt, „er hatte Recht, Bruno. Ich verlange es auch von Dir!“

Benedict hatte sich bei dem Klange der Stimme umgewandt, und der unglückverheißende Ausdruck trat wieder in sein Auge.

„Sie auch, Herr Graf? Also wirklich!“

„Laß es an dem einen Opfer genug sein!“ fuhr Rhaneck dumpf, aber fest fort. „Ich will kein zweites, Du sollst Dich nicht auch noch in’s Verderben stürzen!“

Einige Secunden lang stand der junge Priester da und sah ihn völlig verständnißlos an, dann auf einmal blitzte die Wahrheit in ihm auf.

„Ich mich in’s Verderben stürzen?“ brach er heftig aus. „Halten Sie etwa mich, mich für den Mörder Ihres Sohnes?“

„Du bist es nicht?“ schrie der Graf auf und es klang wie der Jubel eines Erlösten von Todesqualen.

„Nein!“

„Gott sei gelobt! – Und Du,“ wandte sich Rhaneck jetzt sprühenden Auges an seinen Bruder, „Du sagtest mir –“

„Ich sagte Dir nichts!“ unterbrach ihn der Prälat finster. „Erinnere Dich, daß Du es warst, der den ersten Argwohn weckte, nicht ich!“

„Aber Du nährtest ihn absichtlich mit Deinem Doppelsinn! Du wußtest, in welche Verzweiflung er mich stürzte, ein Wort von Dir hätte sie lösen können, und Du schwiegst!“

Es war, als sei mit der furchtbaren Last, die von seiner Seele gesunken war, auch die Gebrochenheit verschwunden, er stand wieder aufrecht und fest, das Auge flammte wieder in der alten Leidenschaftlichkeit, und die Stimme klang voll und drohend.

„Der Herr Prälat konnte Ihnen den Thäter nicht nennen!“ sagte Benedict fest. „Sie hätten alsdann Aufschluß über die völlig räthselhafte That verlangt. Er hätte Ihnen zugleich bekennen müssen, wem sie galt und – wer sie befohlen.“

Das Antlitz des Prälaten wurde wieder fahl wie damals, als er die Beichte des jungen Mönches empfing, aber er richtete sich stolz empor.

„Pater Benedict, Sie vergessen, daß Sie vor Ihrem Abte stehen!“

„Vor dem Manne, der meinen Tod beschloß! Ich klage Sie nicht an deswegen, denn ich weiß, es war kein persönlicher Haß. Sie opferten den Ungehorsamen, den Abtrünnigen, der den Orden bedrohte, und es ward Ihnen vielleicht schwer, daß Sie damit gerade mein Todesurtheil aussprechen mußten. Ein Höherer hat Ihnen gezeigt, wer allein Herr ist über Leben und Tod! Der Schlag, der mich vernichten sollte, er traf Ihren Neffen, den Letzten Ihres Stammes und Namens, vor der Welt wenigstens, und vor ihr geht auch das Geschlecht der Rhaneck mit ihm zu Grabe. Sie werden auch das überwinden, denn Sie stehen auf einer Höhe, bei der einem Andern das Blut zu Eis erstarrt, aber es ist eine Höhe, weil ihr nichts Gemeines anhaftet. Wenn Sie noch menschlich fühlten, so hätten Sie dem Grafen wenigstens die Qual ersparen müssen, zu glauben, der Bruder sei von der Hand des eigenen Bruders gefallen!“

Die Wirkung dieser letzten Worte war eine unendlich verschiedene bei den beiden Zuhörern. Der Prälat ließ einen unterdrückten Ausruf der Wuth hören, bei dem Grafen aber rissen sie die letzte Schranke nieder, mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit streckte er beide Arme nach seinem Sohne aus.

„Bruno, Du weißt –?“

Benedict wich finster zurück vor der Umarmung und ein Eisesblick traf den Vater.

„Wer meiner Mutter die Treue brach und sie und mich dann verrieth und verließ? Wer meinen Oheim niederschoß? Ja, das weiß ich, Herr Graf Rhaneck!“

Wenn der Graf Alles ertragen hatte, die schneidende Verachtung in diesen Worten ertrug er nicht. Die Verurtheilung aus dem Munde des Einzigen, was er auf Erden wahrhaft geliebt, warf ihn nieder, wie vernichtet sank er in den Sessel.

Der Prälat behauptete allein seine eiserne Ruhe, dieser Mann war nun einmal nicht zu erschüttern. Er erkannte klar die Gefahr, die diese Entdeckung gerade in solchem Augenblicke brachte, er sah die Macht seinen Händen entgleiten und machte noch einen letzten gewaltsamen Versuch, die Zügel wieder an sich zu reißen.

„Bruno, Du vergißt, daß sich diese Sprache dem Vater und dem Oheim gegenüber nicht ziemt!“ sagte er mit der vollen gebietenden Macht seiner Persönlichkeit. „Dem Sohne meines Bruders und meinem Neffen will ich sie verzeihen. Jetzt aber erinnere Dich, daß Du dem Orden angehörst, und was er von Dir verlangt.“

Benedict kreuzte die Arme, wie um sich zur Ruhe zu zwingen, und wandte seinem Vater den Rücken.

„Sie haben Recht, Hochwürdigster, und deshalb allein kam ich hierher. Ich frage Sie jetzt im Angesichte des letzten Ereignisses: was haben Sie beschlossen?“

„Mein Verbot bleibt in vollster Kraft bestehen! Was zwischen uns Dreien verhandelt ward, bleibt begraben für immer. Du schweigst auch ferner gegen Jeden!“

„Auf die Gefahr von Günther’s Verurtheilung hin?“

„Die Verantwortung fällt auf mich! Du hast nur zu gehorchen!“

Mit einer zuckenden Bewegung richtete sich Benedict auf; als werfe er eine langgetragene Fessel ab, so stand er plötzlich vor dem Abte und es loderte furchtbar auf in seinem Auge.

„Gehorchen und immer nur gehorchen! Das ist Euer ewiges Wort; aber es ist jetzt genug der Sclaverei, jetzt kann ich nicht mehr und jetzt will ich auch nicht mehr! Ihr habt mich in Fesseln geschlagen seit meiner Kindheit, habt mich in Eurem Banne gehalten mein Lebelang, habt eine Scheidewand zwischen mir und der Menschheit aufgerichtet, und wenn ich mich empörte dagegen, dann wurde mir immer und immer das Wort entgegengehalten, [239] mit dem ich mich der Kirche zugeschworen. Ich habe es gehalten unter tausendfachen Kämpfen, es gehalten bis zu diesem Augenblick, denn ich wußte, es galt nur mein Verderben, jetzt aber, wo die Ehre, das Leben eines Anderen auf dem Spiele steht, jetzt gehorche ich nicht, zum Verbrechen lasse ich meinen Eid nicht mißbrauchen! Ihr habt mir die Augen darüber geöffnet, daß ich ihn nicht Gott geschworen, sondern Euch allein, und Ihr habt ihn entweiht, nicht ich! Der Altar, der mich binden soll für alle Ewigkeit, er galt Euch nichts, als es sich darum handelte, meine Mutter von ihrem Gatten zu reißen, Ihr habt mich gelehrt, wie man Eide bricht – ich zerreiße den meinen!“

Es lag eine erschütternde Gewalt in dieser jäh hervorbrechenden Empörung, in diesem endlichen Freiwerden eines jahrelangen Ringens und Kämpfens. Der Prälat sah, daß hier Alles zu spät kam, er wahrte vielleicht nur seine Stellung, als er noch eine letzte Drohung versuchte.

„Also eine förmliche Lossagung! Wir werden Mittel finden, Dich zu zwingen, Abtrünniger!“

Bruno schüttelte die dunklen Locken und zum ersten Male hob sich seine Brust unter dem niegekannten Gefühl der Freiheit.

„Mich zwingt Niemand mehr! Was das Kloster auch beschließen mag, es droht nur dem Mönche, der sich gehorsam dem Befehl seiner Oberen beugt. Wenn ich mit meinem Wortbruch fertig werde – Eure Macht ist zu Ende in dem Augenblick, wo ich sie nicht mehr anerkenne!“

Er wandte sich und verließ das Gemach, auch nicht ein einziger Blick war mehr auf den Grafen gefallen. Der Prälat verharrte einige Minuten lang in finsterem Schweigen, plötzlich aber zuckte eine Ahnung in ihm auf.

„Der Prior! Das Volk im Klosterhofe! Er ist zu Allem fähig – wenn er dort spricht, ist nichts mehr zu retten!“

Er eilte nach, aber es war bereits zu spät. Bruno hatte in stürmischer Eile die Gemächer verlassen und durchschritt eben den Kreuzgang, der zum Klosterhofe führte.

Im Begriff aber, hinauszutreten, kam ihm schon die Geistlichkeit entgegen, den Prior an der Spitze und gefolgt von den vornehmeren Leidtragenden, um den Prälaten in seinen Gemächern abzuholen. Bruno erkannte die Gefahr, die ihn hier mitten im Kreuzgange und abgeschnitten von der Welt bedrohte. Er mußte sprechen, mußte seine Anklage in die Welt schleudern, ehe ihn der Prälat erreichte, er wußte, daß ihm nur Minuten blieben, sollte seine Stimme nicht ungehört verhallen. Das Auge flammend in leidenschaftlicher Erregung, das jugendliche Haupt aufgerichtet, als gelte es den Kampf mit einer Welt, eilte er dem Zuge der Geistlichen entgegen, schritt auf den Prior zu, legte die Hand auf seine Schulter und sagte klar, fest und laut, so daß es weithin vernommen wurde:

„Entweihen Sie das Gedächtniß des Grafen Rhaneck nicht, Pater Prior! Sie haben ihn gemordet. Ich war Zeuge davon.“

Ein Schrei des Entsetzens ließ sich ringsum hören, die furchtbare, mitten unter die Priester geschleuderte Anklage wirkte mit der Gewalt eines jäh herniederfahrenden Blitzes. Entsetzt stoben die Mönche auseinander, schreckensbleich drängten die Leidtragenden heran, und es war wohl schon zu spät, als das Thor des Kreuzganges laut krachend zufiel, von einem besonnenen Mönche rasch in’s Schloß geworfen.

Aber mehr als selbst die Anklage sprach der Anblick des Schuldigen. Er war zusammengebrochen vor dem Schlage, der ihn mitten in der vollsten Sicherheit getroffen; mit erdfahlem Gesichte, mit bebenden Lippen und zitternden Knieen stand er da, der Ueberfall kam zu plötzlich, als daß seine mönchische Gewandtheit und Verstellungskunst ihn noch hätte retten können; er besaß nicht einmal mehr die Kraft zum Leugnen.

Jetzt erschien auch der Prälat; aber ein einziger Blick auf den Prior, auf die entsetzten Gruppen ringsum sagte ihm, daß er zu spät kam. Nach dieser vor Hunderten von Zeugen geschehenen Anklage ließ sich nichts mehr verbergen und verleugnen; sie wußten es jetzt Alle, daß ein Mörder unter den Geweihten stand, – und im Ornate hatte man den Priester angegriffen!

Der ersten starren Pause folgte jetzt eine stürmische Bewegung. Die Mönche schaarten sich um ihren Abt, von ihm Rath und Hülfe verlangend, die Verwandten und Freunde der Familie drängten sich bestürzt Bruno entgegen, wie um weiteren Aufschluß zu verlangen. Der Landrichter aus E., der ebenfalls mit im Zuge gewesen, näherte sich dem Prälaten, ehrfurchtsvoll, aber mit einer Miene, welche zeigte, daß er nicht gesonnen war, den Pflichten seines Amtes auch nur das Geringste zu vergeben.

„Hochwürdigster – ?“

Der Prälat stand allein unbewegt da wie ein Fels in der Brandung. Zu ihm floh Alles, an ihn wendete sich Alles, an seinem Antlitze hingen all diese Blicke; es zuckte nicht und erbleichte nicht, als er that, was er thun mußte. Er erklärte, daß die furchtbare Anklage, die Pater Benedict allein zu vertreten habe, auch ihn schwer getroffen, verhieß die strengste Untersuchung und gab Befehl, den Schuldigen abzuführen.

Bis zu diesem Augenblicke hatte sich der Prior noch aufrecht erhalten; sein Auge hing immer nur an dem Prälaten, als solle und müsse ihm dieser Schutz und Rettung gewähren; aber als auch der Abt ihn preisgab, als der sich von ihm wandte und er sich verloren sah, da flammte der giftige tödtliche Haß wieder auf in seinen Zügen; aber diesmal richtete er sich gegen den Obern.

Bruno, der bisher fest und unverrückbar an seiner Seite gestanden, sah diesen Ausdruck und ahnte das kommende Unheil; er beugte sich herab zu ihm.

„Schonen Sie unsern Abt!“ sagte er halblaut und lateinisch. „Er muß den Schuldigen preisgeben. Schonen Sie seine und des Stiftes Ehre!“

Aber er irrte, wenn er bei dem Prior eine Handlungsweise voraussetzte, wie er sie in solchem Falle geübt hätte; bei dem Elenden siegte das Bewußtsein, verloren, aufgegeben zu sein von den Seinigen, selbst über die Gewohnheit und Erziehung des Mönches. Mit dem ganzen Haß des Gemeinen, das seine einzige Genugthuung darin findet, im Sturze noch einen Andern mit sich zu reißen, richtete er sich auf und rief höhnisch:

„Fragt den Herrn Prälaten, ob die That seinem Neffen galt oder einem Andern! Er wußte darum, er hat mich – absolvirt!“

Diesmal gab sich kein Laut des Entsetzens kund; still, todtenstill war es in der ganzen Versammlung, sie wich stumm immer weiter zurück vor dem Prälaten, selbst die Priester flohen vor ihm – er stand ganz allein.

Noch stand er; aber man sah es, der Schlag hatte ihn bis in’s innerste Leben getroffen; er wußte, daß der Eindruck dieser Worte nicht mehr zu verwischen war, und wenn sie zehnfach widerrufen wurden, und es war nur noch eine Form, die er mechanisch wie eine letzte Pflicht erfüllte, wenn er sich jetzt zum Landrichter wandte und erklärte, daß man den „Unsinnigen“ in Sicherheit bringen müsse, bevor er noch zu weiteren Lügen seine Zuflucht nehme.

Kein Laut ließ sich vernehmen, als er sich zurückzog; in dem Schweigen lag sein Urtheil. Der stolze Abt, der den Ruf und die Ehre seines Klosters über Alles gesetzt, er brach mit diesen beiden zusammen!




Noch am Abend desselben Tages kehrte Günther nach Dobra zurück. Nach dem letzten Ereigniß und der schonungslos mit allen Details gegebenen Aussage des Pater Benedict hatte man keinen Anstand genommen, ihn sofort seiner Haft zu entlassen; er befand sich jetzt auf der Fahrt nach Hause, wohin ihm die Nachricht seiner Ankunft bereits vorangegangen war.

Neben ihm im Wagen saß sein junger Befreier; er hatte Günther’s Bitte, sein Gast zu sein, entschieden abgelehnt. „Ich habe versprochen, Sie frei nach Dobra zurückzubringen, und halte mein Versprechen, mehr verlangen Sie nicht von mir!“ Das war seine ganze Antwort gewesen.

