Die Gartenlaube (1883)/Heft 16

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1883
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[253]

No. 16.   1883.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis Bogen. 0 Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.


Alle Rechte vorbehalten.

Gebannt und erlöst.

Von E. Werner.
(Fortsetzung.)


„Wenn ich Ihnen eine Frau verschaffte!“ Dieses Anerbieten Lily’s klang sehr treuherzig, aber der Justizrath, der den „Großvater“ sehr übel genommen hatte, befand sich noch immer in höchst gereizter Stimmung.

„Nein, ich danke!“ versetzte er. „Ich werde das selbst thun – wenn ich mich überhaupt noch dazu entschließen sollte.“

„Nur nicht wieder an einem Freitage!“ bat Lily. „Wir haben heute wieder den Unglückstag, der sicherlich ganz allein an Ihrem Mißgeschick schuld ist. Fräulein Hofer hat es Ihnen ja prophezeit.“

„Fräulein Hofer und ihre Prophezeiungen sind mir sehr gleichgültig!“ rief Freising ärgerlich; das junge Mädchen sah ihn ganz erschrocken an.

„O wie schade! Gerade Emma Hofer wollte ich Ihnen zur Justizräthin vorschlagen.“

Das war dem rechtsgelehrten Herrn zu viel, er sprang auf.

„Wollen Sie mich verspotten? Ich dächte, Sie wüßten doch, wie ich mit dieser Dame stehe. Sie verabscheut in mir den trockenen Actenmenschen, und ich verabscheue in ihr den personificirten Aberglauben. Wir machen ja Beide kein Hehl daraus.“

Er ergriff wüthend seinen Hut und machte Miene, auch den Paletot an sich zu reißen, um mit beiden das Haus zu verlassen, wo man seine Gefühle so schonungslos verspottete, aber Lily blieb auf dem Sopha sitzen und sagte kaltblütig:

„Sie sind im Irrthum, Onkel Justizrath – Sie werden geliebt!“

„Wo – was?“ rief Freising, während er im höchsten Grade überrascht stehen blieb.

„Emma Hofer liebt Sie,“ wiederholte das junge Mädchen; „sie zeigt es Ihnen nur nicht.“

Der Justizrath kehrte um; er legte den Hut auf den Tisch, nahm wieder auf dem Sopha Platz und fragte angelegentlich:

„Woher wissen Sie das?“

Jetzt geriet Lily doch in einige Verlegenheit. Sie wußte im Grunde gar nichts, sondern hatte ihre Behauptung rein aus der Luft gegriffen. Sie hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, dem Justizrath das „kleine, kurze, nette Ja“ zu verschaffen, das er so sehr ersehnte, und da zwei von den Damen Rosenbergs ihm bereits die übliche Hochachtung gezollt hatten, so blieb nur die dritte übrig, die dann auch ohne Weiteres zum Opfer ausersehen wurde. Da Lily die kühne Behauptung aber nun einmal aufgestellt hatte, so mußte sie nothgedrungen daran festhalten und erfand in der Eile so viel Gründe und Beweise dafür, daß sie schließlich selbst daran zu glauben begann.

Freising hörte mit einer Aufmerksamkeit zu, die nichts zu wünschen übrig ließ. Man sah, wie wohl es ihm that, bei einem weiblichen Wesen endlich einmal eine andere Empfindung als Hochachtung zu erwecken, und der Gedanke, daß man eine heimliche Liebe zu ihm im Herzen trage, die sich unter äußerer Feindseligkeit verberge, war ihm unendlich schmeichelhaft. Als Lily geendigt hatte, seufzte er tief auf und sagte:

„Wir wollen das einstweilen ruhen lassen. Ich kann so unmittelbar nach einer bitteren Enttäuschung nicht daran denken, aber ich danke Ihnen für Ihre Theilnahme, Lily, und – sagen Sie Fräulein Hofer nicht, weshalb ich heute nach Rosenberg gekommen bin.“

„Sie erfährt keine Silbe davon!“ versicherte Lily, indem sie freundschaftlich den Hut herbeiholte und ihrem abgewiesenen Freier auch beim Anlegen seines Paletots behülflich war. Er ließ sich das ruhig gefallen, denn er war bereits gewöhnt, daß man sich mit aller möglichen Freundschaft und Dankbarkeit um ihn bemühte, nachdem er den üblichen Korb erhalten hatte. Er warf noch einen wehmüthigen Blick auf das junge Mädchen und verabschiedete sich dann.

Draußen im Hausflur traf er mit Fräulein Hofer zusammen, die gerade die Treppe herunterkam und eine ungewöhnlich tiefe und respectvolle Verbeugung empfing. Sie bedauerte, daß Frau von Hertenstein nicht zu Hause sei, und lud den Justizrath ein, noch zu verweilen, da die gnädige Frau bald zurückkehren werde, er entschuldigte sich jedoch mit dem Mangel an Zeit und verhieß, in der nächsten Woche wiederzukommen. Das Fräulein bemerkte mit Befremden, daß er in der Hausthür noch einmal stehen blieb, einen langen und ganz eigenthümlichen Blick zurückwarf und dann mit einer zweiten tiefen Verbeugung verschwand.

Nach einer halben Stunde kehrte Anna zurück. Sie hatte in ihrem Wohnzimmer bereits Hut und Mantel abgelegt und musterte die soeben eingetroffenen Postsendungen, die auf dem Tische lagen. Aber der Blick der jungen Frau glitt nur flüchtig über die Briefschaften hin, die ihren Namen trugen, dagegen schien ein anderer Brief sie sehr zu interessiren, dessen Aufschrift an ihre Schwester lautete. Sie blickte mit unruhigem besorgtem Ausdruck darauf nieder, als die Thür sich öffnete und Lily mit ihrem gewöhnlichen Ungestüm und ihrem Veilchenstrauß in der Hand hereinstürzte.

[254] Sie flog sogleich auf die Schwester zu, die bei ihrem Eintritt jenen Brief unter die übrigen Postsachen schob, und begann ohne alle Einleitung zu berichten, was sie am heutigen Vormittag erlebt hatte. Ganz entzückt darüber, daß sie einen Heirathsantrag erhalten hatte und damit unwiderruflich zu einer Dame erhoben war, sprudelte sie den ganzen Bericht so stürmisch und zusammenhanglos hervor, daß Anna sie anfangs gar nicht verstand.

„So erzähle doch ruhiger, Kind!“ sagte sie. „Wer hat Dir einen Antrag gemacht? Wer hat um Deine Hand angehalten?“

„Der Onkel Justizrath!“ rief Lily, indem sie triumphirend ihr Bouquet schwenkte. „Er weiß es ja nicht, daß ich damals hinter der Salonthür stand und Alles mit anhörte. Ich habe ihm gleichfalls ewige Hochachtung und Freundschaft gelobt, aber er weinte fast darüber.“

Anna schüttelte unmuthig den Kopf.

„Ich begreife Freising nicht! Wie kann ein Mann, der so tüchtig und zuverlässig in seinem Berufe ist, in diesem einen Punkte immer wieder der Lächerlichkeit verfallen! Er ist nicht davon zu heilen.“

„O, ich werde ihn heilen,“ versetzte Lily zuversichtlich. „Ich werde ihm eine Frau verschaffen.“

„Lily, treibe nicht Kinderpossen!“ sagte die junge Frau verweisend, aber Fräulein Lily nahm das gewaltig übel in ihrem neu erwachten Selbstgefühl. Sie hob ihren Veilchenstrauß wie ein Triumphzeichen empor, hielt ihn der Schwester dicht unter die Augen und verlangte feierlichst, hinfort als Erwachsene behandelt zu werden. Sie erklärte, jetzt sehr viel von „solchen Dingen“ zu verstehen, und drohte noch nachträglich, Frau Justizräthin zu werden.

Leider machte diese Rede nicht den geringsten Eindruck auf Anna. Sie nahm ihrer Schwester ruhig die Blumen aus der Hand, legte sie auf den Tisch und sagte ernst und bestimmt:

„Laß die Thorheiten und höre mich an! Ich habe Ernstes mit Dir zu besprechen.“

Lilly wurde auf einmal ganz kleinlaut. Sie kannte diesen Blick und Ton, vor dem sie eine heilsame Furcht hegte, all ihr Selbstbewußtsein hielt nicht Stand davor und sie blickte fast erschrocken auf.

„Ich habe diese Handschrift schon öfter bemerkt,“ sagte Anna, den Brief hervorziehend, „aber ich glaubte, Du correspondirtest mit einem Deiner ehemaligen Lehrer. Erst heute sehe ich, daß der Brief aus Werdenfels kommt. Wer schreibt Dir von dort?“

Das junge Mädchen erröthete bis an die Schläfe, erwiderte aber ohne Zögern:

„Von dem Baron Paul Werdenfels.“

„So? Er schreibt Dir also öfter, und Du hast ihm auch vermuthlich geantwortet. Weshalb verschwiegst Du mir das?“

„Weil Du so grausam warst und ihm nicht einmal ein Wort des Trostes gönnen wolltest!“ rief Lily aufflammend. „Ich habe Dir doch seine Verzweiflung geschildert, ich habe Dir gesagt, daß er am Rande des Selbstmordes stand, aber Du wolltest mich nicht hören. Da habe ich mich seiner angenommen, ich habe ihm erlaubt, mir zu schreiben, und Dir verschwieg ich es, weil Du mir den Briefwechsel verboten hättest. Aber ich lasse es mir nicht verbieten, einen Unglücklichen zu trösten und vom Tode zu retten. Meine Tröstungen sind ja überhaupt das Einzige, was ihn noch im Leben festhält, das sagt er mir in jedem Briefe.“

Sie hielt in athemloser Erregung inne, Anna’s Blick ruhte forschend auf den Zügen des jungen Mädchens, das gar nicht ahnte, wie viel diese leidenschaftliche Aufregung verrieth, dann sagte sie mit Nachdruck:

„Lily, ich werde diesen Brief in Deiner Gegenwart öffnen und lesen.“

„Thu das nur!“ rief Lily heftig. „Du wirst es sehen, daß nur von Dir darin die Rede ist.“

Anna erbrach den Brief und begann zu lesen. Es war ein ziemlich umfangreiches Schreiben von drei Bogen, das allerdings sehr melancholisch begann. Paul erklärte, er könne und werde es nie verschmerzen, daß ihm das Ideal seines Lebens verloren sei, sprach von einer düsteren, trostlosen Zukunft, beeilte sich aber hinzuzufügen, daß diese Zukunft doch wenigstens durch einen tröstenden Lichtstrahl erhellt werde, und strömte über von Dankbarkeit gegen die junge Trösterin. Dann entschuldigte er sich, daß er diesmal schreibe, ohne die Antwort abzuwarten, und damit lenkte der Brief in einen ruhigeren Ton ein. Es war viel von gewissen Haselsträuchen am Schloßberg die Rede, nach denen der junge Baron eine merkwürdige Sehnsucht zu empfinden schien, dann berührte er die peinlichen Verhältnisse in Werdenfels, die es ihm zur Pflicht machten, jetzt an der Seite seines Onkels zu bleiben und die Uebersiedelung nach Buchdorf noch aufzuschieben, und dann folgte eine sehr ausführliche Beschreibung seiner zukünftigen Heimath.

Er schilderte Lily das Herrenhaus, den Park, das Gut selbst mit seinen Umgebungen auf’s Allergenauste, theilte ihr mit, welche Einrichtungen und Verbesserungen er zu treffen gedenke, kurz er machte sie zur Vertrauten seiner düsteren Zukunft, die sich übrigens nach dieser Beschreibung ganz heiter anließ, denn der junge Gutsherr war offenbar entzückt von seinem neuen Besitz. Endlich folgte noch die Erzählung eines sehr komischen Intermezzos, zu dem Arnold in Buchdorf Veranlassung gegeben hatte. Erst ganz am Schluß schien es dem jungen Manne einzufallen, daß er ja eigentlich in Verzweiflung sei, er kehrte deshalb mit einer kühnen Wendung zu der Anfangsstimmung seines Briefes zurück, erklärte, wenn er auch auf Augenblicke sein herbes Schicksal vergessen könne, so laste es dennoch mit Centnerschwere auf seiner Seele, und legte es Lily dringend an’s Herz, ihm dies Centnergewicht durch eine baldige Antwort zu erleichtern.

Anna’s Stirn begann sich immer mehr aufzuhellen, je weiter sie las, als sie zu Ende war und den Brief zusammenlegte, schwebte sogar ein halbes Lächeln um ihre Lippen. Lily, die neben ihr stand und mitgelesen hatte, blickte sie erwartungsvoll an.

„Nun, was sagst Du zu dem Briefe? Der arme Paul Werdenfels, er ist so unglücklich!“

„Ich glaube, er wird sich trösten,“ sagte Anna ruhig. „Er scheint mir auf dem besten Wege dazu.“

Lily schüttelte zweifelnd das Köpfchen.

„Ich fürchte, er überwindet es nie! Er hat mir ja selbst gesagt, daß sein Schmerz ewig ist, und wer weiß, was geschehen wäre, wenn ich ihm damals nicht die Flinte aus der Hand genommen und sie in den Schloßgraben geworfen hätte!“

„Hast Du Dich auch überzeugt, ob die Flinte geladen war?“ fragte Anna mit einem Lächeln, das sie diesmal nicht zu unterdrücken vermochte.

„O Anna, wie kannst Du so spotten!“ fuhr das junge Mädchen empört auf. „Gilt sie Dir denn gar nichts, diese anbetende Liebe, dieser Schmerz und Gram um Deinen Verlust? Wenn ich so geliebt würde –“

Sie vollendete nicht, sondern hielt wie erschrocken inne, aber ihr ganzes Antlitz war in Gluth getaucht.

