Die Gartenlaube (1872)/Heft 27

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1872
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 27.   1872.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Die Diamanten der Großmutter.


Von Levin Schücking.


(Fortsetzung.)


Herr d’Avelon fuhr bei Valentinens Mittheilung, bei ihrer Erzählung, daß sie Max in die Höhle der Jungfrau geführt, daß sie ihn dort eben nicht mehr gefunden, daß man gekommen, ihn abzuholen, erschrocken aus den Kissen, um sich in seine Kleider zu werfen und auf die Terrasse hinunter zu eilen. Es war ein Glück, daß er so geläufig deutsch sprach, denn die Sprachkenntnisse des Führers der Patrouille reichten nicht weiter als bis zum Verständniß der gewöhnlichen Ausdrücke, zur Bildung der einfachsten Sätze. Und hier handelte es sich um etwas sehr Ungewöhnliches, sehr Unerklärliches, etwas das ja d’Avelon selbst nicht begriff, und das dem Unterofficier von der Landwehr – er war daheim in seinem Vaterlande der geschäftsführende Associé einer achtbaren Thonwaarenfabrik, die aus einer unscheinbaren Topfbäckerei sich zur Herstellung von Kachelöfen, Vasen, Bauornamenten und dergleichen aufgeschwungen hatte – noch viel weniger begreiflich war. Herr d’Avelon hatte sich sofort dafür entschieden, daß man diesen preußischen Soldaten die ganze Wahrheit mittheilen müsse, daß es die Mißlichkeit seiner Lage nur steigern würde, wenn er nicht ganz offen Alles erzähle, wenn weitere Untersuchungen Umstände an den Tag brächten, die, von ihm verschwiegen, ihn nur verdächtiger machten. So berichtete er denn Alles, seinen Wunsch, Max Daveland über Nacht in der Ferme des Auges zu halten, die nur zu begründete Befürchtung seiner Tochter, daß die Arbeiter des Hammers von Rubrai – er verschwieg nur Gaston’s Antheil an der Sache – sich durch diese Thatsache zu einem Ueberfall der Ferme verleiten lassen würden; ihren Entschluß, Max in eine sichere Zuflucht zu geleiten, den darauf folgenden Ueberfall der Arbeiter und endlich Valentinens vergeblichen Versuch, den sie just eben gemacht, ihn da wiederzufinden. Aber man könne ja ruhig sein, Herr Daveland werde, auf Um- und Irrwegen vielleicht, jetzt ohne Zweifel schon Void erreicht haben!

Der Landwehrmann machte bei dem Allen ein sehr ernstes Gesicht; er sah wie fragend seine Leute an und diese machten nicht weniger ernste Gesichter; eine lange Zeit hindurch antwortete er nicht, es machte ihm offenbar Mühe, sich klar darüber zu werden, was bei einem solchen seltsamen Falle zu thun sei und wie er der Verantwortlichkeit, die dabei auf ihn fallen könne, entgehe. Was diese Franzosen ihm da erzählten, konnte ja Alles richtig und wahr sein; die junge Dame mit ihrem bleichen Gesicht, dem Ausdruck der Angst in den gespannten Zügen, in den groß auf ihn sich richtenden Augen dachte wohl nicht daran, ihn zu belügen; der alte Herr aber hatte ein Mienenspiel, eine Physiognomie, der unser Landwehrmann durchaus nicht so unbedingt traute, und wenn er jetzt ihn hinter’s Licht zu führen suchte, so konnte er ja auch sehr wohl die eigene Tochter bei der Sache hinter’s Licht geführt haben! Die Ferme sollte in der Nacht überfallen sein – von Arbeitern aus der Nachbarschaft – wer hatte die Arbeiter herbeigeholt, wer ihnen einen Wink gegeben? Und kam es auch für den Augenblick darauf an? Der Officier, um den es sich handelte, war über Nacht in der Ferme gehalten worden und war in der Nacht verschwunden – unser Landwehrmann fand bald aus, daß er sich an diese Thatsache zu halten habe und daß das Uebrige die Herren Officiere angehe.

„Es thut mir leid, Herr,“ sagte er deshalb endlich, „wir haben sehr strenge Ordres in solchen Fällen; es wäre gut für Sie, wenn der Herr Lieutenant von Daveland bald wieder aufgefunden würde, und ich will es hoffen, obwohl gar nicht zu denken ist, wo er geblieben sein kann in dieser frühen Stunde … wenn ihn aber ein Unglück betroffen hat, so muß jedenfalls untersucht werden, wer daran schuld ist! Unterdeß muß ich die Herrschaften hier im Hause doch bitten uns nach Void zu begleiten, ich muß Sie dem Herrn Hauptmann vorführen, der die weitere Untersuchung anstellen wird …“

„Das heißt, Sie arretiren uns!“ rief d’Avelon heftig aus.

„Ich sage nur, daß ich Sie nach Void führen muß … die Herren Officiere werden dort das Weitere beschließen.“

Valentine umklammerte wie im Gefühl völliger Hülflosigkeit den Oberarm ihres Vaters. Sie war einer Ohnmacht nahe.

Herr d’Avelon stieß einen Fluch aus und murmelte einige unverständliche Worte; besorgt umfaßte er Valentine und ließ sie auf den Stuhl niedergleiten.

„Fasse Dich, fasse Dich, mein Kind, dies Alles ist zwar schrecklich, aber es wird sich ja zeigen, daß wir an der Sache unschuldig sind. Dieser Herr Daveland wird wieder auftauchen, irgendwie und irgendwo und jedenfalls so, daß sich herausstellt, wir haben ihm kein Leids angethan! Sei stark, sei stark, Valentine, nimm Deinen Muth zusammen, und … Herr,“ wandte er sich jetzt, als er sah, daß seine beruhigenden Worte auf Valentine keine Wirkung übten, zornig an den Landwehrmann, wie in plötzlich überkochender Empörung, „wollen Sie meine Tochter in diesem Zustande nach Void schleppen?“

Der ehrliche Thonwaarenfabrikant stand, die beiden Hände [432] um das obere Ende seines Gewehrlaufes geklammert, da und sah, theilnehmend und wieder unschlüssig geworden, auf die Gruppe nieder. Wenn ein Verbrechen in der Ferme begangen wurde, so war es wichtig, die Spuren desselben zu entdecken. Diese aber wurden sicherlich von den Zurückbleibenden entfernt und vertilgt, sobald er mit seiner Patrouille den Rücken wandte, um die Herrschaft von der Ferme nach Void zu führen. Er trat mit einem seiner Leute bei Seite und hatte eine kurze Zwiesprache mit ihm; dann wandte er sich wieder zu d’Avelon und sagte:

„Wenn Sie das vorziehen – es ist vielleicht ebenso gut und ich hoffe es vertreten zu können – so begeben Sie sich in eines Ihrer Zimmer im Hause – wir werden Sie da bewachen und ich werde zwei meiner Leute mit der Meldung dessen, was vorgefallen, zum Hauptmann zurückschicken …“

D’Avelon nickte. „Freilich!“ antwortete er. „Daß ich das vorziehe, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Komm, Valentine – wir wollen uns in den Salon begeben – während sie uns da bewachen, wirst Du Deine Fassung wieder erhalten – komm, ich werde Ellen rufen lassen …“

Ellen erschien jetzt eben auf der Schwelle der Salonthür. Betroffen starrte sie auf das kleine feindliche Militärpiket, auf d’Avelon und Valentine.

Es war, als ob ihr Anblick Valentinen all ihre Kraft zurückgab. Aufspringend, um sich am Arme ihres Vaters in den Salon führen zu lassen, stieß sie zornig hervor: „Ellen trägt die größte Schuld an Allem, Allem. Sie hat mit Gaston den Plan geschmiedet, der diese Nacht ausgeführt werden sollte, sie hat …“

„Valentine!“ rief jetzt Ellen ihnen entgegeneilend aus – „wenn Sie nicht schweigen mit dieser abscheulichen Verleumdung, so –“

„Um Gotteswillen, ist dies der Augenblick zu einer solchen Scene?“ fuhr d’Avelon zwischen die beiden sich zornig begegnenden Mädchen – – „Ellen, sehen Sie denn nicht, was hier vorgeht? Der Deutsche ist verschwunden, man fordert ihn von uns – man verhaftet uns, wir sind Gefangene, Ellen, wir Alle, auch Sie, vielleicht wird man uns todt schießen, wenn wir einen Verunglückten, in irgend einen Hinterhalt Gefallenen nicht wieder in’s Leben zurückrufen können – kommen Sie hinein, hinein – wir wollen da reden, nicht hier!“

Die drei von diesem unerwarteten Schlage betroffenen Bewohner der Ferme traten in’s Innere des Hauses. Der Führer der Streifpatrouille traf seine Anordnungen. Er stellte einen seiner Leute als Wache vor die Salonthür auf der Terrasse; einen zweiten vor die auf den Hof führende Hauptthür des Hauses; und während er zwei Mann mit der Meldung nach Void zurücksandte, recognoscirte er selbst mit dem letzten der kleinen Truppe, die er führte, ein wenig die nächste Umgebung des Hauses. In den Ställen fand er das Pferd Daveland’s und versuchte mit den Leuten zu reden, die im Hause zusammengelaufen waren, um über die Ereignisse der Nacht und diese unheilkündende Besatzung der Ferme durch feindliche Soldaten in wirrem Durcheinander ihre Gedanken auszutauschen … mit einer von allen Lippen strömenden Beredsamkeit, die nur allsogleich erstarb, wo die Fremden in ihre Nähe kamen. Der ehrliche Landwehrmann erhielt nichts als ablehnende, verneinende, trotzige Antworten und noch trotzigere Blicke auf seine Fragen – nicht einmal das Verlangen, ihm das Schlafzimmer Daveland’s in der vorigen Nacht zu zeigen, wurde erfüllt – die Knechte hatten nur ein je ne sais pas, moi! darauf, die Mägde schlichen sich, den zwei Deutschen den Rücken kehrend, fort, um gleich darauf am andern Ende des Hofes wieder die Köpfe zusammenzustecken.

„Hätten wir nur noch zwei Leute mehr bei uns,“ sagte der geärgerte Töpferwaarenfabrikant zu seinem Begleiter,“ so stellte ich an jedes Hofthor eine Wache und ließe auf jeden von diesem Gesindel, der sich davon machen wollte, schießen. Wie der Lieutenant von Daveland so leichtsinnig sein konnte, unter dieser Bande die Nacht zuzubringen, das begreife, wer’s kann! Glaubst Du an diese Geschichte von einer Rotte Eisenarbeiter, die den Hof in der Nacht überfallen haben soll?“

„Nicht ein Wort!“ versetzte der bärtige Kriegsmann an seiner Seite – „diese Völker hier sehen danach aus, solchen Succurs nöthig zu haben, wenn sie einen einzelnen hülflosen Deutschen kalt machen wollen!“

„Ich begreife nur nicht, wie sie so thöricht sein konnten, zu glauben, es werde ihnen straflos hingehen!“

„Wer weiß, vielleicht haben sie nicht vermuthet, daß wir so früh aufständen und so zeitig hier sein würden. Wir wären’s ja auch gewiß nicht gewesen, wenn nicht der Hauptmann uns hätte brauchen wollen, um den Herrn Lieutenant ein wenig zu ärgern, daß er so früh aus den Federn und mit uns heim solle! Vielleicht war der alte Herr drüben im Haus mit seinen zwei Frauenzimmern just im Begriff, anspannen zu lassen und sich auf die Reise in’s Sichere zu begeben …“

„Und wir haben ihnen durch unser Einrücken schlimm das Concept verdorben … mag schon sein! Sie müssen hier zu Lande schon lernen, früher aufstehen, wenn sie uns über’s Ohr hauen wollen!“

„Um die Eine, die wir zuerst antrafen, das Fräulein, thät’s mir leid, wenn’s ihnen an Hals und Kragen ginge,“ fuhr der Unterofficier fort; „sie schien sich wirklich um den Lieutenant zu ängstigen, wahrhaftig, wenn sie log, so muß sie’s besser verstehen, als ich’s einem Christenmenschen zutraue! …“

„Meinst Du, daß, wenn der Lieutenant nicht bald wiederkommt, der Hauptmann sie todtschießen läßt?“ erwiderte der Andere, sein Gewehr abnehmend und sich lässig mit dem Rücken an die eine Ecke des Hauses lehnend, welcher sie sich eben genähert hatten.

„Der Hauptmann? Ich weiß nicht, ob er das Recht hat,“ versetzte der Unterofficier; „ich denke mir, er schickt sie nach Commercy, wo das Etappencommando – aber da sieh’ einmal …“

Er deutete auf eine unferne Stelle des Bodens, die sich just unter dem Fenster befand, hinter welchem das Schlafzimmer Max Daveland’s lag; der wohlgepflegte grüne Rasenstreifen, der hier auf der Hofseite an der Grundmauer des Hauses entlang lief, war völlig zertreten, so stark, als habe ein Kampf da stattgefunden; auf dem äußeren Schwellholz des Fensters lag Schmutz, die Spuren von Fußtritten waren unverkennbar.

„Das sieht verdächtig genug aus,“ sagte der Landwehrmann, diese Beweise einer nächtlichen Katastrophe betrachtend … „nun scheint’s doch, als ob eine ganze Bande hier eingedrungen sei und den Lieutenant herausgeholt habe; und daß das Fenster nicht zerschlagen ist …“

„Beweist, daß man’s ihnen von innen geöffnet hat! Vielleicht ist der alte Herr drüben so gefällig gewesen, zu kommen und ihnen das Fenster zu öffnen, jedenfalls sind sie da eingestiegen und haben ihr Opfer herausgeholt, und das Getrappel auf dem Rasen ist entstanden, als er mit ihnen gerungen hat … mit diesen heillosen Schuften …“

„Na, es wird ihnen eingetränkt werden,“ rief der Unterofficier ingrimmig aus, „wir werden wahrscheinlich, ehe vierundzwanzig Stunden vergangen sind, den Befehl haben, diese ganze vermaledeite Bude niederzubrennen!“




8.


Es mochte eine Stunde nach Mitternacht gewesen sein, als, wie wir sahen, Gaston de Ribeaupierre, von Herrn d’Avelon hinausgeleitet, die Ferme des Auges verlassen hatte. Er war in einer schwer zu beschreibenden Stimmung in die dunkle Nacht hinausgeschritten, Groll und Wuth im Herzen. Die Worte, welche ihm Valentine in’s Gesicht geschleudert, hatten mehr seinen Zorn erweckt, als sie Glauben an ihren unwiderruflichen Ernst bei ihm gefunden. Valentine war sein, sein durch alle Rücksichten, die nur einen Ehebund in Frankreich zu Stande bringen können, und daran konnte durch ein plötzliches heftiges Aufwallen eines jungen Mädchens nichts geändert werden, darin konnte nur eine Aenderung durch diesen verwünschten jungen Deutschen eintreten, wenn er mit seinen Ansprüchen auftrat und Valentine dessen beraubte, was die erste Bedingung der Verbindung war, die Gaston de Ribeaupierre mit ihr eingehen wollte. Und dieser verwünschte junge Deutsche, den er so rasch und gründlich hatte unschädlich machen wollen, war ihm entgangen! Gaston war seiner Sache so sicher und siegesgewiß ausgerückt mit seinem Haufen, so sicher, daß Max Daveland heute noch als Gefangener den Franctireurs in Neufchateau ausgeliefert, darauf von diesen nach dem Süden geschickt und da irgendwo so untergebracht werden würde, daß er weder selbst jemals in die Heimath zurückgelange, noch auch Gelegenheit finde, seine Entdeckung [433] den Seinigen mitzutheilen. Gaston hatte sich die Mittel und Wege, Max für immer stumm zu machen schon überlegt … und jetzt war ihm der Fang so entgangen, so schmählich durch Valentine selbst, die dabei nicht ahnte, was sie that, entzogen: das war freilich genug, um darüber aus dem Gleichgewichte zu gerathen.