„Versprochen? Wem?“ Günther lächelte. „Ich kann es mir denken! Jedenfalls meiner tapferen Hausgenossin Fräulein Reich. Ohne Zweifel war sie es, die Ihnen die Nachricht meiner Verhaftung brachte und Sie zur Rettung anstiftete; wenn es mir auch unbegreiflich bleibt, wie sie erfuhr, daß die Macht dazu grade in Ihren Händen lag.“

Bruno senkte das Auge. „Sie irren! Ich kenne jene Dame nicht einmal. Die Nachricht und der Ruf zur Rettung kamen von – von Ihrer Schwester.“

„Von Lucien?“ rief Bernhard mit unverstelltem Erstaunen. „Hat sich das Kind in diese ernste Sache eingemischt? Wie in aller Welt –“ er schwieg plötzlich, denn die Flamme, welche [240] schon einmal den Prälaten so bedenklich gemacht, schlug wieder hell auf in dem Antlitz des jungen Mannes, und auch in Günther’s Kopf begann jetzt eine Ahnung aufzudämmern, aber er sah es an der finsteren Stirn und den festgeschlossenen Lippen Bruno’s, daß dieser sich kein Geständniß werde entreißen lassen, und entschlossen, keine Offenheit zu erzwingen, die ihm nicht freiwillig geboten ward, forschte er für jetzt nicht weiter. Dennoch war es ein fast peinliches Nachdenken, das ihm die unerwartete Entdeckung aufzwang. Seine rosige kinderfrohe Lucie und diese düstere vulcanische Natur! Unmöglich! Und doch mußte bereits ein Einverständniß zwischen ihnen bestehen, wer lehrte sie sonst im Augenblicke der höchsten Gefahr bei ihm Schutz und Hülfe suchen? Auch Bruno mochte wohl fühlen, daß er sich verrathen hatte, aber er schwieg beharrlich und so ward die Fahrt meist stumm zurückgelegt. Erst als das Schloß von Dobra vor ihnen auftauchte, wandte sich Günther wieder an seinen jungen Nachbar:

„Sie haben es mir verweigert, mein Haus als das Ihrige anzusehen, und doch hätte ich jetzt unter Allen wohl das erste Recht, Ihnen dort ein vorläufiges Asyl zu bieten. Ihre Rückkehr nach dem Stifte ist mit dem heutigen Tage eine Unmöglichkeit geworden, dies öffentliche Preisgeben der Klosterehre verzeiht man Ihnen nie. Soll ich nicht einmal wissen, wohin Sie zunächst Ihre Schritte lenken wollen?“

„Ich wollte für’s Erste nach N. zurück, und dann –“

„Nach N.?“ unterbrach ihn Günther rasch. „Um Gotteswillen nicht! Es liegt noch im Bereich des Stiftes, haben Sie nicht genug an der einen Erfahrung? Wollen Sie einen zweiten – Unglücksfall abwarten?“

Bruno schüttelte den Kopf. „Fürchten Sie nichts, die Verfolgung hat ihren Zweck verloren. Als es sich darum handelte, meinen Abfall zu verhindern, mein Schweigen um jeden Preis zu wahren, da war ich in Gefahr, da konnte man beides nöthigenfalls mit meinem Tode erkaufen; jetzt, wo der eine unwiderruflich vollzogen und das zweite öffentlich gebrochen ist, jetzt bin ich sicher!“

„Auch vor der Rache des Abtes? Sie führten einen tödlichen Streich gegen ihn, die Worte des Priors haben ihn moralisch vernichtet.“

„Ich ahnte es beinahe, wie der Elende sich rächen würde!“ sagte Bruno finster. „Hätte ich’s abwenden können, es wäre geschehen, aber ich mußte den Prälaten dem Aeußersten preisgeben, um Sie zu retten – es ist mir so schwer geworden, wie vielleicht ihm, als er mich preisgab!“

Bernhard sah ihn mit dem Ausdruck äußerster Befremdung an. „Ich begreife Sie nicht, Bruno! So sprechen Sie von dem Manne, der Ihren Tod befahl?“

„Er opferte mich seiner Ueberzeugung, wie er seinen Bruder, wie er dessen Sohn geopfert hätte, wären sie ihm feindlich in den Weg getreten. Er kennt eben nur Eins, die Macht und Ehre seiner Kirche, und vor dem Priester muß jede Regung des Menschen nieder in den Staub. Ich kann sein Handeln begreifen, auch wenn ich es verurtheilen muß, und mich wird er in Zukunft nicht mehr angreifen. Mit nutzlosen Verbrechen befleckt sich dieser Mann nicht, er steht eben so hoch über gemeiner Rache, als er von jeher über gemeinem Hasse stand.“

„Das war wieder einmal der Rhaneck, den man jetzt hörte!“ In Günther’s Stimme klang ein leiser Vorwurf mit durch. „Sie haben auch etwas von der rücksichtslosen Härte des Geschlechtes, Bruno, das alles niedertreten möchte, wo es sein eignes Wollen gilt! Sie sind weit mehr der Neffe Ihres Oheims, als Sie je der Sohn Ihres Vaters waren. Wollen Sie dem Prälaten auch die Eingriffe in das Leben Ihrer Mutter verzeihen?“

Ein Strahl von Haß blitzte wieder auf in dem Auge des jungen Mannes. „Ihm? Er hat sie nie gekannt! Ihm war sie eine Fremde, Eingedrungene in den Namen und Rang seiner Familie, er hatte keinen Schwur zu wahren, keine Gelübde zu halten; wenn er sie vernichtete, so geschah es mit jener eisernen Consequenz, die nun einmal die Grundlage seines Charakters bildet; ihn klage ich am wenigsten an. Auf den Gatten, der sein Weib zu vertreten und zu schützen berufen war, und der es statt dessen in solcher Weise preisgab, aus diesen allein fällt der größte Theil der Schuld!“

„Haben Sie eine Erklärung mit Ihrem Vater gehabt?“ fragte Günther forschend.

„Mit dem Herrn Grafen Rhaneck, meinen Sie?“ es lag eine schneidende Zurechtweisung in dem Tone. „Ich glaube, er war nicht abgeneigt, jenen Titel auch gegen mich geltend zu machen. Ich habe ihm gezeigt, daß ich das Andenken meiner Mutter zu ehren weiß und daß unsere Wege in alle Ewigkeit aus einander gehen.“

„Sie gehen zu weit! Graf Rhaneck hat dennoch –“

„Ich bitte, schweigen Sie davon!“ unterbrach ihn Bruno heftig. „Ich kann bei dem Namen nun einmal nichts fühlen als Haß und Erbitterung, und ich will keine Beziehung zu ihm anerkennen, weder dem Grafen noch einem Anderen gegenüber.“

Bernhard schwieg, er sah wohl, daß er diesen Punkt nicht berühren dürfe, wenigstens jetzt noch nicht.

„Sie werden für’s Erste doch wohl hier bleiben müssen,“ begann er nach einer Pause von neuem. „Ihr persönliches Zeugniß wird bei dem nun beginnenden Processe nicht entbehrt werden können.“

Bruno lächelte bitter. „Mein Zeugniß ist mit meinem heutigen Auftreten und meiner den Gerichtsbeamten gegebenen Erklärung zu Ende. Der Proceß wird nicht stattfinden!“

„Weshalb?“ fuhr Günther betroffen auf. „Sie wollen doch nicht behaupten, daß man es wagen könnte, jetzt noch die Sache niederzuschlagen, nun sie einmal in den Händen der Richter ist?“

„Nein! So weit reicht der Arm des Stiftes denn doch nicht, und selbst die Allmacht Roms würde daran scheitern. Aber Sie vergessen, daß der Prior sich vorläufig noch im Klostergewahrsam befindet, bis die Formalitäten seiner Auslieferung erfüllt sind. Man wird ihm gerade noch Zeit lassen, das Geständniß und vor allem die Anklage gegen den Abt zu widerrufen, und dann wird man – unachtsam sein. Er wäre der erste Mönch, der in solchem Falle nicht Thür und Thor zur Flucht offen gefunden hätte; jedes ferne Kloster öffnet dem Schuldigen seine Pforten, wenn es sich darum handelt, ihn der so sehr gehaßten weltlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen.“

„Möglich! Man müßte also versuchen, den Landrichter –“

„Versuchen Sie nichts! Es scheitert alles, wenn der Orden ihn retten will, und er wird um keinen Preis dem Lande das Schauspiel eines solchen Processes gönnen. Glauben Sie denn, ich hätte es gewagt, die Gedächtnißfeier eines Todten mit meiner Anklage zu entweihen, hätte ich die Zeugenschaft Anderer dabei entbehren können? Er wäre vorher geflohen; nun geschieht es wenigstens nach dem Geständniß, das Ihre Ehre reinigt von jedem Verdachte.“

„Jedenfalls werde ich dennoch dem Landrichter die nöthigen Winke geben!“ sagte Bernhard lebhaft. „Uebrigens, was auch geschehen mag, der Eindruck jenes ersten Geständnisses und jener Worte gegen den Abt bleibt ungeschwächt. Das Verbrechen an sich würde man vielleicht mit der Zeit vergessen, aber daß es befohlen ward, befohlen werden konnte, das erschüttert die Macht des Stiftes bis in ihre innersten Grundvesten hinein. Die blinde Verehrung dafür ist zu Ende für alle Zeit!“

Die Ankunft in Dobra machte der weiteren Unterredung ein Ende. Hier wurde Günther bereits erwartet, der Landrichter hatte seine „Abscheulichkeit von vorgestern“, wie Fräulein Reich noch immer hartnäckig die Verhaftung nannte, dadurch wieder gut gemacht, daß er sofort vom Stifte zu den Damen herübergekommen war, ihnen die betreffenden Nachrichten zu bringen. Lucie hing noch in stürmischer Zärtlichkeit am Halse ihres Bruders, Franziska dagegen wandte sich sogleich nach der ersten warmen Begrüßung an dessen jungen Begleiter.

„Sie sind jedenfalls Herr Pater Benedict, von dem der Landrichter uns erzählt hat!“ begann sie in ihrer ungenirten Weise. „Ich kann es mir denken! Einen Anderen von der Sippschaft drüben hätte uns Herr Günther schwerlich mitgebracht. Ich habe sonst eine entschiedene Antipathie gegen Alles, was Kutten trägt, denn – entschuldigen Sie, Hochwürden – es steckt gewöhnlich nichts Gutes dahinter; Sie aber sind eine Ausnahme, Sie sind ohne Zweifel ein vortrefflicher Mensch, obgleich man es Ihrem Gesicht und Ihrer Kleidung nach eigentlich nicht vermuthen sollte; – ich freue mich außerordentlich, Ihre Bekanntschaft zu machen.“


(Fortsetzung folgt.)




[241]
Im „Bockstall“ zu München.


Der Siegespreis im Bockstall.
Nach der Natur aufgenommen von L. Bechstein.

Fi donc! Welch unästhetischer Titel!“ wird naserümpfend gewiß manch feines Dämchen ausrufen, wenn sie die Ueberschrift dieses Aufsatzes liest und in leicht voraus zu berechnender Ideen-Association wird ihr nächster Gedanke E. S. Bouquet oder Jean Maria Farina sein.

„O meine Gnädigste – es ist mit diesem Bockstall gar nicht so schlimm bestellt, wie Sie vielleicht meinen! Ich habe in ihm sogar schon die feinsten Damen gesehen –“

„In einem Bockstall?“

„Damen aus der Crême der Gesellschaft!“

„Unmöglich!“

„Von Clara Ziegler, der stolzen Münchnerin, weiß ich es gewiß!“

[242] „In einem Bockstall?“

„In diesem Bockstall – ja!“

„Dann muß es allerdings eine eigene Bewandtniß haben.“

„Einigermaßen, ja! Wenn Sie nämlich in München vom Residenzplatz aus die schöne Maximilianstraße hinabgehen und in die zweite Querstraße rechts einbiegen, so gelangen Sie nach wenigen Schritten auf einen freien Platz, der sich zwar nicht durch besonderen Umfang, dafür aber durch desto größere Häßlichkeit auszeichnet. Der unregelmäßige, weitläufige, schon durch den gleichen Anstrich als zusammengehörig gekennzeichnete Häusercomplex ohne jede Spur von dem, was man in der Architectur Stil zu nennen pflegt, der die ganze Ostseite dieses Platzes einnimmt, ist das königliche Hofbräuhaus. Gerade ihm gegenüber, die südwestliche Ecke des Platzes bildend, befindet sich ein wohl über sechs Schuh hoher Bretterzaun, welcher einen ziemlich geräumigen Hof von eben diesem Platz und einer von Westen nach Osten senkrecht auf ihn ausmündenden Seitenstraße abschließt. Dieser Hofraum mit seinem Bretterzaun und den innerhalb desselben gelegenen Baulichkeiten, bestehend aus einem kleinen Hause mit nur einem Parterregeschoß, einer vielleicht dreißig Schritt langen, gedeckten hölzernen Colonnade und einem allerdings in ursprünglichster Weise hergestellten Orchester, bilden jenes in dem Münchener Leben hochbedeutsame Institut, welches der dortige Volksmund ‚Bockstall‘ getauft hat; nicht etwa, weil es zur Einstellung von Ziegen- oder irgend einer anderen Art von Böcken diente, sondern weil in ihm jenes wunderbare Bier geschenkt wird, das auch in weiteren Kreisen, in Berlin zum Beispiel in engster Verbindung mit dem unvermeidlichen Nebengedanken des dort populären ‚Haut ihm!‘ unter dem Namen ‚Bock‘ bekannt ist.“

„Aber warum heißt dieses Bier gerade ‚Bock‘?“

„Meine Gnädigste, der Baier nennt das von den voll eingeschenkten Gläsern und Maßkrügen abträufende Bier, also das geringste Getränk, das nächst dem Wasser für ihn existirt, ‚Schöps‘. Wenn Sie mir nun den Grund für diese Benennung angeben können, so bin auch ich vielleicht im Stande, Ihnen zu sagen, warum er sein hochfeinstes Edelbier mit dem Namen ‚Bock‘ bezeichnet hat.“

Wer nicht selbst eine Zeit lang in Baiern gelebt hat, kann sich thatsächlich keinen Begriff davon machen, zu welcher Bedeutung das Bier in dem baierischen Volksleben emporgewachsen ist, wobei indessen nicht verschwiegen werden soll, daß auch der einwandernde „Norddeutsche“ und der eingefleischteste „Berliner“ den einheimischen Lockungen des Baiernlandes nicht allzu lange zu widerstehen pflegt und alle hier einschlagenden „Tagesfragen“ bald mit dem gleichen Ernst und der gleichen Gründlichkeit zu behandeln liebt.

Ist es bei dieser Bierseligkeit leicht erklärlich, daß jede Gemeinde in Baiern, welche das Glück hat, einen Keller zu besitzen, das heißt, ein Local, in welchem das im Winter für den Ausschank im Sommer gebraute Bier lagert und in dieser Jahreszeit auch verzapft wird, in die freudigste und theilnahmvollste Aufregung geräth, wenn der Tag dieses Ausschanks endlich herangekommen ist, so wird man die Aufregung des Müncheners um so begreiflicher finden, wenn sein weltberühmtes Hofbrauhaus den Ausschank seines Sommerbieres oder Bockes anmeldet. Besonders der erste Mai, der erste Tag des Bockverschleißes, trägt in dem Umlaufe des Jahres für den Münchener den vollen Werth eines hochbedeutsamen Ereignisses.