„Ich spotte nicht,“ sagte Anna ernster. „Ich bin nur überzeugt, daß es sich hier um eine Jugendschwärmerei handelt, die rein und ideal sein mag, die aber auf die Dauer nicht Stand halten würde. Paul Werdenfels und ich sind zu verschieden geartet, als daß sich je ein festeres Band zwischen uns knüpfen könnte. Aber er braucht sich dieser Jugendneigung nicht zu schämen, und ich mache ihm wahrlich keinen Vorwurf daraus. Du würdest das auch nicht thun, Lily, wenn Dir später einmal ein Mann bekennen sollte, daß er vor Dir eine Andere geliebt hat, nicht wahr?“

„Nein, gewiß nicht,“ versicherte Lily mit einer Unbefangenheit, die deutlich verrieth, wie ahnungslos sie noch über ihre eigenen Gefühle war. „Aber hier handelt es sich ja nicht um mich, Du verlangst doch nicht, daß ich den Briefwechsel aufgebe?“

„Willst Du mir versprechen, den jungen Werdenfels nicht wieder anzusehen, ohne daß ich davon weiß, und mir jeden seiner Briefe zu zeigen?“

„Und wenn ich es Dir nun verspreche, wirst Du mir dann erlauben ihm zu antworten? O Anna, sei nicht hart! Du siehst es ja, wie verzweifelt er noch immer ist, und Du hast ja das ganze Unglück angerichtet!“

Sie hob bittend die gefalteten Hände zu der Schwester empor, die sie leise an sich zog. Die junge Frau drückte einen Kuß auf das rosige Gesichtchen, und ihre Stimme schmolz in Weichheit, als sie antwortete:

„Nein, meine kleine Lily, ich will nicht hart sein gegen ihn und – gegen Dich. Ich will ihm seinen ‚Lichtstrahl‘ nicht rauben. Beantworte den Brief, wenn Du willst, und halte nur Dein Versprechen. Vielleicht kommt Baron Paul noch einmal [255] nach Rosenberg und erzählt Dir mündlich von seinem schönen Buchdorf.“

Lily verstand die letzten Worte nicht, sie war ja felsenfest überzeugt, daß Paul einzig und allein ihre Schwester liebe, aber sie schlang mit der ganzen stürmischen Freude eines Kindes ihre Arme um den Hals der jungen Frau und flog dann mit ihrem Briefe davon, um sich schleunigst an den Schreibtisch zu setzen. Das Veilchenbouquet, das zu Boden gefallen war, lag unbeachtet auf dem Teppiche, das junge Mädchen hatte jetzt andere Dinge im Kopfe, als den Antrag des Onkel Justizrath.

Anna Hertenstein sah dem glücklichen Kinde nach, und um ihre Lippen zuckte ein Ausdruck schmerzlicher Wehmuth, als sie leise sagte:

„Nein, es wäre ein Unrecht, diese aufkeimende Neigung zu hindern. Vielleicht ist meiner Lily das Glück beschieden, das mir versagt wurde – mit einem Werdenfels!“




Wieder waren Wochen vergangen. Der Winter herrschte noch immer mit unverminderter Strenge, obgleich der März schon begonnen hatte; er lastete diesmal schwer und hart auf Werdenfels und dessen ganzer Umgebung. Es waren schlimme Krankheiten im Dorfe ausgebrochen, die Manchen dahinrafften und Noth und Elend im Gefolge hatten, aber auch für die Gesunden fehlte es an Verdienst und Arbeit. Dazu zeigte sich das Unheilsgespenst der Umgegend, die Eisjungfrau, unheilbringender als je. Die Stürme, welche von der Geisterspitze niederwehten, waren nie so heftig und verderblich gewesen. Eine Waldung, die der Gemeinde gehörte und deren Hauptvermögen bildete, wurde durch einen jener Stürme verwüstet und zur Hälfte niedergebrochen, die einzelnstehenden Gehöfte wurden schwer beschädigt, es kamen sogar Menschen in jenen Schneewehen um – kurz, es war ein Unglückswinter für Werdenfels.

Das Dorf hatte freilich eine zuverlässige Stütze an seinem Pfarrer, der überall helfend und ermuthigend eintrat. So weit sein Pfarrbezirk reichte, so weit reichte auch seine Hand und sein Auge. Kein Weg war ihm zu weit, kein Opfer zu schwer, und mit Wort und Beispiel wußte er auch die Wohlhabenderen zu solchen Opfern anzutreiben. Aber das Alles reichte nicht aus, der immer steigenden Noth gegenüber, und der Eine, dessen Hülfe ebenso unbeschränkt gewesen wäre, als seine Mittel zu helfen, war ja förmlich in den Bann gethan worden, sodaß Niemand wagte, etwas von ihm anzunehmen.

Raimund von Werdenfels hatte in der That nach jener letzten tiefbeleidigenden Zurückweisung die ferneren Annäherungsversuche aufgegeben, aber gewichen war er jenem Banne nicht. Er blieb in Werdenfels und bot der Feindseligkeit Trotz, die sich immer drohender gegen ihn erhob, je mehr sie durch den alten Aberglauben genährt wurde. Es war ja Friede und Gedeihen gewesen im Orte jahrelang, aber seit der Felsenecker von seinem Bergschlosse gekommen war, folgte Unglück auf Unglück. Mit jenem Sturme, der seine Ankunft begleitete, hatte es begonnen, und es wich auch nicht wieder, so lange er im Schlosse war. Er hatte ja schon einmal dem Dorfe Verderben gebracht.

Den Glauben theilte ganz Werdenfels vom reichsten Bauer bis zum ärmsten Tagelöhner. Sie hatten den Gutsheren gehaßt, als er es versuchte, ihnen Wohlthaten zu erweisen; jetzt, wo er ihnen in finsterer Zurückhaltung gegenüberstand, haßten sie ihn noch mehr. Die ganze Ungerechtigkeit der Armuth und des Aberglaubens wendete sich gegen ihn, bei jedem neuen Schicksalsschlage richteten sich alle Augen nach dem Schlosse, als sei dort allein die Quelle des Unheils zu suchen.

Es war allerdings Grund genug zu einer niedergedrückten Stimmung vorhanden; denn auch die Reise des Pfarrers nach der Residenz hatte nicht den erwarteten Erfolg gehabt, er hatte seinen Pfarrkindern nicht die Gewährung mitgebracht, auf die sie so sicher rechneten. Vilmut lernte in der That die endlosen Schwierigkeiten kennen, die man ihm prophezeit hatte, und er, dessen Einfluß und Wille in seinem Dorfe allmächtig waren, mußte die Erfahrung machen, daß er bei den Behörden wie jeder andere Bittsteller behandelt wurde. Selbst die Verwendung des Erzbischofes erwies sich als machtlos; denn man hatte an maßgebender Stelle bereits das Anerbieten des Freiherrn von Werdenfels und dessen Ablehnung erfahren. Vilmut mußte es mehr als einmal hören, wenn die Gemeinde reich genug sei, um ein derartiges Geschenk zurückzuweisen, so könne sie auch die Dammbauten auf eigene Kosten ausführen, die Hülfe des Staates sei für ärmere Ortschaften da. Es war nicht abzuleugnen, daß jene Zurückweisung einen höchst nachtheiligen Einfluß auf die schon so lange schwebenden diesbezüglichen Verhandlungen ausübte. Die Entscheidung wurde hinausgeschoben, die schon theilweise gegebenen Zusagen wieder zurückgenommen; Vilmut erreichte nichts als das Versprechen, daß die Angelegenheit nochmals in Erwägung gezogen werden solle. Damit aber wurde sie auf unbestimmte Zeit vertagt, von einer Beschleunigung war keine Rede.

Auch Frau von Hertenstein, deren Landgut gleichfalls zum Pfarrbezirk von Werdenfels gehörte, trat mit aller Energie für die Linderung der allgemeinen Noth ein. Sie war die Erste, welche dem Beispiele ihres Vetters folgte, und stand überall muthig und helfend an seiner Seite. Erst jetzt zeigte es sich deutlich, wie ähnlich die beiden Charaktere einander waren, kalt und hart, sobald es sich um die weicheren Empfindungen des Menschenherzens handelte, aber, sobald ihre Thatkraft herausgefordert wurde, von einer wahrhaft bewundernswerthen Aufopferung und Hingebung im Dienste der Menschenliebe. Es war nur natürlich, daß die Verehrung, welche der Pfarrer allgemein genoß, sich jetzt auch zum Theil auf die junge Frau übertrug, und Gregor, der sonst alles nur beherrschte, gestand ihr allein den Platz an seiner Seite zu.

Eines Tages war Anna mit ihrer Schwester wieder von Rosenberg herübergekommen und beide befanden sich mit Vilmut in dessen Wohnzimmer. Es wurde soeben über eine Unterstützung debattirt, die geschafft werden mußte und mit den vorhandenen Mitteln doch nicht zu schaffen war. Lily, die sich nie an solchen Gesprächen betheiligte, und der man auch nicht erlaubt hätte, sich darein zu mischen, stand am Fenster und sah hinaus; plötzlich aber wurde ihr ganzes Gesicht wie mit einer Rosengluth übergossen, während sie einen Gruß erwiderte, der von draußen gespendet wurde, und sich umwendend, sagte sie mit stockender Stimme:

„Gregor, ich glaube – ich glaube, Du erhältst Besuch – der junge Baron Werdenfels tritt soeben in das Pfarrhaus.“

„Paul Werdenfels? Unmöglich!“ rief Vilmut; aber Lily’s Augen hatten sie nicht getäuscht. Man vernahm bereits draußen im Hausflur die Stimme Paul’s, der nach Seiner Hochwürden fragte und von der Magd in das Studirzimmer gewiesen wurde, wo der Pfarrer fremde Besuche empfing.

„Was kann er wollen?“ fragte Gregor, indem er sich erhob. „Ich dächte, zwischen dem Schlosse und dem Pfarrhause gäbe es nichts mehr zu verhandeln, aber gleichviel, ich muß hören, was er mir bringt. Du bleibst doch, Anna, bis ich zurückkehre?“

Die junge Frau bejahte schweigend, mit einem Neigen des Hauptes, und Vilmut ging. Er schloß zwar die Thür des Studirzimmers, das von dem Wohnzimmer nur durch ein kleines Zwischengemach getrennt war, aber die zweite Verbindungsthür blieb offen, und wenn auch anfangs nichts von dem Gespräche zu verstehen war, das dort drüben geführt wurde, so erhoben sich die Stimmen der beiden Männer doch bald so laut und erregt, daß man jedes Wort vernehmen konnte.

Paul stand bereits im Studirzimmer, als der Pfarrer eintrat, und begrüßte diesen mit einer sehr kühlen und gemessenen Verbeugung.

„Sie werden erstaunt sein, Hochwürden, mich hier zu sehen,“ begann er. „Es ist jedoch etwas Außergewöhnliches, das mich zu Ihnen führt.“

„Das setzte ich voraus,“ erwiderte Vilmut, ebenso kühl und gemessen, indem er dem Gaste Platz anbot, aber Paul schien das nicht zu bemerken, sondern blieb stehen, während er fortfuhr:

„Mein Onkel weiß nichts von diesem Besuche. Er würde mir schwerlich gestattet haben, die Schwelle des Pfarrhauses zu überschreiten, und ich gestehe, daß mir das schwer geworden ist unter den obwaltenden Umständen. Es sind jedoch Dinge vorgefallen, die mich zwingen, einmal offen mit Euer Hochwürden zu reden. Ich komme, Sie zu mahnen, daß Sie endlich ein Wort des Friedens sprechen in diesem Streite zwischen den Bewohnern [256] von Werdenfels und ihrem Gutsherrn. Es ist wahrlich die höchste Zeit, daß Sie Ihre Pflicht als Priester üben.“

Vilmut sah den jungen Mann, der es wagte, in solcher Weise zu ihm zu sprechen, von oben bis unten an.

„Ich bin es nicht gewohnt, an meine Pflicht gemahnt zu werden,“ entgegnete er, „am allerwenigsten von Leuten Ihres Alters, Herr Baron. Das Wort, das Sie erwarten, muß von dem Freiherrn gesprochen werden. Wenn er ernstlich den Frieden will, so wird er ihn finden, wenn nicht, so –“

„Mein Onkel hat dem Dorfe oft genug den Frieden geboten,“ unterbrach ihn Paul. „Man hat mit Beleidigungen darauf geantwortet. Mit Menschen, die lieber darben und hungern, ehe sie die helfende Hand ergreifen, die lieber ihre eigene Sicherheit und die ihrer Heimath preisgeben, ehe sie den gebotenen Schutz annehmen, ist überhaupt nicht zu rechten. Sie sind entweder wirklich unversöhnlich oder – sie sind blinde, beschränkte Werkzeuge eines fremden Willens.“

Er sprach die letzten Worte mit scharfer Betonung.

Vilmut hörte mit einem Gemisch von Erstaunen und Entrüstung zu. Er hatte bei jener ersten Begegnung die Achseln gezuckt über den jungen Menschen, der damals nichts im Kopfe hatte, als seine Schwärmerei für die schöne Reisegefährtin, und der ihm herzlich unbedeutend erschien. Dies entschiedene Auftreten überraschte ihn, aber er war viel zu sehr erfüllt von dem Gefühle seiner Ueberlegenheit, als daß es ihm hätte imponiren sollen.

