Die Gartenlaube (1889)/Heft 48

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1889
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[805]

No. 48.   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Sakuntala.

Novelle von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)


Die Aufführung der „Sakuntala“ rückte näher und immer näher heran, und an einem jener sonnig linden Tage, die sich als verheißungsvolle Vorboten des nahenden Lenzes eingestellt zu haben schienen, konnte Gerhard – müde und doch in glücklichster Stimmung aus der Probe zurückkehrend – seiner strahlenden Braut die fröhliche Mittheilung machen, daß alles über Erwarten glücklich gehe und daß sämmtliche Mitwirkende sich ihrer Aufgaben mit einem wahren Feuereifer angenommen hätten. Man lachte und scherzte und Astrid machte schließlich den Vorschlag, bei dem prächtigen Sonnenschein ein wenig in dem großen Garten, den sie wegen eines darin befindlichen Hügels als Kinder immer den „Wallgarten“ genannt hatten, spazieren zu gehen. Da sah es nun freilich noch recht winterlich kahl und öde aus. Wie in sehnsüchtigem Verlangen streckten Bäume und Sträucher dem Licht und Leben spendenden Tagesgestirn ihre entlaubten Zweige entgegen, und außer einigen kleinen Tannengruppen war ringsum noch nichts Grünes zu sehen. Aber das focht die beiden Liebenden in ihrer glücklichen Stimmung sehr wenig an. Sie gingen Arm in Arm umher und machten sich gegenseitig auf jedes Fleckchen aufmerksam, das einem von ihnen um irgend eines kleinen Ereignisses willen in der Erinnerung geblieben war, und als sie dann oben auf der Höhe des sogenannten Walles standen, kam es über die beiden glückseligen Menschenkinder, denen die ganze Welt in Glanz und Sonnenschein getaucht erschien, wie der ausgelassene Uebermuth jener alten Tage. Astrid lief davon und rief ihm lachend zu, er solle sie haschen. Zwischen Gebüsch und Sträuchern, über die blumenlosen Beete hinweg ging es in lustigem Jagen, und wenn Gerhard sein behendes Bräutchen dann glücklich erwischt hatte, so war es nur natürlich, daß ihm ihre rothen Lippen den Lohn für seine Geschicklichkeit zahlen mußten.

Bei diesem vergnüglichen Treiben, dessen Anblick sicherlich manchen Bewunderer des großen Künstlers in nicht geringes Erstaunen versetzt haben würde, hatten sie nicht bemerkt, daß die Rechnungsräthin schon seit einer geraumen Weile in der geöffneten Thür des Gartens stand. Die würdige Dame schien ihrerseits wieder an den glühenden Wangen und an den leuchtenden Augen


In schwerem Dienst.
Zeichnung von C. Schulze.

[806] ihrer Schützlinge ein so lebhaftes Wohlgefallen zu finden, daß sie darüber minutenlang den eigentlichen Zweck ihres Erscheinens vergaß. Endlich aber mußte sie doch über einen allzu schlecht berechneten Sprung Gerhards, der mit einem unfreiwilligen Kniefall geendet hatte, in ein so herzliches Lachen ausbrechen, daß ihre Anwesenheit nicht länger verborgen bleiben konnte.

Im nächsten Augenblick waren die beiden jungen Leute an ihrer Seite, und Frau Haidborn überreichte Gerhard mit einem scherzhaften Kompliment über seine turnerischen Fähigkeiten ein Telegramm, das in seiner Wohnung angekommen und von seinem Diener hierher gebracht worden war.

„Hoffentlich enthält es nichts Unangenehmes, lieber Sohn,“ fügte sie hinzu, „denn ich würde mir’s sonst nicht verzeihen können, Eure Fröhlichkeit damit gestört zu haben.“

„Was könnte mir auch Unangenehmes geschehen, da ich meine liebe Astrid gesund und glücklich vor mir sehe!“ meinte Gerhard übermüthig; aber kaum hatte er die Depesche erbrochen und ihren Inhalt überflogen, als alle Farbe aus seinen Wangen entwich.

„Um Gotteswillen, was ist es? Welche Schreckensnachricht hast Du da erhalten?“ fragte Astrid, die so gut in seinem Gesicht zu lesen verstand. Statt aller Antwort reichte er ihr das Blatt.

„Paula Wildenfels soeben von einem Blutsturz befallen, schwerkrank. An Auftreten nicht zu denken.“

So stand da in den flüchtigen, gleichgültigen Schriftzügen des Telegraphenbeamten, und Astrid begriff die Bestürzung ihres Verlobten nur zu wohl. Das war ein Schlag von niederschmetternder Wucht; denn jene Paula Wildenfels war die Sängerin, welche in Gerhards Oratorium die Sakuntala singen sollte. Mit ihrer Erkrankung war jede Möglichkeit einer Aufführung des Werkes nicht nur für den in Aussicht genommenen Abend, sondern auf Monate hinaus vernichtet. Gerhard bemühte sich denn auch nicht, vor diesen beiden Menschen, die ihm so nahe standen, seine tiefe Niedergeschlagenheit zu verbergen.

„Es ist nicht viel weniger als ein Mißerfolg!“ klagte er. „Alle meine schönen Träume sind in nichts zerstoben.“

„Und es giebt keine Möglichkeit, einen Ersatz zu schaffen?“ fragte Astrid zaghaft. Aber Gerhard schüttelte wehmüthig den Kopf.