Dem Fremden mag es leicht geschehen, daß er, in einem Münchener Bierlocale sitzend, auf einmal eine seltsame Bewegung unter seinen Mitgästen Platz greifen sieht. Jeder setzt urplötzlich seine Halbe oder Maßkrug an den Mund und trinkt seinen Rest aus. Verwundert fragt er dann wohl die die leeren Gefäße zu neuer Füllung wieder ansammelnde Kellnerin, was denn eigentlich los sei.

„Ja, haben’s denn nit g’hört?“ pflegt dann die verwunderte Antwort zu sein, „’s ist ja frisch a’zapft.“

Die wenigen Schläge, durch die der Hahn in und der Spunt aus einem frischen Fasse getrieben worden sind, ein Geräusch, das der Fremdling gänzlich zu überhören pflegt, für welches aber der Baier fast ein indianerartiges Gehör besitzt, so daß er es aus dem tollsten Lärm heraus erkennt, waren also die Ursache jener Aufregung.

Demgemäß kann man sich ungefähr die Spannung denken, mit welcher der Münchener dem ersten Mai entgegensieht. Wer vor elf Uhr, der Stunde der Eröffnung des Bockstalles, sich auf dem Platzl befindet – so heißt nämlich der Platz vor dem Hofbrauhaus, und ich bitte besonders die Liebe zu bemerken, die in dem Diminutivum liegt – der sieht die Schaaren der Bockdurstigen in hellen Haufen aus allen Gassen und Gäßchen heranströmen. Alle Stände sind vertreten: der Präsident, der General, der Student, der Arbeiter, der Handwerker, der Soldat; alle Confessionen: der Katholik von der Farbe des „Volksboten“ und „Bairischen Vaterlandes“, wie der Altkatholik, der Protestant, wie der Jude. Das Bier paralysirt jeden Unterschied des Ranges, des Standes und der Religion.

Durch das kleine Haus, von dem ich oben bei der Beschreibung der Localitäten des Bockstalles gesprochen habe, geht quer hindurch ein Gang mit zwei Ausgängen, der dasselbe in zwei Theile theilt: der eine enthält die Trinkstube, der andere das Sanctuarium, die Schänke. Nach dort zu findet immer und natürlich erst recht an diesem Tage der größte Andrang des Publicums statt. Zumal in dem Gange selbst steht Mann an Mann, hier und da auch wohl mit einem alten Radiweibe untermengt, „eingekeilt in drangvoll fürchterlicher Enge“, alle Gesichter der Schänke zugewandt, wie Sonnenblumen der Sonne. Da auf einmal ertönt aus dem Innern der Schänke heraus der Klang jener ominösen Schläge, von deren Wirkung ich schon oben gesprochen habe. „Es wird angezapft! Es wird angezapft!“ rauscht es durch die versammelte Menge. Ja! der große Augenblick ist da! Die Bocksaison ist wirklich geworden, das erste Faß ist angesteckt, die Schänke geöffnet!

Wer aber wird das erste Glas davontragen?

Der Glückliche nämlich, dem es gelingt, das erste Glas bei Eröffnung der Bocksaison zu erringen, erhält von der Verwaltung des königlichen Hofbrauhauses als Siegespreis das Privilegium, sich jeden Tag, so lange der Ausschank des Bockbiers dauert, eine Halbe umsonst an der Schänke verabreichen zu lassen.

Der Kampf um das erste Glas, und zwar der Augenblick, in dem er entschieden wird – das ist der Gegenstand der Zeichnung, an welche dieser Aufsatz sich anzuschließen bestimmt ist.

Man wird mir zugeben müssen: in dieser Zeichnung liegt nicht blos künstlerische Inspiration; es liegt mehr darin. Es liegt in ihr jene unmittelbare geistige Auffassung, die im Stande ist, eine lebensvoll bewegte Sachlage mit einem einzigen Ruck zu ergreifen, sie mit zähester Energie während der ganzen Zeit des künstlerischen Schaffens festzuhalten und bis in’s kleinste Detail hinein in haarscharf charakterisirender Weise auszuführen.

Daß diese Zeichnung die Absicht hat, sich ganz ausschließlich auf dem Gebiete des Humors zu bewegen, liegt schon beim ersten Anblick derselben offen da. Der Aufwand einer großen Leidenschaft zur Erreichung eines unbedeutenden Zweckes wird, künstlerisch gestaltet, immer und unfehlbar humoristisch wirken, vorausgesetzt, daß die nöthige Leichtigkeit und Freiheit in der Behandlung der darzustellenden Idee nicht fehlt. In unserer Zeichnung aber documentirt sich der Künstler vollkommen und nach allen Seiten hin als souverainer Herr seines Gegenstandes.

Man sehe das Leben und die leidenschaftliche Bewegung auf seinem Bilde, die vor Begier weit aufgerissenen Augen und vorgestreckten Hände, Hände, so charakteristisch gezeichnet, daß irgend eine beliebige davon herausgenommen, diese allein schon den Charakter des leidenschaftlichen Habenwollens ausdrücken würde. Hört man nicht den Schmul rechts vom Beschauer, der sich mit der linken Hand den Hut hält, zu seinem Nachbarn sagen: „Aber, lieber Herr, warum drücken Se denn so?“ Spricht nicht der aufgehobene Arm des unmittelbar hinter ihm Stehenden: „Herr, wenn Sie so weiter drücken, hau’ ich Ihnen eine auf!“ Muß man die im Hintergrunde in der Höhe erscheinenden Gestalten nicht in dem schnöden Verdachte haben, daß sie den Buckel oder irgend welche andere Körpertheile ihrer Mitebenbilder Gottes als Staffel benutzt haben, um sich zu ihrer erhabenen Stellung emporzuschwingen? Sitzt nicht der Sturmriemen auf dem Kopfe in der Mitte an einer Stelle des Gesichts, wo zu sitzen er niemals das Recht hat? Hört man nicht das arme Opfer, an der äußersten Linken vom Beschauer, mit dem eingetriebenen Hute und der schiefgerückten Brille, jedenfalls ein Schulmeisterlein oder Musiklehrer, auf den sich sein dicker Nachbar mit dem ganzen Vollgewichte seines breiten Rückens geworfen hat, in der Gefahr [243] garottirt zu werden, laut aufschreien, ohne daß er doch dabei seine Augen von dem Siegespreise abzuwenden vermag? Spricht nicht der giftigste Neid aus den Augen des Staatshämorrhoidarius, der dem glücklichen Sieger zur Linken steht? Und der Sieger selbst, der mit dem Ausdruck halb der Freude, halb der Bitte auf den Schänken sieht, und mit beiden Händen nach dem von diesem in die Höhe gehaltenen Glase mit dem überschäumendem Tranke greift, – hört man nicht unter der kräftigen, ihn zurückreißenden Faust alle Nähte seines Gewandes krachen, während er in der Ansicht:

„Bock trinkt sich gut
Auch ohne Hut,“

letzteren ruhig in die Schänke fallen läßt?

Das sind Alles Typen, jeder mit seiner ganz besonderen Eigenart in die Erscheinung tretend und zwar so, daß dadurch der allgemeine Grundzug des Bildes, die komisch-leidenschaftliche Aufregung, nicht nur in keiner Weise verwischt wird, sondern vielmehr erst recht zur Geltung gelangt.

Verstärkt wird die Wirkung des Bildes noch durch die Meisterschaft, mit welcher der Künstler die darin zur Anschauung kommenden Contraste einander gegenüber zu stellen gewußt hat: dort die von einem einzigen Triebe wild bewegte Menge, hier die classische Ruhe des seiner Würde und der ganzen Wichtigkeit des Augenblicks bewußten altbairischen Hofbrauhausschenken, an dem eben jeder Zoll, die ganze Gestalt, die strammen Ständer, der breite Rücken, die stämmigen Arme, der Stiernacken, das ganze Gesicht, die Nase und der Bart, den Altbaiern und den Schenken zugleich repräsentiren.

Ziehen wir schließlich die Summe aus dem ganzen Bilde, so stellt es sich dar als die vollendete Versinnlichung schnödester Bierselbstsucht, wie sie in ihrer ganzen grotesken Komik am ersten Mai jedes Jahres um die elfte Stunde im Bockstall des Münchner Hofbrauhauses zu Tage tritt.

Es wird wohl nur selten Bilder geben, in denen die Idee und ihre künstlerische Ausführung sich so durchaus decken, wie in dieser Zeichnung Ludwig Bechstein’s, unseres Künstlers.

Mir hat es große Freude gemacht, daß er mich zum Interpreten seines Bildes gewünscht hat.

Arthur Müller.




Drei Jahre in einem preußischen Lehrerseminar.


Von Eduard Nitschke.


Es war in den letzten Februartagen des Jahres 1865. Soeben hatte das Amtsblatt der königlichen Regierung in ein kleines Dorf mit einer Präparandenanstalt die längst erwartete Nachricht gebracht, daß die Aufnahmeprüfung für das königliche Seminar zu M. im März stattfinden solle. Mit erneuerter Hast stürzten sich die zu Prüfenden auf die Bücher, welche das Maß abgaben für das von den preußischen Regulativen geforderte Wissen. Die verborgensten Winkel wurden aufgesucht, um die aus dem Schutt verflossener Jahrhunderte hervorgezogenen geistlosen, aber um so längeren Kirchenlieder, die Unzahl von biblischen Geschichten, Psalmen, Gleichnissen, Prophezeiungen, Evangelien, Episteln, Bibelsprüchen dem widerspenstigen Gedächtnisse einzuverleiben; denn Bibel- und Gesangbuchsfestigkeit waren das Haupterforderniß für die Befähigung zur Aufnahme in das Seminar.

Für die diesmalige Prüfung hatten sich neunundvierzig Präparanden gemeldet, von denen nur achtundzwanzig aufgenommen werden konnten. Das Jahr vorher betrug die Zahl der Prüflinge noch achtundsechszig; zwei Jahre später nur neunundzwanzig; die schlagendste Verurtheilung der damaligen Leitung der Unterrichtsangelegenheiten. Dazu versuchte die Regierung jedes, nur nicht das nächste Mittel, um junge Leute für das Schulfach zu gewinnen. Da alle frommen Verheißungen und Verweisungen auf den jenseitigen Lohn für das verdienstvolle Werk der Präparandenbildung bei den Lehrern vergeblich waren, bezahlte die Regierung endlich jede in das Seminar abgelieferte Seele dem Präparandenbildner mit zehn Thalern.

Trotz dieser lockenden Summe nahm die Zahl der Lehrer immer mehr ab; in einer einzigen Provinz Preußens sind noch jetzt an hundert Lehrerstellen unbesetzt; an manchen Orten sind einer einzigen schwachen Kraft zwei- bis dreihundert Kinder übergeben. Um diesem Nothstande wenigstens nominell abzuhelfen, wurden nach beendigter Präparandenprüfung einem Theil der jungen siebenzehnjährigen Leute, welche man für die Aufnahme in das Seminar als nicht genügend vorgebildet befunden hatte, nichtsdestoweniger sofort von dem anwesenden Schulrathe Hülfslehrerstellen übertragen.

M. ist ein kleiner Ort. Die Bürger desselben nähren sich meist vom Ackerbau und sind, wie auch in der Umgegend, der großen Mehrzahl nach streng katholisch. Man sieht hier eine Unzahl Kreuze und Capellen; in einer derselben befindet sich die Abbildung einer Heiligen, welche eine Sichel gen Himmel geworfen, die noch bis heute nicht auf die Erde zurückgefallen ist. In diese Stadt hatte man vor ungefähr zwölf Jahren die Leuchte protestantischer Orthodoxie verlegt, ein evangelisches Regulativ-Seminar.

Früher befand sich dasselbe in der Hauptstadt der Provinz. Die Seminaristen hatten Gelegenheit, Vorlesungen der dortigen Universität zu hören, die Schätze der Bildergalerien, Bibliotheken, Museen, des botanischen Gartens waren ihnen geöffnet, sogar Concerte und Theater durften sie besuchen. Die Folgen dieser Freiheit waren entsetzlich; die Seminaristen erdreisteten sich einmal, über ihren „Herrn Director“ bei der Regierung Beschwerde zu führen, weil er seine „theuren Zöglinge“ mit dem väterlichen Du beehrte und Löcher in die Thüren der Arbeitszimmer schneiden ließ, um dieselben stets belauschen zu können. Bei der Untersuchung seitens der Regierung stellte sich neben manchen anderen Ungehörigkeiten auch heraus, daß der fromme Seminardirector, um sein glänzendes, unsittliches Leben fortführen zu können, die ihm anvertraute Casse bestohlen hatte.

Da man nicht den Mantel der christlichen Liebe um die öffentlich gewordene Thatsache hängen konnte, sandte man diesen „Seminardirector“ nach einer Festung, in der er einen strenggläubigen Katechismus schrieb. Dann aber beförderten ihn seine frommen Freunde nach Amerika, damit er als Missionär den Indianern sein Christenthum verkünde. Das großstädtische Seminar wurde kurz vor 1848 geschlossen; man verlegte es nach einem ganz kleinen Städtchen; und als dieses Eisenbahnstation wurde, suchte man lange nach einem Orte, wohin sich ein solcher Culturfortschritt nicht verirren würde. Endlich fand sich ein Krähwinkel, wo weder Kunstgenüsse noch liberale Zeitungen und Universitätswissen die Frömmigkeit gefährdeten und wo aus Mangel an gebildeten Evangelischen auch kein gottloser Protestantenverein entstehen konnte: das ultramontan-katholische M. wurde mit dem evangelischen Seminar beschenkt.

Das Seminargebäude ist ein großartiger Rohbau mit zwei hervorspringenden Flügeln, in dessen sich die Wohnungen der Seminarlehrer befinden. Die Lehrsäle liegen auf die Straße, die Arbeitszimmer der Seminaristen auf den Hof hinaus. Im zweiten Stock befinden sich die Räume für die Kleiderschränke und zwei Schlafsäle. Der wichtigste Theil und Mittelpunkt des Seminars ist der reich geschmückte Betsaal.

Wir schlafen die erste Nacht im großen Schlafsaale des Seminars. Die älteren Bewohner dieses Salons lassen ein durch alle Dur- und Molltonarten variirendes Schnarchen hören; wir Neulinge werfen uns auf dem Lager ruhelos umher.