„Sie sind im Irrthum,“ erwiderte er. „Die Gemeinde handelte aus eigener, freier Entschließung, als sie die Anerbietungen des Freiherrn ablehnte. Ich habe ihr allerdings meine Meinung nicht verhehlt, daß ein Geschenk aus solcher Hand nicht Segen bringen könne und daß sie besser thue, der eigenen Kraft zu vertrauen.“

„Hat etwa die Ablehnung Segen gebracht? Doch es handelt sich nicht darum, sondern um die fortwährenden Angriffe auf uns, die mit jedem Tage frecher und bedrohlicher werden. Seit die Zerstörung unserer schönen Ceder ungestraft geblieben ist, werden die Schloßgärten systematisch verwüstet. Es vergeht keine Woche, wo nicht irgend ein seltener Baum oder Strauch zum Opfer fällt, weil man weiß, daß der Schloßherr Werth auf diese Zierden seines Parkes legt. Sogar in die Gewächshäuser hat man sich während der Nacht Eingang zu verschaffen gewußt, um die Orangerie zu beschädigen, und der Marstall ist vorgestern nur durch die Wachsamkeit eines Reitknechtes gesichert worden, wahrscheinlich galt das geplante Attentat diesmal dem Lieblingspferde meines Onkels. Ich nehme an, daß Sie von diesen Dingen unterrichtet sind, Hochwürden.“

„Und glauben Sie etwa, daß ich dergleichen Ausschreitungen billige oder beschütze? Sie zu strafen ist meines Amtes nicht. Wozu hat der Freiherr seine Verwalter und seine Dienerschaft? Er mag die Sache untersuchen und die Thäter bestrafen lassen mit aller Strenge, ich werde ihn wahrlich nicht daran hindern.“

„Das ist es ja eben, daß er keine Untersuchung und Bestrafung will!“ rief der junge Mann heftig. „Ich wollte den heimtückischen Zerstörern bald auf die Spur kommen, aber er duldet es ja nicht.“

„Er wird seine Gründe haben,“ sagte Gregor kalt. „Und wenn er es nicht wagt, die Thäter zur Rechenschaft zu ziehen, so thun Sie am besten, seinem Beispiele zu folgen.“

„Raimund ist kein Feigling!“ brauste Paul auf. „Wie oft habe ich ihn gebeten, nach Felseneck zurückzukehren, wo er sicher ist vor all diesen Quälereien, aber es ist umsonst. Er bleibt und bietet immer wieder der Gefahr die Stirn, mit einer Hartnäckigkeit, die ihm noch das Leben kosten wird.“

Vilmut zuckte die Achseln.

„Sie übertreiben! Von Gefahr ist doch wahrlich keine Rede. So arg auch jene Ausschreitungen sein mögen, die ich – ich wiederhole es Ihnen – auf das Strengste verdamme – die persönliche Sicherheit des Freiherrn ist doch in keinem Falle bedroht!“

„Sind Sie so fest davon überzeugt?“

„Ja, das bin ich!“

„Nun denn, so sage ich Ihnen, daß man schon zweimal versucht hat, die Pferde an dem Wagen meines Onkels scheu zu machen, als er nach Felseneck fuhr, und das gerade an der gefährlichsten Stelle des Weges, dicht am Flusse. Und heute Morgen, als wir an dem Gehölz bei der Bachmühle vorüberritten, flog ein Stein aus dem Hinterhalt, ein mächtiger Feldstein, mit sicherer Hand geworfen; hätte das Pferd nicht instinctiv einen Seitensprung gemacht, so wäre Raimund der Kopf zerschmettert worden. Sie sehen, man ist im Zuge mit dem, was Sie Ausschreitungen nennen. Heute sind es Steine, morgen werden es Kugeln sein, und die werden vermuthlich besser treffen. Hier zu Lande weiß ja jeder Bauer und jeder Knecht mit dem Stutzen umzugehen.“

(Fortsetzung folgt.)




Ein Festzug der Berliner Künstler.

Bei dem großen Costümfest, welches am 28. Februar dieses Jahres im Weißen Saale des königlichen Schlosses zur Feier der silbernen Hochzeit des kronprinzlichen Paares mit allem Aufgebot historischer Pracht stattgefunden hat, nahm der von den Berliner Künstlern veranstaltete Festzug zwar der Reihenfolge nach die letzte Stelle ein, ohne indeß von den übrigen Veranstaltungen des Festes übertroffen zu werden.

Die Künstler Berlins – darunter Namen von Klang in der europäischen Kunstwelt – hatten seit Monaten mit rastlosem Eifer und selbstloser Hingebung an den Arrangements gearbeitet, die denn auch das denkbar Vollkommenste erreicht haben. Der Berliner Gesellschaft, welche bekanntlich Alles umfaßt, was die Kaiserstadt an politischen, literarischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Notabilitäten, an Vertretern der Industrie und der hohen Finanz in ihren Mauern einschließt, war wenige Tage darauf, am 3. März, Gelegenheit gegeben, in den prachtvollen, von elektrischem Licht tageshell erleuchteten Sälen des Wintergartens im Centralhôtel den Künstlerzug zu bewundern, da der „Verein Berliner Künstler“ beschlossen hatte, die Wiederholung desselben zum Mittelpunkt seines diesjährigen Festes zu machen.

Wir legen unserer Erläuterung des Bildes, in welchem der Künstler den Festzug den Lesern der „Gartenlaube“ vorführt, diese Wiederholung im Wintergarten, die von der Aufführung im Königsschlosse wenig abwich, zu Grunde. Selbst der Triumphwagen der Königin „Minne“, auf welchem am 28. Februar die Prinzessin Wilhelm gethront hatte, war zur Stelle geschafft worden, nur vertrat im Künstlerfestzuge Fräulein Becker – die anmuthige Tochter des Malers Professor Becker – die allegorische Königin.

Gegen halb elf Uhr verkündeten schmetternde Fanfaren von der Rampe des altgothischen Rathhauses, das an der Südseite des Saales in dem edlen Stile des Heidelberger Schlosses sich erhob, das Nahen des Festzuges, der sodann über eine doppelarmige Freitreppe in den Saal hinunterschritt, wo seiner eine dichte Menge festlich gekleideter Herren und Damen längst mit Ungeduld harrte. Es war ein Anblick von weihevoller, charakteristischer Schönheit. Voran schritten als Herolde, im kleidsamen blauen Wamms, über welches die mit den weißen drei Schilden des Künstlerwappens bestickten purpursammtenen Herolddecken herabfielen, Maler Prell und zwei Jünglinge von fast idealer Schönheit – Schüler der königlichen Hochschule für die bildenden Künste – vergoldete Palmenzweige in den Händen haltend. Der Dirigent des königlichen Domchors, Professor Herzberg, als Magister in langem, pelzbesetztem, schwarzsammtenem Talar, führte sodann gravitätisch eine Schaar von fünfzehn Knaben an, die, in mattgelbe Wammse mit Strumpfhosen gekleidet, Blumenkränze auf den Köpfen und goldene Palmenzweige in den Händen tragend, paarweise ihm folgten. In den Händen hielten die Knaben außerdem lange alterthümliche Notenblätter, von denen sie den nach dem Terzett aus „Elias“ von

[257]

Der Festzug des „Vereins Berliner Künstler“ am 3. März 1883.0 Originalzeichnung von A. von Roessler.

[258] Mendelssohn: „Hebe Deine Augen auf“ componirten Festgesang absangen:

„Wir kommen, wir nahen mit Jubelgesängen,
Die Stimmen der Treue, der Liebe sind wach.
Wir weihen mit vollen, frohlockenden Klängen
Die liebliche Feier, den glücklichen Tag!“

Und nun erschienen nach einander in prachtvollen Costümen von historischer Treue in vier Gruppen die Berliner Künstler, die verschiedenen Epochen der Kunst repräsentirend. Als Bannerträger des Küstlervereins schritt voran die Hünengestalt des Opernsängers und Landschaftsmalers Fricke in purpurner, perlbesetzer Schaube, neben ihm Bildhauer Schweinitz und Maler Rheinmann als Marschälle die Gruppe von vierzehn Künstlern anführend, welche in ihrer Tracht – die ärmellose, pelzverbrämte Schaube und darunter den Faltenrock mit geschlitzten Aermeln, geschlitzter Kniehose, Lederschuhe, Federbaretts – die deutschen Meister aus der Zeit Hans Holbein’s und Albrecht Dürer’s repräsentirten. In dieser Gruppe fiel neben Professor Siemering, Plockhorst u. A. besondere der vom kronprinzlichen Paare persönlich als Gast geladene Meister Professor H. von Angeli durch seine prächtige Erscheinung aus, die den bekannten Jugendportraits Albrecht Dürer’s glich. –

Architekt Fingerling, ebenfalls eine Riesengestalt, schritt als Herold in blausammetner Gewandung den Vorstandsmitgliedern des Künstlervereins voraus. An ihrer Spitze befand sich Professor Karl Becker in purpurnem Sammettalar à la Tizian, hinter ihm Director Anton von Werner in einer Rubenstracht von dunkel purpurnem gepreßtem Sammet. Auf einer mit Blumen und Früchten aller Länder, mit Palmenzweigen und riesigen Blattpflanzen geschmückten Tragbahre wurde sodann ein Fruchtkorb von vier Männern getragen, während im königlichen Schlosse die berühmte Künstlergabe, der aus den Farbentuben der Berliner Künstler gegossene zinnerne Pokal, diesen Platz eingenommen hatte.

Dem Thronwagen der Königin „Minne“ folgte eine Gruppe von zwanzig italienischen Künstlern, welche die Erinnerung an Raphael, Tizian, Veronese leibhaft heraufbeschworen, in der kleidsamen Tracht der Raphael’schen Zeit: enganliegendes Sammetwamms mit geschlitzten Aermeln, Tricots, Schnabelschuhen, Kappen, oder in venetianischer Kleidung: kurze Radmäntel, darunter Wamms mit Brustausschnitt und an Ellenbogen und Handgelenk gepufften Aermeln.

Es waren stattliche, herrliche Gestalten, die hier in der farbenreichen Gewandung des Renaissance-Zeitalters erschienen waren: die Professoren Ewald, Knille, Hertel, die Bildhauer Neumann, Eberlein, die Maler Döpler, Paulsen, die Baumeister Ende, Heyden, um aus der Reihe berühmter Namen nur einige der berühmtesten zu erwähnen. Den Schluß des Künstlerzuges bildeten als vierte Gruppe die niederländischen Künstler, an deren Spitze Maler Ehrentraut einherschritt und denen die dunkelfarbige Tracht der Rubens, van Dyks, Rembrand’s ein besonders eigenartiges Gepräge verlieh. Da sah man die prächtige Gestalt Paul Meyerheim’s ernst und gemessen einherschreiten, an seiner Seite Maler Skarbina, Bildhauer Sußmann, Architekt Gießenberg. Im Schlosse hatte der Zug vor dem kronprinzlichen Silberbrautpaar Halt gemacht und Maler Dielitz die Ueberreichung der Festgabe mit einer poetischen Ansprache eingeleitet, die der Dichter des „Tannhäuser“, Julius Wolff, der selbst in der Tracht eines altdeutschen Minnesängers an dem Zuge Theil nahm, gedichtet.

Bei dem Künstlerfeste bewegte sich der Zug durch den Saal nach der an Stelle des Orchesters improvisirten, kleinen, aber prächtig decorirten Bühne, wo Maler Dielitz, eine herrliche Erscheinung in rothem, goldgepreßtem Venezianercostüm, die rotbe Sammetmütze auf dem mit Blumen umkränzten Haupte, den Frauen und Jungfrauen, „die im Hause und über die Herzen herrschen“, in schwungvollen Versen des neuen Minnesängers Julius Wolff die Huldigung der Künstler darbrachte.

Diesen Moment hat unser Künstler aufgefaßt, um den Lesern der „Gartenlaube“ einen annähernden Begriff von dem prachtvoll schönen Anblick zu gewähren, welchen der auf seinem Höhepunkt angelangte Festzug allen Theilnehmern des Festes bot. Obgleich der Künstler lediglich nach dem Gedächtniß zeichnete und keineswegs die Absicht hatte, Portraits der einzelnen Künstler wiederzugeben, sind einzelne besonders charakteristische Gestalten, wie Professor Herzberg und Maler Döpler, in unserer Illustration ganz unverkennbar.

Und all diese wiedererstandenen Raphaels, Michel Angelos, Rubens, Dürers schwangen ihre Barets, während die Herolde ihre Stäbe, die Hellebardiere ihre blumenbekränzten Flamberge schwenkten zum Preise der Frauen und Blumenträgerinnen, die aus ihren Körben Rosen, Veilchen und Camelien auf die festlich gekleidete Menge herniederregnen ließen. Doch ich will der Versuchung widerstehen, eine Beschreibung des Künstlerfestes zu liefern, nachdem ich mich der Aufgabe entledigt, den Festzug, den Berlins Künstler dem deutschen Kronprinzen und seiner fürstlichen Gemahlin zur Feier ihres silbernen Hochzeitsfestes dargebracht, mit freilich unzulänglicher Feder zu schildern. Heinrich Steinitz.     




Die Hungersnoth in der Eifel.

Von0 Adolf Ebeling.

Sehr vielen unserer Leser wird die Eifel wohl kaum mehr als dem Namen nach bekannt sein, und wohl nur sehr wenige werden sie bereist haben und mithin aus eigener Anschauung kennen. Die Moseltouristen freilich, die von Coblenz nach Trier fahren und sich in Trarbach und Bernkastel einige Tage aufhalten (manche von ihnen vielleicht mehr wegen der köstlichen Weine, als wegen der Naturschönheiten), machen wohl von dem gegenüberliegenden Alf einen Abstecher nach dem hübschen Bade-Orte Bertrich, wo bereits die Eifel beginnt; sie diniren vortrefflich im dortigen Curhause und besuchen dann den berühmten „Käskeller“, wo sie stets heitere Gesellschaft und natürlich auch die obenerwähnten köstlichen Weine finden. Wer kennte nicht den Bernkasteler „Doctor“, von dem ein altes Volkslied sagt:

„Das ist der wahre Medicus;
Heilt Leib und Seel’ von jedem Verdruß;
Bernkasteler Doctorwein
Schenkt der Herrgott selber ein!“

Der „Käskeller“ ist eine gewaltige Basalthöhle, die diesen Namen deshalb führt, weil die Säulen ganz so aussehen, als wären sie aus großen, auf einander gelegten holländischen Käsen gebildet. Poetische Damen, die sich in das Fremdenbuch mit irgendeinem gefühlvollen Verse, eigenen oder fremden Fabrikats, einschreiben, nennen sie aber lieber die Feen- oder Elfengrotte. Nicht weit davon braust ein prächtiger Wasserfall von der Höhe herab, eine schwindelnde, aber sichere Brücke trägt hinüber, und man hat dort oben einen lohnenden Rundblick in die Ferne. Der eigenartige und zwar vulcanische Charakter der Eifel tritt schon hier deutlich hervor: überall ragende Felsblöcke, die sich aber bei näherer Besichtigung als tausendjährige Lavamassen herausstellen, die von längst erloschenen Kratern herrühren. Solche Krater findet man überall in der Eifel verstreut, die meisten von ihnen sind mit Wasser gefüllt und bilden dunkle Teiche und Seen, die sogenannten Maaren, mit meist düsterer, aber oft sehr pittoresker Umgebung[1]. Auf den Bertricher Aussichtspunkten sieht man freilich davon nur wenig; blühende, reichbewachsene Gelände wechseln dort ab mit romantischen Felspartien, üppige Kornfelder ziehen sich in den Niederungen entlang, und wenn die vergnügte Reisegesellschaft spät Abende nach Alf oder Trarbach zurückkehrt, so haben sich Alle köstlich amüsirt und rathen Jedem an der Gasttafel, doch ja den hübschen Ausflug nicht zu versäumen.