Es war um so schlimmer, als er ja Valentine nicht einmal dadurch strafen konnte, daß er ihr die Motive seines mißlungenen Anschlags enthüllte und ihr zeigte, was sie eigentlich gethan. Die Gefahr lag zu nahe, daß Valentine, wenn sie die That ihres Vaters und die Ansprüche des deutschen Officiers erfuhr, in einer Wallung übermäßigen und thörichten Edelmuths auf ihr ganzes Erbe verzichten würde – zu Gunsten dieses verhaßten Deutschen! Nein – Valentine durfte nie ahnen, was Gaston eigentlich zum Handeln bestimmt hatte – es war gut, daß Gaston Miß Ellen’s, die er zur Vertrauten gemacht und zur Helfershelferin gewonnen, so sicher sein konnte – sie, die sich als die künftige Gattin d’Avelon’s betrachtete, hatte zu guten Grund, einen solchen Edelmuth Valentinens zu fürchten, als daß sie gegen diese eine Indiscretion begehen konnte. Gegen d’Avelon mochte sie es am Ende: wenn Miß Ellen für gut fand, durch Andeutungen auf solch ein Geheimniß sich d’Avelon’s noch stärker zu bemächtigen, als sie sich seiner schon bemächtigt hatte, so war das für Gaston kein Gegenstand der Beschwerde; hatte er doch selbst vorkommenden Falls, und wenn es später einmal zwischen ihm und d’Avelon zu Conflicten der beiderseitigen Ansichten oder Interessen kommen würde, durchaus nicht vor, die Waffe, welche ihm Max Daveland wider den alten Herrn ausgeliefert, ungenützt zu lassen!

Aber wohin war der unglückliche, von einer tückischen Schickung just hierher in’s Land geworfene Deutsche von Valentine nur geführt worden? Sie hatte verrathen, daß sie um die Besetzung des Weges nach Void durch einige der Arbeiter gewußt. Dann hatte sie ihn also nicht da hinaus führen können. Er hatte durchaus nicht daran denken können, mit Vermeidung der gebahnten Straße querfeldein in der Richtung nach Void zu schreiten und es zu erreichen – das wäre am Tage bei hellem Sonnenlicht möglich gewesen; in einer solchen völlig dunklen und regenfeuchten Nacht war es unmöglich. Oder hatte er sich nach der andern Seite, südlich und das Maasthal aufwärts, zu retten versucht? Auch das war undenkbar; er wäre da nur immer weiter in eine ihm völlig fremde Gegend gerathen, in eine in der Nacht höchst mißliche Lage, die nach Tagesanbruch dann nur noch mißlicher geworden wäre, wenn er, fern von den Seinigen, sich da führerlos und allein tief im feindlichen Lande wiedergefunden hätte! Nein, es war viel wahrscheinlicher, daß Valentine ihm einen Zufluchtsort gezeigt – einen Zufluchtsort, nicht in der Ferme selbst, denn Gaston hatte ja ihr regenfeuchtes Haar bemerkt, sie war längere Zeit im Freien gewesen; sie hatte am Ende – die Vermuthung lag zu nahe, als daß Gaston nicht hätte darauf kommen sollen – ihn nach der Höhle der Jungfrau gebracht! Gaston hielt seinen Schritt an, als dieser Gedanke in ihm aufstieg, schlug die Arme übereinander und sann nach. Was beginnen, wenn dem so war? Sollte er eilen, der längst abgezogenen Arbeiter wieder habhaft zu werden, und sie zu einem neuen Versuche, ihr Vorhaben durchzuführen, versammeln … oder erst selbst zur Höhle gehen, um sich zu überzeugen, daß seine Voraussetzung richtig – dann vielleicht den Deutschen überreden, ihn nach Givres zu begleiten, und dort …?“

Sein grübelnder Gedankengang wurde durch das Geräusch von leichten raschen Schritten unterbrochen, die vor ihm auf der Höhe der Straße vernehmbar wurden … die näher und endlich so nahe kamen, daß Gaston eine vor ihm aus dem Dunkel auftauchende Gestalt unterscheiden und zugleich auch wahrnehmen konnte, wie der Kommende jetzt ihn wahrnahm, und einen Augenblick den Schritt anhielt – dann sich wieder näherte – bis er abermals stehen bleibend in französischer Sprache ausrief:

„Wer ist da?“

„Ah – Sie sind es – Herr von Daveland!“ rief höchst überrascht Gaston aus, sofort auf ihn zueilend. „Sie finde ich hier … Sie kommen … von der Höhle der Jungfrau her …“

Gaston sprach die Worte langsam, wie tastend und unsicher – desto rascher fiel ihm Max in’s Wort:

„Das wissen Sie?“

„Sicherlich weiß ich es, Valentine hat es mir gesagt,“ rief Gaston, der jetzt im Augenblicke übersah, wie er dies Zusammentreffen zu benutzen habe, aus. „Valentine hat mich von Givres herüberrufen lassen, in großer Sorge um Sie, und nachdem ich diese Sorge beruhigt, habe ich den Auftrag von ihr erhalten. Sie aus Ihrer unerquicklichen Lage zu befreien und nach Givres zu führen, um dort den Rest der Nacht geschützter und bequemer zuzubringen.“

„In der That? Nun, Sie sehen, ich habe schon selbst jener unerquicklichen Lage, die obendrein begann, mir ein wenig lächerlich vorzukommen, ein Ende gemacht. Die dunkle feuchte Höhle schien mir doch ein gar zu schlechtes Bivouac, und so gerührt ich auch Fräulein Valentinens Sorge um mich anerkannte, zog ich doch vor, den Heimweg zu suchen, so gut es gehen wolle. Ich bin durch das Thal oder die Schlucht, in der ich mich befand, vorwärts geschritten; da ich die Richtung dieser Straße, auf der wir uns befinden, ungefähr kannte, wußte ich ja, daß ich sie erreichen müsse, und als ich sie eben etwa zehn Minuten weiter aufwärts in der That erreicht hatte, war meine Absicht, auf ihr bis zur Ferme zu gehen und dort zu recognosciren, ob ich mich wieder in den Besitz meines Pferdes setzen könne, um auf ihm nach Void zu entkommen oder sonst zu Fuße mich dahin durchzuschlagen. Es mag das schwierig sein, aber in einer so dunklen Nacht kann bei solch einem Rückzuge nichts Gefährliches sein; es ist ganz unmöglich, Jemanden wahrzunehmen, der sich verborgen halten will, und träfe ich auch auf ganze Bataillone Ihrer liebenswürdigen Franctireurs von Neufchateau, sie würden mich nicht fangen; ich würde in jedem nächsten Gebüsche einen Schutz finden, ein Versteck, gerade so gut wie diese romantische Höhle der Jungfrau von Arc!“

„Sie können in der That ganz ruhig sein, Herr von Daveland,“ antwortete Gaston. „Es ist Niemand, der Ihre Sicherheit bedroht, und am wenigsten die Franctireurs von Neufchateau … die ganze Hetze, die Ihren Schlaf gestört hat und nebenbei auch den meinigen, ist nichts als ein Hirngespinnst. Eine halbe Stunde von der Ferme des Auges liegt ein Eisenhammer, der etwa dreißig Arbeiter beschäftigt. Unglücklicher Weise hat Valentine, als Sie zur Ruhe gegangen waren, von einem ihrer Mädchen erfahren, daß einer der Knechte der Ferme noch spät am Abende sich zu diesem Hammer begeben – ihre mädchenhafte Phantasie hat darin ein Complot erblickt, die Absicht, die wüsten und rauflustigen Eisenarbeiter herbeizuholen, um Sie aufzuheben oder gar um’s Leben zu bringen; sie hat einen Boten an mich abgeschickt, um mich als den Brodherrn jener Arbeiter zum Schutze da zu haben, und in ihrer Angst ist sie sogar so weit gegangen, Sie zur Flucht aufzufordern, und hat Sie in jener Höhle geborgen. Thorheit das Alles! Meine Arbeiter denken nicht daran, die Ferme des Auges wie Räuber zu überfallen, und liegen in ruhigem Schlafe; es ist mir bald gelangen, Valentinen ihre chimärischen Befürchtungen zu nehmen, und ein wenig beschämt hat sie mich eben entlassen mit dem Auftrage, Sie aus Ihrem romantischen ‚Bivouac‘ zu befreien und mit mir nach Givres zu nehmen – es war das Herrn d’Avelon’s Wunsch, der, sehr unwillig über die nächtliche Störung, Ruhe verlangte, hinter mir seine Thüren verriegelte und mich verantwortlich dafür machte, daß Sie in Givres ein ruhiges Nachtquartier bekämen. Wenn Sie jedoch darauf bestehen, will ich Sie wieder nach der Ferme bringen. Freilich habe ich, wie Sie begreifen, nicht große Lust dazu; ich müßte dann den Weg noch einmal da hinab und wieder hinauf machen und hätte noch einmal die Ferme aus der Nachtruhe zu stören; ich sehne mich nach der Ruhe, nach meinem guten Bett in Givres, und Sie werden dort ein ebenso hübsches Fremdenzimmer ganz bereit finden, Sie aufzunehmen. Außerdem haben Sie den Vorzug, dort sich in der Morgenfrühe über die uns Beiden am Herzen liegende Affaire mit meiner Mutter selber besprechen zu können. Es ist besser so; kommen Sie, wir haben bis Givres nur noch eine sehr geringe Strecke.“

Gaston begann bereits weiterzuschreiten; Max wandte sich und folgte ihm ein wenig unschlüssig … aber er konnte ja nicht wohl anders; er konnte nicht füglicher Weise in dieser Nachtstunde zur Ferme zurückkehren; sich, wie er beabsichtigt, den Weg nach Void weitersuchen, war in der Dunkelheit sehr wenig verlockend; was Gaston de Ribeaupierre vorschlug, war offenbar das Zweckmäßigste; und gewiß dann, wenn er überhaupt noch Werth legte [434] auf die Prüfung jener Documente, und dieser hatte er keinen Vorwand, sich zu entziehen. So schritt er eine Weile schweigend neben Gaston her … auch Gaston schwieg; er fühlte eine diabolische Freude über die glückliche Wendung, welche er der Sache, die schon verloren schien, gegeben, und fürchtete, in seinen Worten, in seinem Tone diese Freude zu verrathen. Nur einzelne Worte wurden zwischen Beiden gewechselt; Gaston machte mit liebenswürdigster Sorge Max auf die besten Stellen des schmutzigen Weges aufmerksam; er versicherte von Zeit zu Zeit, wie nahe man bereits Givres gekommen. Und in der That, man sah es nach einer halben Stunde schon vor sich liegen – nur ein starker Höhenrücken trennte es von der Ferme, im Grunde des jenseitigen Thales lag es. Die Fahrstraße endete an einem großen Gartenthore, das die Nacht hindurch unverschlossen geblieben war; Gaston öffnete es vor Max und dieser glaubte an den Bäumen und Gesträuchen, zwischen denen er sich bald nachher befand, zu erkennen, daß er in einen englischen Park eingetreten – über weichen Kies ging es weiter, bis man jenseits einer Lichtung, die ein Rasengrund einzunehmen schien, die Mauern und Dächer eines stattlichen Gebäudes wahrnahm. – Es lag in völlige Dunkelheit begraben, nur aus einem der Fenster in der Mitte des Erdgeschosses glänzte Licht.

„Wir sind angekommen, dies ist Schloß Givres,“ sagte Gaston, als man in der Nähe des Gebäudes war, und führte seinen Begleiter einem von zwei vorspringenden Flügeln gebildeten Hofe zu; Max sah erst jetzt, daß unmittelbar vor ihm eine niedrige Mauer mit hohen Eisengittern darauf den Hof vorn abschloß. Als diesen Beide betraten, hielt Gaston seine Schritte an, um das Gitterthor zu schließen und den Schlüssel abzuziehen – dann schritt er mit Max quer über den Hof auf die Treppe vor dem Erdgeschoß zu und öffnete vor ihm die Portalthür, durch die man in eine hübsch eingerichtete kleine Eingangshalle blickte, mit exotischen Gewächsen, mit Teppichen auf den Flursteinen und alten Bildern an den Wänden – eine brennende Lampe, die zur Seite auf einem Tische neben einigen Leuchtern stand, erhellte den Raum.

Max trat ein, Gaston schloß auch hier wieder sorglich die Thür und zog den Schlüssel ab – Max, der sich in dem Raume umschaute, beachtete es nicht, es war ja auch natürlich, daß der Hausherr von Schloß Givres für die Nacht seine Thüren sicherte. Dann nahm Gaston zwei der Leuchter, zündete die Lichte darauf an und bat Max, ihm weiter zu folgen – er trat in einen sich am Fuße der nach oben führenden Treppe nach linkshin öffnenden Gang und verfolgte ihn bis an’s Ende, wo eine schmale Holztreppe in das obere Stockwerk führte. Oben angekommen, sah Max, daß er sich auf einem Vorplatz oder der Erweiterung eines langen, sich in das Gebäude hinziehenden Corridors befand, der ebenfalls, wie die Halle unten, mit Steinplatten belegt war, über die sich lange, den Schall von Tritten erstickende Teppichstreifen zogen. Gaston trat auf eine hohe und dunkelgebohnte Flügeltür zu, die sich in einer schmalen und quergestellten Mauer befand – die ganze innere Anordnung des Hauses schien noch viel Alterthümliches zu haben. Als Max in den Raum, den Gaston vor ihm öffnete, eintrat, nahm er wahr, welche Schwere diese Thürflügel, welche Stärke die Mauern des Edelsitzes hatten, der Gaston von Ribeaupierre gehörte oder einst gehören sollte.

Gaston stellte eines seiner Lichter auf einen runden Tisch in der Mitte des Raumes.

„Ich hoffe,“ sagte er, „Sie werden ganz bequem hier von Ihren nächtlichen Wanderungen und dem Schrecken, den Ihnen Fräulein Valentine so unnützer Weise gemacht hat, ausruhen, und wünsche es Ihnen recht von Herzen. Hoffentlich finden Sie für alle Ihre Bedürfnisse gesorgt; wenn etwas fehlen sollte, irgend ein Comfort, an den die Herren aus Deutschland gewöhnt sind und den wir nicht kennen, so sprechen Sie; ich will sehen, ob ich ihn in so später Stunde noch herbeischaffen kann – das Wasser in der Karaffe dort wird nicht übermäßig frisch sein, fürcht’ ich …“

„Ich danke Ihnen, Herr von Ribeaupierre – ich danke für Alles; bemühen Sie sich ja nicht mehr – entziehen Sie sich der Ruhe nicht länger, nach der auch Sie sich sehnen werden – gute Nacht, gute Nacht!“

Gaston von Ribeaupierre machte eine kurze Verbeugung und ließ seinen Gast allein.

Dieser sah sich in dem Raume um, nahm das Licht vom Tische und ließ den Schein desselben über die Wände und die Ecken gleiten. Er sah ältere englische Kupferstiche an den Wänden, Möbel von einem ein wenig veralteten Geschmacke, eine Einrichtung, die ihn lebhaft an ein Fremdenzimmer in einem seiner heimathlichen Edelhöfe erinnerte und wenig vom modernen französischen Luxus hatte. Auch schien Alles hier in einem großartigeren und adligeren Stil zugeschnitten, als auf der kleineren wohnlicheren Ferme des Auges. Es fiel Max auf, daß das Gemach, obwohl es sehr geräumig war, nur die eine Thür in der quergestellten Wand hatte – es mußte wohl das Innere eines ausspringenden Pavillons oder Thurmes bilden; damit stimmte ja auch die Dicke der Mauer, die Max aufgefallen war, überein.

Das Himmelbett stand der Thür gegenüber – ermüdet wie er war, säumte unser deutscher Krieger nicht, es sich darin bequem zu machen. Als er das Licht gelöscht, legte er tief aufathmend den Kopf zurück, mit dem wohlthuenden Gefühl, daß ihn der Schlaf jetzt nicht mehr fliehen werde, wie er ihn geflohen hatte, als er sich zum ersten Male in dieser unruhvollen Nacht niedergelegt. In der That entschlief er sehr bald fest und tief.


(Fortsetzung folgt.)




Ein neuer Zier- und Zimmervogel.


Von Brehm.