Kaum hat uns ein freundlicher Traum die Bilder der Heimath vorgezaubert, so hören wir schon die Thür des Schlafsaal-Corridors aufschließen (Seminaristen sind auch in der Nacht eingesperrt), schwere Tritte nahen sich. Es ist fünf Uhr, und das Seminarglöcklein läßt seine dünnen Töne in die Dunkelheit hinausschallen. Dann kommt der Portier und befestigt mit der Linken die dunkle Schatten werfende Laterne an einem Haken in der Mitte des Saales, mit der andern Hand schwingt er eine riesige Schelle. Schlaftrunken fahren wir empor und greifen nach den unentbehrlichsten Kleidungsstücken am Rechen des Bettes. Binnen zwei Minuten müssen wir angekleidet sein. Schon tritt ein neuer Wächter des christlichen Hauses auf, der gestrenge Herr Hülfslehrer, der aber uns während der Nacht in unserm [244] Schlafsaale bewacht hat. Wehe dem jetzt Säumigen, denn er wird in’s „schwarze Buch“ notirt. Und nun geht’s hinab in den Keller, um Hände und Gesicht in das zinnerne Waschbecken zu tauchen, welches nach dem Gebrauche sorgfältig gereinigt und ausgetrocknet werden muß. Dann versammelt man sich in den Arbeitszimmern, welche je neun Seminaristen in ihre kahlen Wände aufnehmen. Einer derselben hat schon den Ofen gereinigt, Feuer angezündet und die Stube mit Besen und Gemülleschaufel behandelt. Qualmende Oellampen erhellen die düstere Zelle, denn vor fünf Jahren hatten in M. die Meisten noch keine Ahnung von einer Gasanstalt.

Der Senior der Stube erhebt sich; um halb sechs Uhr früh wird das erste Mal gebetet und ein frommer Vers zur Stärkung für die Tagesarbeit gesungen. Besonders beliebt war als Morgendank: „Heut’, als die dunklen Schatten mich ganz umgeben hatten, hat Satan mein begehret; Gott aber hat’s gewehret.“ Und analog diesem lautete die Nachtbitte: „Will Satan mich verschlingen (wir gähnten immer recht sehr dabei), so laß die Englein singen: Dies Kind soll unverletzt sein!“ Beide Liedlein wurden auch stets von den Kindern der Seminarübungsschule mit „Furcht und Zittern“ im Herzen gesungen.[1] Nach dem Gebete wurde irgend eines der Lehrbücher vorgenommen, deren Unterrichtsstoff, mochte er sein, welcher er wollte, der unvermeidlichen Salbung unterzogen war. Kein Wort durfte gesprochen werden, denn mit Katzenschritten naht der Hülfslehrer, welcher die Frühinspection hat; er revidirt die vorliegenden Bücher und durchsucht sogar die Schubladen. Das Lehrbuch vor unseren Augen, welches auch nicht ein Jota mehr und in anderer Form enthält, als Herr v. Mühler für alle Seminaristen für gut befunden hatte, vermag uns nicht das geringste Interesse abzugewinnen, höchstens locken einige allem gesunden Menschenverstand und unbeeinflußter Lebensanschauung in’s Gesicht schlagende Sätze unser Hohnlächeln, wobei sich manchmal unwillkürlich die Faust unterm Tische ballt, heraus. Wir sind ja noch zu kurze Zeit im Seminar; wenn wir erst „ganz in Christo leben und die Zucht des heiligen Geistes empfinden“ werden, dann wird das Hohnlächeln schon aufhören, nur noch manche Augenblicke werden wir ohnmächtig und verzweifelnd an dem festen Gitter zu rütteln versuchen, hinter welches man unser Fühlen, Denken, Wollen und Handeln eingepfercht hat.

Endlich ist die Frühstücksstunde, acht Uhr, herangekommen. Der geräumige Speisesaal weist eine lange Tafel mit zinnernen Tellern und primitiven Bestecken auf; bestimmte Seminaristen holen die Schüsseln mit der Suppe vom Hauswart. Der unvermeidliche, beaufsichtigende Hülfslehrer faltet die Hände, um den Segen Gottes auf den Morgenimbiß herabzuflehen. Dieser ist auch sehr nöthig; die aufgezwungene Seminarkost ist zwar billig, für den Neuling aber ungenießbar. Allerhand Gewürm und Insecten sind mit verschimmelten Brodkrusten zusammengekocht und zuweilen mit den Ueberresten von Talglichtern angefettet. Da muß das väterliche Brod das Beste für die Sättigung des Körpers beitragen, und wohl denen, welche von den Eltern nahrhafte Brode und auch Butter bekommen, wiewohl ein Schulrath einst, gelegentlich einer Revision der Brodschränke, dem Besitzer frischer Gebirgsbutter entgegendonnerte: „Wie dürfen Sie sich dergleichen erlauben, ein Lehrer muß schon früh sparen (hungern!) lernen!“

Nach dem Genusse einiger Löffel sogenannter Suppe wird Gott im gedankenlosen Gebet für seine Gaben gedankt; uns war dieser Dank factisch nur eine privilegirte Gotteslästerung. Nachdem wir das dritte Mal gebetet, begeben sich bestimmte Seminaristen (der Reihe nach) zu den Seminarlehrern, um Botengänge für dieselben zu verrichten. Andere müssen im Keller das für den Küchengebrauch nöthige Wasser in das unter dem Dache befindliche Reservoir pumpen, „dreimal des Tages zweihundert Züge“. Dergleichen Arbeiten wären ein treffliches Erziehungsmittel zur christlichen Lebensgemeinschaft im Seminar gewesen, sie wurden nur dadurch erniedrigend, daß der Zweck derselben sich als eine Dienstverrichtung für den „Herrn Portier“ herausstellte, der über diese Kraftanstrengungen die Aufsicht führte. Derselbe war als Knecht in’s Militär eingetreten, hatte „auf Versorgung“ gedient und bekam eine Anstellung als Gefangenenaufseher in einem Zuchthause, von dieser wurde er zu der eines Seminar-Hauswarts befördert.

Bald ertönt wieder die bekannte Glocke, es folgt die Hauptmorgenandacht. Ein Bibelabschnitt wird vorgelesen; der Herr Director ermahnt uns, den „Unflath der Sünde am Fleisch“ abzuthun und uns unter „die Zuchtruthe des heiligen Geistes“ zu stellen, einige Regulativ-Lieder werden abgesungen, dann beginnen die Unterrichtsstunden, welche theilweise mit Gebet angefangen und beendet werden. (Fünftes und sechstes Gebet.)

Um zwölf Uhr wurde das schmale, oft widerlich zubereitete Mittagsbrod genossen und das siebente und achte Gebet gebetet. Die Stunde von ein bis zwei Uhr war Freizeit, in welcher es erlaubt war, ein Stück auf der Chaussee zu laufen, die der unvermeidlichen Controle wegen von den Seminarlehrern abpatrouillirt wurde. Es wären nun noch in dem stets sich gleichmäßig wiederholenden Tageslaufe Lehrstunden von zwei bis vier Uhr, Gartenarbeit von fünf bis sechs Uhr, Abendbrod um sieben Uhr mit zwei Gebeten (Nr. 8 und 9) zu erwähnen. Die grausigste Zeit war die abendliche Arbeitsstunde von acht bis neun Uhr, in welcher wir gewissermaßen die Bilanz des Tages ziehen konnten. Sie erwies, daß wir körperlich und geistig oft genug schamlos in den Staub getreten wurden, daß wir viel gebetet und wenig gelernt hatten, außer etwa neuen Gesichtspunkten für die Ertheilung des von „wahrhaft frommem Geist“ durchdrungenen Schulunterrichts. Als würdiger Tagesabschluß galt die große Abendandacht (unter günstigen Umständen nur das zehnte Gebet an einem Tage). Dann wurden wir vom Hülfslehrer und Hauswart in die Schlafsäle getrieben, deren Thür man hinter uns verschloß.

Werfen wir nun einen Blick auf die Leute, in deren Hand die Bildung der Lehrer lag. Der „Herr Director“ war, wie die meisten Leiter preußischer Seminare, Theologe von der Richtung Vilmar-Hengstenberg-Mühler. Ein Cultusminister in Duodez, war er äußerst vertraut auf einem Gebiete, das er Jugendsünden nannte. Noch nicht vierzig Jahre alt und ziemlich beleibt, versagten ihm die Wangenmuskeln schon den Dienst, und in Wülsten hing das Fleisch an denselben herunter. Die Augen, von großen Ringen umgeben, waren das einzig Lebendige an der großen schweren Gestalt, die von einem Rückenmarkleiden gekrümmt war. Gewöhnlich befand sich der „Herr Director“ in den Lehrstunden im Halbschlummer; nur die Hände zitterten nervös. So kam es, daß er einige Male vom Katheder herabfiel und regelmäßig beim Schlage der Uhr aufsprang mit den Worten: „Ach Gott, es schlägt man (!) schon wieder!“ und schleunigst das Zimmer verließ.

Und dieser Mann hat es vermocht, den Seminaristen auch die letzte Ahnung persönlicher und geistiger Freiheit zu rauben. Der Seminargarten war früher von einer lebendigen Hecke umgeben; Nachtigallen hatten sich dort eingenistet, und in dem Laubgange hinter dem Seminar konnte man die Spaziergänger gewahren. Sonntag Nachmittag sangen die Seminaristen im Garten Männerlieder; auch manchmal eines von der Freiheit und vom damals streng verpönten deutschen Vaterlande. Hinter den Sträuchern aber lauschten die Schönheiten von M., und manch freundliches Augenpaar suchte sich eine Lücke im Buschwerk, um einen mitleidigen Blick auf die Eingekerkerten zu werfen. Das war dem Herrn Director ein Dorn im Auge. Zahlreiche arme Zöglinge verloren aus Sparsamkeit der Seminarcasse ihre Freitische und das Cultusministerium, welches die Lehrer und ihre Wittwen darben ließ aus Mangel an Fonds, hatte sofort Geld bereit, um auch äußerlich eine Mauer um das Seminar zu bauen. Auch mußte dieselbe so hoch sein, daß ein ausgewachsener junger Mann ihren Rand nicht mit den Fingerspitzen erreichen konnte. Nach dieser Heldenthat verbot der Herr Director den Besuch des unschuldigen kleinen Städtchens; selbst die Seminaristen, [245] deren Eltern in M. wohnten, durften ihre kindlichen Pflichten nur einmal in der Woche nach eingeholter specieller Erlaubniß ausüben. Der Umgang mit Familien der Stadt war untersagt; sogar die Handwerker und Kaufleute, bei denen wir arbeiten lassen und kaufen mußten, waren genau bestimmt.

Das M.’sche Seminar galt als ein mustergültiges; die Directoren und Lehrer wurden immer sehr schnell zu Schulräthen nach anderen Provinzen beordert, um auch dort das neue dunkle Evangelium zu verkünden. Sogar der frühere Augapfel deutscher Bestrebungen blieb von diesen schwarzen Sendboten nicht verschont: Schleswig-Holstein wurde zu allernächst mit Regulativlehrern bedacht.

Der „Herr Seminardirector“ hatte es verstanden, das Wort des preußischen Regulativs auf seine Weise zur Geltung zu bringen. „Daß sich das ganze Leben im Seminar unter die Zucht des Wortes und Geistes (welches Geistes?) stellt, daß aus der Fülle der Gnadenmittel von Lehrern und Schülern fleißig und treu geschöpft, im Ganzen eine evangelisch-christliche Lebensgemeinschaft dargestellt werden. Wie trefflich wiederholte er uns Sonntags in der Seminarandacht stets, wie verworfen wir wären; wir wanden uns wie ein wehrloses Insect an der Nadel unter seinen Worten, die wir Montags noch dazu selbst wiedergeben mußten.

Unter den Strafen war die Aufnahme eines Protokolls über irgend ein Verbrechen, z. B. den Besuch eines Gasthauses, die beliebteste. War der Seminarist so verstockt, daß er in dem Trinken eines Glases Bier nach einem Spaziergange noch kein Verbrechen finden konnte, und leistete er dem Seminardirector nicht demüthige Abbitte, so erfolgte nie mehr eine restitutio in integrum; der Sünder wurde z. B. mit folgendem Abgangszeugnisse den Stadt- und Landgemeinden empfohlen: „Während seiner Seminarzeit hat er wegen gröblicher Uebertretung der Anstaltsordnungen ein Strafprotokoll unterschreiben müssen. Den Beruf eines christlichen Lehrers nach Gottes Wort und Gebot zu verstehen, wird er sich als Aufgabe für sein ferneres Lehen unverrückbar vorzustellen haben; nur dann, wenn er sich unter die Zucht des heiligen Geistes beugen gelernt und für seinen Beruf an innerer Wärme gewonnen haben wird, kann er hoffen, die Kraft Gottes zur Erziehung der Jugend an sich zu erfahren. Durch sein Verhalten vermochte er nicht, sich das Vertrauen seiner Lehrer zu erwerben.“ Letzteres ließ sich sehr oft dadurch thun, daß man den Angeber abgab; nur durch das Mißtrauen der Seminaristen unter sich war es überhaupt möglich, daß sich achtzig zusammenwohnende junge Leute mit theilweise vorzüglichen Anlagen in dem naturgemäß frischen, kräftigen, strebenden Alter von siebenzehn bis zwanzig Jahren derartig nichtswürdig behandeln ließen. Aufrichtige, hingebende Freundschaft war eine äußerste Seltenheit.

Der „Herr Director“ machte ein erbauliches, sonntägliches Bibellesen zur gesetzlichen Pflicht. Nie ist wohl das Buch, das Juden und Christen das heilige nennen, so entsetzlich profanirt worden wie bei dieser vom Director überwachten Schriftfütterung. Außerdem waren wir gezwungen, wöchentlich einige Missionsschriften, namentlich die Blätter des „Rauhen Hauses“, zu studiren. Sonnabend Abend wurde von einem Seminaristen ein halbstündiger Missionsvortrag nach irgend einer Missionsschrift gehalten.

Die armen Seminaristen waren genöthigt, monatlich einen Missionsbeitrag abzuliefern; dafür erhielt der Herr Seminardirector manchmal ein Lesezeichen, gefertigt von einem langzöpfigen, getauften Chinesenkinde, oder eine Fischgräte, an der ein frommer Eskimo erstickt war. Ganz natürlich, daß einige „fromme Jünglinge“ sich äußerlich vollständig den Maßnahmen des Seminardirectors anzupassen wußten; diese waren die „Frommen im Lande“, die „Starken in Israel“, wie sich der Leiter des christlichen Hauses stets alttestamentarisch ausdrückte. Sie erhielten reichliche Stipendien und oft ungerechter Weise auch die besten Abgangszeugnisse.