Das ist aber nur die Lichtseite und auch nur die eines kleinen Theiles der Eifel, wie sie deren übrigens noch verschiedene bietet, namentlich nach dem östlich gelegenen Rheinthal hin, denn der königliche Rhein entfaltet gerade dort eine solche Fülle von Schönheiten, [259] daß er einige von ihnen, als hätte er deren zu viel, gern den nachbarlichen Länderstrecken überläßt.

Auch die vor mehreren Jahren eröffnete Zweigbahn von Trier nach Köln (über Bittburg, Stadtkyll und Euskirchen) führt noch dann und wann durch freundliche und sogar romantische Gegenden, obwohl sich auch hier schon der düstere, einförmige und öde Charakter des Landes zeigt.

Das eigentliche Gebiet der Eifel erstreckt sich aber westlich von dieser Bahnlinie bis an die belgische Grenze; Eupen z. B. liegt nur wenige Stunden von Verviers, und die Städte Montjoie und Malmedy deuten schon durch ihren Namen die französische Nachbarschaft an. Südlich bildet alsdann das Großherzogthum Luxemburg den Abschluß, sowohl nach Rheinpreußen, als auch weiterhin nach dem deutschen Reichslande Lothringen. Die Länge des ganzen Eifelgebietes beträgt mithin etwas über vierzig und die Breite gegen zwanzig deutsche Meilen, und dasselbe ist schon deshalb überaus merkwürdig, weil es durchweg eine Hochebene bildet, die sich bis zu anderthalbtausend Fuß über dem Meeresspiegel und etwa zwölf- bis dreizehnhundert Fuß über dem gewohnlichen Wasserstande des Rheins erhebt. Aus diesem Grunde haben manche Geographen, nachdem sie die allerdings sehr gewagte Behauptung aufgestellt, daß Deutschland vor vielen tausend Jahren noch vom Meere bedeckt gewesen, die jetzige Eifel als eine große Insel in diesem Meere angesehen; eine Frage, die wir natürlich auf sich beruhen lassen.

Der mittlere Theil dieses Plateaus ist zugleich der höchste und deshalb auch der ödeste und unfruchtbarste. Und doch ist er von Menschen bewohnt, die den ärmlichen Boden mit Korn und vorwiegend mit Kartoffeln mühsam bestellen, und die selbst in den günstigsten Jahren froh sind, wenn der Ertrag für ihren eigenen Unterhalt ausreicht. Eine weitere Hülfe und zwar an Brennmaterial bieten die Torfmoore, die sich in der holzarmen Gegend meilenweit hinziehen, aber freilich auch nur für den eigenen Bedarf ausgebeutet werden, da es an directen Communicationsmitteln zur Versendung fehlt, die sich überdies bei dem großen Kohlenreichthum der Nachbarländer auch nicht lohnen würde.

Nichts ist trostloser als jene Moorgegenden, auf denen oft wochen- und monatelang, namentlich im Herbste, dichter, feuchter Nebel liegt, der das Klima zu einem höchst ungesunden macht. Aber der Mensch gewöhnt sich an Alles, und der arme Eifelbewohner wird gewissermaßen mit Ergebung in sein hartes Schicksal geboren. Hier und da sieht man auf jenen Moorflächen auch wohl ein kleines hölzernes Kreuz, das die Unglücksstätte bezeichnet, wo ein einsamer verirrter Wanderer bei Nacht und Nebel im Sumpfe versank, dessen Leichnam dann später zufällig von den Torfarbeitern aufgefunden wurde.

Die Winter sind dort begreiflich ebenso langdauernd wie streng, der Schnee liegt oft monatelang meterhoch, weshalb auch dieser Theil der Eifel den Namen Schnee-Eifel trägt (das Volk sagt kurzweg „Schneifel“), und eisige Winde, die auf diesem Plateau von allen Seiten den freien Zugang haben, mahnen geradezu an Sibirien. Die einzelnen Häuser der Dörfer liegen fast immer weit aus einander; das Dorf Rottingen z. B. nimmt mit kaum hundert Häusern und sieben- bis achthundert Einwohnern fast einen gleichen Umfang wie Aachen ein.[2] Und „Häuser“ kann man diese niedrigen, rauchgeschwärzten, oft sogar fensterlosen Hütten kaum nennen, die nur einen einzigen und, wenn es hoch kommt, zwei Wohnräume enthalten und nur mit dem allernothdürftigsten Mobiliar (auch diese Benennung klingt viel zu vornehm) versehen sind. Kirche und Pfarrhaus sind in vielen Dörfern gleich unansehnlich, und beim Anblicke mancher Schulhäuser glaubt man gar nicht in Preußen zu sein, wo doch im Allgemeinen gerade für die Schulen so viel gethan wird, obwohl auch in einigen größeren Ortschaften neue Schulhäuser gebaut wurden, aber auf Kosten der Gemeinden, die dadurch in große Schulden gerathen sind. Auch sonst ist die Steuerlast schwer und kaum mehr zu ertragen, und, was das Schlimmste ist, die kleinen Grundbesitzer sind noch anderweitig stark verschuldet und zwar an die Güterhändler, die mit ihren Agenten unaufhörlich das Land durchziehen und stets bei der Hand sind, den Bedürftigen Geld vorzuschießen, natürlich gegen hohe Zinsen und außerdem gegen hypothekarische Verschreibung ihres Eigenthums. Das Volk nennt sie „Halsabschneider“, und mancher Bauer, der in ihre Krallen gerathen, hat schließlich und ohne recht zu wissen, wo und wie, all sein Hab und Gut an sie verloren und ist mit den Seinigen an den Bettelstab gekommen. Die Gerichte können nur in den seltensten Fällen einschreiten, denn jene Leute sind raffinirt, „man braucht sich mit ihnen ja nicht einzulassen“, und ein Proceß kostet erst recht viel Geld. Auch die letzte Zuflucht, die so vielen anderen Leidensgefährten in Deutschland offen steht, das Auswandern, ist den armen Eifelern verwehrt; denn auch dazu gehört Geld, was sie eben nicht haben.

Das ist mit wenig kurzen Worten das Land, wo jetzt die entsetzlichste aller Nöthen, die Hungersnoth, herrscht, von deren Schilderungen die Zeitungen voll sind und zu deren Linderung von allen Seiten Aufrufe erlassen werden. Manche Einzelnheiten entziehen sich geradezu der Beschreibung und würden, wenn man sie in ihrer ganzen erschütternden Wahrheit ausmalen wollte, bei den meisten Lesern kaum Glauben finden. Man bedenke dabei zunächst nur dies Eine: Nothstand, beklagenswerther, jämmerlicher Nothstand hat schon seit den letzten zehn Jahren fast überall in der Eifel und ganz besonders in der Schnee-Eifel geherrscht, wo seit Menschengedenken die Armuth das Loos des weitaus größten Theiles der Bevölkerung gewesen ist; wer sich mit den Seinigen satt essen und nothdürftig kleiden, und wohl gar einige wenige Thaler für die schlimmen Tage bei Seite legen konnte, der gehörte zu den Glücklichen und Beneidenswerthen – „etwas hungern hat der Eifeler von jeher müssen“, hört man oft am Rhein in leicht hingeworfener Rede sagen, „jetzt wird es nur gar zu arg“. Das sind keine Worte der Hartherzigkeit, gewiß nicht! Denn der brave und gemüthliche Rheinländer war auch hier, und bevor die Kunde des Elends weiter hinaus durch Deutschland drang, wieder der erste, der den guten Nachbarn zu Hülfe kam; wir theilen diese Aeußerung nur deshalb mit, weil sie die allgemeine Lage des Landes so zutreffend bezeichnet.

Da es sich nun hier um den Hunger handelt – der Ausdruck „Nothstand“ ist ein zu allgemeiner und läßt deshalb verschiedene Deutungen zu, und weshalb auch die Sache nicht bei ihrem rechten und wahren Namen nennen, wenn es auch noch so traurig klingt? – so müssen wir durchaus zwei Worte über die tägliche Nahrung der Eifeler Landbewohner in guten Tagen sagen. In guten Tagen! Es sind auch buchstäblich nur zwei Worte. Kartoffeln und Hafer. Die „Kornfelder“ in der Eifel sind immer nur Haferfelder, Roggen wird nur wenig und mehr nach der belgischen Grenze in der Nähe der größeren Städte gebaut und Weizen gar nicht. Der erstere würde als Winterkorn auf den höher gelegenen Feldern der strengen Kälte nicht widerstehen können, und für den zweiten ist der Boden viel zu mager. Weißbrod, das heißt Weizenbrod ist daher in den Dörfern der Schnee-Eifel und der hohen Veen so gut wie unbekannt; die Kinder nennen es Kuchen, „und Kuchen ist nur für reiche Leute.“ Brod wird also nur aus Hafer gebacken, aber weit mehr wird Haferbrei gegessen: das Mehl einfach mit Wasser und etwas Salz über dem schwelenden Torffeuer so lange gerührt, bis es steif, also gahr geworden ist, und wenn dann nur die Portion für Eltern und Kinder (das Privilegium der armen Leute: reichlicher Kindersegen findet sich natürlich auch in der Eifel) nicht zu klein ausfällt, so sind alle froh und zufrieden, denn sie werden satt. Neben dem Hafer hat der Eifeler nur die Kartoffeln, die gleichfalls kein fettes Erdreich verlangen und die in manchen Strecken, wo auch der Hafer nicht gut gedeihen will, die einzige Nahrung bilden. Morgens, Mittags und Abends eine Schüssel „gequellter“ Kartoffeln; und auch hier gilt dasselbe, wie von dem Haferbrei: wenn nur genug da ist, so hört man keine Klagen.

Nun sind aber sowohl der Hafer wie die Kartoffeln in den letzten Jahren mißrathen, die Kartoffeln sogar im vorigen Herbst total, und damit erklärt sich auch sofort der Nothstand, das heißt die Hungersnoth. Die Leute haben nichts zu essen. Wie sich das so leicht hinschreibt und so leicht liest! Und doch – welch eine Fülle unsäglichen Elends schließen diese Paar Worte ein; so entsetzlich, daß man fast an Gottes Barmherzigkeit verzweifeln möchte. Aber ein solches Elend liegt auch gar nicht in der göttlichen Weltordnung; wenn nur diejenigen, die viel haben, denen, die wenig oder nichts haben, nach Kräften beistehen, so ist dieser schrecklichste sociale Mißklang sofort gehoben. Dabei ist von [260] communistischcn Tendenzen ganz und gar nicht die Rede; Arme und Reiche wird es immer geben, denn das liegt eben wieder in der göttlichen Weltordnung; aber die werkthätige Nächstenliebe ist jedenfalls die erste aller menschlichen Tugenden.

Ein Beispiel, das gottlob nicht allein steht, wenn es auch in dieser Bedeutung zu den Seltenheiten gehört. Ein reicher Mann, ein „zwölffacher Millionär“, ist im vorigen Jahre an den Rhein gezogen, wo er sich am Fuße des Drachenfelsen ein prächtiges Schloß baut. Dadurch finden hunderte und mittelbar tausende von Arbeitern aller Art lohnende Beschäftigung, Dadurch ist die Ankunft dieses Millionärs ein Segen für die ganze Umgegend geworden. Aber dieser Ehrenmann (es ist der Baron Sarter) macht auch einen noch nobleren Gebrauch von seinem Gelde. Er hat nämlich ein warmes Herz für die Armen, und als er die grauenhaften Schilderungen von der Hungersnoth in der Eifel gelesen, trifft er sofort Anstalt, den am schlimmsten betroffenen Gemeinden zweitausend Centner Kartoffeln (die Hälfte zur Frühjahrssaat) anzuweisen. Anfangs fürchtete man, die Berichterstatter hätten in der Freude eine Null zu viel gemacht; aber nein, es sind wirklich volle zweitausend Centner und noch dazu bester Qualität … eine fürstliche Gabe!

Damit sind viele Tausende satt zu machen, und ihr Dank könnte diesem edlen Menschenfreunde dermaleinst die letzte Stunde sehr erleichtern, obwohl wir ihm ein langes, langes Leben wünschen, damit er noch recht, recht viel Gutes thun kann.

Wir sagten eben viele Tausende, und dies ist wörtlich zu nehmen, denn nach einer oberflächlichen Schätzung waren schon um die Mitte des Märzmonats zwischen 16000 bis 18000 Menschen von allen Nahrungsmitteln so gut wie ganz entblößt und auf die öffentliche und private Mildthätigkeit angewiesen. Und das in der Eifel, einem Lande, wo diejenigen reich genannt werden, die für sich selbst ihr bescheidenes Auskommen haben und nicht zu darben brauchen. Wie wären die im Stande, auch mit dem besten Willen ihren unglücklichen Mitbrüdern erfolgreich zu helfen?

Sehr charakteristisch ist ferner der Umstand, daß alle Berichte und Schilderungen aus den so schwer heimgesuchten Bezirken fast ganz gleichmäßig lauten; immer ein und dasselbe in wahrhaft erschütternder Uebereinstimmung.