„Keine! Es bleibt mir nichts anderes übrig, als die getroffenen Anordnungen auf der Stelle rückgängig zu machen, und auch das wird nur unter schweren Opfern möglich sein!“

Die Frauen machten keinen weiteren Versuch, ihn zu trösten. Gerhard verabschiedete sich mit wenigen Worten von seiner Braut, der die hellen Thränen in den Augen standen, und fuhr unverzüglich zu dem Orchesterdirigenten, um sich mit diesem weiter zu besprechen.

Natürlich wußte der Mann ebenso wenig Rath als Gerhard selbst, und nach einer nutzlosen einstündigen Verhandlung kehrte der Komponist todmüde und mit schweren Gliedern in seine Wohnung zurück. Nur um für wenige Minuten auszuruhen, warf er sich auf das Sofa; aber seine Abspannung war zu groß und schon nach wenigen Minuten hatte ihn der Schlummer übermannt. Der spöttische Traumgott gaukelte ihm allerlei herrliche Bilder eines glänzenden Erfolges vor. Er hörte sein Werk in mustergültiger Aufführung an sich vorüberrauschen, er sah sich bewundert und gefeiert, und ein Geräusch wie das Brausen eines ungeheuren Beifallssturmes war es, das ihn schließlich weckte.

Nur des Bruchtheils einer Minute bedurfte es, ihn aus all’ seinen Himmeln in die häßliche Wirklichkeit zurück zu versetzen, die ihm jetzt nur um so trübseliger und verdrießlicher erschien. Er ging an seinen Schreibtisch, um die unerfreuliche Arbeit zu beginnen, die ihm aus diesen Umständen erwuchs, und achtlos schob er einige Briefe bei Seite, die ihm der Diener inzwischen dahin gelegt haben mußte.

Da – was war das? – Ein zierliches, modefarbenes Briefchen mit einem prahlerischen Monogramm, das ihm nur zu wohl bekannt war! Wie oft hatte er eine Sendung von dieser Gattung mit stürmischer Zärtlichkeit an seine Lippen gedrückt, noch ehe er sie aufgebrochen, und wie viel Liebes und Freudiges hatten diese Umschläge sonst für ihn enthalten! Aber was konnte ihm Rita heute zu schreiben haben? Eine neue Herzlosigkeit vielleicht, die ihn in seiner gegenwärtigen trostlosen Stimmung zwiefach verwunden mußte! Nein, diesen Triumph wenigstens wollte er ihr nicht gönnen – er wollte ihren Brief nicht lesen!

So schob er ihn denn wirklich bei Seite und begann zu schreiben; aber er konnte seine Gedanken von dem kleinen farbigen Papier nicht losmachen, und ehe er selber sich dessen eigentlich recht bewußt geworden war, hielt er es abermals zwischen den Fingern. Es trug keine Freimarke und keinen Poststempel, – es mußte also von einem Boten gebracht worden sein, und jetzt las er auch in einer Ecke den Vermerk „Eilig und dringend!“ – Welch eine Feigheit war es doch, daß er zögerte, sich vom Inhalt zu überzeugen! War ihm Rita denn nicht eine Fremde, deren Mittheilungen ihn gleichgültig lassen mußten, wie auch immer sie lauten mochten?

Und nun lag der Umschlag am Boden und Gerhard starrte wie ein Träumender auf die Schriftzüge der einst so heiß geliebten Frau. Es war so wenig, was sie ihm schrieb, und doch hatte sie ihm niemals etwas gleich Bedeutungsvolles zu sagen gehabt wie in diesem Brief. Er war durchaus in den Formen der üblichen Höflichkeit gehalten und lautete:

„Herrn Gerhard Steinau.

Mit Bedauern erfahre ich soeben, welch ein Mißgeschick meine hochgeschätzte Kollegin Wildenfels und dadurch mittelbar auch Sie betroffen hat. Da zu befürchten ist, daß die Krankheit einer so wichtigen Solistin die ganze Aufführung Ihres Werkes in Frage stellt, so verschmähen Sie es vielleicht nicht, im Interesse der Sache, an der auch ich einen warmen Antheil nehme, von meinen Diensten Gebrauch zu machen. Ich habe die Partie gut im Gedächtniß, und wenn Sie mir die Noten noch heute zustellen können, so wird unzweifelhaft eine einzige Probe mit Chor und Orchester genügen, mich für das öffentliche Auftreten vorzubereiten. Ich erwarte Ihre Antwort; aber ich bitte Sie, sich nicht persönlich zu bemühen, da mich meine leidige Migräne verhindert, irgend einen Besuch zu empfangen.

Mit ausgezeichneter Hochachtung 
Rita Gardini.“ 

Das war allerdings eine Ueberraschung, auf die Gerhard am wenigsten vorbereitet sein konnte, eine Rache von so edelmüthiger Art, wie er sie von diesem stolzen, leidenschaftlichen und herzlosen Weibe niemals erwartet hätte. Tiefer konnte er wahrlich nicht gedemüthigt werden als durch diese beispiellose Selbstverleugnung einer tödlich gekränkten Frau! Und wie peinlich war die Wahl, vor welche er sich da so unerwartet gestellt sah! Auf der einen Seite die mächtige Versuchung, seine schon verloren gegebenen künstlerischen Hoffnungen nun doch in über Erwarten glänzender Weise verwirklicht zu sehen, – auf der anderen die Rücksicht, welche er Astrid schuldig war! Um ihretwillen durfte er nicht daran denken, seinen Verkehr mit Rita, wenn auch in der unverfänglichsten Form, wieder aufzunehmen! Aber konnte sie ein solches Opfer wirklich von ihm verlangen?