Unter den übrigen Seminarlehrern war nur ein einziger, der unsere Achtung und Liebe genoß, wiewohl auch er nichts that und thun konnte, um unsere traurige Lage zu verbessern. Eine Aeußerung, welche sowohl den Seminarlehrer, als auch unsere Schulverhältnisse charakterisirt, mag hier folgen. In der Nähe der Stadt M. hatte ein Lehrer eine äußerst gering dotirte Stellung und mußte durch den Betrieb des Ackerbaues sein Leben fristen. Die Erzeugnisse des Feldes brachte er, wie ein echter Bauer bekleidet, mit einer kurzen Pfeife auf dem mit Kühen bespannten Wagen sitzend, selbst auf den Markt. Dieser Anblick ärgerte den Herrn Seminardirector nicht wenig, indem er den Mann eine Schande für den Lehrerstand nannte, da er auch die Schule über seinem Nebengeschäfte vernachlässige. „Was wollen Sie?“ bemerkte der eben erwähnte Seminarlehrer. „Für sein Gehalt thut der Mann noch viel zu viel für die Schule.“

Der jüngste Lehrer an der Anstalt übte trotz seiner Unfähigkeit einen ungemein großen, ungünstigen Einfluß auf uns aus, so daß wir z. B. stets unwillkürlich nach seinem Fenster blickten, an dem er diejenigen notirte, welche die Freizeit zu einem kleinen Spaziergange benutzt hatten. Diese Verbrecher beehrte er mit dem Namen Bummler und ließ sie in seinen Lehrstunden ihr kühnes Unterfangen reichlich entgelten. Ihm war die Pflege der deutschen Sprache, Literatur und Geschichte anvertraut. Deutsche Literatur in einem Seminar! Ohne jede Reflexion können wir constatiren, daß der bezügliche Regulativsatz stricte befolgt wurde: „Ausgeschlossen muß die sogenannte classische Literatur (sic!) bleiben; dagegen findet Aufnahme, was nach Inhalt und Tendenz kirchliches Leben, christliche Sitte, Patriotismus und sinnige Betrachtung der Natur – zu fördern geeignet ist. Im Allgemeinen wird sie sich (die Auswahl von literarischen Erzeugnissen) überall zweckmäßig innerhalb der Lebensbeschreibungen Luther’s von M…[2] und W…, Melanchthon und Valerius Herberger, Paul Gerhardt und Jacob Spener von W…, Oberlin von Sch…, des evangelischen Jahrbuchs von P…, des Beiblatts zu den fliegenden Blätter des Rauhen Hauses u. s. w. treffen lassen.“ – – Das Seminar besaß auch einige bessere Werke; mit diesen ging es uns jedoch, wie Luther mit der Bibel im Kloster; sie waren an Ketten angeschlossen. Unsere historischen Studien bestanden einzig und allein in frommen Zerrbildern aus der preußischen Geschichte, für die ein von dem betreffenden Seminarlehrer mühsam zusammengestoppeltes Plagiat maßgebend war. Keiner unserer Lehrer hat den Muth gehabt, das Bewußtsein des mit allem Fühlen unseres Herzens verbundenen einigen Deutschlands in uns wach zu halten; und doch sonnen und brüsten sich diese Creaturen jetzt wohlgefällig im Glanze des neuhergestellten Vaterlands. Nicht der finstere, engherzige Geist der Regulative hat unsere Heere beseelt, sondern trotz desselben hat die gesunde deutsche Volkskraft die herrlichen Siege erfochten.

Bei all den vielen Arbeitsstunden von Morgens fünf Uhr bis Abends neun Uhr durfte im Seminar mit zwanzigjährigen jungen Leuten nicht das geleistet werden, was eine gute städtische Schule mit zwolfjährigen Kindern erzielt. So bilden z. B. „das eigentliche Gebiet des Seminarunterrichts die vier Grundrechnungsarten in ganzen, gebrochenen und benannten Zahlen.“ Eine weitere Ausbildung kann ausnahmsweise gestattet werden, „etwa bis zu den Decimalbrüchen“, was bei anderen, „sittlichen Inhalt habenden Disciplinen nicht zulässig ist“, wie äußerst naiv die Regulative bemerken. Unter letzteren versteht man auch Physik, Naturgeschichte und mathematische Geographie, für welche „religiöse Richtung und Haltung nothwendige Bedingung ist“. Denn es giebt böse Menschen, welche die Wissenschaft nicht nach der Bibel verdrehen wollen, wie Copernicus, Laplace, Darwin etc. Selbstständige Weiterbildung war streng untersagt; allwöchentlich stellte der Seminardirector eine Jagd nach solchen Büchern in unsern Schränken an, welche den Regulativen keinen Tribut abgestattet hatten. –

So waren wir drei Jahre eingeschlossen und abgesondert [246] von der Welt, systematisch zur Dummheit und Geistesträgheit angeleitet, den stets unfehlbaren Seminarlehrern gegenüber vollständig meinungslos, willenslos, machtlos, rechtlos und – ehrlos, eine Leiche in ihrer Hand. Wie viel tüchtige Kraft ist bei der Einzwängung in das Prokrustesbett der Seminaranschauungen zu Grunde gegangen; wie Mancher hat vollständig verlernt, Mensch zu sein, da die einzelne Individualität im religiösen Urbrei des Unterrichts und der Erziehung vollständig unterging! Gewöhnlich zeigten sich neben der Abnahme des geistigen Vermögens im jugendlichsten Alter Unterleibskrankheiten, hypochondrische Verstimmungen und widernatürliche Geschlechtsverhältnisse in ihrem Gefolge.

Nie zum Prüfen, sondern nur zum Glauben angeleitet, die Schwungkraft des Geistes gelähmt, haben nur wenige junge Lehrer die Kraft, sich mit den hohen sittlichen Bestrebungen unserer Literatur bekannt zu machen und fortzuschreiten mit der Wissenschaft. Vielmehr sind sie vortrefflich erzogen, der Spielball pietistischer, hierarchischer und reactionärer Bestrebungen zu werden oder im Schlamme der Alltäglichkeit unterzugehen.




Die vorstehende Darstellung wird nicht nach Zeugen ihrer Wahrhaftigkeit erst zu suchen haben; sie werden sich zu Tausenden finden. Und wenn bis heute noch nicht so offenherzig „aus der Schule geplaudert“ worden ist, so fehlte es nicht an den „Thatsachen“, sondern am Muthe dazu, ein Mangel, den wir am wenigsten den armen gedrückten Lehrern zum Vorwurf machen wollen. Dem Verfasser sind wir aber die Erklärung schuldig, daß sein Artikel lange vor der Abdankung des Herrn v. Mühler vom preußischen Cultusministerposten in unseren Händen war und daß nicht irgendwelche Bedenken, sondern der durch den großen Krieg und seine Nachklänge vermochte Mangel an Raum die Veröffentlichung verzögerte. Wir sind diesem Zufall Dank schuldig, denn wir hoffen, daß der Inhalt dieses Artikels jetzt nicht blos zur aufregenden Lectüre dienen, sondern an maßgebender Stelle zu der Ueberzeugung führen möge: daß die Rückkehr zu den glänzendsten preußischen Schulzeiten, – die sich an die Namen eines Dinter, Rochow, Diesterweg knüpfen, so lange eine Unmöglichkeit bleibt, als solche Seminardirectoren, wie der Artikel sie schildert, und vor Allem die Väter der Regulative sammt ihrer Zuchtgenossenschaft noch in ihren Aemtern bleiben. Die Sünden einer zwanzigjährigen Mißleitung der Volksbildung sind nicht mit einem Landtags- oder Herrenhaussieg wieder gut zu machen: man muß einen Anfang wirklicher Umgestaltung sehen, wenn man mit freudigem Vertrauen in die Zukunft blicken soll.




Des Kaisers Tusculum.


Der Geburtstag des Kaisers ist jüngst zum ersten Male allüberall in den deutschen Gauen auf das Festlichste begangen worden und man hat in den verschiedenen Ländern dies- und jenseits des Mains dem Oberhaupte des deutschen Reiches diese Huldigung mit so rückhaltloser Freudigkeit dargebracht, daß man darin nur einen neuen Ausdruck jenes stolzen Gefühls erkennen kann, welches uns bei dem Gedanken überkommt, alle die getrennt gewesenen Theile Deutschlands wieder geeinigt und wieder unter Einem Hute zu sehen. Der Repräsentant der deutschen Einheit ist dem Volke aber der deutsche Kaiser, und darum lenkt es mit Recht seine Aufmerksamkeit immer wieder auf dessen Person, auf die Gewohnheiten, denen er auch im Privatleben huldigt, auf die Menschen, mit denen er sich umgiebt, auf die Orte, an denen er lebt.

Mein heutiger Beitrag hierzu – denn ein solcher ist der vorliegende Artikel – wird deshalb um so willkommener sein, als Schloß Babelsberg, der bekannte Land- und Ruhesitz des Kaisers Wilhelm, meines Wissens noch nie eine eingehende Schilderung in Wort oder Bild erfahren hat.

Gewiß sind schon Viele der Gartenlaubenleser auf der Berlin–Potsdam–Magdeburger Eisenbahn gefahren und diese wissen, daß der Zug, wenn er das Weberdorf Nowawes ober Neudorf passirt hat, nach einer Weile hält, aber nicht vor einem Bahnhofe, sondern vor einem kleinen Hause; es ist eine kleine Cottage, fast ganz aus geschnitztem Holze hergestellt, Gothik und Renaissance durcheinander, sie enthält nur ein Erdgeschoß, zu beiden Seiten desselben dehnen sich Veranden von blühenden Sträuchern umwogt aus. Die Läden an den Fenstern des Hauses sind aufgezogen; durch die aus einer Spiegelscheibe bestehenden Fenster sieht man in das Innere, in zwei Salons, die mit hellem Kattun decorirt sind. „Was ist das hier?“ fragen die meisten Insassen der Waggons. Das ist das Stationshäuschen, welches die Verwaltung der Berlin–Potsdam–Magdeburger Bahn dem Kaiser Wilhelm hat bauen lassen, damit derselbe vom Bahnhof aus den weiten Umweg nicht zu machen braucht, um noch nach Schloß Babelsberg zu gelangen.

„Der Kaiser steigt aus,“ geht es von Mund zu Munde, aus allen Coupés strecken sich Köpfe, um die greise Gestalt mit ehrfurchtsvollen Blicken zu begrüßen; ohne Beihülfe und mit einer fast jugendlichen Beweglichkeit steigt der Kaiser den ziemlich steilen Wagentritt hinab. Die hohe, kräftige, imposante Gestalt ist mit einem leichten Militärpaletot bekleidet, darunter mit einem einfachen Militärüberrock. Mit ihm verläßt noch ein Adjutant den Salonwagen, ein noch junger, sehr kräftig aussehender Mann. Es ist der Prinz Radziwill, ein Verwandter der königlichen Familie von Preußen, seine Großmutter war eine Nichte Friedrich’s des Großen und eine Schwester des bei Saalfeld gebliebenen Prinzen Louis Ferdinand. Aus einem danebenliegenden Coupé steigen noch ein Jäger und ein Lakai. Ersterer trägt eine dicht angefüllte grüne saffianene Vortragsmappe, Letzterer einen schwarzledernen Reisesack; dieser zeigt an, daß der Kaiser auf Babelsberg übernachten will. Auf der anderen Seite des Stationshäuschens sieht man einen offenen Wagen halten mit zwei hochgebauten schwarzen Trakehner Hengsten, die schon eine Weile gewartet haben und nun ungeduldig den Boden stampfen.

Schon nach kurzer Fahrt rollt der Wagen durch das Gitterthor des Babelsberger Parks. Dies ist eine Anlage, die erst in den letzten acht Jahren geschaffen wurde, aus Wiesen und Feldern, die den Einwohnern von Nowawes abgekauft wurden. Die Baumgruppen sind noch jung und haben sich noch nicht in jener üppigen Laubfülle entwickelt, in welcher sich die sanft vor uns ansteigende, von einem hochragenden gothischen Wachtthurme gekrönte Höhe zeigt; es waren, um diese Anpflanzungen zu schaffen, Tausende von ausgegrabenen älteren Bäumen von nah und fern herbeigeschafft und hier gepflanzt worden. Die Pflege derselben erforderte unendliche Sorgfalt und Mühe, viel Abbruch thaten der jungen Schöpfung die Winterfröste, und fast ein Drittheil starb aus, aber nun haben sie in dem nicht allzu fruchtbaren Boden Wurzel gefaßt und versprechen für die Zukunft ein tüchtiges Gedeihen. Mit prüfendem und wohlgefälligem Auge betrachtet der Kaiser die junge Anpflanzung, sie ist sein Werk, wie auch der See dort, über dessen Ränder Weiden und Eschen ihre langen Zweige in die helle, klare Fluth niedertauchen. Mit der vorspringenden Höhe, die von dem gothischen Wartthurm gekrönt wird, beginnt der eigentliche Babelsberg oder auch Babertsberg, wie er früher genannt wurde. Eigentlich existirten neun verschiedene Namenslesarten, bis dann endlich die Benennung „Babelsberg“ officiell festgestellt wurde, vielleicht um die bisherige Sprachverwirrung in Bezug auf den wahren Namen anzudeuten. Früher hatte dort eine Windmühle gestanden; der damalige Prinz von Preußen hatte sie im Jahre 1841 angekauft, mit der Berechtigung „zu mahlen, Brod zu backen und das Gebäck in der Stadt Potsdam zu verkaufen“, Gerechtsame, von denen aber der Besitzer es bisher nicht nöthig hatte Gebrauch zu machen. Im Jahre 1848 war die erwähnte Mühle abgebrannt, und die Brandruinen machten dem jetzigen Thurme Platz, der die kaiserliche Privatbesitzung nach Süden hin flankirt.

Wir begegnen auf diesem von der Natur so begünstigten, von sorgsamer Pflege so liebevoll unterhaltenen Fleckchen Erde zahlreichen Erinnerungen aus dem Leben des Kaisers. So ist dieser vor uns aufsteigende, aus Sandstein erbaute, runde Thurm, dessen Spitze von vier graziösen Eckthürmchen gekrönt wird, eine Copie des Eschenheimer Thurms in Frankfurt am Main und eine Erinnerung an die Zeiten, welche der Kaiser [247] in verschiedenen Perioden seines Lebens dort zugebracht hat. Dieser hat übrigens das Territorium nicht in der Gesammtheit und Ausdehnung überkommen, wie sich jetzt dasselbe vom genannten Wartthurm bis zum Griebnitzsee in der Längenausdehnung einer halben Meile erstreckt, sondern er hat es sich erst nach und nach aus verschiedenen Parcellen zusammengelegt und zu einem Ganzen abgerundet. Ein großer Theil allerdings, namentlich der Forstgrund, wurde ihm von seinem Vater König Friedrich Wilhelm dem Dritten in Erbpacht gegeben, ein Theil auch von seinem Bruder König Friedrich Wilhelm dem Vierten geschenkt, das Uebrige jedoch hat er sich von verschiedenen Privatleuten zusammengekauft, je nach Umständen und auch nach Mitteln, denn bekanntlich sind die preußischen Prinzen nicht reich, ihre Vorfahren hatten von jeher keinen Unterschied zwischen Staat und Dynastie gemacht, das Volksinteresse war auch ihr Familieninteresse, so daß auch die preußischen Könige keine Schätze für ihre Familie aufzuspeichern vermochten.

Friedrich Wilhelm der Dritte hinterließ seinen Kindern, so zu sagen, kein Vermögen; aber er vermachte dem Lande eine Million als erstes Grundstocks-Capital zu einer Eisenbahn, welche den Osten des Landes mit dem Westen verbinden sollte. Die preußischen Prinzen haben außer ihrer Apanage wenig mehr, und die Feststellung derselben datirt noch aus einer Zeit, wo, gegen die Gegenwart, der Werth des Geldes um das Dreifache höher stand. Da galt es also für den damaligen Prinzen von Preußen, sich nach der Decke zu strecken, und das hat er in den Zeiten der Noth in seiner Jugend gelernt; dafür war ihm sein sparsamer Vater ein leuchtendes Beispiel gewesen. Der Kaiser war stets ein vortrefflicher Haushalter mit den ihm zugewiesenen Mitteln gewesen. Auch in dieser Eigenschaft hat der Kaiser mit seinem Vater viele Aehnlichkeit. Ich will hier nur ein kleines Beispiel erzählen.