„Die hungernden Kinder ziehen schaarenweise bettelnd von Dorf zu Dorf durch den tiefen Schnee und bei sechs, sieben und mehr Grad Kälte, glücklich, wenn sie noch heile Holzpantoffeln an den nackten Füßen haben, denn anderes Schuhwerk tragen sie niemals, und dabei pfeift der eisige Wind durch ihre dünnen, zerlumpten Kleider, daß oft mehrere von ihnen vor einem Bauernhause, wo sie auf ein Stück Brod hoffen, dicht neben einander niederkauern, um sich gegenseitig zu erwärmen. Die Männer gehen wohl auf Arbeit aus, finden aber selten welche, denn es giebt nichts zu thun und also auch keinen Verdienst. Die Frauen bleiben daheim in den kahlen, unwirthlichen Stätten und beschwichtigen die kleinsten Kinder, die vor Hunger weinen und die doch noch einige Stunden warten müssen, bis die Suppenanstalt im Gemeindehause geöffnet wird, wo sie endlich etwas Warmes zu essen bekommen. Und auch dort werden einer jeden Familie, wenn sie auch aus noch so viel Köpfen besteht, nur zwei oder allerhöchstens drei ängstlich bemessene Portionen verabfolgt, denn die Geber sind in ihren Mitteln sehr beschränkt, und morgen ist wieder ein Tag, und die Zahl der Armen wächst noch fortwährend in wahrhaft bedrohlicher Weise. Ob sie am Abend wiederkommen dürfen, um sich noch eine Portion zu holen, fragen Viele, und es thut bitter weh, ihnen eine verneinende Antwort zu geben, aber es geht leider nicht anders.“

So schreibt ein Pastor aus einem Dorfe bei Prüm und fügt, indem er um milde Gaben bittet, naiv hinzu, er selbst habe auch nichts mehr, denn das Wenige, was er besessen, habe er längst hergegeben.

„Wir hungern und frieren,“ schreibt man aus Auw bei Manderfeld, „und wissen uns schier gar nicht mehr zu helfen. Wir bewohnen den kältesten und unfruchtbarstcn Theil der Eifel, und eine gute Ernte haben wir seit langen Jahren nicht mehr gehabt. In unserem Dorfe und in den umliegenden Dörfern mit etwa 1200 bis 1300 Seelen giebt es keine zehn Familien, die täglich, wenn auch nur einmal, sich in Kartoffeln satt essen können. Hafer und Buchweizen konnten im vorigen nassen Herbst nicht eingeheimst werden, und als es endlich doch geschehen mußte, um nur etwas zu retten, war das Korn ausgewachsen, und das davon gebackene Brod ist so gut wie ungenießbar. Gegessen muß es trotzdem werden, aber die Leute, namentlich die Kinder, werden krank davon. Es ist ein unbeschreibliches Elend. Und was mag uns noch für die Zukunft beschieden sein, denn wir haben kein Saatkorn und keine Saatkartoffeln, und dazu ist der Winter auf einmal mit verdoppelter Gewalt wiedergekommen.“

In ähnlicher Weise lauten alle Berichte und stets mit demselben entsetzlichen Refrain: uns hungert und friert. In einem Dorfe des Bezirks St. Vith wurden eines Morgens über dreißig Kinder bald nach ihrer Ankunft im Schulhause von Schwindel und Kopfschmerzen ergriffen, und zwar einfach aus Entkräftung, denn sie hatten den einstündigen Weg durch Schnee und Nordwind nüchtern zurückgelegt. Manche waren im Schulzimmer buchstäblich umgefallen, viele wurden später ernstlich krank und drei von ihnen sollen bald darauf gestorben sein. Ueberhaupt räumt der Tod in diesem Jahre gewaltig unter den Kindern der Eifeldörfer auf, und auch sonst ist die Sterblichkeit dort größer als in normalen Verhältnissen.

Gethan wird allerdings viel und von allen Seiten zur Linderung der Noth; zunächst in den Rheinlanden selbst, wo in allen Städten, großen und kleinen, Sammelstellen errichtet sind, um die Geldbeiträge und sonstigen Gaben an Kleidungsstücken, wollenen Decken und Nahrungsmitteln entgegen zu nehmen. Ganz wie vor einigen Monaten zur Zeit der Überschwemmung. Und dabei fragt es sich sehr, ob die augenblickliche Noth in der Eifel, wenn auch örtlich auf einen geringeren Umfang beschränkt, nicht noch schrecklicher und noch dringender hülfeheischend ist, als jene. Gehungert haben doch die von der Ueberschwemmung Heimgesuchten wenigstens nicht, und ausgiebige Hülfe und Unterstützung waren damals so rasch und in so umfassendem Maße zur Stelle, daß schon nach wenigen Wochen der schlimmsten Noth gesteuert war.

Auch für die weiterreichenden Folgen der schrecklichen Wasserkatastrophe ist durch bedeutende Summen und durch staatliche Beihülfe ausreichend gesorgt; jene Summen sind sogar, namentlich durch die aus Amerika und England eingegangenen Gelder, zu einer solchen Höhe angewachsen, daß die Provinziallandtage von Rheinland und Westfalen schon einen beträchtlichen Theil davon für die Eifel in Aussicht genommen haben, was man hoffentlich höheren Orts gutheißen wird, denn die armen Eifeler sind ja ein Brudervolk.

Und sind wir das nicht längst Alle in Deutschland, vollends jetzt nach der glorreichen Einigung aller Stämme, mit dem schönen Wahlspruch, der an jenem denkwürdigen Januartage in Versailles ausgerufen wurde:

„… Ein einig Volk von Brüdern,
In keiner Noth uns trennen und Gefahr!“

So werden wir auch diesmal hoffentlich nicht vergebens bitten; das thut ohnehin die „Gartenlaube“ nie, denn sie kommt ja in viele hunderttausend Hände, überall wo deutsche Herzen schlagen, und alle diese Herzen (dies hat sich ja schon unzählige Male bestätigt!), wie sie theilnehmen an den freudigen und ruhmvollen Ereignissen im Vaterlande, so haben sie sich auch für die Leiden und die Noth der Landsleute ein warmes Mitgefühl bewahrt.

Und gerade jetzt, wo der sehnlich erwartete Lenz endlich, endlich seinen triumphirenden Einzug hält mit Blättergrün und Wiesenblumen und den Winter besiegt und vertrieben hat, öffnen sich die Herzen der Menschen ja noch mehr dem Mitleid und der Nächstenliebe … ach! in der armen Eifel dauert der Winter noch länger und wir müssen ihn walten lassen mit seinem Schnee und seinen eisigen Winden; aber den anderen noch schrecklicheren Winter des Hungers und des Elends, dem die arme Bevölkerung fast zu erliegen droht, den können wir bekämpfen und bannen durch hülfreichen Beistand, und so den Schwerbedrängten schon vor der Zeit einen erlösenden Frühlingsgruß bringen.


manicula0 Unter Hinweis auf den obigen Artikel: „Die Hungersnoth in der Eifel“ eröffnen wir eine Sammelstelle für die schwergeprüften Nothleidenden, und bitten unsere Leser und Freunde, ihre Liebesgaben schleunigst an die Adresse der Verlagshandlung Ernst Keil in Leipzig senden zu wollen. Die Redaction. 

[261] 

„Seht, da sind die Schwalben schon!“
Nach dem Oelgemälde von H. Hirt in München.

[262]

Zehntausend Meilen durch den Großen Westen der Vereinigten Staaten.[3]

Von Udo Brachvogel. Mit Illustrationen von Rudolf Cronau.
I.
Vor dreißig Jahren. – Zwischen Mississippi und Pacific. – Dampf-Civilisation. – Der „Neue Nordwesten“ und sein Verkehrs-Heerweg. – Die Weizenländer des Redriver. – Ueber den Missouri. – Die „Bad lands“ des Little Missouri.

„There is the East – there is India!“[4]

Mit diesen vor dreißig Jahren unter der Kuppel des Saint Louiser Stadthauses gesprochenen Worten eröffnete der große Missourier Thomas Benton jene historisch gewordene Rede, in welcher er als Erster den Muth und die staatsmännische Voraussicht hatte, den Bau einer vom Mississippi nach dem Stillen Ocean führenden Ueberlandbahn zu fordern und vorherzusagen. Vor dreißig Jahren! Wer wollte heute noch sagen, wie Vielen von ihren damaligen Hörern diese Worte nicht widerspruchsvoll erschienen? Widerspruchsvoll bis zur Verwegenheit – denn nicht genug, daß dieses: „Dort ist der Osten!“ mit westwärts gewendetem Antlitz gesprochen ward, es wurde auch von einer so energischen Handbewegung nach demselben Westen, nach dem eben aus einer weltverschollenen Thule zu einem weltgestürmten Dorado gewordenen Californien, begleitet, als wollte mit ihr ein jüngerer Columbus der Welt noch einmal jene gerade Meerstraße nach Ostindien weisen, in deren Mitte sich ihrem ersten Befahrer einst der große Westcontinent des Erdballs in den Weg geworfen hatte.

Und warum nicht ein jüngerer Columbus? Zieht man in Betracht, was der westlich vom Mississippi sich hindehnende, mehr als zwei Drittel des gesammten Unionsgebiets umfassende „Große Westen“ vor dreißig Jahren war, und was er heute ist, so wird man immerhin etwas Welterschließendes in dieser ersten Benton’schen Formulirung der Forderung einer Pacificbahn erblicken dürfen, an deren Ende sich thatsächlich jener Ocean und auf ihm jener offene Weg nach Indien und dem Orient dahinbreitet, welchen der Amerika findende Genuese dereinst umsonst gesucht hatte. Und wie seiner Zeit dieser Letztere nur wenig Jahre brauchte, um zu beweisen, daß er auf der richtigen Weltfährte gewesen, so sollte es auch für den ersten und frühesten Träumer einer amerikanischen Transcontinentalbahn nur einer ganz kurzen Zeit bedürfen, um ihre anscheinend kühnen Behauptungen vom Schlage des Benton’schen: „Dort ist der Osten – dort ist Indien!“ als das einfachste Ding der Welt erscheinen zu lassen.

Nur einer ganz kurzen Zeit – sehen wir etwas näher zu, wie das, und wie schnell es dabei herging. Mehr als zwei Drittel des gesammten Landbesitzes der Union liegen westlich vom Mississippi, und noch in der ersten Zeit unserer Generation galten die unmittelbaren westlichen Uferländer dieses Stromes für den äußersten Grenzstrich eines halb fabelhaften Gebietes, unter dem man sich ein für immer der eingeborenen Rothhaut verfallenes Riesenwirrsal von Prairien, Hochsteppen, Alpenketten, Wüsteneien und sonstigen Wildnissen vorstellte, in dem weder der kriegerisch- noch der friedlich-erobernde Kaukasier jemals ordentlich Fuß fassen werde.

Die Entdeckungsreise von Lewis und Clark, welche 1805 die Quellen des Missouri gefunden und selbst den Columbia bis zu seiner Mündung in den Stillen Ocean verfolgt hatten, stand in der Geschichte mehr als romantische Wagefahrt und Leistung persönlichen Muths, denn als eine im Dienst der Civilisation vollbrachte Großthat da. Und noch in den vierziger Jahren konnte der Zug Fremont’s über die Felsengebirge seinem Vollbringer den nationalen Ehrentitel eines Pfadfinders nicht so sehr wegen der praktischen Vortheile, welche er dadurch der Welt erschlossen hatte, als vielmehr der Gefahren und Abenteuer halber eintragen, welche damit verknüpft gewesen. Erst der im Frühjahr 1848 aus den Westabhängen der Sierra Nevada über Amerika und Europa dringende Weltalarmruf „Gold“ brachte den Namen Californien auf alle Lippen, entriß mit einem Schlage den fernsten pacifischen Rand dieses westlichen Riesengebiets seiner Verschollenheit und nahm bald auch diesem letzteren selbst durch den großen Land-Argonautenzug, der sich in einer Länge von zweitausend Meilen über die Prairien, Felsengebirge, Wüsten und Sierras nach dem neuen Schätzelande entfaltete, seine ersten und übertriebensten Geheimnisse.

Aber das Gold allein that es dieses Mal doch nicht. Es bedurfte noch anderer, noch unmittelbarer und nachhaltiger sich geltend machender Beweggründe, um die wirkliche Eroberung des Großen Westens anzubahnen. Aus dem bloßen Goldlande am Pacific entpuppte sich im Laufe weniger Jahre ein unschätzbares Weizen- und Weinland mit einem mächtig aufstrebenden Handel und einer mit ihm in gleichem Schritte aufblühenden Handelscapitale. Im Innern des Continents, in den Wüstenbergzügen zwischen den Felsengebirgen und der californischen Sierra Nevada, wurden beständig neue Minengebiete erschlossen, denen neue Bevölkerungen zuströmten. Gleichzeitig aber lieferten die Mormonen mit ihrer wunderbaren Kirchen- und Ackerbauschöpfung am Salzsee den Beweis, daß in diesem nämlichen Wüsteninnern des Continents sich auch noch weitaus stabilere Culturvorbedingungen finden ließen, als unzuverlässige Gold- und Silberlager. Und dann kam der große amerikanische Bürgerkrieg und mit ihm die durch den Abfall des Südens der Nation ertheilte Lehre: daß ihre neue pacifische Domäne noch durch ein stärkeres als nur ein goldenes, durch ein eisernes Band an die östlichen Stammgebiete der Union zu knüpfen sei.

Damit war das Sesamwort für den Großen Westen gefallen, und als ob er dieses Rufes nur geharrt hätte, trat der moderne Reiche-Eroberer Dampf in diesen noch halb vom Schleier der Sage umwallten Gebieten seine Erschließer-Mission mit einem Ungestüm an, welches Amerika selbst in Staunen versetzte, die alte Welt aber vollends bald nur noch von einem neuen Weltwunder sprechen ließ. Dasselbe sollte schnell genug eine vollendete Thatsache sein. Nur vier Jahre nach Beendigung des Bürgerkrieges, und es stand fertig da. Das Frühjahr 1869 brachte das große Schauspiel der ersten, auf ununterbrochenen Schienengeleisen vom Missouri bis zum Sacramento jagenden Locomotive. Die seitdem verflossene Zeit von nur dreizehn Jahren aber hat hingereicht, dem Weltwunder genug Neu-Auflagen zu geben. Nicht weniger als fünf vollständige Ueberlandbahnen, die in Kurzem auf sechs und sieben angewachsen sein mögen, überbrücken in diesem Augenblicke den Großen Westen auf die zweitausend Meilen hin, die den Mississippi vom Stillen Ocean trennen. Und nicht genug mit dieser fünffachen Einschienung von Osten nach Westen – auch unter und zwischen den eisernen Hauptheerwegen derselben hat der bahnenbauende Unternehmungsgeist in den letzten Jahren eine derartig fiebernde Thätigkeit entwickelt, daß dies ganze ungeheure Gebiet demnächst von Norden nach Süden ebenfalls in das geschlossenste Schienennetz eingesponnen und eingefangen sein wird, in welches die moderne Culturspinne Dampf noch je ein neues Weltgebiet eingefangen hat.