Nein, das war unmöglich, und nach kurzem Kampfe war sein Entschluß gefaßt. Astrid selbst sollte die Entscheidung fällen! Daß sie, die von der wahren Natur seiner einstigen Beziehungen zu Rita Gardini noch immer nichts ahnte, ihm mit freudigem Eifer rathen würde, die dargebotene Hilfe zu ergreifen, darüber war er freilich nicht einen Augenblick im Zweifel, aber er befand sich eben in einer jener Lebenslagen, in denen etwas wie eine unerklärliche Gewissensangst oder wie eine unbewußte Vorahnung kommenden Unheils dazu drängt, die Verantwortung für die eigenen Handlungen einem anderen aufzubürden, auch wenn diese Abwälzung im Grunde nur eine Vergrößerung des Unrechts bedeutet.

Er fuhr abermals nach dem Weinbergsweg hinaus, und zu seiner Rührung fand er nicht nur Astrid, sondern auch die sonst so tapfere Rechnungsräthin mit roth geweinten Augen. Ohne viele Erklärungen zog er Ritas Brief aus der Tasche und reichte ihn seiner Braut. Mit einem lauten Jubelruf des Entzückens warf sich Astrid an seine Brust, sobald sie ihn gelesen hatte.

„Welch’ ein Glück für uns – und welch’ ein Edelmuth! O Gerhard, wie vollständig hast Du diese Frau verkannt! Ein wie schweres Unrecht hast Du ihr zugefügt, als Du sie herzlos und selbstsüchtig nanntest!“

„Wahrhaftig, es scheint mir fast, als ob Du recht habest, liebe Astrid! Du bist also der Meinung, daß ich ihr Erbieten annehmen soll?“

„Gewiß! Wie kannst Du nur einen Augenblick darüber im Zweifel sein? Und auf der Stelle mußt Du zu ihr gehen, um ihr zu danken! Ach, wie glücklich wäre ich, wenn ich Dich begleiten dürfte!“

[807] Gerhard suchte seine Verlegenheit hinter einem Lächeln zu verbergen.

„Davon kann nun freilich vorläufig nicht die Rede sein, meine Liebe. Und Du siehst ja, daß sie meinen Besuch nicht einmal wünscht. Es muß gerade jetzt wohl meine Pflicht sein, mich in allem ihrem Willen zu unterwerfen!“

Astrid vermochte ihm darin zwar nicht beizustimmen, aber sie drang nicht weiter in ihn, als sie sah, daß er fest entschlossen war. Die Rechnungsräthin hatte ihrer Unterhaltung schweigend zugehört; nun aber wünschte sie doch zu wissen, wer diese großmüthige Sängerin sei, und warum nie zuvor von ihr die Rede gewesen. Die Gegenwart Astrids, in deren ahnungslosem Herzen er unter keinen Umständen einen Verdacht aufsteigen lassen wollte, nöthigte Gerhard, der alten Dame zu erzählen, daß er ehedem mit Rita Gardini eng befreundet gewesen sei, und daß ein unglückseliges Mißverständniß diese Freundschaft zerstört habe.

„Und Astrid hat diese Dame überhaupt nicht kennengelernt?“ forschte Frau Haidborn, in deren klugen Augen Gerhard etwas wie Mißtrauen zu lesen glaubte, weiter.

„Nein! Mein Zerwürfniß mit ihr fiel gerade in die Zeit unserer Verlobung, und später war an eine Wiederannäherung kaum zu denken. Doch ich meine, wir hätten genug von ihr gesprochen. Meine Zeit ist gemessen, und nachdem ich Deines Einverständnisses sicher bin, liebe Astrid, werde ich ihr unverzüglich die Noten senden!“

„Meines Einverständnisses? – Ich begreife Dich wirklich nicht, Schatz! Kannst Du denn meine alte Thorheit noch immer nicht vergessen, und hältst Du mich für so unverständig oder so schlecht, daß ich etwas anderes als Entzücken bei Deiner Neuigkeit empfinden könnte?“

„Nein, nein!“ wehrte er hastig ab, indem er sie an sich zog und alle weiteren Fragen von ihren Lippen küßte. „Ich hatte volles Vertrauen zu Dir und ich wollte Dir nur beweisen, daß ich auch einen beinahe selbstverständlichen Entschluß nicht fassen kann, ohne mich mit Dir vollkommen eins zu wissen.“

„Und Sie thun recht daran, lieber Sohn!“ fiel die Rechnungsräthin mit ungewöhnlich ernster Betonung ein. „Nichts anderes ist so gefährlich und Verderben bringend als ein Geheimniß zwischen Liebenden, und wäre es auch an und für sich von der unbedeutendsten Art. Die Seele meiner kleinen Astrid liegt vor Ihnen wie ein Spiegel, und Sie vergelten nur Gleiches mit Gleichem, wenn Sie auch vor ihr nichts Verborgenes und Unwahrhaftiges haben.“