Mit der Herstellung des Sees, an dem der kaiserliche Herr eben vorübergefahren ist, vergingen mehrere Jahre. Jenes äußerlich langsame und stille, aber innerlich stetige und ruhige Werden und Wachsen, jene reif überdachte Vorbereitung für einen desto sicherern und gedeihlichern Erfolg und das aus diesem Bewußtsein entspringende ruhige, geduldige Zuwarten, das wir in der Persönlichkeit des Kaisers, wie in der Entwickelung des Staates unter seiner Regierung verfolgen können, das zeigt sich so recht deutlich hier auf seinem kleinen Privatbesitz, an den neuen Anlagen, an dem See, den ein anderer Eigenthümer mit den erforderlichen Mitteln vielleicht in drei Monaten hätte herstellen können. Nicht so der Kaiser. Er hatte für diese Anlagen jährlich einen bestimmten Etat ausgesetzt; war dieser überschritten, so blieben die Arbeiten bis zum nächsten Jahre liegen, und wenn der Kaiser dennoch darum angegangen wurde, wenigstens das und das noch vollenden zu lassen, so war seine Antwort: „Nein, ich habe in diesem Jahre kein Geld mehr.“

Der Kaiser hat indessen den ältern Theil des Babelsberger Parkes erreicht, den er schon vor etwa dreißig Jahren zu dem Uebrigen gekauft hat.

Je mehr sich der Weg in die Höhe windet, desto grüner wird der Park, desto dichter der Holzbestand. Es treten bereits einige recht behäbige knorrige alte Eichen an den Weg; sie breiten ihre Schatten über denselben und lassen nur noch einigen Lichtern der abendlichen Sonne ihr neckisches Spiel. Der Weg wird immer laubdunkler, mit dem Landschaftlichen vermischt sich nun schon das Architektonische, es ragen aus den Wipfeln gothische Thürme und Giebel auf, es drängen sich aus dem Laube pavillonartige, im spätgothischen Stile erbaute Gebäude, das Thorhäuschen, das Oekonomiehaus und das Cavaliergebäude. Links vom Wege eröffnen sich wunderbare Fernsichten; es ist, als ob ein Paar starke Arme die knorrigen Aeste der Bäume auseinanderhielten, um den Durchblick auf die tiefblauen Havelseen zu eröffnen, und auf den Schimmer von Rosenroth und Goldesglanz, mit denen die über dem dunkeln Waldhorizont stehende Sonne die ruhigen Wasser beglänzt. Mit der wieder zunehmenden Höhe des Weges werden auch die Baumgruppen immer höher, dichter und imposanter. Wir sind in dem ursprünglichen Forstgrunde mit seinem alten Eichenbestande. Nun zeigen sich auch gothische Thürmchen und Strebpfeiler, mittelalterliche Zinnen und hohe gothische Bogenfenster, zuletzt die Umrisse eines achteckigen, massiven, von Zinnen gekrönten Thurmes.

Der Wagen fährt auf einen freien Platz und hält vor einer niedrigen, mit einem eisernen Gitter verschlossenen Thür, vor dem Eingange zum Schlosse Babelsberg. Dasselbe liegt nun in seiner ganzen Ausdehnung vor unseren überraschten Blicken da. Es ist in dem Stile gebaut, den man den englischen Schloß- oder den Tudorstil nennt. Aber der finstere Name der Tudors hat nichts mit dem vor uns liegenden Gebäude zu thun. Es ist kein regelmäßiges Bauwerk. Man sieht es dem Ganzen an, daß es nicht mit einem Male, daß es nach und nach entstanden ist. Im Anfange war die ganze Schloßanlage auf ein einfaches Landhaus in dem bereits erwähnten Stile berechnet. Schinkel hatte den Plan gemacht und Persius den Bau geleitet. Im Jahre 1835 war derselbe vollendet. Es war derjenige Theil des Schlosses, der sich bei der Anfahrt zuerst gezeigt hatte. Er enthielt nur die nothwendigsten Räume für den Prinzen und seine Gemahlin. Neun Jahre hatten sich die Herrschaften mit diesem bescheidenen Sommersitze begnügt.

Unterdessen war die Schenkung König Friedrich Wilhelm’s des Vierten an Grund und Boden dazu gekommen, da wurden die Fontainen und Bewässerungsanlagen durch eine Dampfmaschine von vierzig Pferdekraft geschaffen, die das Wasser aus der Havel bis zu anderthalb hundert Fuß auf die Höhe des Hügels führte, und nachdem so durch Meister Lenné, diesen genialen Naturdenker, diesen Moltke auf dem Gebiete der Gartenkunst, die landschaftliche Grundlage der ganzen Besitzung festgestellt war, legte der damalige Prinz von Preußen auch die Hand an die Erweiterung des Schlosses. Schinkel, der den ersten Entwurf gemacht hatte, war allerdings schon todt, aber Persius zeichnete und baute in seinem Geiste weiter, und manchmal kam auch Semilasso-Pückler-Muskau und gab architektonische und landschaftliche Impromptus, die beachtet und ausgeführt wurden. Aus dem Landsitz wurde ein Fürstensitz, den Familiengemächern wurden große Repräsentationsräume, Fremdenzimmer etc. angefügt, und so entstanden diese massigen achteckigen und graziösen runden, diese hohen und niederen Thürme, diese vorspringenden und zurücktretenden Façaden, diese reich ornamentirten Pavillons, Erker und Balcons, diese Terrassen und Freitreppen, dieses Gemisch moderner Eleganz und phantasiereicher Romantik, dieser prachtvolle, imposante und dabei anmuthige und graziöse Schloßbau, auf dem die Gluth und der Friede des werdenden Abends liegen, in dessen Fenster die liebe goldene Sonne noch einmal grüßend hineinnickt und das in seinem Eindrucke gerade das Gegentheil von dem ist, was der Name Tudor sonst besagen will.

Der Kaiser ist ausgestiegen und bleibt auf dem Platze einige Minuten stehen; er knöpft sich den militärischen Ueberrock auf und seine Mienen, seine Blicke nehmen einen Ausdruck an, als ob er hier, umweht vom frischen Hauche der Natur, und auf eigener, unbestrittener Scholle stehend, sich frei und erleichtert fühle, als ob es sich hier besser und reiner athmen ließe. Einige Minuten bleibt er im Anschauen des vor ihm ausgebreiteten anmuthigen Landschaftsbildes versunken. Dann wendet er sich wieder dem Eingang des Schlosses zu. An demselben steht der Castellan Theile, um seinen Herrn zu empfangen. Dieser richtet einige freundlich grüßende Worte an den langjährigen Diener und dann die Frage:

„Sind Gäste im Schlosse?“

„Nein, Eure Majestät! Während des Vormittags und Mittags waren zwar viele da – es ist heute der Tag für die Extrazüge – aber nun sind sie alle weg.“

Unter den Gästen verstand der Kaiser Fremde, die sich das Schloß ansehen wollten. Wären solche noch anwesend gewesen, dann wäre er einen anderen Weg gegangen, als den er jetzt kommt, nur um die Besucher nicht zu stören und ihnen die Freude nicht zu verderben. Diese zarte Rücksicht ging sogar schon so weit, daß der Kaiser aus einem Zimmer, in dem er sich zufälliger Weise befand, austrat und so lange sich beiseite hielt, bis die Gäste es besichtigt und wieder verlassen hatten. Auch wenn der Kaiser auf Babelsberg anwesend ist, wird der Park den Besuchern nicht verschlossen, nur die Morgenstunden bis zehn Uhr behält sich der Kaiser ungeschmälert vor. Durch einen niedrigen gewölbten Gang betritt der Besitzer von Babelsberg das Innere des Schlosses, er kommt von demselben in die „Hall“. Wer je das Innere alter englischer Schlösser besucht hat, glaubt sich hier nach Bauart und Einrichtung in eines derselben versetzt; wer je [248] einen Walter Scott’schen Roman gelesen hat, wird sich hier mitten in der Situation befinden. Da ist der große Kamin, und um denselben die Sitze, auf denen sich das Schloßgesinde und die Clangenossen um das Feuer gruppiren und sich Hochlandsgeschichten erzählen, da ist der Stuhl für den House Steward, da sind alte Geräthe aller Art – aber wir können uns nicht aufhalten. Der Kaiser steigt die Treppe in die erste Etage hinan, in derselben liegen die Zimmer der Kaiserin und die an dieselben anstoßenden Repräsentations-Räume, wie der große Gesellschaftssalon, die Bibliothek, der prachtvolle, durch zwei Etagen gehende Tanzsaal, der weiße Eßsaal mit dem gewaltigen gothischen Kamin und der imposanten Deckenwölbung. Der Kaiser steigt noch eine Treppe höher, seine Gemächer liegen in der zweiten Etage. Schon die Treppenwände und Fluren der ersten und zweiten Etage wären einer eingehenden Besichtigung werth. Sie enthalten eine Sammlung der verschiedenartigsten Gegenstände, namentlich alte schöne Holzschnitzereien, Bilder, Waffentrophäen, Jagdstücke etc. – In den Räumen dieses seines Sanssouci läßt der Kaiser ungern fremde Hände walten, von all’ den Möbelgeräthen, Bildern, Nippes- und sonstigen tausend Gegenständen, die hier im Schlosse aufgestapelt sind, existirt nicht das kleinste Stück, für das er nicht den Ort angegeben hätte, wo es Platz finden sollte, und viele Sachen, namentlich die Bilder, hat er mit eigener Hand angebracht. Originell ist das Arrangement einer kleinen Galerie, die an die Vorhalle der zweiten Etage stößt; dieselbe enthält in einer reichen und mannigfaltigen Sammlung von Jagdgeweihen, von dem imposanten Stirnschmuck des Elchs, des Schauflers, des Sechszehnenders an bis herab zu dem Gehörn des schwachen Rehbocks, eine interessante und vollständige Geschichte der Jagdfahrten des Kaisers im eigenen wie in fremdem Lande. Der Kaiser ist kein Nimrod, die Hohenzollern sind überhaupt keine Jagdfamilie, wie es theilweise die Bourbonen und die Habsburger waren. Aber wenn die Blätter fallen und die dichten Herbstnebel kommen, dann zieht es ihn doch hinaus in den Wald, dann beginnt er, umgeben von einer auserwählten Waidmannsschaar, seine Jagdreisen in die Mark, nach den großen Forsten in Sachsen und Hannover, um in freier Bewegung und frischer Natur sich von den Anstrengungen seiner Tage zu erholen und wie jeder andere gute Hausvater sich seinen Braten selbst zu schießen.

Front-Ansicht des Schlosses Babelsberg.

Der vorangehende Castellan hat eine niedrige eichengeschnitzte Thür geöffnet, der Kaiser steigt einige teppichbelegte Stufen empor, er ist in seinem Arbeitszimmer. (Siehe Abbildung.) Dasselbe nimmt das oberste Geschoß eines achteckigen Thurmes ein und ist in räumlichen Proportionen gehalten, die einem derartigen Gemache das Gepräge traulicher Behaglichkeit verleihen. Die Decke bildet ein sogenanntes Sterngewölbe, die Wände sind blau und dieses Kornblumenblau, die Lieblingsfarbe des Kaisers, wiederholt sich überall, namentlich in Stühlen, Kissen, Teppichen, die von zarten Händen gearbeitet und dem Kaiser verehrt worden sind. Den Boden bedeckt ein bunter Velours-Teppich, von dem sich die weißen, gothisch geschnitzten Ahornmöbel mit den naturfarbenen Lederbezügen effectvoll abheben. Die beiden Chaiselongues des Zimmers sind aber nicht zum Ausruhen da, sie sind zum Niederlegen für Karten, Bilder, Bücher, Musikalien bestimmt, die an den Kaiser gelangen.

Für den haushälterischen Sinn desselben liefert ein kleiner Schreibschrank, der am südlichen Fenster steht, einen neuen Beleg. Da hängen um eine Säule eine Menge Bindfaden, an denen man noch die Spuren von Siegellack entdecken kann; das sind dieselben, die der Kaiser von an ihn gelangenden Packetsendungen abnimmt und zu ähnlichem Zwecke wieder verwendet. Er kann nicht sehen, wenn etwas, und wäre es auch das Geringste, das noch einem Zwecke dienen kann, unnütz weggeworfen wird. Ebenso ist es auch mit den großen Couverts, in denen die Einläufe aus dem Ministerium an ihn gelangen und die gewöhnlich die Unterschrift tragen: An des Kaisers Majestät; wenn dieselben Sachen an die betreffenden Ressorts zurückgehen, dann ist das „An“ von des Kaisers Hand ausgestrichen und an dessen Stelle „Von“ hingeschrieben und darunter die Adresse der betreffenden obersten Behörde, so daß es also heißt: Von des Kaisers Majestät an das Ministerium so und so; ebenso ist auf das erbrochene Siegel ein neues mit der Krone gedrückt.

Das Kronprinzenhaus in Babelsberg.

Ueberall in dem Zimmer sieht man auf Eigenthümlichkeiten und Details, in denen sich der Charakter des Kaisers widerspiegelt. So geht oberhalb der einen Chaiselongue aus der Wand ein eiserner Knopf, es ist ein Klingelzug; an demselben hängt ein Fähnchen von weißem Atlas, das etwa eine drittel Hand groß ist; mit Golddruck stehen auf demselben ungefähr die Worte: „Ein treuer Unterthan seinem geliebten Könige den 3. Juli 1867.“ Das genannte Datum ist der erste Jahrestag der Schlacht von Königsgrätz, und das Fähnchen hat seine kleine Geschichte. Eine wohlhabende Frau aus Schlesien wollte dem Könige in Erinnerung an die Siegesglorie jenes Tages eine Aufmerksamkeit, eine Liebe

[249]

Arbeitszimmer des Kaisers in Babelsberg.
Aus der Sammlung Babelsberger Aquarellen von Graeb (Ernst und Korn in Berlin) mit Erlaubniß der Verlagshandlung.

[250] erweisen. Sie kam mit einem großen, schönen Baumkuchen, der die Form eines Bienenkorbes hatte, und obenauf stak das Fähnchen. Glücklich war sie aus Schlesien auf dem Babelsberg angekommen, aber beim Aussteigen aus der Droschke strauchelte sie, und der Bienenkorb lag in Stücken. Die Frau war trostlos, und weinend sah sie auf die Ruinen ihres Kuchens. Durch den Flügel-Adjutanten erhielt der König Kunde von dem kleinen Unglücksfall, er ließ die Frau kommen, tröstete sie und nahm von dem Tribut des Herzens, der ihm dargebracht worden war, das Fähnchen an sich, das nun hier in seinem Arbeitszimmer aufbewahrt ist.