Die Liebhaberei für Stubenvögel ist neuerdings eine andere geworden, als sie in früheren Zeiten es war. Unsere Väter und Großväter hielten sich fast ausschließlich heimathliche Vögel, sich mit ihnen begnügend, weil ihre vortrefflichen Eigenschaften gebührend würdigend; die heutigen Liebhaber befassen sich mehr mit fremdländischen Vögeln, welche in einer von Jahr zu Jahr steigenden Unzahl bei uns eingeführt und gegenwärtig schon bis in entlegene Dörfer versandt werden. Ueber den ausländischen Webevögeln hat man die inländischen Finken fast vergessen, um so mehr, als einzelne Schriftsteller, in Folge ihres beschränkten Gesichtskreises, jene Webefinken über alles Maß gerühmt und gepriesen und in unzähligen Zeitschriften schier bis zum Ueberdruß abgehandelt haben. Gefällt man sich doch sogar, die abgeschmackte Behauptung aufzustellen, daß diese an und für sich niedlichen, in mancher Hinsicht auch anmuthenden, im Allgemeinen aber doch langweiligen Geschöpfe unsere Edelsänger, die Nachtigallen und ihre Verwandtschaft, oder auch fremdländische Kerbthierfresser zu ersetzen, daß sie unserer Liebhaberei vollständig zu genügen vermöchten. Eine solche Behauptung läßt sich blos dadurch erklären, daß die Verherrlicher der Webefinken eben nur sie kennen gelernt haben, nicht aber auch die eigentlichen Sänger, die Stubenvögel, in ihrer höchsten Vollendung, zu beurtheilen im Stande sind. Ich bekenne mich noch heutigen Tages zur alten Schule: ich gehöre, nachdem ich Tausende von Vögeln in einer Auswahl von Hunderten von Arten jahrelang gepflegt habe, zu den Liebhabern von altem Schrot und Korne, welche Nachtigall und Sprosser, Roth- und Blaukehlchen, Rothschwanz und Steinröthel, Grasmücken und Laubvögel, Schilfsänger, Drosseln und andere singende Weichfresser, wie der Liebhaber die Kerbthierräuber zu nennen pflegt, allen übrigen Stubenvögeln vorziehen und neben ihnen höchstens noch einige fremdländische Verwandte als ebenbürtig gelten lassen; ich vermag den Finknern, wie sie in früheren Zeiten in Ruhla und anderen Ortschaften Thüringens zu finden waren, höchstens nachzufühlen, aber das vollkommene Verständniß für den Finken und seine Leistungen, ich möchte sagen die Hohepriesterschaft der Finknerei geht mir zu meinem Bedauern ab; ich vertheidige deshalb auch unbedingt, weil ohne jegliches Bedenken, den Vogelsteller, welcher hier oder da im freien grünen Walde Netz und Schlinge stellt, um sich in Besitz eines wenig begehrenden und viel leistenden, Herz und Sinn durch trefflichen Gesang erheiternden, manche trübe Stunde verscheuchenden und sonnige Frühlingstage selbst während der Winterzeit in das Zimmer täuschenden Singvogels zu setzen.

[435]

Glanzstaare.
Nach der Natur gezeichnet von Emil Schmidt.

[436] Daß ich damit weder der sinnlosen Vernichtungswuth nützlicher Vögel das Wort reden, noch es auch nur billigen will, wenn solche in Anlagen, Lustwäldern und sonstigen dem öffentlichen Verkehr dienenden Orten weggefangen werden, brauche ich wohl kaum zu versichern, nachdem ich seit Jahren mehr als manch Anderer für den Vogelschutz gewirkt und meine Ansicht auch bereits in der Gartenlaube entwickelt habe. Ich will mich nur dahin äußern, daß mit unseren Edelsängern und deren fremdländischen Verwandten alle übrigen ausländischen Stubenvögel sich eben nicht vergleichen lassen.

Indessen giebt es unter diesen Fremdländern immer eine Anzahl von Arten, welche wohl im Stande sind, selbst den anspruchsvollen Liebhaber zu befriedigen. Ich will jetzt nicht der trefflichen Sänger gedenken, welche Nordamerika, Westafrika und Südasien unseren Käfigen liefern, vielmehr eine Gruppe besprechen, welche sich, wenn auch nicht durch Gesang, so doch durch außerordentliche Pracht des Gefieders, Zierlichkeit und Gewandtheit der Bewegung und Anmuth des Wesens besonders hervorthut, und deren Behandlung außerdem kaum Schwierigkeiten verursacht.

„Wenn man durch das Düster des afrikanischen Urwaldes geht,“ so habe ich mich früher ausgesprochen, „geschieht es wohl manchmal, daß plötzlich ein heller Schimmer in die Augen fällt, vergleichbar einem Sonnenstrahle, welcher von einer spiegelnden Metall- oder Glasfläche zurückgeworfen wird. Der Schimmer ist wirklich nichts anderes als Sonnenschein, welcher von dem Gefieder einer Glanzdrossel oder eines Glanzstaares abprallte; denn wenn man letzteren aufgefunden hat, kann man gewahren, daß er bei günstiger Beleuchtung mit jeder Bewegung einen Sonnenstrahl wiederspiegelt. Gleich nach dem Tode verliert das Gefieder den größten Theil seiner Schönheit; seine volle Pracht zeigt es nur, so lange der Vogel lebt.“ Ebenso wie im Walde trifft man auch in dünnbebuschten Steppen oder auch auf Triften eine oder die andere Art der Gruppe an, stets zur Freude des Beobachters. Mit Entzücken erinnere ich mich noch einer Art dieser hochbegabten Gesellschaft, des Schuppenstaares, welcher, namentlich im Fliegen, ein anfänglich kaum begreifliches Farbenspiel hervorruft und bald in das Amethystblaue, bald in das Goldigkupferfarbene schimmert, je nachdem er von dieser oder jener Seite Sonnenlicht empfängt und wieder zurückgiebt.

Man hat eine große Anzahl von Arten der Glanzstaarenfamilie aufgestellt, welche in mehrere unter sich übereinstimmende Gruppen oder Sippen zerfallen. Bei der großen Mehrzahl ist ein prachtvolles metallisches Grün die Grundfärbung und besteht die Zeichnung aus einzelnen sammetigen Flecken, welche namentlich auf den Flügeln in bänderartiger Anordnung stehen; bei anderen gehen Kopf- und Hals-, Bauch-, Schwingen- und Schwanzfedern in ähnliche Metallfärbungen über; andere endlich sind doppel- oder mehrfarbig, oberseits grün oder blau, unterseits weiß oder braun etc. Jede einzelne Art zeigt ihre besondere Pracht, und alle wetteifern miteinander um den Preis der Schönheit. Diese wird durch munteres und regsames Treiben noch gehoben. Die Glanzstaare insgesammt gehören zu den beweglichsten und lebhaftesten Vögeln ihrer Heimath, treiben sich so ziemlich während des ganzen Tages in einem verhältnißmäßig ausgedehnten Gebiete umher, beschäftigen sich ununterbrochen, sei es mit Aufsuchen ihrer Nahrung, sei es mit dem Vortrage ihres Geschwätzes, welches nur ein besonderes Wohlwollen als Gesang bezeichnen kann, sei es, indem sie unter sich gesellig sich vergnügen oder aber indem sie sich mit anderen Vögeln beschäftigen, diese neckend oder sonstwie behelligend. In ihrem Auftreten ähneln sie am meisten unseren Staaren. Wie diese treiben sie sich in der Steppe oder auf frisch bestellten Feldern umher, gern die Nähe von Viehgehegen oder weidenden Heerden aufsuchend, um die durch den Dung herbeigelockten Kerbthiere zu erbeuten, setzen sich auch wohl geradezu auf die in jenen Gegenden arg von Zecken, Fliegen, Bremsen und deren Maden geplagten Rinder, wie unsere Staare dies ja ebenfalls zu thun pflegen, und reinigen dabei ihre gehörnten Freunde, welche in Afrika überhaupt regelmäßig eine Gesellschaft gefiederter Reiter umherschleppen und diese als Ableser der lästigen Schmarotzer gern dulden.

Aufgescheucht, schaaren sich die Glanzstaare in dichte Schwärme, stoßen dabei ihren Lockruf aus und fliegen nun eine Strecke weiter, entweder wiederum auf dem Boden sich niederlassend oder einem hohen Baume sich zuwendend. Der Flug derjenigen Arten, welche unseren Staaren am nächsten stehen, ist rasch und kräftig, der Flug anderer, entsprechend dem sammetigen Gefieder, weich und etwas schleppend, auch verhältnißmäßig langsam, während der erwähnte Schuppenglanzstaar wiederum fliegend alle Verwandten übertrifft und sich in den verschiedenartigsten Schwenkungen gefällt, gerade als wolle er dem Sonnenlichte Gelegenheit geben, seine volle Pracht zu entfalten, das wunderbare Farbenspiel in jeder Weise zur Geltung zu bringen. In den frühen Morgenstunden und gegen Abend sammeln sich die Glanzstaare auf gewissen Bäumen, um von dort aus ihr Lied, oder richtiger ihr Geschwätz, vorzutragen. Die langschwänzigen Arten leben in kleineren Gesellschaften und erinnern, entsprechend ihrer Gestalt, eher an Elstern als an Staare, obgleich ihr Flug von denen der genannten Rabenvögel sich nicht unwesentlich unterscheidet. Ueber die Fortpflanzung konnte ich selbst keine Beobachtungen anstellen; Heuglin dagegen erwähnt, daß die Glanzstaare im Juli und August gesellschaftlich große, freistehende Nester aus grobem, dürrem Reisig errichten, dieselben innen mit feinem, trocknem Grase, Federn, Wolle und dergleichen sauber ausfüttern, mit drei feinschaligen, spärlich bepunkteten Eiern von mehr oder weniger lebhafter, bläulich-grünlicher Färbung belegen und bei einer späteren Brut wiederum benutzen.

Bis zum Jahre 1865 gehörten Glanzstaare zu den seltensten Erscheinungen in unseren Käfigen; nur der erste Thiergarten der Erde, der zu London nämlich, hatte einige Paare aufzuweisen. Im gedachten Jahre aber kamen plötzlich viele dieser Vögel auf den europäischen Thiermarkt, angeblich durch Vermittlung eines in Westafrika lebenden Franzosen, welcher über hundert Stück der prachtvollen Geschöpfe nach Bordeaux gesandt hatte. Seitdem sind die Händler, welche zwischen Europa und Westafrika hin- und herreisen, auf die ebenso schönen als dankbaren Vögel[WS 1] aufmerksam geworden, und gegenwärtig bringt uns jedes Jahr eine Anzahl von ihnen, so daß das Berliner Aquarium zur Zeit bereits sieben Arten aufzuweisen hat. Kein einziger der über alles Maß gepriesenen kleinen Webefinken, kein Fasänchen, Astrildchen, Elsterchen, Silberschnäbelchen und wie sie sonst noch heißen mögen, kann sich mit diesen Gefangenen auch nur im Entferntesten messen. Bei jenen haben wir es mit einer Gesellschaft zu thun, welche höchstens durch schmucke Haltung und gegenseitige Zärtlichkeit der Gatten zu fesseln und durch die Leichtigkeit, mit welcher sie sich auch unter der Pflege des Ungeübten fortpflanzen, zu befriedigen vermag; in den Glanzstaaren aber treten uns kluge, lebhafte, selbstbewußte Vögel entgegen, deren ganzes Wesen mit der unbeschreiblichen Pracht des Gefieders in Einklang steht, und welche deshalb Jedermann ansprechen und den, welcher sie zum ersten Male sieht, zur Bewunderung hinreißen. Gerade die Glanzstaare des Berliner Aquariums, gegenwärtig eine Gesellschaft von etwa dreißig Stück, zählen zu den hervorragendsten Erscheinungen des noch heute unübertroffenen, ja nirgends auch nur annähernd erreichten Vogelhauses und fesseln alle Besucher, nicht wenige von ihnen stundenlang. Im Bewußtsein ihrer Schönheit bekunden sie unverkennbar eine gewisse Gefallsucht, halten deshalb ihr Gefieder stets ängstlich rein, mischen sich nicht unter das Gewimmel ihrer Käfiggenossen, sondern sich vielmehr und verkehren nur mit ihres Gleichen, außer der Brutzeit mindestens in erträglicher Eintracht mit den Erstgenannten.

So scheu und vorsichtig sie anfänglich sich zeigten, so bald gewöhnen sie sich an den Pfleger, lernen diesen binnen wenigen Tagen von Anderen unterscheiden, antworten auf dessen Anruf, kommen herbei, sobald er sich zeigt, und nehmen ungescheut von ihm die allbeliebte Leckerei, Mehlwürmer, zu sich. Im Uebrigen machen sie wenig Ansprüche an die Nahrung. Gewöhnliches Drosselfutter genügt ihnen vollständig zu ihrem Unterhalte, umsomehr als sie nebenbei auch verschiedene Körner, Knospen und Früchte verzehren. Wer aber will, daß sie zur Fortpflanzung schreiten, muß ihnen allerdings reizendere Nahrung, nämlich ein mit Ameisenpuppen reichlich gewürztes Nachtigallenfutter und die nöthige Menge von Mehlwürmern reichen. Befinden sie sich unter solcher Pflege in einem geräumigen Käfige mit den nöthigen Nistgelegenheiten, und wissen sie sich ungestört, so schreiten sie ebenso leicht als gefangene Staare, leichter als manche Webevögel zur Fortpflanzung, und nun erst entfalten sie ihre volle Liebenswürdigkeit.

Aus dem Schwarme heraus sondern sich die Pärchen, und diejenigen, welche sich gefunden, halten fortan treuinnig zusammen, [437] verlassen sich keinen Augenblick lang, thun Alles gemeinschaftlich und theilen fortan Freud und Leid. Daß auch das Letztere nicht ausbleibt, erklärt sich von selbst; denn mit der Liebe in ihrem Herzen regt sich die Eifersucht, und jedes Männchen sieht nunmehr in einem anderen seiner Art, auch trotzdem es mit ihm im besten Einvernehmen lebte, einen Nebenbuhler, welchen es ärger hassen zu müssen glaubt als sonst ein Wesen, und mit dem es in ernster Fehde lebt, bis es die unbedingte Herrschaft errungen, oder aber entschieden besiegt worden ist. Von allen Glanzstaaren, welche ich seit Jahren pflege, habe ich nur einen einzigen an der sogenannten Darre verloren, fast ein halbes Dutzend dagegen durch nebenbuhlerische Kämpfe eingebüßt. Ehe man recht in’s Klare gekommen ist, daß ein Pärchen sich verbunden hat, liegen zwei Männchen sich in den Federn, und bevor man Gelegenheit fand, sie auseinander zu bringen, ohne dadurch das verbundene Paar zu trennen, ist das eine Männchen durch Schnabel und Klauen eines anderen bereits so zugerichtet worden, daß es wenige Stunden oder Tage später seinen Geist aufgiebt. Mit anderen Arten dagegen, und mag die Verwandtschaft derselben noch so innig, mögen sie einander noch so ähnlich sein, kämpfen die liebeglühenden Glanzstaare nicht, und somit lösen sich durch dies Betragen sehr bald etwaige Zweifel über Zusammengehörigkeit oder Verschiedenheit der Arten, Zweifel, welche bei diesen so überaus ähnlichen, ungemein schwer zu bestimmenden Vögeln recht wohl vorkommen können. Die erste Bedingung also ist, von jeder Art nur ein Paar in einem größeren Käfige zu halten, die zweite, für jedes von diesen die nöthige Nistgelegenheit zu beschaffen.