Eine solche Ermahnung konnte Gerhard niemals unbequemer sein als in diesem Augenblick. Er machte ein etwas saures Gesicht und beeilte sich, fortzukommen. Astrid, die ihn bis an die Thür des Häuschens begleitet hatte und die seinem Wagen mit den Blicken gefolgt war, so lange er in ihrem Gesichtskreise blieb, kauerte, als sie in das Wohnzimmer zurückgekehrt war, zu den Füßen ihrer mütterlichen Freundin nieder und sagte, sich zärtlich an sie schmiegend, mit der Wichtigkeit eines Kindes, welches soeben einen großen Entschluß gefaßt hat:

„Soll ich Dir etwas anvertrauen, liebe Mama, – etwas sehr Kühnes und Ungeheuerliches? – Aber Du mußt mir zuvor feierlich versprechen, daß Du keinen Versuch machen wirst, mich daran zu hindern!“

Zärtlich legte die alte Dame ihre Hand auf Astrids glänzenden Scheitel.

„Wie kann ich Dir ein solches Versprechen geben, Kind? Aber ich denke, Du wirst mich auch ohne das Deines Vertrauens für würdig halten.“

„Nun, so höre denn! – Ich habe mir vorgenommen, heimlich zu Fräulein Gardini zu gehen und ihr so recht aus vollem Herzen für ihre Großmuth zu danken!“

„Das wolltest Du thun, Astrid? – Und ohne Deinen Verlobten davon in Kenntniß zu setzen?“

„Das ist es ja eben, was ich vermeiden will! Gerhard darf jedenfalls erst davon erfahren, wenn es geschehen ist. Er würde es mir unbedingt verbieten!“

„Und wenn Du dessen so sicher bist, fürchtest Du nicht, daß er Dir nachher ernstlich böse sein werde?“

„O nein, ich werde ihn schon zu versöhnen wissen! Es ist ja nur sein Stolz, der ihm nicht gestattet, mir diese Erlaubniß zu geben. Ich weiß nicht genau, welche Ursache ihre Entfremdung gehabt haben mag, aber ich habe guten Grund, anzunehmen, daß ich selbst die unschuldige Veranlassung dazu gewesen bin.“

„Du, Astrid?“ – Das ehrwürdige Gesicht der Rechnungsräthin wurde immer ernster und sorgenvoller. „Und wie kommst Du zu einer so seltsamen Vermuthung?“

„Ach, frage mich jetzt nicht danach, liebe Mama! Ich habe Gerhard einmal versprochen, daß davon nicht mehr die Rede sein sollte, und wenn ich Fräulein Gardini jetzt nur dahin bringe, daß sie ihm und mir verzeiht, so ist ja auch alles gut! Aber nicht wahr, Du wirst mir erlauben, morgen zu ihr zu gehen, und Du wirst mich nicht verrathen?“

Frau Haidborn war in ernster Ungewißheit über das, was sie hier zu thun habe. Aber sie sah wohl, daß ihr kaum eine Wahl blieb. Wohl fürchtete sie, daß dieser Besuch für das Glück ihres Schützlings verhängnißvoll werden könnte; aber Astrid hatte sich ihrer Idee mit einem solchen Feuereifer hingegeben, daß sie einem bestimmten Verbot sicherlich nicht ohne triftige und einleuchtende Gründe Folge geleistet haben würde. Gerade eine solche Mittheilung aber mußte den ahnungslosen Frieden ihres Herzens grausam vernichten, und die Rechnungsräthin zögerte um so mehr, einen so bedenklichen Versuch zu wagen, als ihre Sorgen sich denn doch nur auf Vermuthungen und Schlüssen aufbauten, die immerhin irrthümliche sein konnten.

So fügte sie sich denn seufzend in das Unvermeidliche und betete in der Stille, daß dem Kinde ihrer armen Freundin die herbste aller Enttäuschungen erspart bleiben möge.


8.

Astrid hatte eine frühe Morgenstunde für ihren Besuch bei der Sängerin wählen müssen, wenn sie dieselbe noch vor dem Beginn der Probe sprechen wollte. Obwohl ihr die Ueberzeugung, in einer redlichen Absicht zu handeln, einigen Muth einflößte, stieg sie doch nicht ohne Zagen die teppichbelegten Stufen des prächtigen Hauses in der Beethovenstraße empor, und sie meinte, den Schlag ihres eigenen Herzens zu vernehmen, als sie den Glockenzug in Bewegung gesetzt hatte und auf das Oeffnen der Thür harrte.

Die Zofe, welche sie eintreten ließ, war noch dieselbe blasse, verschmitzte Person, die schon Gerhard gekannt hatte. Sie musterte das verlegene junge Mädchen mit einem sehr neugierigen Blick, und als Astrid ihren Namen genannt hatte, beeilte sie sich, die Anmeldung zu bewirken. Schon nach Ablauf von kaum einer halben Minute kehrte sie zurück.