Die jüngste der Civilisations-Vollbringungen, welche man diesem gigantischen Eisenbahnbau im Großen Westen zu verdanken hat, besteht in der Erschließung des Neuen Nordwestens durch die Pacificbahn. An Flächeninhalt etwa das Doppelte des deutschen Reiches umfassend, erstreckt sich der unter diesem Namen verstandene Landgürtel von den canadischen Seen und dem oberen Mississippi über die Gebiete von Minnesota, Dacotah, Montana, Idaho, Oregon und Washington-Territorium bis an den Puget-Sund und die Mündung des Columbia in den Stillen Ocean. Wer hätte von dieser ganzen nordwestlichen Region, mit etwaiger Ausnahme West-Oregons und Minnesotas, noch vor zehn Jahren in einem andern als rein geographischen Sinne sprechen gehört? Und heute? Heute haben sie bereits mit Glanz ihren ersten Schritt über die Schwelle gethan, welche die Wildniß vom Culturbereiche trennt; hat die amerikanische Großviehzucht mit ihren unübertrefflichen Weidegebieten zu rechnen angefangen; haben sie als Kornkammern bereits ihr Wort auf dem Weltmarke mitzusprechen begonnen!

Und nun zu den Gebieten selbst, welche dieser neueste amerikanische Ueberlandweg über Nacht in Bann und Dienst des [263] Weltverkehrs gestellt hat und von denen man nicht weiß, ob man dem Reichthum und der Nutzbarkeit ihrer unabsehbaren Bodenflächen, oder der Schönheit, Merkwürdigkeit und Mannigfaltigkeit ihrer landschaftlichen Gestaltung die Palme zuerkennen soll. Das kingt ein wenig voll, aber es meint genau, was es sagt. Nur in wenigen Ländern der befahrenen Erde wird eine derartige Entscheidung dem Umschau Haltenden so schwer gemacht, wie in diesem neuesten Theil der Neuen Welt. Man hat nur vom Lake Superior aus seine Ostgrenze zu überschreiten, um sich auch gleich an der Schwelle dieses achtzehnhundert Meilen langen Landgürtels der ganzen Qual einer solchen Wahl preisgegeben zu sehen. Es ist der Staat Minnesota, der, selbst noch verhältnißmäßig neu, hier gewissermaßen den Vorhof des Neuen Nordwestens bildet.

Der Westfahrer aber durchfliegt dieses schöne, in seinem Reichthum an Wald, Hügeln, Seen, Feldern und Farmen einem ununterbrochenen Park gleichende Minnesota nur, um sich schon hundert Meilen jenseits des Mississippi, nach Ueberschreitung des Redriver, mit einem Schlage in das gerade landschaftliche Gegentheil versetzt zu sehen, in das jeder Romantik entbehrende, völlig nackte und flache Prairiengebiet Dacotahs!

Aber welcher Wandel hat sich im letzten Jahrzehnt in diesen Redriver-Regionen des nordöstlichen Dacotah vollzogen! Als ob ihre fußtiefen Ablagerungen schwarzen Humusbodens nur darauf gewartet hätten, ist hier unter der ersten Berührung des magischsten aller Zaubergeräthe, der Pflugschar, über endlosen Grassteppen ein Weizenland erwachsen, das schon heute von Dutzenden kleiner Ackerbaustädte und von Tausenden einzelner Farmen und Heimstätten bedeckt ist. Fargo am Redriver ist die Hauptstadt davon. Mit den zehntausend Einwohnern, welche es in diesem Augenblick zählen mag, erlaubt es sich bereits den Luxus einer beträchtlichen Anzahl steinerner Geschäftsgebäude, vier verschiedener Zeitungen und eines zweihundert Fuß hohen eisernen Beleuchtungsthurmes, von dessen Höhe eine elektrische Sonne allabendlich nicht nur die junge Weizencapitale, sondern auch die sie umgebenden ländlichen Weizendependenzen weithin erleuchtet. Im Uebrigen sieht der Ort wie ein großes Heerlager von Landagenturen und Niederlagen von Farmgeräthen und Ackerbaumaschinen aus, welch letztere Raummangels halber ihre Pflüge, Eggen, Sä-, Mäh- und Dreschapparate im Freien aufstapeln und so die Straßen in einen großen Agriculturbazar verwandeln.

Das Land um Fargo herum aber und auf hundert Meilen und mehr nach Westen hinaus muß man zur Erntezeit mit eigenen Augen gesehen haben, um das Recht zu begreifen, mit welchem die poetischen Zeitungsredacteure dieser jungen Ackerbaucommunitäten nur noch von ihrem „Goldenen Nordwesten“ sprechen. Ein einziges, unabsehbares, nur hier und da von einer Gerste- oder Haferwelle unterbrochenes Weizenmeer liegt es dann da, dieses neueste Weizenland der Erde. Im Augenblick bereits Tausende von Quadratmeilen bedeckend, brandet es mit jedem Sommer weiter nach Westen hinaus, hat es schon heute das eigentliche Redrivergebiet längst hinter sich gelassen, ist es eben im Begriff, das weitschichtige Hügelland zu überfluthen, welches unter dem wunderlichen Namen des „Cotaeus“ die Ufer des zweihundert Meilen weiter westlich fließenden und hier seinen großen nordsüdlichen Bogen beschreibenden Missouri einsäumt.

Die größten Farmbetriebe der Welt befinden sich in diesem Weizenlande Norddacotahs, so bei Fargo die berühmte Dalrymple-Farm, welche allsommerlich 25,000 Acres – nahezu ein und eine Viertel geographische Quadratmeile! – in einer geschlossenen Fläche unter Cultur hat. Daß hier die Maschine zur Großmacht wird, und daß sich Bodenbestellung, Aussaat und Ernte in Dimensionen und mit Hülfsmitteln vollziehen, von denen der europäische Ackerbau ebenso wenig etwas weiß, wie von den kaum nennenswerthen Preisen dieses Neulandes, bedarf keiner besonderen Ausführung.

Doch nicht nur in Mitten der bereits von der Pflugschar eroberten Districte entfaltet dieser Monstrebetrieb seine nützliche, wie seine schädliche Wirksamkeit. Er bildet auch den erfolgreichen Pionier nach Westen hin, welcher im Verein mit der neuen Eisenbahn die kleineren Farmen in hellen Haufen erst hinter sich herzieht. Und gerade in den Hügellandstrichen des oben genannten „Cotaeus“ sind es neuerdings die drei Riesengründungen der Steele-, der Clark- und der Troy-Farm, von denen keine unter 15,000 Acres umfaßt, welche den Beweis geliefert haben, daß die baumlose „rollende“ Prairie des Missouri sich ebenso gut, wie die nicht minder baumlose, aber dazu noch völlig flache und in dieser Flachheit nur um so mehr den winterlichen Eis- und Schneestürmen, welche hier unter dem Namen „Blizzards“ so sehr gefürchtet werden, ausgesetzte Prairie des Redriver, zu einem sommerlichen Weizenparadiese qualificiren.

Das Latein, welches dem Leser in dem Worte „Cotaeus“ entgegentritt, ist, wie der Weizen dieser Gegenden, von echtem Dacotaher Wachsthum. Es ist eine von den guten Leuten dieses Territoriums glücklich zu Stande gebrachte und noch glücklicher eingebürgerte Corruption des einst von den französisch-canadischen Missionären dieser Landerhebung beigelegten und von den amerikanischen Geographiebüchern beibehaltenen Namens: Coteau du plateau du Missouri. Diese „Hügelländereien des Plateau von Missouri“ und der von ihnen eingesäumte Strom bringen in landschaftlicher Beziehung eine wahrhaft erlösende Abwechslung in das ebene Einerlei, welches sich vom Redriver bis hierher hindehnt. Bismarck heißt die junge Stadt, bei welcher die Nord-Pacificbahn auf einer diesem Namen wohl entsprechenden eisernen Prachtbrücke den Missouri überschreitet. Dieser selbst aber ist eines solchen Brückenbaues wohl würdig. Trotz seines schmutzig verwahrlosten Gewässers bietet er hier bereits ein höchst stattliches Flußbild, wird er namentlich im Frühjahr, wenn die Rocky Mountains ihre Wassermassen zu Thale senden, zum gewaltigen Strom mit weitausgedehntem Ueberschwemmungsgebiet.

Aber wo bleibt dieses Fluß- und Hügelland-Intermezzo, mit dem der Missouri und seine Ufer eine so wohlthuende Abwechslung in die endlose Prairieneinförmigkeit Dacotahs bringen, neben der landschaftlichen Abnormität, welche – ein ganzes Landschafts-Drunterunddrüber – des um abermals hundert Meilen der sinkenden Sonne nachgeeilten Westfahrers in den ebenso viel genannten wie wenig gekannten „Bad lands“ des Little Missouri harrt? Nicht die geringste Absonderlichkeit an dieser selbst bis auf ihren Namen absonderlichen Region, zu deren Hervorbringung eine excentrische Naturlaune die widersprechendsten Naturkräfte vereinigt zu haben scheint, ist die Plötzlichkeit, mit der sie sich hier und von hier auf weite Strecken nach Norden und Süden hin fast quer über das ganze Unionsgebiet aufwirft. Am ausgesprochensten längs der Grenzlinie, welche Dacotah vom Territorium Montana trennt, erstrecken sich diese „Bad lands“ nach Wyoming hinunter, um in Colorado und Utah auf’s Neue hervorzutreten, bis sie in ihren südlichsten Ausläufern endlich in Neu-Mexico und Texas verschwinden. Soll man sie ein Gebirge nennen? Wenn man sich durch einen Zug der Nord-Pacificbahn kurz vor Ueberschreitung des Little Missouri-Flusses plötzlich und unvermittelt in ihr buntes Labyrinth von Höhen, Bergen, Schluchten, Thälern und Engpässen versetzt sieht, gewiß! Es sind wohl an tausend bis zwölfhundert und selbst noch mehr Fuß, zu welchen sich hier diese in allen nur denkbaren Formen aufstarrenden Erdbildungen über die davor gelagerten Ebenen erheben. Dazu in solchen Massen, in solcher Zusammengedrängtheit und in solchem Durcheinander, daß man sich wie mit einem Zauberschlage in eine längst entschwundene geologische Epoche zurückversetzt glaubt, da die Erde noch in ihren zuckenden Werde-Wehen lag und nicht das fertige, menschen-bewohnte Bild der Ordnung von heute war.

Als habe damals ein übermächtiger Wille ihrem chaotischen Kreißen jählings Einhalt gethan, so ist hier das Land mit einem erstarrten Chaos der abnormsten Formen bedeckt, in denen auch die ungeübteste Einbildungskraft allerlei phantastische Gestalten erblicken muß, und welche hier wie mit einer Art ingrimmigen Wohlgefallens an ungeheuerlich-primitiver Plastik auf die Breite von tagelangen Wanderungen unter einander gewürfelt erscheinen.

Auf die Breite von tagelangen Wanderungen! Ja, wer sich überhaupt nur unterfangen wollte, diese Wirrsale und Irrgärten von Riesenkegeln, Pyramiden, Zacken, Wällen, Thürmen, Haufen, Domen, Ruinen und Bastionen zu durchwandern, in deren gewundenen Schluchten und endlos verschlungenen Thaleinsenkungen ein üppiger Graswuchs wuchert, aus welchem – ein weiterer Zug der contrastirenden Bizarrerie, welche hier zu Hause ist – die mächtigen Knorren und Stümpfe versteinerter Bäume aufragen!

Nur ein unendlicher Ariadne-Faden, noch besser aber ein untrüglicher Pfadfinderinstinct können zu einem solchen Unternehmen in Stand setzen. Ohne das Eine oder das Andere harrt

[264]

Bad lands“ (Schlechte Gegend) am Little Missouri.
Nach der Natur gezeichnet von dem Specialartisten der „Gartenlaube“ Rudolf Cronau.

[265] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [266] sicheres Mißlingen, harrt allerlei Gefahr, wohl gar der Untergang des hoffnungslos Verirrten, der hier durchzudringen versuchte.

Und damit wäre auch das Geheimniß des Namens berührt, den man dieser geheimnißvollen Gegend beigelegt hat. Das verdächtige, wenn nicht gar verächtliche „Bad lands“ – „schlechte Ländereien“ – ist durchaus nicht so verächtlich gemeint, wie es klingt. Es ist nur die kopflose und doch zugleich nur den Kopf beibehaltende Uebersetzung der früheren französischen Bezeichnung für diesen eigenartigen Naturspuk. „Terres Mauvaises pour traverser“, so lautet die von den nämlichen canadischen Missionären, die auch den Coteau du plateau du Missouri aus der Taufe gehoben, herrührende Bezeichnung in wörtlicher Uebertragung des treffenden ursprünglichen Indianernamens. „Bad lands to cross“, „eine schlechte Gegend, um durchzukommen“, hätte das Englische zu lauten gehabt.

Aber die wackeren Bewohner von Dacotah, deren sprachschöpferische Findigkeit wir schon im „Cotaeus“, des Missouri gewürdigt, begnügten sich mit dem einfachen „Bad lands“, und dieses Mal haben ihnen selbst die amerikanischen Karten und Geographiebücher zugestimmt. Es wird daher wohl für alle Zeiten sein Bewenden damit haben.