Die von mir gepflegten Glanzstaare, welche gebrütet haben oder zum Brüten sich anschickten, dachten nicht daran, freistehende Nester zu errichten, wie man nach Heuglin’s Angabe hätte vermuthen müssen, wählten sich zur Anlage ihres Nestes vielmehr Höhlungen von hinreichender Größe und passend eingerichtete Nistkästen, welche sie mit Stroh, Heu, Moos und Federn ausbauten. Das Nest ist zierlicher, als es bei Höhlenbrütern sonst der Fall zu sein pflegt; die Halme werden hübsch geordnet und theilweise so angelegt, daß sie das eigentliche Nest bis auf ein weites Schlupfloch überwölben; die innere, zumeist aus Federn bestehende Auskleidung, wird wohl geglättet, so daß die Wiege der Kinder allen Anforderungen entspricht. Beide Geschlechter betheiligen sich fast mit gleichem Eifer an dem Brutgeschäft, nur daß das Weibchen, wie üblich, mehr Verarbeiter, das Männchen mehr Zuträger der Stoffe ist, wie jenes auch länger auf den Eiern brütet als dieses. Es gewährt ein reizendes Schauspiel, beide Vögel beim Bau dieses Nestes zu beobachten. Obwohl sie sich, wenn sie zum Nisten schreiten, vollkommen sicher und wohlgeborgen fühlen, und obwohl die Höhlung, in welcher das Nest angelegt wird, vor Aller Augen liegt, arbeiten sie doch so verstohlen wie möglich, lesen eilfertig die Baustoffe zusammen, mehr als ob sie spielen, denn als ob sie dieselben verwenden wollten, fliegen mit ihnen auf diesen und jenen Zweig, nach der einen oder anderen Seite des Käfigs, nähern sich sodann plötzlich und unerwartet dem Eingangsloche zu ihrer Höhle und verschwinden in dieser, wobei regelmäßig das eine der Geschlechter, meist wohl das Männchen, Wache zu halten pflegt, als wolle es den Gatten vor jeder vermeintlichen oder wirklichen Gefahr rechtzeitig warnen. Sobald der eingeschlüpfte Glanzstaar innen die Stoffe richtig verbaut hat, erscheint er wieder am Eingange des Nistkastens, wirft rasch einen Blick über den ganzen Käfig, schlüpft heraus, setzt sich in der Nähe auf einen Ast, ruft dem bisherigen Wächter anscheinend ermuthigend zu, und dieser huscht nun ebenso verstohlen wie Jener in das Innere, um seinerseits die in dem Schnabel herbeigeschleppten Baustoffe abzugeben. Nachdem dies geschehen, pflegt der Zweite wiederum, diesmal mit leerem Schnabel, in den Nistkasten zu kriechen, wahrscheinlich um die von dem täppischen Männchen eingefügten Baustoffe noch zu ordnen, mindestens um sich zu überzeugen, ob dasselbe nach Wunsch gearbeitet habe. Erst hierauf begeben sich beide wieder zum Boden herab, auch von hier aus noch immer rasch einen Blick nach dem Neste werfend, um neue Stoffe zusammenzulesen und in der beschriebenen Weise wiederum dem Neste einzuverleiben. Bei gutem Wetter arbeiten die Glanzstaare außerordentlich eifrig, und das Männchen findet dabei doch immer noch Zeit, sein singendes Geschwätz vorzutragen; bei trüber und regnerischer Witterung dagegen setzen sie oft einen ganzen Tag und mehr mit dem Bauen aus oder tragen höchstens von Zeit zu Zeit einige wenige Stoffe nach dem Neste. Wie dem aber auch sein möge, in Zeit von zehn bis zwölf Tagen ist die Wiege für die kommende Brut vollständig hergerichtet, und das Weibchen beginnt nun seine Eier zu legen.

Jetzt folgt ein Stillstand, wenigstens scheint es so. Das Männchen singt nach wie vor, baut aber nicht mehr; das Weibchen ist verschwunden, im Innern des Nistkastens mit Brüten beschäftigt. Ob es zeitweilig vom Männchen abgelöst wird, wie ich annehmen möchte, vermag ich mit Bestimmtheit nicht zu sagen, weil die Geschlechter der Glanzstaare nur an ihrer verschiedenen Größe zu erkennen sind, sich aber blos dann unterscheiden lassen, wenn man sie nebeneinander sieht. Aber auch die Brutzeit kann ich nicht angeben, weil ich mich wohlweislich stets gehütet habe, die seltenen Vögel während der wichtigsten Beschäftigung ihres Lebens zu stören, also auch nur durch Nachsehen zu behelligen. Etwa vierzehn Tage, nachdem immer nur einer der Vögel außerhalb des Nestes zu sehen war, bemerkte ich, daß beide weit dreister als sonst sich herandrängten, wenn Mehlwürmer gefüttert wurden, daß sie von diesen buchstäblich einen Schnabel voll packten und mit ihnen dem Neste zuflogen. Ueber den glücklichen Fortgang der Brut aber wurde ich erst versichert, als die sorgsame Mutter, nachdem sie mit Atzung dem Neste zugeflogen war, um mich so auszudrücken, die Windeln reinigte, d. h. ein zart umhäutetes Kothklümpchen ihrer Jungen getragen brachte und an einer entfernten Ecke des Käfigs niederlegte. Jetzt wußte ich nicht nur, daß Junge vorhanden waren, sondern auch, daß dieselben vortrefflich gediehen, mit einem Worte, daß im Neste Alles in bester Ordnung war. Nunmehr handelte es sich darum, den Jungen die nötige Atzung zukommen zu lassen. Das verursachte aus dem Grunde Schwierigkeiten, als in dem von meinen Glanzstaaren bewohnten Gesellschaftsraume mindestens noch zweihundert andere Vögel sich befanden, von denen kein einziger Mehlwürmer und Ameisenpuppen verschmähte, und unter denen es so arge Fresser gab, daß auch für mehrere Thaler dieser Larven zur täglichen Befriedigung der Gesammtheit nicht ausgereicht haben würden. Die Glanzstaare selbst halfen über alle Schwierigkeit hinweg. In ihrem Eifer, den Jungen die nöthige Atzung zu verschaffen, ließen sie jegliche Rücksicht vor größeren und stärkeren Vögeln, welche sie bis jetzt beherrscht hatte, schwinden, erschienen, sobald ich mich oder der Futtermeister mit der Mehlwürmerschüssel sich nahte, ungescheut und nahmen uns, so zu sagen, die Mehlwürmer aus den Händen weg. Schon nach einigen Tagen wußten sie genau, daß nur ihnen zu Liebe mehr als einmal täglich Mehlwürmer gereicht wurden; denn während alle übrigen Vögel des Raumes sich zurückzogen, wenn wir sie scheuchten, ließen sich die Glanzstaare dadurch nicht im Geringsten beirren, erkannten es im Gegentheile dankbar an, daß wir ihnen die lästigen Gesellen vom Leibe hielten. Beide Gatten des Paares waren mit gleichem Eifer thätig, wenn auch das Weibchen, wie erklärlich, immer voranging und sich nach Mutterart durch größere Fürsorge hervorthat. Höchst komisch sah es aus, daß jeder der Vögel sich bemühte, von den Käferlarven so viele wie immer möglich mit einem Male fortzutragen, wie er dabei zusammenraffte, so viel der Schnabel fassen wollte, seine liebe Noth hatte, zehn bis zwölf lebende Mehlwürmer ordentlich festzuhalten, ohne einen davon zu verlieren, und wie er beim Auffluge nach dem Nistkasten geschickt allen beabsichtigten Diebereien von Seiten anderer Vögel zu entgehen wußte.

Alles ging vortrefflich, und nach etwa drei Wochen erschienen drei wohlgestaltete Junge meist gleichzeitig mit den Köpfen an dem Eingange zum Nistkasten, sobald eines der Eltern sich zeigte. Etwa acht Tage später waren sie ausgeflogen und wenigstens so weit erstarkt, daß sie ihren Eltern überall hin folgen konnten. Das täppische Wesen, welches sie anfänglich noch zeigten, verlor sich ebenfalls bald, und schon nach Monatsfrist, vom Tage ihres Ausfliegens an gerechnet, thaten sie es den Alten vollständig gleich, ließen sich auch nur an dem gelblichen Schnabelrande von diesen unterscheiden, da ihr Gefieder, welches anfänglich an Pracht hinter dem ihrer Eltern merklich zurück war, bald den vollen Glanz und Schimmer des Alterskleides erhielt, ohne daß eine Mauser stattgefunden hätte. Nach Jahresfrist durften sie als vollkommen ausgewachsen, zeugungs- und fortpflanzungsfähig angesehen werden.

[438] Dies war das erste Mal, daß ich gefangene Glanzstaare bei ihrem Brutgeschäfte beobachten konnte, das zweite Mal überhaupt, daß sie in Gefangenschaft zur Brut geschritten waren, vorausgesetzt, daß die einzige mir bekannte Angabe über ein solches Vorkommniß überhaupt richtig ist. Gegenwärtig, während ich diese Zeilen schreibe, bauen sechs Paare, vier verschiedenen Arten angehörig, sehr eifrig, zum Beweise, daß bei geeigneter Pflege nicht allein die oben erwähnten langweiligen Körnerfresser, sondern auch Weich- und Kerbthierfresser im Käfige zur Fortpflanzung schreiten. Ich hätte somit alle Veranlassung, die Glanzstaare jedem Liebhaber auf das Wärmste zu empfehlen, gäbe es nicht ein Bedenken, den hohen Preis nämlich, in welchem diese Vögel zur Zeit noch stehen. Unter dreißig Thalern wird man kaum im Stande sein, sich ein Pärchen dieser Prachtvögel zu verschaffen; von den selteneren Arten kostet das Paar sogar vierzig bis sechzig Thaler, ein Preis, welcher unzweifelhaft Viele zurückschrecken muß, obgleich er in Anbetracht der unbeschreiblichen Pracht, des liebenswürdigen Wesens und der Dauerhaftigkeit dieser köstlichen Stubenvögel für Denjenigen, welcher auf seine Liebhaberei größere Summen verwenden kann, durchaus nicht zu hoch erscheint.




Pariser Bilder und Geschichten.


T. F.


Von Ludwig Kalisch.


Als ich voriges Jahr an einem heißen Junitage meine Wohnung verließ, begegnete ich einige Schritte von derselben einem Leichenzuge, der sich von der Rue Notre Dame de Lorette nach dem Kirchhof Montmartre bewegte. Dem Leichenzuge folgten etwa zehn Personen, unter welchen ich einen meiner Freunde bemerkte, den ich seit langer Zeit nicht gesehen hatte. An seiner Seite befand sich sein Sohn, ein junger Mann, den linken Arm in einer Schärpe tragend. Beide gingen als Leidtragende dicht hinter dem Sarg einher, was mir auffiel. Der Verstorbene, sah ich, konnte kein naher Verwandter meines Freundes gewesen sein, der sehr vermögend ist und einer sehr geachteten Familie angehört; der Sarg stand aber in einem Wagen vierter Classe, in einem Armenwagen; und die paar Leute, die denselben begleiteten, hatten ein ärmliches Aussehen. Ich näherte mich meinem Freunde, der mich bereits bemerkt hatte und meinen fragenden Blick mit der Einladung beantwortete, ihn bald zu besuchen.

Ich fand ihn, als ich mich nach einigen Tagen bei ihm einstellte, in seinem Gartenhause. Nach den ersten Begrüßungen und nachdem wir über die furchtbaren Ereignisse gesprochen, von denen Frankreich seit einem Jahre heimgesucht worden, berührte ich den Leichenzug und fragte ihn, warum sein Sohn den Arm in einer Schärpe trage?

„Setzen Sie sich,“ antwortete er, „und hören Sie geduldig zu, denn ich muß weit ausholen.“

Nachdem ich ihm gegenüber Platz genommen, begann er:

„Mein Vater war ein ebenso thätiger, als umsichtiger und wohlwollender Mann. Er hatte, wie man zu sagen pflegt, von der Pike auf gedient; denn er begann seine Laufbahn[WS 2] als armer Arbeiter und brachte es durch Fleiß und Redlichkeit, durch Sparsamkeit und intelligente Benutzung jeder günstigen Gelegenheit so weit, eine Maschinenfabrik in Belleville gründen zu können, die immer mehr an Ausdehnung gewann. Gegen Ende der zwanziger Jahre beschäftigte er an vierzig Arbeiter. Er behandelte dieselben, wie ein Vater seine Kinder behandelt, und wenn sich Einer von ihnen durch Tüchtigkeit besonders auszeichnete, so unterließ er nichts, um ihm zu einer selbständigen Stellung zu verhelfen.

Unter seinen Arbeitern befand sich damals ein Mann, der in jeder Beziehung sich vor den Anderen hervorthat. Robert Fleurant, so hieß der Arbeiter, hielt sich von seinen Cameraden, gegen die er sich gefällig und zuvorkommend zeigte, doch sehr abgeschlossen. Er verkehrte außerhalb der Werkstätte nicht mit ihnen und knüpfte auch mit keinem derselben ein längeres Gespräch an. Seine Arbeit ließ nichts zu wünschen übrig. So hatte denn mein Vater alle Ursache, mit ihm zufrieden zu sein, und er äußerte ihm auch seine Zufriedenheit zu wiederholten Malen.

Ungefähr ein Jahr war seit dem Eintritt Fleurant’s in die Fabrik meines Vaters verflossen, da wird er eines Tages aus der Werkstatt gerufen. Ein Mann von finsterem Aussehen harrte seiner vor der Thür. Fleurant ging mit ihm in eine benachbarte Schenke und kam erst nach einer Stunde wieder in die Werkstätte zurück, wo er das Versäumte nachholte. Derselbe Besuch stellte sich bald wieder ein und Fleurant entfernte sich wieder mit dem Fremden. Das fiel meinem Vater auf. Er sagte jedoch nichts, bis diese Besuche in immer kürzern Zwischenräumen auf einander folgten, die Aufmerksamkeit der Arbeiter erregten und mancherlei kleine Störungen verursachten.

Eines Abends, als fast alle Arbeiter bereits die Werkstätte verlassen hatten, lud er Fleurant zu sich in sein Bureau ein und sagte ihm: ‚Sie wissen, Fleurant, wie oft ich Ihren Vorzügen meine Anerkennung zu Theil werden ließ; ich kann indessen nicht umhin, Ihnen jetzt meinen Tadel auszudrücken. Sie verlassen seit einiger Zeit die Arbeit zu häufig, und Ihr längeres Ausbleiben von der Werkstätte in der Mitte des Tages veranlaßt viel Gerede unter Ihren Cameraden. Ich bin ein billiger, ich bin aber auch ein gerechter Mann; ich kann also nicht allzu billig gegen Sie sein, ohne allzu streng gegen meine andern Arbeiter zu scheinen. Ich gestatte keinem derselben, während der Arbeitszeit sich zu entfernen, und ich darf mit Ihnen keine Ausnahme machen. Sie wissen, daß in der Werkstätte immer frisches Wasser und etwas Wein vorhanden ist, um den Durst zu stillen. Ich sehe nicht gern, wenn ein Arbeiter selbst nach vollbrachtem Tagewerke die Weinschenken aufsucht; daß er aber sogar noch während desselben stundenlang in einer Schenke zubringe, kann ich durchaus nicht erlauben. Unterlassen Sie künftig diese Ausschreitungen, und wir werden nach wie vor Freunde bleiben.‘

Er drückte dem Arbeiter die Hand, worauf sich dieser schweigend entfernte.

Während einiger Wochen ging Alles wieder gut. Fleurant verließ in der Arbeitszeit die Werkstätte nicht wieder, und um die vorgefallene Scene vergessen zu machen, war mein Vater jetzt womöglich noch freundlicher gegen ihn als früher, zumal Fleurant seine Kräfte zu verdoppeln schien. Bald aber stellte sich der fatale Besuch wieder ein. Fleurant folgte wieder dem räthselhaften Menschen und verbrachte mehrere Stunden mit ihm während des Tages. Mein Vater konnte sich diese Besuche nicht erklären, und noch weniger war es ihm erklärlich, warum Fleurant den Störer nicht abwies. Er war schon mehrere Male im Begriff, ihn zu einer Erklärung aufzufordern und, wenn ihm diese nicht würde, sogleich zu entlassen. Allein abgesehen davon, daß ein Fabrikbesitzer nicht so leicht einen vortrefflichen Arbeiter entläßt, zögerte mein Vater auch schon deshalb, den entscheidenden Schritt zu thun, weil Fleurant zu leiden schien. Er war traurig und niedergeschlagen, und wenn er Abends allein zurückblieb, um die ihm zugewiesene und unterbrochene Arbeit zu vollenden, bemerkte mein Vater, indem er durch das kleine, an der Thür seines Schreibzimmers angebrachte Guckfenster blickte, daß Fleurant oft in der Mitte der Arbeit plötzlich innehielt, sich mit der Hand über die Stirn fuhr und minutenlang vor sich hinstarrte. Mein Vater war von Mitgefühl für den Arbeiter bewegt, und nachdem er lange überlegt hatte, auf welche Weise er ihn zu einer Aufklärung bewegen konnte, ohne ihm wehe zu thun, trat er eines Abends in die Werkstätte und ersuchte ihn in den freundlichsten Worten, sich ihm mitzutheilen.

Fleurant, der an einer Drehbank stand, hatte ruhig zugehört. Er war bleicher als sonst und schien tief gerührt von der Milde meines Vaters. Man sah ihm an, daß in seinem Innern ein Kampf entstand. Seine Lippen bewegten sich krampfhaft; er zitterte am ganzen Leibe und konnte kein Wort hervorbringen. Endlich riß er, ohne sein Schweigen auch nur durch eine einzige Silbe zu unterbrechen, seine wollene Jacke auf und zeigte die entblößte Schulter, auf welcher die Buchstaben T. F. (Travaux forcés, Zwangsarbeit) eingebrannt waren.