„Das gnädige Fräulein hat zwar in kaum einer Stunde eine sehr anstrengende Probe und pflegt sonst vor Beginn einer solchen keine Besuche anzunehmen; aber sie will um Ihretwillen gern eine Ausnahme machen und bittet Sie, einzutreten.“

Diese Art des Empfanges war nicht danach angethan, Astrids Befangenheit zu verscheuchen, und dieselbe erreichte ihren Höhepunkt, als sie das Gemach der Sängerin betrat. Die üppige Ausstattung desselben erschien ihr von einer geradezu märchenhaften Pracht. Die dunklen Vorhänge vor den Fenstern waren weit zurückgeschlagen, so daß das goldene Sonnenlicht in breiten Streifen über die kostbaren Möbel und den schön gemusterten Smyrnateppich hinfluthete, auf den zierlichen französischen Bronzen und den weißen Marmorstatuetten reizvoll wechselnde Lichter erzeugend.

Viel mehr aber als alle diese fremden und vornehmen Dinge wirkte Rita Gardinis Erscheinung selbst blendend und verwirrend auf Astrid ein. Galt die Sängerin ohnedies für eine der schönsten Frauen Berlins, so mußte sie vollends heute, wo es ihr fester Entschluß war, noch viel schöner zu sein als sonst, dem bescheidenen und befangenen jungen Mädchen wie ein Götterbild erscheinen. Astrids Verlegenheit war so groß, daß sie wohl schwerlich die rechten Worte zur Erklärung ihres Besuches gefunden hätte, wenn ihr nicht Rita mit einer wahrhaft bezaubernden Liebenswürdigkeit und Natürlichkeit entgegengekommen wäre. Wie einer alten Freundin reichte sie ihr die schöne, von Edelsteinen funkelnde Hand, und sie selber war es, die vorwegnahm, was Astrid hatte sagen wollen.

„Welch’ eine unerwartete Freude bereiten Sie mir mit diesem Besuch, mein liebes Fräulein!“ sagte sie mit ihrer glockenhellen, wundersam einschmeichelnden Stimme. „Es ist fast, als ob Sie errathen hätten, wie ich mich danach gesehnt habe, Gerhard Steinaus Bräutchen kennenzulernen.“

[808] Und sie zog die Erröthende zu der mit dem Eisbärenfell bedeckten Chaiselongue, um sich hart an ihrer Seite niederzulassen.

„Wie lieblich Sie sind und wie kindlich zart!“ fuhr sie fort, die schönen Augen wie in Bewunderung auf Astrid heftend. „Ganz so habe ich Sie mir vorgestellt, obwohl Ihr Verlobter sonst anders geartete Schönheiten vorzuziehen pflegte.“

Ihre letzten Worte, mit einem wie liebenswürdigen Lächeln sie auch immer gesprochen sein mochten, hatten Astrid wie ein Dolchstich getroffen, und ihr Erbleichen war dem scharfen Auge der Sängerin wohl kaum entgangen. Aber gleich darauf schalt sie sich selbst eine Thörin, denn diese gütige und großmüthige Dame konnte unmöglich die Absicht gehabt haben, sie zu verletzen.

„Ich bin gekommen, Ihnen zu danken!“ sagte sie leise. „Sie haben Gerhard und mich durch Ihre edle Handlungsweise von einer schweren Sorge befreit, und ich beklage es tief, daß mir nichts anderes als Worte zur Verfügung stehen, Ihnen meine Erkenntlichkeit an den Tag zu legen.“

„Auch das ist schon hinreichend, mein liebes Fräulein, um mich zu beschämen. Seien Sie versichert, daß ich es nicht um Ihres Dankes willen gethan habe! Aber, wie dem auch sei, ich nehme denselben mit Freuden an. Nur eine Frage noch: Weiß Gerhard – weiß Ihr Verlobter um diesen Besuch?“

Astrid gewann es nicht über sich, ihr eine Unwahrheit zu sagen. „Nein!“ erwiderte sie, Ritas forschenden Blick unbefangen aushaltend. „Ich habe ihm nichts davon gesagt, weil ich fürchtete, er würde es mir verbieten.“

„Ah! Fürchteten Sie das? – Nun, es ist wohl möglich, daß Ihre Vermuthung Sie nicht betrogen hätte. Aber er sollte doch eingesehen haben, daß er keinen Grund mehr hat, sich und Sie so ängstlich vor mir zu hüten.“

„Gewiß nicht! Und solche Besorgnisse liegen ihm auch sicherlich fern. Aber Sie haben guten Grund, böse auf mich zu sein, und Sie würden mich das gewiß fühlen lassen, wenn Sie weniger großmüthig wären!“

„Warum sollte ich Ihnen böse sein, mein Kind? Der ohnmächtige Haß des Unterlegenen gegen den Sieger hat in meinen Augen immer etwas Lächerliches. Und ich bin ja in diesem Fall nicht einmal berechtigt, einen Groll gegen Gerhard zu empfinden. Unter dem Zwang der Umstände hätte er auch dann kaum anders handeln können, wenn es nicht gerade Liebe war, was er für Sie fühlte.“

Todtenblaß und mit starren, weit geöffneten Augen sah Astrid auf die Sprechende. Noch fehlte ihr das rechte Verständniß für den eigentlichen Sinn der furchtbaren Worte: aber sie fühlte doch heraus, daß es irgend etwas Entsetzliches war, das hinter ihnen lauerte.