Wie erfreut, wie dankbar und wie würdigend der Kaiser für den kleinsten Beweis von Theilnahme und Erinnerung ist, das beweisen so viele Gegenstände, die hier in diesem Zimmer eine Stelle gefunden haben, damit sein Herz sich inmitten so mancher Enttäuschungen immer daran erfreuen kann. Jenes kostbare Geschenk eines Kaufmanns aus Breslau, das auf dem runden Vortragstische steht, eine Uhr aus Ebenholz und Silber in Gestalt eines römischen Triumphbogens, steht ihm nicht höher als eine weiße, fast schon vergilbte Atlasschleife, die in der Ecke einer der Chaiselongues liegt und an der man noch Spuren von silbernem Laubwerk sehen kann. Sie war an einen Kranz geheftet, der ihm am 11. Juni 1854, an seinem silbernen Hochzeitstage, geschenkt wurde. Seitdem liegt sie zur Erinnerung hier, an einer recht merkwürdigen Stelle, auf einem großen Paket von zusammengebundenen Drucksachen. Dieselben sind nun auch schon vergilbt; sie sind zweiundzwanzig Jahre alt, ein recht hohes Alter für Druckpapier. Sie enthalten eine vollständige Sammlung aller Carricaturen, welche im Jahre 1848 und 1849 auf den jetzigen Kaiser als Prinzen von Preußen erschienen sind. Aber damit gleichsam keine Bitterkeit über jene Vorgänge in seinem Herzen nachwirke, sind sie mit Gaben der Liebe, mit Arbeiten seiner beiden Kinder aus den Jugendtagen zugedeckt, mit einer Häkelarbeit seiner Tochter Louise, der jetzigen Großherzogin von Baden, und mit den ersten Versuchen der Malerkunst seines „Fritz“, des jetzigen Kronprinzen des Deutschen Reiches.


(Schluß folgt.)




Erinnerungen an Bogumil Dawison.


Von Rudolf Gottschall.


Der erschütternde tragische Ausgang eines an Verheißungen so reichen Künstlerlebens muß Alle, welche sich an den genialen Kunstleistungen eines Dawison erfreut haben, zu tiefer Wehmuth stimmen! Wie ganz anders dachte man sich das Lebensende dieses unermüdlich strebenden Darstellers! Von Triumphen zu Triumphen emporgetragen, am späten Lebensabend von der Bühne scheidend, mit Kränzen und Huldigungen überschüttet, wie sein glücklicher Dresdner Kunstgenosse Emil Devrient – so stand er vor uns in dem Zukunftsbild, das unsere Phantasie sich entwarf. Und jetzt mußten wir ihn dahinsiechen sehen in geistiger Lähmung; dies unverwüstliche nie versagende Gedächtniß, welches den Künstler bei Proben und Aufführungen in den Stand setzte, auf die Hülfe des Souffleurs zu verzichten, ließ ihn jetzt in der Mitte der Sätze grausam im Stich; immer noch träumte er von der Rückkehr zur Bühne, von neuen Erfolgen auf derselben, und diese Träume, die einzige Freude des so hoffnungslos Erkrankten, wurden von den Angehörigen genährt, ja man veranlaßte Zeitungsnotizen, in denen sein baldiges Wiederaufleben angekündigt wurde, und brachte ihm dieselben, und mitten in seiner Hülflosigkeit sah er sich als wiedererstandenen Triumphator der Bühne, begrüßt vom Jubel des Publicums und legte sich die Costüme für seine Rollen zurecht!

Schmerzlich ist es stets, wenn ein tüchtiges Streben durch körperliche Lähmungen unterbrochen wird; am schmerzlichsten, wenn ein genialer Feuerkopf mit allen hinausstrebenden Regungen des Wollens zur Unthätigkeit verurtheilt wird und in lichten Momenten das traurige Schauspiel seiner gebrochenen Kraft selbst mitansehen muß.

Und ein Feuerkopf war der jugendliche Dawison, voll vibrirender Unruhe, aber auch voll unermüdlicher Ausdauer.

Ich hörte seinen Namen zuerst in der Alsterstadt im Jahre 1848, als er bei dem Herbergsvater so vieler junger Talente, bei dem Director des Thaliatheaters, Maurice, ein Engagement gefunden hatte. Hamburg schwärmte alsbald für den genialen Polen; gleichwohl lebte ein Schauspieler von nicht geringerer Genialität in seiner Mitte, Jean Baptiste Baison,[BER. 1] damals Director des Stadttheaters. Immer war es Dawison’s Loos, gegen anerkannte, große Rivalen ankämpfen zu müssen, ein Wetteifer, der viel Anspornendes, aber auch viel Verbitterndes hat.

Wie rasch hervorragende Darsteller der Vergessenheit verfallen, das sehen wir an dem hochbegabten Baison,[BER. 1] der allerdings nicht Muße gefunden hatte als sein eigener Propagandist in zahlreichen Gastspielen aufzutreten, der aber einer der bedeutendsten Künstler war, welche die deutsche Schaubühne aufzuweisen hat. Er war ein scharfer Kopf, auch von dichterischer Erfindungskraft, in hohem Grade anregend für die Schriftsteller, die mit ihm in nähere Beziehung traten. Scharfgeschnittene Züge, ein feuriges Auge, eine schlanke Gestalt machten seine Bühnenerscheinung interessant; seine Kunst stand ungefähr in der Mitte zwischen derjenigen Emil Devrient’s und Dawison’s; er besaß mehr Schärfe als der Erstere, mehr Idealität als der Letztere. Wer seinen Posa gesehen – dem wird namentlich die große Scene mit der Eboli unvergeßlich bleiben. Mit so hinreißendem, elektrisirendem Feuer ist sie wohl nie auf deutschen Bühnen gespielt worden. Es war tragische Gewalt, Sturm der Leidenschaft in diesem Spiel, – und doch war Baison[BER. 1] von jeder Coulissenreiterei sehr weit entfernt. So spielte er zum Beispiel den Tell als schlichten schweizer Bauer, mit höchster Einfachheit, und bewährte hierin eine charakteristische Meisterschaft, welche mit seiner freisinnigen Auffassung der Dichtwerke zusammenhing.

Doch Baison[BER. 1] war nervös, wie alle Künstler, und es war ein Unglück für ihn, daß er sich hatte bewegen lassen, die Direction des Hamburger Stadttheaters zu übernehmen. Ein Director muß starke Nerven haben, und wenn auch damals noch eine Blüthezeit des Stadttheaters war, welches später in Verfall gerieth und sich gegenwärtig die Künstler von Hannover borgen muß, um eine Schauspielvorstellung zu ermöglichen, so machte doch die Concurrenz des Thaliatheaters viel Sorge, und die Existenzbedingungen einer großen Bühne waren schon damals schwierig genug. Die verschiedensten Aufregungen warfen Baison[BER. 1] auf das Krankenlager, gerade als er ein patriotisches Stück aus der Hamburger Geschichte, zu welchem er nur den Stoff und den Plan gegeben hatte, für die Aufführung vorbereitete. In seinen Fieberphantasien declamirte er die Verse der Titelrolle. Noch einmal erholte er sich, doch ein Rückfall in die Krankheit hatte seinen Tod zur Folge.

Damals sah ich Dawison zum ersten Male. Baison[BER. 1] hatte öfter von ihm gesprochen; dem bewährten Künstler war der Ruhm des jungen Polen unbequem. Er erkannte das Talent desselben an; doch er fand es unfertig und nach vielen Seiten hin beschränkt durch Naturell und Nationalität. Das Hamburger Stück, Hieronymus Suitger, war nach Baison’s[BER. 1] Tod am Stadttheater mit glänzender Ausstattung und vielem Erfolg in Scene gegangen. Am nächsten Tag kam Dawison zu mir; er hatte in meiner Marseillaise die Rolle des Rouget de Lisle am Thaliatheater zu spielen übernommen. „Sie haben am Stadttheater einen großen Erfolg gehabt,“ sagte er zu mir, „ich verspreche Ihnen einen gleichen an unserer Bühne.“

Der Künstler hatte etwas Resolutes, Siegesgewisses in seinem ganzen Wesen, ganz verschieden von Baison,[BER. 1] der einen skeptischen Zug nicht verleugnen konnte und deshalb auch mit Meisterschaft die Hauptrollen in den Gutzkow’schen Stücken spielte. Die Züge Dawison’s hatten einen scharfen Schnitt, wie diejenigen von Baison;[BER. 1] beide Darsteller waren jüdischer Herkunft; aber bei Dawison war auch das slavische Gepräge der Physiognomie unverkennbar. Seine Nase wurde durch einen tiefen Einschnitt an der Wurzel von der Stirn getrennt; sie war stark hervordringend, aber eher breit und stumpf, als gebogen und spitz; das Kinn [251] kräftig, die Stirn bedeutend; um den Mund schwebte ein sarkastisches Lächeln; die Augen funkelten mit intensivem Glanz; aber sie waren klein und er war sich dieses Mangels wohl bewußt. Die Gestalt war stattlich, aber nicht elegant. Ein Mann von Thatkraft und Energie des Verstandes und des Willens, das war der erste Eindruck, welchen Dawison’s Persönlichkeit machte, während Baison[BER. 1] mehr das Träumerische deutschidealer Künstlernaturen hatte.

Bald nachher hatte der Director des Thaliatheaters, Maurice, mit dem Tenoristen Wurda zusammen auch das Stadttheater übernommen. Es begann nun jene Droschkenjagd um das Alsterbassin über die Jungfernstiege, um die Künstler rechtzeitig aus einem Theater in das andere zu schaffen, wenn sie hier und dort an einem Abende aufzutreten hatten. Und dies begab sich öfter, als den beiden unter einem Haupte vereinigten Musen Melpomene und Thalia angenehm sein konnte.

Es giebt mehr Dinge zwischen dem Schweinemarkt und dem Stintfang, als unsere Schulweisheit sich träumen läßt. Zu diesen merkwürdigen Dingen gehört jedenfalls das Verhalten der Hamburger Bürgerschaft ihrem Stadttheater gegenüber, an welches sich doch große Erinnerungen und die Namen eines Schröder und Lessing knüpfen! Man gab damals die Vereinigung der Bühnen zu, wie man jetzt das Stadttheater so wenig unterstützt, daß es keine Schauspiele, keine classischen Stücke zu geben vermag und Hamburg die einzige deutsche Stadt ist, welche ohne den Luxus der theatralischen Classicität existirt, so daß hierin die kleinsten deutschen Nester einen Vorsprung vor ihr haben. Doch wenn man auch die Vereinigung der beiden Bühnen zugegeben hatte – man wollte nicht die Schauspieler des Thaliatheaters in classischen Stücken auf dem Stadttheater sehen, und es machte sich eine lebhafte Opposition gegen dieselben geltend.

Auch Dawison sollte dies empfinden, als er zum ersten Male die classischen Bretter des Stadttheaters betrat! Und in welcher Rolle! Es wird der Phantasie seiner Bewunderer schwer werden, den Darsteller des Franz Moor und Richard sich als „Carlos“ zu denken, und zwar nicht als Carlos im „Clavigo“, eine Rolle, die er bekanntlich vortrefflich spielte, sondern als jenen Schiller’schen Knaben Karl, welcher nicht nur dem Tyrannen des Escurial fürchterlich zu werden anfing, sondern auch den Habitués des Hamburger Stadttheaters. Feuer hatte dieser Knabe Karl, und Dawison spielte einzelne Scenen in einer Weise, wie sie wohl niemals weder vorher noch nachher gespielt worden sind, mit origineller geistreicher Auffassung und hinreißender Gewalt. Doch sein Organ hatte noch einige slavische Eigenthümlichkeiten, welche der idealen Reinheit des Schiller’schen Stils einen schnarrenden Beisatz gaben, und für die Liebhaberscenen fehlte ihm denn doch deutsche Schwärmerei, innige Empfindung und die Grazie der Bewegung. So wurde der Erfolg durch eine merkwürdige Mischung von Applaus und Zischlauten bezeichnet, welche dem in der Thaliabühne verwöhnten Künstler befremdlich in’s Ohr klang.

In diese Zeit fällt ein sehr heiteres Erlebniß, welches den damaligen jugendlichen Uebermuth Dawison’s ganz in’s Licht zu setzen geeignet ist.

Am Hamburger Stadttheater befand sich einer jener Schauspieler, die man eine „Utilität“ zu nennen pflegt, weil sie in allen Fächern aushelfen. Er war ein gemüthlicher Oesterreicher und hörte auf den Namen Papa W. Er war nicht nur in allen bürgerlichen Stücken unentbehrlich, sondern auch im Stande, gelegentlich einen Julius Cäsar darzustellen und sich auf dem Capitol mit Anstand verwenden zu lassen. Leider entsprach seine Gage wenig seinen Kunstleistungen und ebenso wenig seinen Ansprüchen an das Leben, die ganz auf den Hamburger Horizont visirt waren und namentlich eine tüchtige materielle Grundlage für die irdische Existenz verlangten. Die aus diesem Mißverhältniß erwachsenden Conflicte fanden indeß in Hamburg eine nicht allzu unbequeme Lösung. Man erklärte sich für bankerott; man wurde an der Börse ausgeläutet; selbst ein Künstler konnte in solcher Weise die Vortheile des kaufmännischen Standes mitgenießen. Dann befand man sich in derselben glücklichen Lage, als ob man aus dem Tetzel’schen Ablaßkasten sich Generalpardon für alle Sünden gelöst hätte. Am Abend nach einer solchen Katastrophe erschien denn Papa W. wieder in seiner Weinstube auf dem Gänsemarkt. Mit einer gewissen Schüchternheit nahm er die Speisekarte zur Hand; doch die Nothwendigkeit, daß der Mensch auch nach den traurigsten Vorgängen existiren, essen und trinken müsse, konnte ja auch für den Kellner und den Wirth kein Geheimniß sein. Mit wachsender Zuversicht begann also der Künstler ein neues Leben und verlangte mit einem möglichst unerschrockenen und treuherzigen Ton das erste Beefsteak, das auf die neue Rechnung gesetzt wurde und das ihm dann so gut schmeckte wie alle die anderen, deren in der Gestalt von Hamburger Marks und Schillings überlebende Geister durch die Börsenglocke kurz vorher zu Grabe geläutet waren.

Doch Papa W. hatte auch noch eine sehr achtungsvolle Seite: er war Vater, guter zärtlicher Vater. Seine Tochter hatte sich ebenfalls der Kunst gewidmet und war die erste Liebhaberin der Lübecker Bühne. Es war rührend, mit welcher Liebe der Künstler an seiner Tochter hing; für seine „Thete“ war ihm kein Opfer zu schwer. Nun sollte Thete’s Benefiz sein und der Vater wandte alle Kunst seiner Beredsamkeit auf, die hervorragenden Künstler der Hamburger Bühnen zur Mitwirkung an diesem Benefizabend zu bewegen. Es gelang ihm auch, die geistreiche Liebhaberin des Stadttheaters, Fräulein Wilhelmi, und Bogumil Dawison dafür zu gewinnen, und ich schloß mich der Fahrt an, um die Stadt Wullenweber’s, das einstige Haupt der deutschen Hansa, kennen zu lernen.