Entsetzt prallte mein Vater zurück.

‚Ich begreife Ihr Entsetzen,‘ sagte er, ‚aber wenn ich auch [439] zu den Galeeren verurtheilt worden und nur die Verwesung das Schandmal auf meiner Schulter auszulöschen vermag, seien Sie fest überzeugt, daß ich kein gemeiner Verbrecher bin. Ein Augenblick wahnsinniger Leidenschaft hat mich zu einer furchtbaren That hingerissen, und ich büße diesen Augenblick durch ein Leben voll Schmach und Schande. Sie sind ein humaner Mann. Wenn Sie mein Schicksal kennten, Sie würden mich gewiß eher bemitleiden als verdammen! Wollen Sie mich anhören?‘

‚Reden Sie!‘ sagte mein Vater.

‚Ich bin,‘ begann Fleurant, ‚von rechtschaffenen Eltern in einer kleinen Provinzialstadt geboren. Mein Vater war Arbeiter, ein stiller, in sich gekehrter Mann und die Gewissenhaftigkeit selbst. Er ließ mich mein Handwerk lernen und überwachte mich mit Strenge, aber ohne Härte. Er starb, als ich kaum die Lehrjahre zurückgelegt. Meine arme Mutter folgte ihm bald nach in’s Grab. Ich machte die kleine Erbschaft, die ich als einziger Sohn antrat, zu Geld, ließ mich, nachdem ich mehrere Jahre in den Werkstätten verschiedener Städte gearbeitet, als selbstständiger Arbeiter in meiner Vaterstadt nieder und gründete einen eigenen Herd. Ich ließ es an Fleiß nicht fehlen und schreckte vor keiner Anstrengung zurück. Ich liebte mein Weib über Alles, und es gab kein größeres Glück für mich, als sie glücklich zu machen. Ich verweigerte ihr keinen Wunsch; ich that Alles, was ich ihr an den Augen absehen konnte. So vergingen drei Jahre. Eines Tages, als ich aus der Werkstatt in meine Wohnung trat, sah ich einen jungen Mann, den sie mir als ihren Vetter vorstellte und den ich als ihren nahen Verwandten mit aller Herzlichkeit aufnahm. Er hatte sich, wie meine Frau mir erzählte, einiger leichtsinniger Handlungen schuldig gemacht und auf Befehl der grollenden Eltern seine Vaterstadt verlassen. Schon um meiner Frau willen gewährte ich ihm die unbeschränkteste Gastfreundschaft. Er aß an unserem Tische, und meine Börse stand ihm stets offen. Von sehr einnehmendem Aeußern, besaß er auch angenehme gesellige Talente. Er hatte eine schöne Stimme, wußte über viele Dinge fesselnd zu sprechen, und seine gefälligen Manieren machten ihn überall beliebt. Nur wollte es mir nicht gefallen, daß er sich für keinen Beruf entschied, sich keiner ernsten Thätigkeit widmete und meine Gastfreundschaft als eine Sache, die sich von selbst versteht, monatelang in Anspruch nahm, ohne auch nur das geringste Unbehagen merken zu lassen, das eine abhängige Lage doch auf die Länge in einem zartfühlenden Menschen hervorrufen muß. Ich bemerkte dies meiner Frau und äußerte dabei, daß ich es gern sehen würde, wenn Eduard – so hieß ihr Vetter – sich zu irgend einer regelmäßigen, geordneten Thätigkeit entschlösse, um sein Brod zu verdienen und eine Selbstständigkeit zu erlangen, die jeder ehrenhafte Mann vor allen Dingen erstreben müsse.

Ich hatte diese Bemerkung gemacht, nicht sowohl, weil ich des Gastes überdrüssig war, sondern vielmehr, weil mir seine Unthätigkeit mißfiel und ich ihm wohlwollte. Meine Frau schien jedoch durch meine Worte verletzt, beantwortete dieselben durch einige beißende Bemerkungen und verließ das Zimmer. Als ich Abends von der Arbeit wieder heimkehrte, hatte der junge Mann bereits mein Haus verlassen. Meine Frau erwiderte meinen Gruß mit eisiger Kälte, und ich mußte ihr bei Tische jede Silbe abzwingen. Ich suchte sie durch die sanftesten Bitten zu begütigen. Nichts aber verschlug. Unser Hausfrieden war für immer dahin.

Mehrere Wochen vergingen. Der Groll, den meine Frau in den ersten Tagen nach dem Scheiden Eduard’s gezeigt, war gewichen; sie zeigte mir aber jetzt eine Gleichgültigkeit, die mich noch tiefer verletzte. Die Ordnung, die ehedem in meinem Hause geherrscht, verschwand immer mehr, und statt wie bisher nach gethaner Arbeit mich auf den Abend zu freuen, betrat ich jetzt, wenn ich aus der Werkstätte kam, mit schwerem Herzen meine Thürschwelle. Dies Leben ward mir am Ende unerträglich. Eines Tages vernahm ich, daß der junge Mann eine Wohnung in einem abgelegenen Stadttheil genommen und daß meine Frau ihn oft sähe. Tausend Furien regten sich in meinem Herzen. Ich stellte mich jedoch ruhig und gelassen. Am folgenden Tage unterbrach ich meine Arbeit, und als ich meine Frau nicht zu Hause antraf, begab ich mich nach der Wohnung Eduard’s. Ich horchte an der Thür; ich hörte die Stimme meines Weibes. Ich weiß noch heute nicht, wie ich in das Zimmer gelangte, wo ich über die mir widerfahrene Schmach keinen Zweifel mehr hegen konnte. Von wilder Wuth gepackt, ergriff ich ein Messer und – zu meinen Füßen verröchelte der Schänder meiner Ehre.

Ich suchte nicht der Gerechtigkeit zu entgehen, sondern lieferte mich selbst in ihre Hände. Meine blutige That wurde von ihr als Mord mit Vorbedacht erklärt und ich ward zu zehnjähriger Zwangsarbeit verurtheilt. Ich war aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen, und die rächende Justiz sorgte dafür, daß ich nie wieder in dieselbe eintreten konnte, ohne mich als einen Auswurf der Menschheit, als ein von Allen zu fliehendes Scheusal betrachtet zu sehen. Der Henker brannte mir mit einem glühenden Eisen das unauslöschliche Schandmal auf die Schulter ein und ich wurde in’s Bagno von Brest abgeführt. Hier schor man mir sogleich das Haar kurz, auch mußte ich die rothe Jacke anziehen und die rothe wollene Mütze aufsetzen. An diese Mütze ward eine mit einer Nummer versehene Blechplatte befestigt. Ich hatte keinen Namen mehr; ich war jetzt nur eine Ziffer. Dies Alles war schrecklich genug; das Schrecklichste aber sollte noch kommen. Es wurde mir ein eiserner Ring um den Fuß geschmiedet und an diesen die schwere Kette gefügt, die mich nicht nur selbst, sondern auch an einen Andern fesseln sollte. Ich wurde nämlich mit einem Verbrecher zusammengekettet und von demselben nur während der Arbeit im Hafen und während der Tageszeit getrennt. Jeden Abend aber, unmittelbar bevor wir die Pritsche aufsuchen mußten, wurden unsere beiden Fesseln durch eine dritte verbunden, die sich an einem dicken eisernen, auf dem Steinboden angebrachten Ringe befand, so daß wir Beide aneinander und zugleich an den Boden gekettet waren. Alles, was ich bis jetzt gelitten, alle Körperqualen, alle Seelenleiden waren doch noch erträglich im Vergleich zu dem empörenden Gefühl, das der Geselle in mir erweckte, von dessen Seite ich nicht mehr kommen konnte. Er war wegen mehrerer Fälschungen verurtheilt worden und hegte einen solch tiefen Haß gegen die Menschheit, daß er tausend Rachepläne entwarf, die er nach seiner Freilassung auszuführen beschloß. Der Ekel, den dieser Mensch in mir erweckte, ist unbeschreiblich und ich war oft in Versuchung, meinem finstern Dasein ein Ende zu machen. Ich nahm mir indessen vor, kein Wort mehr mit ihm zu wechseln, und beharrte auf meinem Vorsatz.

Achtzehn Monate verstrichen auf diese Weise. In Anbetracht meines guten Betragens ließ man mich nun mit der sogenannten „Chaine-brisée“ arbeiten, mit der Kette nämlich, die über dem Schenkel am Gürtel, und unten am Knöchel an dem eisernen Ring befestigt ist. An einem Augusttage, als ich im Hafen arbeitete, sah ich etwa hundert Schritte von mir einen jungen Menschen in’s Wasser stürzen und schreiend gegen den Wellentod kämpfen. Ohne mich einen Augenblick zu bedenken, sprang ich in’s Wasser und es gelang mir, den Besinnungslosen an’s Ufer zu bringen, wo er sich bald erholte. Diese That wurde mir gut angerechnet, und am nächsten Geburtstag des Königs befand ich mich auf der Liste der Begnadigten.

Ich war wieder frei. Allein die Freiheit eines entlassenen Galeerensträflings ist nicht Freiheit zu nennen. Den Menschen flößt seine erlittene Strafe einen noch heftigeren Schauder ein, als sein Verbrechen. Wer ihn erkennt, flieht ihn wie die Pest. Unaufhörlich wird er von der Angst gefoltert, man könnte seiner Vergangenheit auf die Spur kommen, und nicht selten ist es gerade diese Angst, die ihn verräth. Ich kehrte nicht nach meiner Vaterstadt zurück, sondern ging sogleich nach Paris, wo ich verborgen lebte, bis mein Haar lang gewachsen war. Inzwischen hatte ich mir aus meiner Heimath eine Empfehlung zu verschaffen gewußt, die mich bei Ihnen einführte. Sie nahmen mich freundlich auf und es gelang mir, Sie zufrieden zu stellen. Ich vermied jeden engeren Umgang und suchte nach vollbrachter Arbeit meine vier Pfähle auf. Nach und nach kehrte ein stiller Frieden in mein Herz ein. Da begegne ich eines Abends auf dem Heimwege dem Elenden, mit dem ich im Bagno zusammengekettet gewesen. Ich wollte rasch um die Ecke biegen; es war zu spät. Er hatte mich erkannt und eilte auf mich zu mit den Worten: ‚Endlich find’ ich Dich, Camerad! Ich dachte mir’s, daß Du in Paris lebst und einen tugendhaften Wandel führst. Nun, Deine Tugend wird einem alten Bekannten einen kleinen Dienst nicht versagen. Ich brauche Geld.‘

Ich gab ihm, was ich in der Tasche hatte, und riß mich los.

[440] ‚Ich werde Dich zu finden wissen,‘ rief er mir nach. ‚Auf Wiedersehen!‘

Schon nach einigen Tagen lauerte er wir wieder auf und stellte abermals an mich dasselbe Begehren. Ich würdigte ihn keiner Antwort und eilte nach meiner Wohnung. Meine so lange ersehnte Ruhe war dahin. Mein Schicksal lag jetzt in den Händen des Verruchten, der mich am folgenden Morgen aus der Werkstätte rufen ließ und mir grinsend sagte, daß er mich Ihnen sogleich verrathen würde, wenn ich mich nicht mit ihm abfände. Wieder gab ich ihm, was ich besaß. Seine Besuche häuften sich, und was ich sauer verdiente, ging in seine Hände. Seine Einladungen, mich ihm anzuschließen und zum Diebe zu werden, wurden immer dringender und führten zu langen Unterredungen, die mich von der Arbeit zurückhielten. Ich erregte Ihre Unzufriedenheit und war in Verzweiflung. Wie oft wollte ich Ihnen, der Sie so wohlwollend gegen mich waren, Alles bekennen! Allein ich schauderte vor dem Schritte zurück, welcher Ihnen in dem Arbeiter, den Sie schätzten, einen entlassenen Galeerensträfling enthüllen sollte. Am Ende aber wurde mir das Verhältniß Ihnen gegenüber unerträglich. Ihr gegenwärtiger Besuch hat mich zur Entscheidung gedrängt.

Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen und scheide jetzt aus Ihrem Hause, um es nicht wieder zu betreten; seien Sie aber überzeugt, daß ich die Güte, die Sie mir bewiesen, niemals vergessen werde.‘

Er schwieg und wollte gehen. Mein Vater, auf’s Tiefste ergriffen und von Mitleid mit dem Unglücklichen bewegt, hielt ihn jedoch zurück.

‚Verlassen Sie nicht meine Fabrik,‘ sagte er ihm, ‚wo Ihnen ein Stück ehrlich erworbenes Brod gesichert ist, und stürzen Sie sich nicht in die Welt hinaus, wo Ihnen vielleicht nur die furchtbare Wahl zwischen Verbrechen und Selbstmord übrig bleibt. Versprechen Sie mir, sich morgen wieder zur Arbeit einzustellen, und lassen Sie mich für das Weitere sorgen.‘

Fleurant wollte noch einige Einwendungen machen; mein Vater drang ihm aber endlich das Versprechen ab und zog sich in sein Zimmer zurück, wo er eine schlaflose Nacht verbrachte. Am folgenden Morgen trug er seinem Bedienten auf, sorgfältig aufzupassen und ihn gleich davon zu benachrichtigen, wenn ein Mensch sich einstellte und nach Fleurant fragte, Diesem aber nichts davon zu sagen.

Fleurant kam am nächsten Tage zur Arbeit und wurde während einer Woche nicht weiter behelligt. Eines Nachmittags aber kündigte der Bediente meinem Vater an, daß der Mann, der so oft Fleurant besucht hatte, Diesen im Hofgange erwarte.

Mein Vater begab sich schnell in den Gang, und indem er dicht vor den unheimlichen Menschen trat, sagte er ihm: ‚Ich weiß, wer Ihr seid und was Euch zu diesem Besuche veranlaßt. Es hängt von mir ab, Euch sogleich den Händen der Justiz zu überliefern. Ich will Euch jedoch schonen. Merkt Euch aber, daß, wenn Ihr diese Schwelle wieder betretet oder sonstwo Euch Fleurant nähert, Ihr sogleich das lose Gewerbe zwischen dicken Mauern bereuen werdet!‘

Mit einem unverschämten höhnischen Blicke und mit einem leichten Achselzucken ging der Bursche seines Weges, und mein Vater war, wie er mir später selbst sagte, sehr zufrieden, ihn auf die erwähnte Weise abgefertigt zu haben. Er sah aber zu seinem tiefsten Leidwesen allzu bald, daß er sich überstürzt hatte; denn schon am andern Morgen theilte ihm sein Werkmeister mit, daß mehrere Arbeiter am gestrigen Abende durch einen Unbekannten die Vergangenheit Fleurant’s erfahren; jetzt wüßten es auch die Uebrigen und seien entschlossen, die Arbeit einzustellen, wenn er nicht sogleich entlassen würde. Die Verlegenheit meines Vaters war groß, und ohne zu wissen, welche Maßregeln er ergreifen müsse, um sich die Arbeiter zu erhalten und zugleich Fleurant nicht der Verzweiflung auszusetzen, befahl er dem Werkmeister, die Leute mit der Versicherung zu beruhigen, daß Alles zu ihrer Genugthuung geschehen würde.

Mein Vater, der den Unglücklichen hatte retten wollen, machte sich die bittersten Vorwürfe und malte sich dessen verzweiflungsvolle Lage mit den schwärzesten Farben aus. Während er nun am Abende in seinem kleinen Schreibzimmer sich der äußersten Niedergeschlagenheit überließ, trat Fleurant ein.

‚Sie wissen, daß der Niederträchtige mich verrathen,‘ begann er. ‚Ich habe die Werkstatt verlassen; aber bevor ich auf immer aus Ihrem Hause scheide, will ich Ihnen für die Theilnahme danken, die Sie mir bewiesen. Ich werde Ihre Menschenfreundlichkeit niemals vergessen.‘

Er wollte gehen.

‚Ich kann Sie so nicht scheiden lassen, Fleurant,‘ sagte mein Vater. ‚Ich habe mir Vorwürfe zu machen; denn ich habe unüberlegt gehandelt, und anstatt Sie zu retten, habe ich Sie vielleicht dem Untergange preisgegeben. Was gedenken Sie jetzt zu thun?‘

‚Ich weiß nicht,‘ erwiderte er, indem sein Gesicht sich verfinsterte.