„Unter dem Zwang der Umstände – sagen Sie? – Er konnte nicht anders handeln, und das – das bezieht sich auf seine Verlobung mit mir?“

„Gewiß, liebes Fräulein! Und ich würde es recht abgeschmackt finden, wenn wir versuchen wollten, uns hier eine Komödie vorzuspielen. Sie hatten die besten Trümpfe in der Hand und Sie haben das Spiel gewonnen. Daran ist nun einmal nichts mehr zu ändern und Sie sehen ja, wie leicht ich es nehme. Aber wenn wir nun wirklich zu guten Freundinnen werden wollen, müssen wir wohl vor allem hübsch aufrichtig gegen einander sein.“

„O mein Gott! Haben Sie Mitleid mit mir! Dies alles klingt mir so fremd und unverständlich! Ich begreife es nicht, und ich fühle nur, daß es schrecklich ist! – Ich hätte ein Spiel getrieben, und Sie wären dabei gegen mich unterlegen? Aber Gerhard hat – er hat doch nicht Sie geliebt?“

Rita Gardini lachte. Es war wieder jenes helle, silberne Lachen, das so entzückend klang, und das doch so herzzerschneidend wirken konnte.

„Ja, mein Kind, wer darauf eine Antwort geben könnte! Geschworen hat er mir’s wohl tausendmal in allen erdenklichen Wendungen; daran aber, daß es Wahrheit gewesen ist, habe ich allerdings einige Ursache zu zweifeln.“

„Er hat Ihnen Liebe geschworen? – So waren Sie also nicht nur seine Freundin – Sie waren ihm mehr? Und er hat Sie aufgegeben – er ist Ihnen treulos geworden um meinetwillen?“

„Vielleicht um Ihretwillen – vielleicht auch aus Rücksicht auf das Gerede der Welt! Doch wozu sollen wir weiter von diesen Dingen reden, wenn sie Ihnen unangenehm sind? Sie werden mir zugeben müssen, daß nicht ich es gewesen bin, die das Thema angeschlagen hat.“

Sie stand auf und warf einen nicht mißzuverstehenden Blick zu der Stutzuhr auf dem Kaminsims hinüber. Astrid aber schien mit einem Mal wie durch ein Wunder verwandelt. Jede Spur von Befangenheit und ängstlicher Zurückhaltung war aus ihrem Wesen verschwunden. Hochaufgerichtet und mit flammenden Wangen stand sie der schönen Sängerin gegenüber.

„Reden wir doch von diesen Dingen, wenn ich bitten darf!“ sagte sie mit einer Entschiedenheit, welche selbst Rita für einen Augenblick stutzig machte. „Geben Sie mir die Beweise für das, was Sie da mit lächelndem Munde zu behaupten wagen, oder ich rufe es Ihnen ins Gesicht, daß es Lügen sind – schändliche verleumderische Lügen!“

„Wie, mein liebes Fräulein – wollen wir aus diesem Ton mit einander reden? Ist das nun wirklich unschuldige Einfalt oder ist es nur eine Fortsetzung des Gaukelspiels, für das Sie schon einmal eine so vortreffliche Begabung an den Tag gelegt haben? – Ich soll Ihnen die Beweise liefern für das, was Sie selbst gethan haben! – Wahrhaftig, ein seltsameres Ansinnen ist noch niemals an mich gestellt worden!“

„Und wenn ich Ihnen nun schwöre, daß ich mir keines Spiels und keiner Falschheit bewußt bin, wenn ich Sie anflehe, mir wenigstens aus Barmherzigkeit zu sagen, was es mit Ihren räthselhaften Andeutungen auf sich hat, wollen Sie sich auch dann noch weigern, mir eine Antwort zu geben?“

„Nun wohl, Sie selbst haben es gewollt, und Sie werden mir nicht vorwerfen können, daß ich mich dazu gedrängt habe, Ihnen peinliche Erinnerungen wachzurufen. Aber haben Sie es wirklich so vollständig vergessen, daß Sie Herrn Steinau nächtlicher Weile und ohne Begleitung in seiner Junggesellenwohnung aufsuchten? Ist es Ihnen so ganz aus dem Gedächtniß geschwunden, daß Sie ihn durch Ihre Erkrankung nöthigten, Sie dort zu behalten? Und haben Sie niemals daran gedacht, wie unrettbar Sie durch diese Vorkommnisse in Ihrem Rufe geschädigt sein mußten? Wenn Sie selbst das nicht empfunden haben, so können Sie doch sicher sein, daß Gerhard Steinau feinfühlig genug war und daß er die Welt zur Genüge kannte, um es einzusehen. Ich würde davon überzeugt sein, auch wenn er selbst es mir nicht an jenem Abend ausdrücklich gesagt hätte. Und weil er Ihrem sterbenden Vater versprochen hatte, sich Ihrer anzunehmen, weil er es gewissermaßen als eine Ehrenpflicht ansah, den guten Ruf, den Sie aus Unbedachtsamkeit oder mit wohl berechneter Absicht aufs Spiel gesetzt hatten, zu retten – darum ging er dieses Verhältniß mit Ihnen ein, – aus Ehrgefühl, aus Mitleid vielleicht, – aber nicht aus Liebe!“

Astrid hatte nicht versucht, diese grausame Darlegung zu unterbrechen. Mit einer wahrhaft bewundernswürdigen Seelenstärke blieb sie fest und aufrecht unter diesen Anschuldigungen, von denen jede einzelne ihr Herz wie mit Messerstichen durchbohrte.