Das Material der „Bad lands“ ist ein reiner thonartiger Lehm. In ungeheuren Massen abgelagert, wurde er vor unvordenklichen Zeiten durch die Thätigkeit unendlicher Fluthen zu diesem labyrinthischen Wechsel von Berg und Thal ausgewaschen und ausgespült. Aber das Wasser hat hier nur die erste Arbeit gethan, nur das kleinere Wunder verrichtet. Das zweite, größere, das eigentliche Wunder blieb den Flammen vorbehalten. Und diese Flammen sind noch heute an ihrer, nach echter Flammenart unterirdisch betriebenen Arbeit und werden nach dem, was man an hundert Stellen dieser „Bad lands“, wo ihre lodernden Feuerherde in Gestalt offener Krater an’s Tageslicht treten, mit eigenen Augen sehen kann, noch so manches Zeitalter am Werk bleiben. Sie entstammen ungeheuren Braunkohlen- und Schwefellagern, welche sich unter diesen Aufthürmungen von Thon und Lehm dahin breiten. Vor Aeonen in Brand gerathen, unterhalten sie hier seitdem die gigantischste Backsteinbrennerei und Töpferei der Welt.

Ein Elementarwunder an sich, leiht die Thätigkeit dieses kolossalen Ziegelofens zugleich den „Bad lands“ ihren schönsten und eigenartigsten Zauber: zu der ganzen Formenmannigfaltigkeit eines regelrechten Terracottagebirges den ganzen Farbenreichthum eines solchen. In Bändern, Streifen, Zacken, Einfassungen und ganzen Gipfelkrönungen treten diese Farben vom grellsten Ziegelbraun und Roth bis zum zartesten Thongelb und Porcellanweiß sowohl an einzelnen Wänden und Abstürzen, wie an ganzen Hügeln und Kuppenreihen hervor.

An unzähligen Stellen ist das gebrannte Erdreich in Massen losgebröckelt, und man wandert dann über ganze Strecken eines aufgeschütteten Stoffes, von dem man schwören würde, daß es Ziegelschotter sei, wüßte man nicht, daß an der Grenze von Dacotah und Montana von einer mit Ziegeleien arbeitenden Civilisation vorläufig noch keine Rede sein kann. An anderen Punkten wieder scheinen – natürliche Vettern des römischen Monte Testaccio – ganze Berge und Abhänge aus rothen, schwarzbraunen und gelben Scherben aufgeschüttet zu sein. An noch anderen ragen scharfe Kuppen empor, deren untere Hälfte noch die unberührte Farbe des ursprünglichen gelben Thones trägt, während die Spitze einem frischgedeckten norddeutschen Kirchthurm gleich in den leuchtendsten Zinnober getaucht ist.

Doch genug der Einzelheiten. Wer wollte auch hoffen, mit ihrer Aufzählung[WS 1] der Beschreibung dieses ohnehin eigentlich gar nicht zu beschreibenden Natur-Capriccios näher zu kommen? Alles daran ist Merkwürdigkeit und Schönheit. Schön und merkwürdig ist der Formen- und Farbenreichthum, welcher den in tiefer Thaleinsenkung Stehenden unmittelbar umdrängt; schöner das in gemilderten Contouren und Tinten sich gebende Gebirgsbild, zu welchem sich das Ganze dem höher Steigenden erweitert – am schönsten und vollends wie aus einem Traumlande in diesen phantastischen Erdwinkel hineingrüßend die terrassenartig über dem Horizont aufsteigenden Wände, welche diesem Labyrinth nach allen Seiten hin den Anschein der Unendlichkeit geben und einander so lange immer wieder von Neuem überbauen, bis auch die zackigsten Gestaltungen und die grellsten Farben im blauen Duft der Ferne erlöschen.




Der chaldäische Zauberer.

Ein Abenteuer aus dem Rom des Kaisers Diocletian.
Von Ernst Eckstein.
(Fortsetzung.)


Olbasanus, den Zauberstab in der Rechten, die Linke auf’s Herz gepreßt, senkte den Blick zu Boden und sprach zu Lucius Rutilius:

„Kniee nieder, mein Sohn. Uralter Sitte gemäß schlachten wir der Göttin der Unterwelt ein schwärzliches Opferthier. Flehe Du, daß die heilige Handlung gelingen möge! Das Eingeweide des Thieres, vom Geisterhauche Hekate’s angeweht, kündet uns, was wir zu wissen bestrebt sind – nicht in räthselhaften Symbolen, die noch der Deutung benöthigen, sondern in klarer Schrift, wie sie Menschenaugen geläufig ist. Opfer der Hekate, stirb!“

Er hob den Stab über das Haupt. Das schwarze Lamm brach zusammen wie vom Blitze getroffen. Gleich darauf erschienen zwei Opferdiener, bleiche Jünglinge in hellenischem Chiton (Leibrock) und persischen Beinkleidern, den Kopf mit buntfarbigen Tüchern umwunden.

„Unbekannter!“ wandte sich Olbasanus zu Lucius, „tritt herzu und berühre das Thier, das dem Angriffe meiner hülfreichen Dämonen erlegen ist.“

Lucius Rutilius, der mit jeder Minute scheuer und zaghafter ward, schritt vor. Die Glieder des Thieres waren bereits erstarrt. Da der Jüngling in das wollige Fell griff, sank der Kopf des Lammes zurück und zeigte die gebrochenen Augen.

Die Opferdiener schoben von der Altarplatte den Teppich hinweg und legten das Thier darauf. Während Lucius Rutilius den Vorderfuß des Thieres mit der Linken gefaßt hielt, reichte einer der beiden Leute dem Chaldäer das Messer. Das Lamm ward geöffnet, und allerlei Zaubersprüche murmelnd, nahm Olbasanus das Herz und die Leber heraus. Im nächsten Augenblicke war das Thier hinweggeschafft und die Altarplatte mit großen, schwärzlich gefärbten Leintüchern vom Blute gereinigt.

Olbasanus hielt das Herz und die Leber ausgestreckt in der Linken, bis die Sclaven eine eherne Platte auf den Altar gesetzt hatten. Dann legte er das Herz und die Leber vorsichtig auf’s Metall, schwang den Stab und sagte zu Lucius Rutilius:

„Tritt heran, um zu lesen!“

Bei diesen Worten ertönte ein donnerähnliches Rollen. Lucius Rutilius beugte sich klopfenden Herzens über die Platte. Da stand mitten auf der noch rauchenden Leber deutlich mit hellenischen Buchstaben:

ΘΑΝΑΤΟΣ – der Tod.

Lucius Rutilius schwankte haltlos zurück.

„Der Tod!“ murmelte er wie erstarrt vor sich hin.

Auch Cajus Bononius war vorgetreten, um die große, in ihren Linien etwas unsichere Schrift der Prophezeiung zu lesen. Heftig athmend nagte er sich die Lippen; er zog die Brauen zusammen; er ballte die Faust, als ob er dieser äußeren Mittel bedürfe, um Widerstand zu leisten gegen den Eindruck dieses unbegreiflichen Wunders. Er bekannte sich, daß ihm jede Erklärung fehle; und dennoch, sein klarer, vorurtheilsloser Verstand bäumte sich wider das, was seine Augen nicht leugnen konnten. Er betastete die Schrift mit dem Finger; sie verwischte sich nicht. Daß Olbasanus nicht etwa selber geschrieben hatte, ehe oder während er die Leber auf die Metallplatte legte, das konnte Cajus Bononius bei allen Göttern beeidigen. Schon zuckte ihm ein beklommenes „Und wenn es dennoch wahr wäre?“ durch die Seele, als er, seitwärts aufblickend, das schier unmerkliche Lächeln gewahrte, mit [267] welchem der Zauberer die skeptische Untersuchung der Inschrift beobachtete. Für den Scharfblick des jungen Mannes wohnte diesem Lächeln eine sonderbare Bedeutung inne. Das war nicht jenes hoheitsvolle Lächeln des Mitleids und der gottbegnadeten Größe, die im Vollbesitz ihrer heiligen Kräfte auf den verblendeten Zweifler herabschaut, sondern das pfiffige Lächeln des Griechen, dem es gelungen ist, im Bretspiel seinen Gegner um einen Stein zu betrügen, das Lächeln eines tollkühnen Abenteurers, der eine verwegene That vollbracht und jegliche Spur seiner Thäterschaft glücklich ausgetilgt hat. So schöpfte denn seltsamer Weise der Philosoph da, wo ihn die Logik im Stich ließ, erneute Widerstandsfähigkeit aus dem Reich des Gefühls, aus dem Instincte, der ihn die Sache gering schätzen ließ, weil die Person verdächtig ward.

„Zweifelst Du immer noch, Cajus?“ raunte Lucius Rutilius mit zuckender Lippe. „Komm, ich weiß jetzt genug. Wie ich’s ertragen werde, das ruht im Schooße der Götter.“

„Ich zweifle entschiedener als je,“ gab ihm Bononius zurück. Der Tag wird kommen, daß ich diese Wunder enträthsele. Jetzt, ich beschwöre Dich, laß mich, und vor Allem Dich selbst und Deine Hoffnung nicht so ohne Weiteres im Stiche. Stell’ ihm erneute Fragen, fordere noch andere Zeichen! Man sagt, aus einem Todtenschädel lasse er die Stimme der Göttin sprechen, und die Tochter des Heliodorus selber hat Dir’s geschrieben, daß der Zauberer die Flammengestalt der Hekate vom nächtlichen Himmel herabführt. Wieg’ ihm seine Wunder mit Gold auf, aber laß ihn leisten, was er vermag, zum Heile der Wahrheit und zum Gedeihen Deiner glücklichen Zukunft. Mehr als zuvor brenne ich jetzt darnach, Alles zu schauen, um Alles verachten zu können!“

„Cajus, Du lästerst!“ sagte Lucius erschreckt. „Wenn sie Dich straft, die Entsetzliche, die Vernichterin meines Lebens!“

„Strafen? Wofür? Wenn sie ist, so muß sie mir dankbar sein, daß ich den Mißbrauch ihres Namens enthülle; aber sie ist nicht, sonst hätte sie Diesen da längst hinabgerissen in den ewigen Abgrund.“

Es entstand eine Pause. Olbasanus schien sich an dem Eindruck, den seine Prophezeiung auf die Beiden hervorgebracht, heimlich zu weiden, denn er hielt die geflüsterte Rede des Cajus Bononius für den Ausfluß staunender Bangigkeit.

„Den Tod hat die Herrscherin der Nacht mir geweissagt,“ hub endlich Rutilius an. „Aber Eins noch lastet mir auf der Seele. Darf ich fragen?“

„Frage!“ erwiderte Olbasanus.

„So möchte ich wissen, ob dieses Geschick durch kein Opfer, keine sühnende That von mir abgelenkt werden kann. Steht es in Deiner Macht, so laß mich’s vernehmen. Beschwöre die Göttin, daß ihre eigene furchtbare Stimme dem Fragenden das Orakel spreche.“

Wie vorher schaute der Chaldäer nach oben; wie vorher blitzte es auf, und den Stab erhebend rief er:

„Gewährt!“

Abermals entlockte er dem Altar jenen räthselhaften Metallton, der den weißgekleideten Knaben hereinrief. Auf ein unverständliches Wort des Chaldäers hin trat er zu einem benachbarten Monopodium, nahm ein steinbesetztes Kästchen herab und setzte es neben den Zauberer. Dann kam wieder die Onyxschale zum Vorschein, und klingend senkten sich die Goldstücke des Lucius Rutilius in die bauchige Höhlung. Gleich darauf schob sich hinter dem Altar zwischen den beiden Pfeilern der dunkle Vorhang zurück. Eine halbrunde Nische ward sichtbar, von einer bläulichen Ampel beleuchtet. Der Zauberer entnahm dem Kästchen ein kleines Gefäß, dessen Inhalt er an dem Kohlenbecken entzündete. Ein wohlriechender Rauch stieg zum Gewölke empor. In demselben Augenblicke erloschen sämmtliche Lichter mit Ausnahme jener bläulichen Ampel. In ihrem Schimmer gewahrte man am Boden der Nische einen grinsenden Todtenschädel.

Olbasanus winkte den Fragesteller heran. Beide Hände auf den Altar gestemmt, sollte Lucius Rutilius hinüberschauen in die gespenstische Nische und den Wahrspruch der Schreckensgöttin vernehmen. Auch Cajus Bononius mußte, da er zu sehen und zu lauschen wünschte, mit der Rechten die Altarkante fassen.

„Schweigt und schwindet, ihr Dämonen und Geister,“ begann jetzt der Chaldäer geheimnißvoll. „Schweigt und schwindet, denn Hekate, die Unerforschliche, selber will zu diesem Staubgeborenen sprechen durch das Symbol ihrer Allmacht, durch den Todtenschädel am Boden ihres Sanctuariums. Das fleischentblößte, hirnentleerte Gebein, ehedem der Sitz der Gedanken, die erloschene Lampe eines längst vergessenen Menschendaseins, dient der Unsichtbaren als Stätte, wenn sie emporsteigt aus den Tiefen der Unterwelt. Künde mir, Allgewaltige, ist der Hauch Deines göttlichen Lebens eingekehrt in das vermorschte Gehäuse?“

Ein dumpfes, grausenhaftes „Du sagst es“ klang aus der hochstirnigen Wölbung des Schädels hervor.

Lucius Rutilius erschrak heftig. Cajus Bononius glaubte noch bezüglich der Richtung, aus der die Stimme kam, sich getäuscht zu haben. Nach vorn übergebeugt, lauschte er athemlos.

Olbasanus hatte sein Antlitz auf den Altar geneigt, gleich als ob die Gegenwart der unsterblichen Göttin sein Antlitz niederzwinge in schauernder Ehrfurcht. Jetzt erhob er sich langsam.

„Sei uns gnädig, Du Herrscherin über uns Alle!“ sprach er, die Hände wie ein Schutzflehender nach der Nische hin ausstreckend. „Dieser Jüngling begehrt zu wissen, ob das Schicksal, das Deine Strenge ihm weissagt, unabänderlich ist wie ein Fatum, und, wenn es nicht unabänderlich ist – was er thun muß, um das Schreckliche abzuwenden.“

Nach einer Pause erklang die Stimme aus dem Todtenkopfe von Neuem.