‚Das ist’s eben, was mich beunruhigt,‘ sagte mein Vater. ‚Hier ist Ihres Bleibens nicht mehr,‘ fuhr er fort. ‚Gehen Sie nach der neuen Welt. Sie sind ein vortrefflicher Arbeiter und werden dort bald ein Unterkommen finden. Vielleicht gelingt es Ihnen dort, sich auf eigene Füße zu stellen. Nehmen Sie diese Summe, die Ihnen die Reise möglich machen wird.‘

Fleurant weigerte sich, das Geld anzunehmen, indem er bemerkte, daß er nicht entschlossen zu dieser Reise sei, und erst nach einer langen Unterredung nahm er es als Darlehn an. ‚Ich bin Ihr Schuldner,‘ sagte er, ‚und ich weiß nicht, ob ich jemals im Stande sein werde, diese Schuld abzutragen. Ich schwöre Ihnen aber, daß ich niemals, wie düster auch meine Zukunft sein möge, mich zu einem Verbrechen werde hinreißen lassen. Ich habe nur noch eine Bitte. Erlauben Sie mir, Ihnen schriftlich oder mündlich von mir Nachricht zu geben?‘

‚Mein Haus wird niemals einem rechtschaffenen Manne verschlossen sein,‘ sagte mein Vater.

‚Und nur als solchen werden Sie mich wiedersehen, wenn Sie mich jemals wiedersehen,‘ betheuerte Fleurant. –

Mehrere Monate verstrichen. Alles ging wieder in meinem väterlichen Hause seinen geregelten Gang. Mein Vater war überzeugt, daß Fleurant nach Amerika gegangen, als dieser eines Abends in’s Schreibzimmer meines Vaters trat.

‚Sie sind noch immer hier?‘ rief mein Vater erstaunt.

‚Ich komme, Ihnen meine Schuld abzutragen,‘ sagte Fleurant, indem er eine Geldrolle auf das Schreibpult legte. ‚Das ist indessen blos die Geldschuld,‘ fügte er hinzu; ‚denn was das Wohlwollen betrifft, das Sie mir bezeigt haben, dafür werde ich immer Ihr Schuldner bleiben.‘

‚Sie haben also ein Unterkommen gefunden?‘ fragte mein Vater.

‚Seit drei Monaten bin ich in der Brigade de Sureté angestellt.‘

Mein Vater fuhr erschrocken vom Sessel auf.

Die ‚Brigade de Sureté‘ war nämlich eine aus entlassenen Dieben und sonstigen abgefeimten Sträflingen zusammengesetzte Sicherheitspolizei, die unter dem Befehl des berüchtigten Vidocq stand und deren Späheraugen kein Verbrecher leicht entging.

‚Ich hätte Ihnen meine jetzige Thätigkeit verschweigen können,‘ sagte Fleurant, die Empfindung meines Vaters bemerkend; ‚allein ich achte, ich verehre Sie viel zu sehr, als daß ich Ihnen nicht die lautere Wahrheit gestehen sollte. Das Amt, das ich jetzt versehe, erstreckt sich indessen nicht auf Taschendiebe; noch viel weniger verstehe ich mich dazu, politische Gespräche zu belauschen und den Mouchard zu machen. Ich fahnde blos auf jene entlassenen, unverbesserlichen Galeerensträflinge, die sich in Paris herumtreiben, die Unglücklichen ausbeuten, die mit ihnen in den Bagnos gewesen, und diese vom Wege der Besserung abhalten und wieder zum Verbrechen verleiten wollen. Ich leiste dadurch der Gesellschaft einen Dienst und befriedige dabei – ich will es offen gestehen – ein unwiderstehliches Rachegefühl.‘

‚Sind Sie dem Menschen auf die Spur gekommen, der Sie aus meinem Hause trieb?‘ fragte mein Vater.

‚Sein Handwerk ist ihm gelegt. Er ist bereits seit drei Wochen in festem Gewahrsam und wird wohl eine lange Reihe von Jahren in demselben verbleiben,‘ sagte Fleurant.

‚Und fürchten Sie in Ihrer jetzigen Laufbahn nichts für Ihr Leben?‘ fragte mein Vater wiederum.

‚Ich bin stark und nicht ohne Waffen,‘ erwiderte Jener, einen langen Dolch aus einer Seitentasche ziehend.

‚Es ist doch kein Blut daran?‘ rief mein Vater entsetzt.

Bis jetzt noch nicht,‘ antwortete Fleurant.

[441] Meinem Vater war es ganz unheimlich zu Muthe. Er suchte die Unterhaltung abzukürzen, und als Fleurant schied, lud er ihn nicht zum Wiedersehen ein. Fleurant ließ sich auch niemals wieder sehen. In unserer Fabrik ward nach Jahren noch von ihm gesprochen, aber von Arbeitern, die ihn nicht gekannt. Man dichtete ihm allerlei Abenteuer an, so daß er endlich zum sagenhaften Helden wurde. Ich, der ich ihn als zwölfjähriger Knabe in unserem Hause gesehen, erinnerte mich seiner Gestalt noch sehr gut und ich hörte mit Interesse zu, so oft mein Vater von ihm sprach. –

Manches Jahrzehnt ist seitdem dahingeschwunden. Mein guter Vater ruht längst im Grabe, und bei der Sorge um eine zahlreiche Familie tauchten die Bilder aus meiner ersten Jugend immer seltener in meiner Erinnerung auf. Da brach der furchtbare, für Frankreich so verderbenvolle Krieg aus, und als ob dieser Krieg noch nicht genug des Unglücks, des Elends, des Jammers über mein armes Vaterland gebracht hätte, zerfleischten sich Frankreichs Söhne untereinander. Auf den blutigen Winter folgte ein blutigerer Frühling. Der Wonnemonat wurde für uns Pariser ein Monat des Schauders und des Schreckens. Der Donner der Kanonen, das Geknatter der Chassepotgewehre hatte die Vögel aus den blühenden Zweigen der Elyseischen Felder verscheucht, und wo sonst sich Schaaren fröhlicher Spaziergänger drängten, lagen jetzt Sterbende und Leichen durcheinander. Mit angstgequältem Herzen legte man sich zu Bette, und wenn der Morgen anbrach, sah man zitternd und zagend dem kommenden Tage entgegen. Die Stunde der Entscheidung rückte indessen immer mehr heran.

Es war Dienstag am dreiundzwanzigsten Mai. Man schlug sich im Faubourg St. Honoré und auf den Barricaden in der Rue Royale, wo bereits viele Häuser in Flammen standen. Mein Sohn hatte, ohne mich zu fragen, das Haus verlassen, um eine uns verwandte Familie zu besuchen. In der Rue St. Lazare wollte er wieder umkehren, als ein Föderirter ihn faßte und ihn zum Kampfe schleppen wollte. Beide rangen mit einander, und schon wollte der Föderirte von seiner Waffe Gebrauch machen, als ihm eine Faust in’s Genick fuhr und ihn bewußtlos zu Boden stürzte. In demselben Augenblick jedoch knallte ein Schuß, der dem Befreier meines Sohnes den rechten Schenkel verletzte und ihn taumeln machte, ohne ihm indessen die Geistesgegenwart zu rauben. Es war ein hochgewachsener, breitschulteriger Greis mit schneeweißen Haaren.

‚Tragt mich nach meiner Wohnung!‘ sagte er zu den Leuten, die inzwischen herbeigekommen. Mein Sohn, der sich im Zweikampfe den linken Arm verstaucht hatte, war einer Ohnmacht nah. Er ermannte sich aber und gewann einige Männer, die unter seiner Begleitung den Verwundeten nach seiner Wohnung in der Rue Maubeuge trugen. Diese Wohnung befand sich im fünften Stock und bestand aus einem kleinen Zimmer und einem Alkoven. Der Greis nannte sich François. Mein Sohn ließ sogleich einen Chirurgen kommen, der die Wunde verband und dieselbe nicht für gefährlich erklärte. Nachdem er auch seinen Arm verbinden lassen, empfahl er im Hause, seinen Lebensretter auf’s Sorgsamste zu pflegen, kehrte auf vielen Um- und Nebenwegen in’s Haus zurück und erzählte mir, was ihm widerfahren.

So gefährlich es auch war, an dem genannten Tage das Stadtviertel zu besuchen, in welchem der Verwundete wohnte, so besann ich mich doch nicht lange und eilte zu ihm, um ihm für die Rettung meines Sohnes zu danken. Ich fand ihn auf dem Bette liegend und eine Pfeife rauchend. Auf meine Danksagungen erwiderte er, daß er seine Pflicht gethan und nichts mehr, daß seine Wunde unbedeutend sei, da die Kugel blos einen Muskel gestreift.

Ich sagte ihm, daß es mich freue, dies zu vernehmen, daß die Gefahrlosigkeit seines Zustandes jedoch meine Dankbarkeit nicht vermindere. ‚Lassen Sie sich nichts abgehen!‘ schloß ich. ‚Ich werde Sie morgen wieder besuchen, und sollten Sie inzwischen etwas bedürfen, so schicken Sie nur zu mir.‘

Ich legte meine Karte auf den Tisch und nannte meinen Namen und meine Wohnung.

Kaum aber hatte ich meinen Namen ausgesprochen, als der Greis sich schnell aufrichtete und rief: ‚Sie sind George H …, der einzige Sohn des Fabrikanten Claude H …?‘

‚Der bin ich!‘ sagte ich.

‚So habe ich das Glück gehabt, die Wohlthaten des Großvaters an seinem Enkel zu vergelten!‘ rief er. ‚Ich bin Fleurant!‘

‚Sie nennen sich jetzt François?‘ fragte ich, nicht wenig überrascht.

‚Ich habe meinen Namen mehrere Male geändert,‘ sagte er mit einem Seufzer. ‚Ich heiße weder François, noch Fleurant.‘

Ich wollte keine unangenehme Erinnerungen in ihm erwecken und schwieg.

Er fing wieder an von meinem Vater zu sprechen und äußerte, daß dessen Tod ihm viel Kummer verursacht habe.

‚Sie wissen also, daß mein Vater gestorben?‘ fragte ich.

‚Ich habe der Beerdigung beigewohnt,‘ sagte er; ‚und ich glaube nicht, daß sein Tod irgend Jemandem mehr zu Herzen gegangen als mir.‘ –

Ich sah ihn jetzt täglich. Aber statt schnell zu genesen, wie ich gehofft, ward er täglich schwächer. Vor vierzehn Tagen sagte er ruhig, ja fast heiter: ‚Es geht mit mir zu Ende. Ich habe in einem Augenblick der Leidenschaft einen Mord begangen; doch habe ich zwei Menschen vom Tode gerettet. Ich hoffe, daß mir dies da oben gut angeschrieben ist. Glauben Sie nicht?‘

Ich nickte bejahend.

Als ich am folgenden Abend in seine Wohnung trat, fand ich ihn nicht mehr unter den Lebenden.

Sie wissen nun, wer der Mann war, dem ich mit meinem Sohne die letzte Ehre erwiesen.“

„Ihre Erzählung hat eine Lücke,“ bemerkte ich. „Was ist aus Fleurant’s Gattin geworden?“

„Er hat mir kurz vor seinem Tode zu wiederholten Malen eine alte, fast erblindete Frau dringend empfohlen,“ sagte mein Freund. „Ich habe dieselbe sogleich aufgesucht und sie aus ihrem engen Dachstübchen im Faubourg St. Antoine in eine Pension bringen lassen, wo sie ihre letzten Lebenstage sorgenlos zubringen wird. Den Schleier, der ihre Vergangenheit deckt, mag ich nicht lüften.“ –




Eine schöpferische Ohrfeige.


Die Ansbachschen Jungen von Anno 1806 ließen es sich natürlich nicht nehmen, offenen Mundes am Straßenrande den einziehenden Franzosen zuzusehen oder vielmehr den Marodeurbanden, welche dem Heerkörper voraufzogen. Es war dies ein nichtsnutziges Gesindel, und leider! es waren Deutsche! – Ein kleiner langaufgeschossener Kerl von etwa sechs Jahren, der Führer der Jungenschaar, der in dem damals gut preußischen Ansbach schon mit der Muttermilch echte nationale Gesinnung eingesogen hatte, theilte seinen Genossen in wenig respectvollen Worten seine Empfindungen beim Anblick dieser Horden mit. Da brannte aber auch rasch eine gewaltige Ohrfeige auf seine Wange. Einer der struppigen Söldnerschaar hatte sie dem Knaben verabreicht, und die schmerzhafte Thatsache belehrte den Kleinen, daß die Einziehenden Landsleute seien in des fremden Eroberers Solde.

Diesen Schlag in’s Gesicht hat der lebhafte Junge niemals vergessen. Er entzündete in des Knaben Seele eine Flamme des Hasses gegen die fremdländischen Eindringlinge, welche noch heute in dem Greise lebendig brennt, und tiefe Beschämung bemächtigte sich seiner bei der Entdeckung, daß Männer, welche des Knaben liebe Muttersprache redeten, sich hergaben zur Unterdrückung und Bekämpfung des eigenen Vaterlandes. Auf eigene Hand mit Hülfe einiger wagehalsiger Cameraden fing er schon damals an, den National-Feind zu bekämpfen. Steine und Hopfenstangen waren die Waffen der kleinen Helden, und als sie eines Tages

[442]

In der Geburtsstätte des Hermann-Denkmals.
Nach der Natur aufgenommen von Professor Oesterley in Hannover.

[443] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [444] die Gypsbüste des gewaltigen Napoleon auf offener Straße zur Zielscheibe ihrer Wurfgeschosse machten, bewahrte sie nur ihre Jugend vor der härtesten Strafe.

Jener muthige Knabe war Joseph Ernst von Bandel, der spätere Schöpfer des Hermannsdenkmals auf der Grotenburg im Teutoburgerwalde. Er war der zweite Sohn des damaligen preußischen Regierungsdirectors Ritter von Bandel zu Ansbach, der nach der Abtretung Ansbachs an Baiern daselbst als Appellations-Gerichts-Director sein Leben beschloß. Bis zu seinem vierzehnten Lebensjahre blieb der kleine Bandel (geboren 17. Mai 1800) auf dem Gymnasium zu Ansbach, besuchte alsdann die höhere Realschule zu Nürnberg, welche damals unter Direction Heinrich von Schubert’s stand, und bezog 1816 die Akademie der bildenden Künste zu München, wo er unter die specielle Leitung C. von Vischer’s kam, des Erbauers des großen Münchener Hoftheaters.

Während der künstlerisch hochbegabte Knabe mit brennendem Eifer seinen Kunststudien folgte, vergaß er nicht mit hellem Enthusiasmus der sich vollziehenden Befreiung des deutschen Vaterlandes zu folgen. Selbst die Waffen zu tragen, erlaubte ihm seine zu große Jugend nicht, aber mit Wort und Griffel gab er schon damals Kunde von der Begeisterung, mit welcher ihn die nationalen Kriegsthaten erfüllten, und vorahnend träumte er von der dereinstigen hehren Größe des einigen großen Deutschland. Selbst in den Jahren des ärgsten Zerfalls der deutschen Staaten unter einander hat den Mann und Greis diese Hoffnung seiner Jugend nimmer verlassen. Gläubig harrte er des Moments, wo jener Traum sich verwirklichen werde, und Glaube und Hoffnung haben ihn nicht getäuscht. Das Jahr 1871 hat die Erfüllung gebracht, die Erfüllung, ehe noch das große Werk fertig war, das der Künstler seinem geliebten Vaterlande, seinem deutschen Volke als mächtigen Mahnruf hinstellen wollte: stark zu sein und einig, frei durch Einigkeit und Stärke, und so die erste und stolzeste Nation des Erdballs! –

Wer in den letzten anderthalb Jahren mit der Eisenbahn von Osten oder Süden in den Bahnhof zu Hannover einfuhr, sah unmittelbar vor der Einfahrt in demselben zur Rechten ein seltsames Gerüst sich erheben. Kraus und wirr strebten in einander geschobene Balken zu beträchtlicher Höhe empor, die Firsten der umliegenden großen Fabrikgebäude überragend. Gar Mancher hat nach Zweck und Bestimmung des seltsamen runden Baues gefragt, Wenige haben zutreffende Antworten erhalten, Niemand hat erfahren, daß dies Gerüst und eine vor mehr als einem halben Jahrhundert ertheilte Ohrfeige in inniger Beziehung zu einander stehen.