„Aus Mitleid also! – Und wie kommt es, daß Sie dessen so sicher sind?“

„Weil ich diesen Mann besser kenne als Sie, die Sie den Muth und das Selbstvertrauen besitzen, ihn an sich fesseln zu wollen. Glauben Sie mir, seine hochfliegende Seele hat nach einem Ideal gedürstet, das durch Sie wahrlich nicht verkörpert wird! Nicht eines allerliebsten kleinen Spielzeugs bedarf er, sondern einer gleichgearteten und ebenbürtigen Gefährtin, einer Frau, die seinen Adlerflug nicht bewundernd aus der Tiefe anstaunt und ihn mit ihrer kleinlichen Sorge immer wieder herniederzieht zur Erde, sondern die ihm zu folgen vermag und deren heiße, alles hingebende und alles verlangende Leidenschaft ihn hoch emporhebt über den Dunst und die niedrige Jämmerlichkeit des Lebens! – Es gab eine Zeit, mein Fräulein, in der ich selbst mich in den Traum einwiegte, ihm diese Frau sein zu können; aber seine Größe machte mich doch irre an mir selbst. Und weil ich mir zu klein erschien neben ihm, weil ich den Tag fürchtete, an dem er das unauflösliche Band der Ehe als eine drückende Fessel empfinden könnte, darum blieb ich standhaft seinem unermüdlichen, heißen Werben gegenüber. Ich schenkte ihm meine Liebe, aber nicht meine Hand, und Gott allein weiß, was mich diese Entsagung gekostet hat! – Und nun muß ich sehen, wie ein Kind, ein kleines Mädchen, das ihm nichts zu bieten hat als ein hübsches Gesichtchen und ein Paar schwärmerischer Augen, den Adler einfangen will gleich dem

[809]

Lothar Meggendorfer.
Mit Randzeichnungen des Künstlers.

[810] ersten besten lockeren Singvogel! Er hätte sich der Leimruthen leicht genug entledigen können, aber weil er zu edel und zu warmherzig war, um es zu thun, soll er nun zeitlebens in einem Käfig schmachten, an dessen Gitterstäben er sich früher oder später den Kopf zerstoßen muß!“

Astrid erwiderte nichts. Sie legte für einen Augenblick die Hände an die Stirn, wie wenn sie von einem Schwindel befallen wäre. Dann aber ging sie langsam zur Thür.

Rita folgte jeder ihrer Bewegungen mit den Augen.

„Ich bedaure, Ihnen wehgethan zu haben,“ sagte sie mit einem Versuch, in den früheren leichten Ton zurückzufallen. „Aber Sie haben mich ja gezwungen, offen und ohne Rückhalt zu sprechen.“

„Es bedarf keiner Entschuldigung,“ entgegnete Astrid leise und mit einer Stimme, die all ihren Klang verloren zu haben schien. „Es war wohl am besten, daß ich dies alles gerade heute erfuhr.“

„Sie sagen das in einem so seltsamen Ton, liebes Kind! Was haben Sie denn vor? Ich hoffe, Sie werden keine übereilte Handlung begehen!“

„Was ich zu thun habe, ist mir bestimmt vorgezeichnet! Aber es wäre zwecklos, hier davon zu sprechen! – Leben Sie wohl!“

Rita machte eine rasche Bewegung, als wenn sie die Gehende zurückhalten wollte; aber sie that doch keinen Schritt, und tief aufathmend lehnte sie sich an das Marmorgesims des Kamins.

„Sie hat es gewollt!“ sagte sie vor sich hin. „Und unterliegen mußte sie – so oder so!“

(Fortsetzung folgt.)




Ein Humorist fürs junge Volk.

Mit Porträt und Randzeichnungen auf Seite 809.

Ueber den Humor soll man nicht streiten. Selbst unter sonst gleichgearteten Naturen ist die Auffassung des Humoristischen eine grundverschiedene, und was den einen königlich freut, das reizt den andern wohl gar zu gelinder Entrüstung. So kann der Humorist es niemals allen recht machen, und mit derselben Frucht seines Geistes wirbt er Freunde und Gegner. Das ist die Regel sowohl beim Humoristen mit der Feder wie bei denen mit Pinsel und Palette. Der geistvolle, etwas umständliche Humor Jean Pauls dringt heute über die Gelehrtenstuben kaum noch viel hinaus, und der herzerfreuende Humor Fritz Reuters wurde nicht selten zum Theil der Komik des mecklenburger Dialektes zugeschrieben. Des trefflichen Oberländers grotesk-komische Bilder werden von dem einen förmlich studiert, vom zweiten fast überschlagen; Wilhelm Busch mit seinen drastischen Bildern und Versen erscheint als Schicksalsgenosse des berühmt-berüchtigten Struwwelpeters, der bald in den Himmel erhoben, bald in die tiefste Hölle verketzert, aber tüchtig gekauft wird. Und dem ähnlich ist auch das Los Lothar Meggendorfers, der auf der Theresienhöhe in München sein Heim aufgeschlagen und Künstlerfreud und Künstlerleid wechselnd zu verzeichnen hat.