„Unabänderlich ist sein Schicksal, dafern er ausführt, was er geplant hat,“ raunte es so deutlich in der gräßlichen Höhlung, daß auch Bononius nicht länger zu zweifeln vermochte. „Nur im Entsagen liegt das Heil seines Lebens! Dies kündet ihm Hekate, die Alles hinwegnimmt, was ihr Odem berührt hat.“

Bei diesen Worten erscholl ein furchtbarer Donnerschlag. Der Schädel in der Nische begann sich zu regen und – o unbegreifliches Wunder! – kleiner zu werden, wie eine Wolke am Abendhimmel, die sich allmählich in Nichts auflöst. Starren Auges verfolgten die beiden Jünglinge diese räthselhafte Erscheinung. Noch zwei Minuten, und der Todtenschädel war völlig von dem glänzenden Boden hinweggeschwunden – nicht in die Erde gesunken, sondern gleichsam in sich selbst zusammengebrochen, verweht, verraucht wie ein Trugbild.

Als Cajus Bononius aufblickte, gewahrte er seinen Freund wie leblos auf den Stufen des Altars.

„Es ist aus,“ murmelte er schreckensbleich, da Bononius ihm die Schulter berührte.

Eine Zeit lang überließ Bononius den Bekümmerten seinen verzweiflungsvollen Empfindungen. Olbasanus, der an solche Scenen gewöhnt sein mochte, verharrte schweigend einige Schritte abseits.

„Lucius,“ begann der junge Weltweise nach einigem Zögern, „überlege nur Eins! Die Götter, dafern sie sind, müssen gedacht werden als der Inbegriff alles Erhabenen. Das Grausige aber und Gespenstische stößt den Menschen um so entschiedener ab, je reiner und edler und den Göttern also verwandter seine Seele geartet ist. Eben der Begriff der Gottheit, und selbst der einer Gottheit über das Todtenreich, verbietet uns, Vorgänge wie die soeben erlebten für einen Ausfluß ihres Willens zu halten. Auch ich vermag die Räthsel dieses Chaldäers nicht zu errathen: aber ich zweifle mit aller Kraft, daß sie das sind, wofür er sie ausgiebt. Zweifle auch Du, Lucius! Bekenne ihm, daß Du zweifelst, spare Dein Geld nicht, und fordere ihm erneute Gewähr ab! Deine Hero, so sagtest Du, hat die Todesgöttin geschaut; heische auch Du ihren Anblick, um entweder unabweislich zu glauben, oder den Hebel zu finden, mit dem Du all dies Unerklärliche aus den Angeln hebst.“

Es währte diesmal geraume Zeit, bis sich Lucius Rutilius bereden ließ. Endlich aber, durch die wachsende Ruhe des Freundes immer stärker beeinflußt, gab er ihm nach und verlangte, was Bononius ihm vorschrieb.

Der Scharfblick des Olbasanus hatte diese Wendung der Dinge seit lange vorausgesehen. Schweigend geleitete er die beiden Jünglinge durch ein halbes Dutzend kreuz und quer verlaufender Gänge in den nächtlichen Park. Sanft am Hügel emporsteigend, bedeckte dieser Garten des Zauberers mehrere hundert Schritte im Viereck. Nahezu haushohe, mit Epheu und anderen Schlinggewächsen überkleidete Mauern schlossen ihn ein wie ein Heiligthum. Hier und dort in alabasternen Becken spielten die Wasser; seltsame Statuen, im Sternenschimmer der mondlosen Nacht nur [268] als blasse Schatten erkennbar, standen wie geisterhafte Wachen zwischen dem Strauchwerke. Uralte Steineichen und Platanen breiteten ihre vielverästeten Kronen aus.

In der Mitte des Parkes befand sich ein Rundplatz von etwa sechszig Ellen im Durchmesser. Hier machte der Zauberer mit seinen Begleitern Halt.

„Dein Wunsch ist verwegen!“ sagte er zu Lucius Rutilius. „Nur in seltenen Fallen willfahrt die Göttin so frevlem Begehr. Du aber, ich wiederhole Dir’s, scheinst auserlesen von ihrer Huld. Hekate“ – er kreuzte die Arme über die Brust – „will und wird Dir erscheinen … Ja sie duldet selbst die Nähe dessen, der als theilnehmender Freund Dir zur Seite steht. Dennoch – ich warne Dich! – Gedenke an Semele, die den Zeus in all seiner olympischen Hoheit zu schauen begehrte und in seinen Armen qualvoll dahinschmolz! Nicht Tod und Verderben freilich wird Euch erwachsen aus dem Anblick der Unerforschlichen, denn sie erscheint Euch freiwillig, nicht gezwungen durch einen götterbindenden Schwur. Aber auch so wird ihre Erscheinung Euch Sinn und Seele verwirren und Eure Herzen aufwühlen mit Schreck und Entsetzen. In versengender Flammengluth wird sie am sternbesäeten Himmel einherfahren, nur für Eure Augen sichtbar und für die meinen, und vernichtendes Grausen wird von ihren Schultern herabträufen, wie der Regen aus der Gewitterwolke. Dies furchtbare Bildniß – Ihr werdet es nicht wieder austilgen können aus Eurem Gemüthe. – Deshalb trotzt nicht zu lange ihrem zermalmenden Anblick! Sobald Ihr sie einmal geschaut habt, senkt in Ehrfurcht das Haupt und verhüllt Euch das Antlitz in den zitternden Händen. Es bedarf keiner Frage an die Unsterbliche. Daß Dein Schicksal ein Fatum ist, hat ihre Stimme bereits verkündet; daher wird sie von links kommen, von den Regionen des Abends, und hinüberflammen gen Osten. Wäre es dennoch so, daß ihre eigene Huld und Gnade dies Fatum versöhnen könnte – und nur sie vermag in seltenen Fällen Bande zu lösen, die der Gefesselte selbst durch kein Opfer und keine Sühne zerreißen würde, – dann käme sie aufgestiegen von rechts, wie die Sonne steigt, und verschwände nach links. Jetzt – seid Ihr vorbereitet?“

„Wir sind es,“ gab Rutilius zur Antwort.

Olbasanus warf sich zur Erde. Die Stirne dreimal leise wider den hartgestampften Boden aufschlagend, rief er im Tone einer verzweiflungsvoll ringenden Inbrunst:

„Hekate, Fürstin der Unterwelt, Herrscherin über Alles, was Athem hat, zeige Dich dem Auge dieser Erwählten – und, so es Dir möglich ist, steig’ empor aus den Regionen des Morgens!“

Plötzlich erscholl ein unheimlich gespenstisches Rauschen, ein Schwirren wie von fernem, gewaltigem Flügelschlage. Ein lodernder Flammenschein zuckte am Himmel auf – aber von Westen her. In rasender Schnelligkeit zog die Erscheinung am Firmamente entlang – halb verdeckt durch die Zweige einer hoch aufragenden Ulmenreihe.

„Verhüllt das Antlitz, Ihr Unglückseligen!“ hatte der Chaldäer beim ersten Flammenschimmer gerufen, und zwar so schneidig, so wie von wahrem Grausen erfüllt, daß Lucius Rutilius unwillkürlich gehorcht hatte.

Selbst Cajus Bononius war zusammengefahren und hatte erst voll und klar wieder aufgeschaut, als die Flammenerscheinung bereits fern im Osten hinter dem unerkennbaren Dunkel des Himmelsrandes hinabsank.

Halb ohnmächtig wurde der tief erregte Lucius Rutilius von Olbasanus und Cajus Bononius hinweggeführt. Eine Frage des Letzteren schnitt der chaldäische Zauberer mit der ruhigen Bemerkung ab:

„Die Zeit, da Olbasanus Euch zur Verfügung stand, ist lange verronnen. Andere leidbekümmerte Sterbliche harren bereits voll Ungeduld seiner Hülfe.“

Nach fünf Minuten hatte sich Lucius Rutilius so weit erholt, um an der Seite des jungen Weltweisen den Heimweg antreten zu können. Als Cajus Bononius, an der Pforte des Freundes angelangt, ihm die Hand reichte und ihm zuflüsterte: „Fasse Dich, Lucius!“ – da ward ihm keine Antwort zu Theil. Taumelnd wie ein Trunkener eilte Lucius durch den Thürgang in’s Atrium und suchte sein Lager auf, um die ganze Nacht hindurch kein Auge zu schließen.

Auch Cajus Bononius befand sich in unbeschreiblicher Aufregung. Der Zwiespalt zwischen dem, was er wahrgenommen, und dem, was sein Verstand und seine Vernunft seit lange über das Wesen der Dinge und die Bedeutung der Welt sich zurechtgelegt, war zu unversöhnlich, als daß der wissensdurstige Geist des Jünglings nicht unausgesetzt danach getrachtet hätte, die zertrümmerte Harmonie so oder so wieder herzustellen. Bis zum Morgengrauen schritt er beim Scheine der Lampe durch sein Studirgemach oder im Peristyl auf und ab und prüfte, wog und verwarf, bis er sich endlich, fast zu Tode erschöpft, in Toga und Tunica auf die Ruhebank warf und entschlief.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.


Eine luftige Statistik. Unsere Leser haben schon oft gehört, daß unsere klare, durchsichtige Atmosphäre von unzähligen Wesen bewohnt wird, die so winzig sind, daß wir sie nur mit Hülfe der stärksten Mikroskope sehen können. Sie haben auch viel von der Bedeutung dieser kleinen Organismen gehört, da in unsern Tagen viele Gelehrte der Meinung huldigen, daß einzelne Arten derselben verschiedene ansteckende Krankheiten hervorrufen. Vom Hörensagen kennt heute selbst das Schulkind den „Cholerapilz“, die Tuberculose-Bacterien etc. Unsere Aufgabe ist es heute nicht, den Lesern zu erklären, wie viel Wahres diese vielfach angefochtenen Theorien der modernen Forscher enthalten, wir wollen die Pilzfrage, soweit sie sich auf den Aufenthalt der kleinsten Pilze in der Luft bezieht, von einem andern Standpunkte betrachten.

Ein französischer Forscher, P. Miquel, beschäftigt sich gegenwärtig in dem Observatorium von Montsouris bei Paris mit der Statistik der in der Luft enthaltenen Pilzkeime und hat vor Kurzem die Ergebnisse seiner recht mühseligen Arbeiten veröffentlicht.

Nach seinen Mittheilungen enthielt ein Cubikmeter Luft aus der Umgebung von Montsouris durchschnittlich folgende Mengen von Pilzkeimen: im December, Januar und Februar 7000, im Mai 12,000, im Juni 35,000, im August 23,000, im October 14,000 und im November 8000. Man kann also hieraus den Schluß ziehen, daß auch diese unsichtbaren Pilze, wie Alles in der Welt, ihre Zeit haben und in warmen und feuchten Monaten sich am zahlreichsten vorfinden.

Miquel hat seine Forschungen auch auf einzelne Arten von Pilzen ausgedehnt, namentlich auf die Bacterien, von welchen einige in dem schlechten Rufe der Krankheitserzeuger stehen. Im Durchschnitte soll es im Laboratorium von Montsouris achtzig Bacterien in einem Cubikmeter Luft geben, und auch diese Zahl ist je nach der Jahreszeit besonderen Schwankungen unterworfen. Im Februar zählte Miquel nur 33 und im October 170 Bacterien in einem Cubikmeter Luft. Natürlich gelten diese Zahlen nicht für jeden Ort. Zu derselben Zeit fand man nämlich in einem Cubikmeter Luft folgende Bacterienmengen: auf der Spitze des Pariser Pantheons 28, im Parke von Montsouris 45 und in der Mairie des vierten Arrondissements von Paris 462.

Schließlich bemerken wir noch, daß das Pariser Regenwasser mindestens 64,000 derartige Gäste in je einem Liter enthält.

Der Leser wird wohl fragen: Wozu nützt diese sonderbare Statistik? und er wird geneigt sein, zu antworten: Doch wohl nur zur Befriedigung einer „wissenschaftlichen Neugierde“. So wie die Sache sich heute verhält, dürfte er wohl Recht haben, denn die Zahlen, welche uns Herr Miquel mittheilt, sind noch zu unzuverlässig, um aus ihnen irgend welche sichere Schlußfolgerung zu ziehen. Bei sorgfältiger Fortsetzung derartiger Statistik könnten jedoch Daten gesammelt werden, die für die Erklärung mancher räthselhaften Naturerscheinungen, mancher Krankheiten etc. von großem Nutzen wären. Das ist auch das Ziel, welches sich der genannte Forscher gestellt hat. Ob er es erreichen wird, ob wir die Nutzanwendung dieser mühseligen Arbeit erleben, das muß freilich dahingestellt bleiben.



Kleiner Briefkasten.

Ein treuer Abonnent aus Baiern. Wir empfehlen Ihnen die billige und vorzügliche Schrift: „Die medicinischen Geheimmittel, ihr Wesen und ihre Bedeutung. Nach den amtlichen Materialien des Ortsgesundheitsraths zu Karlsruhe geschildert von Karl Schnetzler und Dr. Franz Neumann.“ (Karlsruhe, A. Bielefeld’s Hofbuchhandlung. Preis 1 Mk. 20 Pf.)

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W. K. G. Wir können Ihnen nur den einen Rath ertheilen: Wenden Sie sich an einen tüchtigen Arzt, aber an keinen, der brieflich curirt.



Unter Verantwortlichkeit von Dr. Friedrich Hofmann in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Die „Gartenlaube“ hat im Jahrgang 1878, S. 179 das Weinfelder Maar abgebildet und einen ausführichen Artikel über Land und Leute und die Sagenstätten auf der Eifel („Auf vulcanischem Boden“ von Ferdinand Hey’l) gebracht. Wir verweisen auf denselben unsere Leser, welche über die Geschichte dee Landes sich näher unterrichten möchten.
    D. Red.     
  2. Vergleiche die kürzlich erschienene Schrift „Der Nothstand auf der Eifel“ von Fr. Thomas (bei Bagel in Düsseldorf), aus welcher wir diese und einige andere Notizen entlehnten.
  3. Unter Meilen sind in diesen Artikeln stets englische Meilen verstanden, von denen 46/10 auf die deutsche Meile gehen.
  4. „Dort ist der Osten – dort ist Indien!“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Anfzählung