Damals schleppte sich noch die Postschnecke langsam durch die gesegneten Fluren Holsteins nach dem hochgiebeligen Lübeck; man hatte an jeder Station Muße, den Staub des Weges abzuschütteln und die Kirchen und Marktplätze der kleinen Städte in Augenschein zu nehmen. Wir waren indeß noch nicht weit über Wandsbeck hinaus, als Dawison dem Vater der Benefiziantin einen nicht gelinden Schreck einjagte, indem er plötzlich über Unwohlsein zu klagen anfing. Da die Benefizvorstellung der Tochter durch diesen unglücklichen Zwischenfall bedroht schien, so kann man sich die Besorgniß des Vaters denken. Nicht der gewissenhafteste Arzt fragt seine Patienten über ihr Befinden so peinlich aus, wie Papa W. den Künstler über den Sitz seines Uebels examinirte. Dawison spielte seine Rolle vortrefflich; seine Krankheit nahm von Station zu Station zu; die Brille, die er abgenommen hatte, zitterte in seinen Händen; die Krampfanfälle wurden bedenklicher. Papa W. sprang in jedem Städtchen aus der Postchaise, eilte zur Apotheke und kam mit riesigen Medicinflaschen zurück, mit allen Heilmitteln, die wir nach unserer Kenntniß der populären Medicin für nöthig erklären. Doch leider war keine Besserung fühlbar, die Thürme der Travestadt tauchten schon am Horizont auf; der Angstschweiß stand dem Vater der Benefiziantin auf der Stirn; er brachte ihn mit, den Löwen des Tages, den Cassenmagnet, der das etwas spröde hanseatische Publicum zum Vortheil seiner „Thete“ in das Theater locken sollte; aber in welchem Zustande! So nahe dem Hafen drohte das Schiff zu scheitern! Wenn Bogumil Dawison nicht mit auftrat, dann wurden alle die schönen Hoffnungen auf ein glänzendes Benefiz zu Schanden. Hops, Anne Marthe – da lag der Topf! Schon rasselte die Postchaise über das Straßenpflaster, wir Alle halfen Dawison aus dem Wagen und brachten ihn in sein Zimmer. Trübselig war der Empfang bei der Familie W.; der Himmel, der so voller Geigen gehangen hatte, umflorte sich in bedenklicher Weise.

Der kranke Künstler ließ sich indeß bestimmen, zu Tisch zu kommen. Alles hing fragend an seinen Mienen. Bei dem zweiten Teller Suppe, den er verlangte, flog über das Gesicht von Papa W. ein heller Sonnenschein. Dawison nahm einmal Braten, er nahm zwei Mal, er nahm das dritte Mal davon – dem glücklichen Vater standen die Freudenthränen im Gesicht. Der gastirende Künstler war genesen, das Benefiz gerettet! Die Genesung machte unglaublich rasche Fortschritte; Dawison trank ein Glas Wein nach dem andern und entwickelte einen Humor, der das dankbarste Publicum fand. Freilich konnte das Geständniß der kleinen Komödie im Postwagen nicht ausbleiben, dieses dramatischen Intermezzos, welches für alle Eingeweihten so ergötzlich gewesen war. Der Vater war im Rausch der Freude gern bereit, den Scherz zu vergeben. Nur „Thete“ trug es dem Künstler nach, daß er ihrem Vater zum Besten gehabt hatte – und das rechne ich ihr heute noch zur Ehre an.

Der Benefizabend zeigte ein ausverkauftes Haus mit geräumtem Orchester – und der Don Carlos Dawison’s sowie die [252] dämonische Eboli des Fräulein Wilhelmi rissen das Lübecker Publicum zu begeisterten Beifallsäußerungen hin.

Von Hamburg wurde Dawison an das Wiener Burgtheater berufen; doch sollte ihm die Alsterstadt noch einmal verhängnißvoll werden. Bei einem späteren Gastspiel am Stadttheater gerieth er in Conflict mit dem Kritiker der „Hamburger Nachrichten“, Robert Heller, welcher die Leistungen des Künstlers einer sehr scharfen Kritik unterworfen hatte. Der Künstler ließ sich zu einer scharfen Entgegnung verleiten; die Folge davon war eine Forderung auf Pistolen, welche Heller an Dawison richtete. Auch Robert Heller gehört nicht mehr zu den Lebenden; es wird uns schwer, das Bild des jovialen Lebemannes mit jener geladenen Pistole in Einklang zu bringen, mit welcher er als radicaler Kritiker dem Künstler auf Schritt und Tritt bis nach Schwerin folgte, um ihn „todt zu machen“ und zwar nicht blos in der übertragenen Bedeutung des Wortes, nicht blos mit Druckerschwärze und Zeitungsblättern, nicht mit Hülfe der Erfindung Gutenberg’s, sondern mit derjenigen eines Berthold Schwarz. Robert Heller, heimisch in allen Austerkellern Hamburgs und bei jedem Mittagessen das geistige Gewürz bietend, hatte ein Erzählungstalent, das wie moussirender Champagner war, und wenn er eben so gut geschrieben hätte, wie er sprach, wäre er einer unserer ersten Schriftsteller gewesen. Doch auf dem weiten Wege vom Gehirn zu den Fingerspitzen ging ihm zu viel geistiges Fluidum verloren. Auch war seine Stimmung inspirirter, wenn er das Glas, als wenn er die Feder in der Hand hatte. Bei der Erinnerung an die unerschöpflich sprudelnden Tafelgespräche Heller’s und seine unverwüstliche Bonhomie wird es uns schwer, uns den Kritiker als einen Rachedämon zu denken, welcher dem in Schlangenwindungen ihm entfliehenden Künstler auf dem Fuße folgt. Dawison hatte indeß keine Lust sich zu schlagen, und so kam die deutsche Theatergeschichte, welche an harmlosen Knalleffecten reich ist, um eine blutigere Episode. Heller legte sein Pistol wieder in den Kasten und widmete sich von neuem seiner Mission, die lucullischen Mahlzeiten der Hamburger mit etwas attischem Salz zu versehen.

Ich selbst sah Dawison später noch mehrmals in Dresden, Breslau und Leipzig. In Dresden befand er sich auf der Höhe seines Ruhmes, und nur ein Schatten trübte denselben, der Schatten des idealen Frauenlieblings Emil Devrient, eines Künstlers, dessen Vorzüge für Dawison unerreichbar blieben. Hier in Dresden spielte der Künstler den Fox in meinem Lustspiel „Pitt und Fox“ mit sarkastischer Schärfe in eigenartiger Darstellung, später den „Mazeppa“ in meinem gleichnamigen Trauerspiele. Als ich ihn vor der Aufführung des Stückes besuchte, fand ich ihn in einer eleganten Villa mit freundlicher Gartenumgebung; er zeigte mir mit Stolz die geschmackvolle Einrichtung seines selbsterworbenen Besitzthums. Glänzende Erfolge bei Publicum und Kritik namentlich in Berlin hatten seine Ansprüche an das Leben gesteigert; aber sein rastloser Ehrgeiz gönnte ihm kein ruhiges Behagen. Auch war seine Gesundheit schon damals erschüttert. Bei einem Gastspiel in Breslau war er schwer und lebensgefährlich erkrankt. Noch schwebt mir das Bild des Halbgenesenen vor, den ich in die Schattengänge und unter die Blumen der seinem Hotel benachbarten prächtigen Villa Eichborn einführte. Damals war seine Gattin, jene frühere polnische Schauspielerin, die er erst heimführen konnte, nachdem er sich mühsam strebend eine sichere Stellung erworben hatte, von Dresden herübergekommen, um ihn zu pflegen, doch sie trug selbst den Keim des Todes in sich und erlag nicht lange darauf einem Herzleiden. Das letzte Band, das den Künstler an seine polnische Heimath fesselte, war durch diesen Tod zerrissen.

Zum letzten Male sah ich Dawison im Leipziger Rosenthale; er gastirte am Stadttheater, er hatte zu seinem Unglück sein festes Engagement in Dresden gelöst und war einem rastlosen Umherreisen und Gastiren verfallen; die vornehme Sicherheit der Existenz war ihm verloren gegangen. Noch sehe ich neben ihm seine zweite deutsche Gattin und das treue Hündchen, das vorauslaufend in den Gängen des Rosenthales stets die Nähe des gefeierten Künstlers ankündigte. Wie bald sollte diese heitere Familienidylle zertrümmert werden! Noch ist es mir lebhaft in der Erinnerung, wie mir Dawison unter einem schattigen Baume des Bonorand’schen Kaffeegartens zuerst den Plan seiner amerikanischen Reise mittheilte; finanzielle Verluste beschleunigten, wie er mir später schrieb, seinen Entschluß.

Jenseits des Oceans hat er seine letzten glänzenden Erfolge davon getragen. Bald nach seiner Rückkehr stellte sich das unheilbare Leiden ein, das ihn im kräftigsten Mannesalter dahinraffte. Deutschland verlor in ihm einen genialen Künstler von einer markig durchgreifenden Energie und Schärfe der Darstellung, von charakteristischer Originalität in der Tragödie wie im dramatischen Genrebild, unersetzlich in seiner Eigenart, von welcher sich die Nachgeborenen aus keiner Schilderung ein vollentsprechendes Bild werden entwerfen können.




Blätter und Blüthen.


Auch eine Beute vom Schlachtfeld. Unser Mitarbeiter in Paris, Herr Ludwig Kalisch, schickt uns das nachfolgende Gedicht ein, welches ein französischer Officier einem bei Bolbec in der Normandie gefallenen preußischen Dragonerofficier auf dem Schlachtfeld abgenommen hat und das nun in Pariser Kreisen handschriftlich circulirte. Der Name des preußischen Officiers thut nichts zur Sache. Das Gedicht aber glauben wir in seiner Schlichtheit und Einfachheit unverändert hier wiedergeben zu sollen; es wird so sicher den Weg zu der uns unbekannten Verfasserin wieder finden, die gewiß noch im Stillen den Tod des geliebten Mannes beweint. Das Gedicht lautet:

Es liegt wohl eine weite Welt
Jetzt zwischen dir und mir;
Doch drüber ist Ein Himmelszelt,
Ein Gott wacht dort und hier.

Der hat dich bis zu dieser Stund’
Behütet und bewacht,
Und Dank aus tiefstem Herzensgrund
Hab’ ich ihm dargebracht.

Oft hab’ ich spät, bei dunkler Nacht,
Zum Himmel aufgeblickt;
Gern hätt’ ich, wenn ich dein gedacht,
Dir trauten Gruß geschickt.

Wie oft drück’ ich dein liebes Bild
So fest, so fest an’s Herz!
Und fleh’ zu Gott, er sei dein Schild
Stets in Gefahr und Schmerz!

Und fleh’ zu ihm, er sende dir
Ein’ Engel, der dich schirmt;
Der schütze dich auch für und für,
Wenn dich der Feind bestürmt.

Und kehrtest du mir dann zurück
Nach langer Trennungszeit,
Wie groß, wie selig wär’ mein Glück!
Vergessen alles Leid!

Vergessen wär’ der Sehnsucht Schmerz –
Nur höchsten Glücks bewußt,
Ruht’ ich an dir, du bestes Herz,
Ruht’ ich an deiner Brust.

Die Hoffnung, die macht frohen Muth,
Lehrt mich geduldig sein;
Mein Maxel bleibt mein höchstes Gut,
Er bleibt auf ewig mein!

Das ist’s auch, was im Herzen tief
So tröstlich zu mir spricht –
Dir gern ich’s in die Ferne rief’:
Mein Max, Vergiß mein nicht!




Für Fabrikanten und Industrielle. Das Adreßbuch für Fabrikanten und Industrielle, dessen Aufnahme die Gartenlaube vor einiger Zeit befürwortete, ist im Werden begriffen. Viele Adressen sind schon an die Firma E. Leuchs u. Comp. in Nürnberg eingesandt, aber die Betheiligung muß lebhafter geschehen, wenn es rasch gefördert werden soll, und das ist doch hierbei mit eine Hauptsache, Allerdings sind die meisten Fabriken jetzt mit aufgegebenen Arbeiten überhäuft, und die Herren Fabrikanten fühlen im Augenblick das Bedürfniß eines solchen Wegweisers für Käufer nicht so dringend, aber die Zeiten können sich auch ändern und nur eine kleine Mühe ist es doch, wo sich Andere so großer unterziehen, daß die Herren weiter Nichts thun, als eben ihre Adressen einsenden.

Fr. Grstr.




Lorenz Clasen’s „Die Wacht am Rhein“ ist vor Kurzem in Oelfarbendruck bei J. G. Fritzsche in Leipzig erschienen. Einer besonderen Empfehlung bedarf dieses als Lithographie und Photographie in den weitesten Kreisen verbreitete Bild nicht mehr und es sei nur erwähnt, daß der Oelfarbendruck als ein wohl gelungener bezeichnet zu werden verdient. Der Preis von 4½ Thlr. ist für das 57 Cent. hohe und 46 Cent. breite Bild ein billiger.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Wie widerlich die Frömmigkeit ist, die einem großen Theile des deutschen Volkes aufgedrungen werden sollte, mag ein kleines Geschichtchen aus dem „Münsterberger Lesebuche“, das mit allen der Regierung Mühler’s zustehenden Mitteln eingeführt wurde, beweisen: „Das Fieber, ein lieber Hausgast. Ein frommer Vater der alten Kirche, der alljährlich vom Fieber geplagt ward, nannte dieses Fieber seinen lieben Hausgast, der ihn jährlich an die Liebe Gottes erinnere. Und als es einst ausblieb, trauerte er darüber, daß sein lieber Hausgast ausgeblieben sei. Er fürchtete, Gott habe ihn nicht mehr so lieb, weil er ihm dies Jahr keinen Boten gesandt habe, ihn zu sich zu ziehen.“ Dieses Jugendbuch enthält zum großen Theil Geifereien aus den Blättern des „Rauhen Hauses“ von Dr. Wichern, schmutzige Redensarten u. dergl. Gott sei Dank lebt im deutschen Volke so viel Achtung vor dem Anstande, daß das Buch nach dem Rücktritte Mühler’s wohl bald ausgemerzt sein wird.
  2. Es wäre ungerechtfertigt, dergleichen dunkle Namen an dieser Stelle anzuführen. Dagegen dürfen wir nicht verschweigen, daß uns Namen von Reformatoren der Pädagogik, wie v. Rochow, Dinter, Diesterweg nie, selbst nicht im absprechenden Sinne, zu Ohren gekommen sind. Die Ursache dafür finden wir bestimmt ausgesprochen in der Schulkunde von Bormann, welche in den Regulativ-Seminaren benutzt werden mußte. Nachdem Rousseau, Basedow, Campe, Salzmann abgeurtheilt worden sind, endet der Artikel über Pestalozzi, welcher füglich nicht übergangen werden konnte, folgendermaßen: „Aber ebensowenig darf verhehlt werden, daß in dem von Pestalozzi gewiesenen Unterrichtsverfahren die religiöse Erziehung hinter der Bildung der geistigen Kraft überhaupt zurücktritt, und daß also dadurch der Irrthum erzeugt ward, es bestehe das Ziel der Erziehung darin, daß alle in dem Menschen vorhandenen Anlagen so viel als möglich entfaltet werden, während es doch nur darin zu suchen ist, daß alle Kräfte sich in den Dienst Christi stellen und dadurch geheiligt werden.“

Anmerkungen (BER.)

  1. a b c d e f g h i j Vorlage: Baccon, siehe Berichtigung in Heft 18