Der Schlag eines deutsch-französischen Söldners in das Gesicht eines Knaben war bestimmt, das ganze große künstlerische Schaffen eines Menschenlebens einer einzigen Idee zuzuwenden, einer Feuerseele die fast übermenschliche Kraft zu geben, unter einer Kette von Mißerfolgen und Täuschungen, unter gewaltigen Opfern von Arbeit und Geld ein ganzes reiches Leben der Verwirklichung eines Plans zu widmen, der die Wurzeln seiner Existenz in jener Ohrfeige hatte.

Das Gefühl der ihm, dem sechsjährigen Knaben, angethanen Schmach hat weder den Jüngling, noch den Mann, noch den Greis verlassen. Er wollte, daß nie wieder eines deutschen Knaben Wange von der Hand eines ausländischen Feindes entehrt werde, und deshalb wollte er durch ein gewaltiges Werk dem deutschen Volke die eigene Kraft vor Augen führen. Er wollte, wie er selbst in einer früher erschienenen Schrift sagt, „dem alle deutschen Herzen durchströmenden Freiheitsbewußtsein ein festes sichtbares Zeichen geben“ – er wollte „unser altes deutsches Schwert, das dem Feinde Schrecken und Verderben bringt, wieder aufpflanzen, damit es wieder und immer wieder am deutschen Himmel im herrlichen Glanze der Freiheit leuchte und sich als Haltepunkt unseres Seins bewähre, wenn es, von echt deutscher Faust erhoben, unsere Stämme in Treuinnigkeit um sich schaart“.

Der Jüngling half dem Meister Vischer in München als Architekt am Bau des Theaters unter Aufbietung seines ganzen Fleißes; er machte dann einen Cursus in der Malerei durch, um sich darauf gänzlich der Bildhauerkunst zuzuwenden, und pilgerte endlich wiederholt nach Italien – niemals aber, indem überall Entwürfe zu künstlerischen Werken des Meißels unter seiner Hand entstanden, verließ ihn die große Idee, dem deutschen Volke ein Denkmal seiner Macht, seiner Stärke zu geben.

Und als der Künstler sich zu voller Manneskraft gereift fühlte, als er das sechsunddreißigste Lebensjahr erreicht hatte, da warf er alles Andere von sich, um der Verwirklichung dieser einen großen Idee einzig und allein sein ganzes übriges Leben zu widmen. Bandel ging zunächst nach Berlin und fertigte dort ein Modell seiner Hermannsstatue an. Dann ging er nach Hannover, um einige Arbeiten, die ihm übertragen, auszuführen. Er nahm diese Aufträge hauptsächlich aus dem Grunde an, um dem Teutoburger Walde näher zu sein, diesem von ihm für sein Denkmal ausersehenen Standorte. Er durchwanderte das schöne Gebirge zu Fuß von einem Ende bis zum andern. Mühselig verschaffte er sich Blicke von allen Aussichtspunkten, und erkor endlich den tausendzweihundert Fuß hohen Gipfel des Teutberges, die sogenannte Grotenburg, zum Aufstellungsorte für seinen Hermann. Hier sollte sich der Unterbau für die Statue erheben, ein Zwanzigeck mit halbkreisförmiger Kuppel, auf ihr die Statue. „So stehe,“ sagt der Künstler selbst, „in jugendlicher Frische, im Siegesbewußtsein Hermann, das freie Schwert in kräftiger Faust hoch erhoben, zum gewaltigen Schlage bereit, das Sinnbild unserer ewig jungen Kraft, auf den Schild gestützt, die unter die Füße getretenen Zeichen des Sieges nicht achtend, hoch durch ein deutsches Bauwerk empor getragen über den Gipfel des schönsten Berges in der Mitte des Gaues, in dem Hermann’s gewaltige Schlachten geschlagen wurden, weit hinaus schauend in’s ‚freie Vaterland‘ und von weitester Ferne gesehen, ein Wegweiser zur Stätte unsers Ruhms und zur Erkenntniß unserer Macht und Herrlichkeit!“

Vom Jahre 1838 an begann dann diese wunderbare Odyssee von Ringen und Kämpfen, Erfolgen und Mißerfolgen, Gunst und Ungunst, welche wohl nur einmal in der Geschichte von einem Manne für die Verwirklichung einer ähnlichen Idee durchgemacht wurde. Dies Ringen und Kämpfen hat nun fast vierzig Jahre gedauert, und erst jetzt steht die endliche Vollendung des schönen Planes nahe bevor. Um den Unterbau auf der Grotenburg beginnen zu können, mußte Bandel erst den Platz säubern und zubereiten, einen Steinbruch entdecken, um das nöthige Baumaterial zu heben, die Wagen erfinden, um die Werkstücke transportiren zu können, die Gerüste construiren, welche den Bau thunlichst erleichterten, und schließlich sich selbst die nöthigen Arbeiter heranziehen und bilden, die für seine Zwecke und nach seinen Angaben arbeiten konnten. In Blockhäusern lebte er mit und unter seinen Arbeitern im Walde, auf dem Gipfel des Berges. Jede Entbehrung legte der willensstarke Mann sich auf, um zu seinem Ziele zu kommen, und am wenigsten bekümmerte es ihn, daß er sein Vermögen und mit diesem seine behaglichere Zukunft opferte. Zu Ende des Sommers 1846 endlich stand der fünfundneunzig Fuß hohe Unterbau zum Denkmal vollendet da und ragt, ein vielbesuchtes Reiseziel, hinaus in die Lande.

Wer, wie so mancher Reisende in den letzten Jahren, jenem obenbezeichneten wunderlichen Gerüste nachging, gelangte in einen ziemlich weiten, von kleinen, nicht gerade bequemen Werkstätten umgebenen Hof. In ihm, auf kuppelförmigem Rundbau, erhebt sich jenes Balkengewirr. Neben demselben liegen wunderliche, gewaltige Stücke der Rüstung eines Riesen. Es ist, als wäre eben einer jener gewaltigen Recken der nordischen Sage zu Hause angelangt und hätte sich seiner unbequemen Rüstungsstücke entledigt. Es sind die einzelnen in Kupfer getriebenen Theile der Hermannsfigur. Gerade aus winkt die offene Thür einer Werkstätte, und aus ihr tönt wuchtiger Hammerschlag. Dort ist die Arbeitsstätte des Künstlers. Wem es von den Besuchern just glückt, der begegnet sehr bald einem Manne von schlanken elastischen Formen, fast sechs Fuß groß, der raschen Schrittes dem Besucher entgegentritt. Neben ihm schreitet gemächlich ein schöner gewaltiger Leonberger, der Wächter der Stätte, während ein schönbehaarter, aber durch alterliche Fülle schwerfälliger Wachtelhund, eiligst watschelnd, vergeblich mit dem Herrn und Meister, dessen Liebling er ist, Schritt zu halten sucht. Es ist Meister Bandel selbst, der freilich ungern sich in seiner fleißigen Arbeit stören läßt, aber doch mit ungemeiner Freundlichkeit dem Fremden die Stätte seiner Arbeit und diese selbst, so weit es möglich ist, zeigt.

Bandel hat sich fast volle jugendliche Frische bewahrt, sein Wort klingt hell, seine Rede fließt frisch und energisch dahin. Das scharfgezeichnete künstlerisch schöne Profil ist vollständig umbuscht [445] von einem ergrauenden röthlich-blonden Barte. Unter den gleichfarbigen buschigen Augenbrauen blitzen die graublauen Augen scharf und lebendig hervor. Das kahl werdende Haupt deckt ein Sammetmützchen. So ist die äußere Erscheinung des Meisters.

Der künstlerische Genosse und Freund desselben, der weitbekannte und vielgenannte Historien- und Portraitmaler Professor Oesterley, giebt auf der trefflichen nebenstehenden Zeichnung ein ungemein ähnliches Bild Bandel’s, sowie eine ebenso reizvoll lebendige als wahre Darstellung seiner Umgebung. Und wo der Griffel unseres berühmten Landsmannes spricht, darf unsere schwache Feder getrost ruhen. Wir wollen zu dem Bilde selbst nur noch bemerken, daß der Künstler Alles genau im Verhältniß gezeichnet hat, so daß man sich eine völlig zutreffende Vorstellung voll der Größe der einzelnen Stücke machen kann. Das sonderbare Ding oben in der Ecke der Werkstatt ist das Modell des kunstvoll ersonnenen schmiedeeisernen Gerüstes, welches in die Figur kommt und diese zu tragen bestimmt ist. Es mag dabei noch hervorgehoben werden, daß Bandel alle diese Gerüste etc. selbst erfand und ausführte, wie er denn ein anerkannt genialer Constructeur ist.

Augenblicklich wird die Figur vollständig in dem Hofe der Bandel’schen Werkstatt zu Hannover aufgestellt. Jedes Niet, jede Schraube muß sorgfältig geprüft und eingepaßt werden. In einigen Wochen wird sich die herrliche Figur in voller Pracht dem Beschauer hier darbieten, um alsdann auf ihren luftigen Bestimmungsort befördert zu werden. Im Sommer 1873 hofft der Künstler, wenn sich dem Werke nicht neue ungeahnte Schwierigkeiten entgegenstellen, die Aufstellung des neunzig Fuß hohen Standbildes aus getriebenem Kupfer vollenden zu können. Möge es ihm vergönnt sein! –

Soll ich dem Leser der Gartenlaube noch von den Geldmitteln erzählen, welche das Werk verlangte, und von der Art, wie sie zusammenkamen? Ich vermeide es lieber. Manches davon ist ja weit und breit bekannt und es ist keine der erfreulichsten Erscheinungen, daß vierzig Millionen Deutsche in vierzig Jahren nicht vierzigtausend Thaler zusammenzubringen vermochten, um sich ein so hehres Nationaldenkmal errichten zu lassen. Erst in den letzten Jahren, als sich in Hannover ein thatkräftiger Verein für das Denkmal bildete, als dieser an die frische deutsche Jugend appellirte, da flossen von Schulen und Lehranstalten die Mittel reichlicher. Unsere Knaben und Jünglinge würden, falls es nöthig gewesen wäre, bald ebensoviel gegeben haben, als alle deutschen Männer nebst allen ihren Kaisern, Königen, Herzögen und Durchlauchten. Nach den jüngsten großen Ereignissen hat sich auch bekanntlich unsere Reichsvertretung des Denkmals angenommen und eine namhafte Summe für die Fertigstellung desselben bewilligt. Auch des Kaisers Majestät gab einen bedeutenden Beitrag.

So steht denn der wackere Künstler vor dem Schlusse seiner großen Arbeit. Die Zeit mit ihren großen Ereignissen der letzten Jahre hat seine ursprüngliche Idee vor ihrer gänzlichen Verwirklichung überholt. Eines „Mahnzeichens zur Auferstehung“ bedarf unser Volk nicht mehr. Und wenn der edle Künstler uns kürzlich schrieb:

„Ich wollte mithelfen zum großen Werke deutscher Einigkeit. Des Allmächtigen Fügungen haben in Erfüllung gebracht, was ich als sicher kommend voraussah. Mein großes Volk braucht kein Mahnzeichen mehr. Die Arminsäule ist ein Ruhmesmal geworden. Deutsches Volk hält sein Schwert frei und ruhmumstrahlt, wie Armin vor bald neunzehnhundert Jahren, hoch in starker Faust zum Schrecken seiner Feinde und zum Friedensvertrauen seiner Freunde.

Gott erhalt’s so!“

– dann wollen wir herzlich mit ihm einstimmen. Mitgeholfen aber hat er auch, wie nur einer unserer besten Männer, zum großen Ziele. Möge es die Nation ihm nicht vergessen!




Blätter und Blüthen.


Der Locomotivführer. Eisenbahnunfälle sind zur stehenden Rubrik der politischen Zeitungen und Tagesblätter geworden. Man hat mannigfache Ursachen derselben angegeben, der Weichensteller, Bahnwärter etc. gedacht, während der Stellung, der Last, die auf dem Locomotivführer ruht, wenig gedacht worden ist. Und doch hängt von der Umsicht, Energie und Geistesgegenwart dieses Mannes zumeist die Sicherheit der Fahrt ab. Sobald er den Fuß auf seine Maschine setzt, darf er seines Weibes, seines Kindes nicht mehr gedenken, sein Leben darf keinen eignen Werth für ihn haben; mag es in Strömen regnen, der Himmel in Flammen stehen, der Donner rollen, der Schweiß von seiner Stirn tropfen, oder im Winter der Frost seine Hände erstarren machen, der Schnee ihn zu begraben drohen, er darf nicht zagen, er darf sich nicht eine Minute schonen wollen, er muß vorwärts, rechts und links auf die Bahn blicken, jedes Zeichens, jedes Umstands gewärtig. Und wenn dennoch ein Unglück geschehen, die Weichen falsch gestellt waren, der Nebel, der Schnee es unmöglich gemacht, zu erkennen, ob die Laterne ein weißes oder rothes Licht zeigt, er wird stets zuerst zur Rechenschaft gezogen, wenn anders er mit dem Leben davon gekommen. Es hat fast Niemand eine größere Verantwortung auf sich, als eben der Locomotivführer. Und welch ein Lohn wird demselben? Welch eine Stellung hat er? Welche Aussichten für die Zukunft gewährt sein Dienst?

Der junge Mann, der mir gegenüber sitzt, ein Führer der .... schen Bahn, lächelt bei diesen meinen Fragen gar eigenthümlich. Er streicht sich den Vollbart mit der markigen Hand und sagt: „Man hat einmal den Vorschlag gemacht, wir möchten bei jeder Fahrt einen oder den andern der Herren Actionäre mit auf die Maschine nehmen. Wenn ich nun Einzelnen der Herren es schon gönnte, so eine Winterfahrt im tollsten Schneetreiben mitzumachen, oder es zu erleben, wenn so in rabenschwarzer, finstrer Nacht plötzlich, gänzlich unerwartet Knallsignale auf den Schienen explodiren, anzeigend, daß hohe Gefahr vorhanden – die nächste Minute, falls anders der Zug nicht zum Stehen zu bringen ist, einen Zusammenstoß mit einem auf der Bahn liegenden, verunglückten, nicht sichtbaren Zuge bringen muß, wenn das Herz also, auch dem Muthigsten, für einen Augenblick still steht, so würde die Furcht, das Angstgeschrei der Geldmenschen nur Wirrniß und Verlegenheit für uns bereiten, und den Augenblick, der allein das Unglück zu hindern vermag, uns verabsäumen lassen. Eine genaue, tüchtige Kenntniß der Maschine wie des ganzen Bahnkörpers, verbunden mit geübter, praktischer Thätigkeit als Heizer und Führer, ist der beste Sicherheitscommissarius. Was wir zu leisten vermögen, haben wir in den Kriegsjahren und in manchem strengen Winter bewiesen! Das sollte man nicht vergessen! Mein festes Gehalt beträgt jährlich gegen dreihundert Thaler. Kleidung, Pelze, Mützen, Stiefel, Uhren liefert die Bahnverwaltung nicht. Wir haben dies Alles, was bei der ersten Anschaffung ein Capital von wenigstens hundert Thalern erfordert, gegen eine jährliche Entschädigung von einigen zwanzig Thalern selbst zu besorgen. Hat man nun das Glück, nicht Rangir- oder Reserveführer auf einem Bahnhofe zu sein, wo dann der Nebeneinnahmen fast keine sich vorfinden, so betragen die Nebenverdienste, als an Nacht- und Meilengeldern – jede Meile, die man fährt, wird nämlich vergütet – den Prämien für ersparte Kohlen oder Oel, vielleicht beinahe eben so viel, als das Gehalt, und wir würden uns begnügen und zufrieden sein, wenn anders wir nicht immer auf Reisen wären, also fast unausgesetzt ein Gasthofsleben führen müßten, das bekanntlich nicht das billigste ist. Sehen Sie, ich bin gegenwärtig wöchentlich vier Nächte nicht zu Hause; regelrecht zu Mittag oder Abend zu essen, wird mir selten, fast niemals zu Theil. Und wenn ich Abends müde und erschöpft, auch wohl durchgeweicht bis auf die Haut, auf meiner Endstation ankomme, finde ich ein höchst einfaches, ungemüthliches Zimmer mit einer harten Matratze als Nachtlager in demselben vor. Drei oder vier Führer und Heizer sind bereits anwesend oder kommen nach und nach. Ein Heizapparat an einer Gasflamme findet sich nirgends; ein Mittag- oder Abendbrod, das die Frau uns vielleicht mit auf die Maschine geben möchte, nützt uns nichts, wir haben keine Gelegenheit, es zu wärmen. Wir sind gezwungen, zum Speisehause zu gehen.

Die Herren Inspectoren, Directoren – und wie die Herren höheren Beamten alle bei der Bahn heißen – haben gar geräumige, elegante Wohnungen. Glauben Sie mir, wir Führer, Heizer etc., wir wären dankbar, wenn man uns, außer dem Schlafzimmer, noch ein anderes, etwas comfortables Zimmer zu gemeinsamem Aufenthalte einräumte. Fänden wir nun dort noch eine oder die andere Fachzeitung nebst einer kleinen gewählten Bibliothek vor, die anzuschaffen der Direction doch nicht schwer fallen kann, das Zimmer würde nicht unbenutzt und unbesetzt bleiben; wir blieben zu Hause, sparten an Geld und das wissenschaftliche Streben, die Fortbildung, würde in erhöhtem Maße Platz greifen. Glauben Sie mir, auch bei uns fehlt Unmuth und Verstimmung nicht. Man sollte dieselben bei Zeiten in bessere Bahnen zu lenken suchen. Bildung macht frei, aber sie veredelt auch Sitten und Anstand.

Und nun werfen Sie einen Blick in das Bureau, nach dem Bahnhof! Fragen Sie, was dieser oder jener junge Mann bislang gewesen, der bei wenig Dienststunden, die keine Gefahr und Verantwortung in sich schließen, voll Aussicht steter Verbesserung und Beförderung, ein höheres festes Gehalt bereits als wir bezieht, fest angestellt ist, während wir fast Alle auf vierwöchentliche Kündigung stehen, ob nicht Viele, Viele von uns sich zu gleichen Stellen qualificiren würden, ob die Züge nicht sicherer fahren würden, wenn völlig mit der Maschine und dem Fahren vertraute Männer, die den Dienst von unten auf erlernt, im Bureau und auf den Bahnhöfen ständen.

Glauben Sie nicht, daß ich mich und meine Collegen überschätze! Die Meisten von uns, abgesehen von den Prüfungen, die wir als Führer zu bestehen hatten, haben größere Reisen gemacht, haben als Monteure, als Zeichner und Ingenieure in Werkstätten gearbeitet, würden also gewiß eine Stellung ausfüllen, die jetzt Zimmergesellen, die ehedem vielleicht bei Maurermeistern oder Bauinspectoren im Bureau gearbeitet, oder Handlungsdiener etc. bekleiden, ohne im Uebrigen diesen Herren nahe treten zu wollen. Ich meine nur, die Bahnen und das Publicum würden besser fahren, wenn die Verwaltung sich ihre Beamten mehr heranbildete, wenn Beförderung, [446] wenn ein Weiterkommen nicht meist überall ausgeschlossen wäre. Meine Aussicht auf Beförderung reducirt sich auf Null. Ist Gott mir gnädig, daß ich kein Unglück habe, Versehen und Vergeßlichkeiten nicht vorkommen, so bleibe ich, was ich bin, bekomme vielleicht einen leichteren Zug, ein Weniges Zulage und preise mich glücklich, wenn ich bis an mein Ende fahren kann und nicht auf Pensionirung antragen muß, zumal dieselbe, wie Sie wohl denken können, auch nicht glänzend ist. Es ist und bleibt ein mühseliges, saures Brod. Wie schön wenigstens wäre es, unsere Bahnverwaltung hätte für uns Dienstwohnungen, Arbeiterhäuschen am Bahnhof entlang gebaut. Komme ich jetzt Nachts heim, im Winter erstarrt, daß ich oft kaum ein Glied noch zu rühren vermag, oder im Herbst vom Regen durchnäßt, muß ich fast eine halbe Stunde noch gehen, ehe ich Weib und Kind begrüßen kann. Wie wohl würde ich mich in einem Häuschen dicht an der Bahn fühlen, mit einem Gärtchen vor der Thür, einem Höfchen mit Federvieh! Und auch die Bahn würde sich nicht schlecht dabei stehen. Wir Führer wären stets zur Hand, während jetzt in Ausnahmefällen Boten über Boten zur Stadt gesendet werden müssen, um uns von dem Nothwendigen in Kenntniß zu setzen.

Mit Einem Worte: die Bahnverwaltung sollte sich bemühen, uns anhänglich und heimisch zu machen, sie sollte auf unsere Fortbildung bedacht sein und die Aussicht auf Verbesserung uns nicht ganz nehmen. Mit einem dickleibigen Codex ist es nicht allein gethan. Der Zwang thut viel, aber die Liebe thut Alles.

Doch Pardon! Meine Zeit ist abgelaufen. Mein Zug fährt erst am Spätabend; aber meine Maschine bedarf kleiner Reparaturen, und die habe ich selbst auszuführen; dafür bin ich gelernter Maschinenbauer. Daß ich darauf meine freie Zeit, meine Ruhezeit, zu verwenden habe, kommt nicht in Betracht. Eine kleine Versäumniß hier führt später oft großes Unglück herbei. Ade! Auf Wiedersehen!“

Und rasch, mit gewinnendem Anstande, verließ er den Platz. Am Abende sah ich ihn auf seiner Maschine stehen. Wie fest, wie sicher, wie ruhig stand er dort! Wie war sein Auge so klar, als er zum Bahnhofe hinausfuhr!

Waren die Forderungen, die Ansichten des Mannes unbillig? Wir glauben kaum. Möchten wenigstens einzelne seiner Wünsche in Erfüllung gehen! Nicht er allein, auch das Publicum und die Bahnverwaltungen würden dadurch gewinnen.




Das Reliquienkästlein des deutschen Reichs. Jüngst hat der deutsche Reichstag als jährliche Unterstützung für das „Germanische Museum“ in Nürnberg achtzehntausend Thaler bewilligt und damit seine Anerkennung für das patriotische Unternehmen, dem Andenken nationalen Culturlebens eine Stätte zu bereiten, und zwar mitten im Herzen Deutschlands und in einer Stadt, die wie keine andere sich dazu eignet, auf das Würdigste bethätigt. Um so weniger würdig muß uns das neueste Unternehmen erscheinen, mit welchem man in Nürnberg auf jene Anerkennung antwortet. Das längst Verkündete und Befürchtete ist nun empörende Thatsache geworden: man beginnt Nürnbergs Thore und Ringmauern niederzureißen!

So soll denn unsere ehrwürdigste deutsche und einst freie Reichsstadt, das „Reliquienkästlein des deutschen Reichs“ – so viel „Heiligthümer“, wie nach altem Sprachgebrauch die Benennung lautet, umschließen diese Mauern – sie soll aufhören das zu sein, aufhören lebendiges Zeugniß abzulegen von dem, was die Väter bauten, und ein Wallfahrtsort zu sein für Alle, die sich gern einmal zurückversetzen mögen in die Blüthezeit deutscher mittelalterlicher Kunst und Herrlichkeit, deren Erinnerungen wir jetzt noch in Nürnberg auf Schritt und Tritt begegnen. Denn die Reliquien und Heiligthümer, um die es sich hier handelt, sind keine sagenhaften Todtengebeine, es sind unsterbliche Kunstschöpfungen deutscher Meister, wie Albrecht Dürer, Adam Kraft, Veit Stoß, Peter Vischer etc., die herrlichen Kirchen, von frommen Baubrüderschaften in reinster Gothik erbaut, die noch stehenden Häuser der berühmten Geschlechter, die einst die freie Reichsstadt regierten, darunter Namen, die im Dienst der Wissenschaft sich unsterblich gemacht, wie Pirkheimer, Beheim, Scheurl etc., das herrliche Rathhaus, in dem die denkwürdigsten Reichstage gehalten wurden, die Veste, in welcher mancher deutsche Kaiser verkehrt, wo einst jene Burggrafen von Nürnberg wohnten, deren Sprößling jetzt die deutsche Kaiserkrone trägt, und wo Jahrhunderte lang der alte Krönungsornat als „Reichsheiligthum“ aufbewahrt worden ist. So ist eben ganz Nürnberg selbst sammt seinen Gassen und Gäßlein, seinen Brücken, Thoren und Wällen ein germanisches Museum, so ist es, einzig in seiner Art, ein treu bewahrtes, lebensvolles Denkmal aus dem Mittelalter wie keine andere Stadt im Reich!

Blutet uns das Herz, wenn eine Frevlerhand an irgend einem schönen Monument aus alter Zeit sich vergreift, es schädigt und entweiht – wie sollten wir ruhig zusehen, wenn man einer solchen Stadt ihren bisher treubewahrten Charakter raubt? Dazu gehörten aber vor Allem diese epheuumwachsenen hohen Mauern, diese grünen Gräben, diese mittelalterlichen Thürme, die zum Theil noch zu Meister Dürer’s Werken gehören, diese Brücken, von denen die eine nach der Ponte di Rialto in Venedig erbaut ist, indeß eine andere, der schmale Henkersteig, hunderte von Schauergeschichten erzählt, deren jede das malerischste Bild gewährt, diese Thore, die uns gleichsam darauf aufmerksam machen, daß es uns obliegt, die Stadt, in die sie uns führen, mit Ehrfurcht zu betreten! Ist Nürnberg erst eine offene, flach daliegende Stadt geworden, wie jede andere: dann werden auch seine inneren Denkmale und Alterthümer einen großen Theil ihres Werthes verlieren. Denn wodurch Nürnberg eben einen so eigenthümlichen Zauber ausübt, das ist die Harmonie, in der sich hier Alles befindet – sie ist zerstört, wenn die alterthümlichen Ringmauern verschwinden. Hat man auch hier wie anderwärts die Wälle ausgefüllt, breite Stadteingänge geschaffen, moderne Paläste statt der Wartthürme erbaut, dann werden die kleinen alterthümlichen Häuser mit ihren hölzernen Gängen etc. nur einen unsaubern Anblick gewähren und man wird eilen, auch sie zu vertilgen; dann werden schließlich die krummen, engen, schiefen Gassen keinen alterthümlichen, sondern nur einen altmodischen und kleinstädtischen Eindruck machen; dann wird man eilen müssen, auch hier durchzubrechen, zu nivelliren, zu erweitern, und wer weiß, steht dann nicht auch eines der festungsartigen Häuser der alten Patriziergeschlechter im Wege, stört nicht irgend ein zierliches Chörlein den modernen Geschmack, wird nicht endlich auch der „schöne Brunnen“ oder das „Gänsemännchen“ verruckt werden müssen, damit Raum sei für den modernen industriellen Verkehr – so unberechenbar sind die Consequenzen, zu denen das Neuerungsphilisterthum schließlich kommen wird, wenn es ihm wirklich gelingen sollte, jetzt zu siegen!

Natürlich stützt man sich bei diesem vandalischen Beginnen auf dem Anschein nach gewichtige Gründe. Man hält es für nothwendig, durch Abbruch der an sich ja allerdings jetzt überflüssigen Thore den Verkehr in der Stadt zu erleichtern, und nennt den Abbruch der Wälle eine Sanitätsmaßregel. Man beruft sich namentlich auf die einem viele Hände beschäftigenden Industriezweig unentbehrlichen Knochenniederlagen hinter den Wällen, deren schädliche Ausdünstung durch die hohen Mauern festgehalten werde. Wäre es aber nicht besser, diesen Niederlagen eine andere Stätte anzuweisen, als die alten Mauern niederzureißen?

Was endlich die Verkehrserleichterung betrifft, so steht ihr Nutzen schwerlich in richtigem Verhältniß zu dem der Stadt auf anderen Gebieten durch die unselige Maßregel zugefügten Schaden. Die Stadt hat längst jenseits ihrer Wälle, wo ja auch der Bahnhof liegt, ansehnliche Vorstädte erhalten. Dort reiht sich ja schon ein Fabrikschornstein – diese Wahrzeichen der Städteblüthe des neunzehnten Jahrhunderts – an den andern, dort stehen die modernen Villen der reichen Industriellen, dort entfaltet sich ein immer regeres Leben des Gewerbfleißes. Möge es so fortblühen und möge auch darin Nürnberg wie bisher einen so wohlthuenden Eindruck auf alle Besucher machen, daß es nicht verfällt und zurückgeht wie manche andere einst berühmte Reichsstadt, sondern daß es den culturfortschrittlichen Geist der Neuzeit zu vereinigen weiß mit der Erinnerung an die einstige reichsstädtische Blüthezeit! Möge rings um das alte Nürnberg ein neues immer größer wachsen und gedeihen, aber möge es das alte hüten als einen heiligen Schatz, den es von den Vätern überkommen, ein Erbgut, das zu ehren auch den spätesten Enkeln selbst die größte Ehre bringt!

L. O.




E. Werner in Berlin und Rom. Wie Berliner Blätter berichten, hat nach dem Vorgange der mehrmals dramatisirten Novelle „Ein Held der Feder“ von E. Werner nun auch die Erzählung „Am Altar“ desselben Verfassers unter großem Beifall bereits zwölf Mal die Bühne beschritten und zwar auf dem Belle-Alliance- und dem Vorstädtischen Theater in einer Bearbeitung von Karl Wexel.

Nicht weniger überraschend war für uns die Anzeige auf der Stirnseite einer in Rom erscheinenden Zeitung, „La Libertà, Gazetta del Popolo, giornale politico quotidiano“, vom 1. Juni, welche zu Deutsch also lautet:

Ankündigung. Heute beginnen wir im Feuilleton mit der Veröffentlichung einer neuen und höchst wichtigen Erzählung, entnommen dem Deutschen und betitelt ‚Am Altare‘. Die Verwickelung dieser Erzählung, die Verschiedenheit der fest ausgeprägten Charaktere, die wahrhaft ergreifenden Scenen, welche sich vor uns ereignen, werden die Lectüre derselben über Alles anziehend und reizend machen und ihr auch in Italien den außerordentlichen Erfolg verschaffen, den sie in Deutschland gehabt hat.“

Wirklich beginnt auch auf derselben ersten Seite unten, im „Appendice“ (Anhang) des Blattes der Abdruck der angekündigten italienischen Bearbeitung, aber nur mit der Ueberschrift: „Sull’ Altare. Racconto dell’ autore dell’ Eroe della penna“, also vom Verfasser des Helden der Feder – aber weder der Name des Verfassers noch des Fundortes, der Gartenlaube, ist irgendwo genannt. Ist es erst nöthig, die römische Collegin darauf aufmerksam zu machen, daß dies nicht in der Ordnung sei, ja, daß sie sich dadurch der Gefahr aussetze, daß man ihrem tolto dal Tedesco“entnommen dem Deutschen – die ebenso richtige Uebersetzung „entwendet“ unterschiebt? Wir bitten die Collegin am Tiberstrom, von dieser Unterlassungssünde sich schleunigst zu reinigen.

Schließlich bemerken wir nochmals, daß die Novelle „Ein Held der Feder“ in Gemeinschaft mit der ebenfalls aus der Gartenlaube bekannten „Hermann“ nunmehr unter dem Titel „Gartenlaubenblüthen“ in einer Buchausgabe erschienen ist.




Auch Marlitt’s „Haideprinzeßchen“ ging, wie uns aus Chemnitz geschrieben wird, daselbst am 16. Juni in Form eines dreiactigen Charakterbildes nebst Vorspiel über die Bühne. Das von Adolph Oppenheim verfaßte Stück wird aber als eine arge Verstümmelung der reizenden Novelle bezeichnet. Wann werden endlich einmal solche ungeschickte Dramatisirungen, welche die Novellenliteratur berauben, ohne die Bühne zu bereichern, ein Ende nehmen?




Kleiner Briefkasten.


Ida K. in Fhdrf. in Mecklenburg. Um die von Ihnen gestellte Frage zu beantworten, vernothwendigt sich zuvor die Angabe Ihres Namens und Ihrer vollen Adresse. Hier in Leipzig lebt für die in Ihrem Falle in Frage kommende Species ein Arzt von bedeutendem Rufe, dessen Adresse ich Ihnen später mittheilen werde.




Exemplare des ersten und zweiten Quartals unserer Zeitschrift mit der vielbesprochenen Erzählung
„Am Altar“ von E. Werner

sind noch durch alle Buchhandlungen und Postämter zu beziehen. Dies als Antwort auf vielfache Nachfragen.

Die Verlagshandlung.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Vagel
  2. Vorlage: Lufbahn