Er besitzt nicht die Gabe, seine Bilder mit wirkungsvollen Knüttelversen zu begleiten; aber seine Zeichnungen sind auch nie derart karikirt, daß sie wieder der Verskarikaturen zur Stütze bedürften. Er zeichnet klar, anschaulich, und die Uebertreibungen, welche die humoristische Behandlung ihm gestattet, lassen die Pointe sofort kräftig ins Auge springen. Oft ist es ihm um den Humor im Worte gar nicht zu thun; das nüchterne Wort „Kleine Ursachen, große Wirkungen“ auf einer der Randzeichnungen zu seinem Porträt würde wirkungslos verhallen, wenn das Bild nicht wäre. Der „bestrafte Thierquäler“ vertrüge keine, auch nicht die beste Erläuterung. Aber gerade diese Skizzenreihe ist charakteristisch für das ganze Schaffen des Künstlers, der seinen Erfolg nicht zum mindesten den Bildern ohne Worte zuzuschreiben hat; mit Vorliebe entlehnt er die Stoffe zu diesen bald dem Schlendrian des täglichen Erwerbslebens, bald den Gewohnheiten und Sünden der Gesellschaft, und in beiden Fällen handhabt er meisterlich die humoristische Geißel. Die Münchener „Fliegenden Blätter“ sind es vor allem, in denen der Humorist seine Schätze aufgespeichert hat, und Kaspar Braun, der Begründer des weitbekannten Blattes, war einer der ersten, der den Werth der scheinbar anspruchslosen Skizzen erkannte und würdigte und damit das Los des Künstlers gerade zu einer Zeit arger Bedrängniß gründlich und günstig umgestaltete.

Lothar Meggendorfer stand damals am Ende der zwanziger Jahre, als er den ersten namhaften Erfolg zu verzeichnen hatte, der ihm auch das brachte, was ihm bis dahin vielfach und oft recht fühlbar gefehlt hatte: harte, klingende Münze. Schmalhans hatte er als Küchenmeister schon im elterlichen Hause kennengelernt. Die hungrigen Mäuler waren dort schon vor seiner Geburt zahlreich genug gewesen, und als er 1847 hinzukam, da war gerade das Viertelhundert der hoffnungsvollen Sprossen des königlichen Obertaxators Meggendorfer voll, und als 1860 der Ernährer der kopfreichen Familie starb, da war Noth am Mann und die Kinder mußten versorgt werden, so eilig und so gut es ging.

Lothar sollte Mechaniker werden, mußte aber einstweilen, da er noch zu schwach befunden wurde, als Lehrling in eine Werkstatt einzutreten, sich damit begnügen, durch den Besuch der Gewerbeschule auf seinen künftigen Beruf sich ersprießlich vorzubereiten. Der Erfolg war kein allzu günstiger; in einem Hauptfache, im Zeichnen, brachte er es über die Noten 3 und 4 nicht hinaus. Einige Münchener Künstler sahen die verpönten Schulleistungen und namentlich die in freien Stunden zwanglos hingeworfenen Skizzen aber doch mit anderen Augen an und riethen der Mutter, den Sohn aus der Gewerbeschule herauszunehmen und ihn die Künstlerlaufbahn einschlagen zu lassen. Ihre geringe Pension reichte dazu nicht aus, aber es ging abermals einen Schritt vorwärts, als ein Baron v. Pelkhoven Zeichnungen des jungen Talentes sah und allmonatlich das Honorar für den Zeichenunterricht an der Vorschule zur Akademie zahlte. Nach zwei Jahren starb aber der Baron, der Zuschuß war nicht zu entbehren, und mit dem Künstlertraum schien es wieder einmal zu Ende. Die Mutter nahm die Gestaltung der Lebenslaufbahn ihres Sohnes aufs neue in die Hand, und da der Eintritt in den Post- und Telegraphendienst bald eine wenn auch vorläufig geringe Einnahme versprach, entschied sie sich für diesen. Sie hatte glücklicherweise ihre Rechnung ohne den Telegrapheninspektor Behringer gemacht, der von dem angehenden Künstler Zeichnungen gesehen hatte und als Kunstfreund dem jungen Manne zuredete, auf der betretenen Laufbahn auszuharren, wenn’s auch zunächst noch kümmerlich genug gehen sollte. So blieb Meggendorfer Zögling der Akademie und verwerthete, da seine Zeichenkünste noch brotlos waren, seine Fertigkeit im Zitherspielen, um sich dadurch den Unterhalt zu verdienen. Einer seiner musikalischen Zöglinge war ein Akademiekollege, der Grieche N. Gysis. Dieser konnte kein Wort Deutsch, Meggendorfer nicht Griechisch. Aber Lehrer und Schüler verständigten sich trotz allem, und schon nach einem halben Jahre spielte Gysis zur vollsten Zufriedenheit beider Parteien nach Noten.

Der Zitherunterricht war einträglich, und je mehr dadurch die Sorgen ferngehalten wurden, um so mehr ging auch Meggendorfer als Schüler von Strähuber, Anschütz, Wagner und Diez der Meisterschaft im Zeichnen entgegen. Und zugleich entwickelte sich bei ihm eine ursprüngliche Naturanlage, die ihn mehr und mehr in Künstlerkreisen beliebt machte, ein drastischer, trockener, schlagender Humor in seinen Schöpfungen und im gesellschaftlichen Umgange. Der Schlachtenmaler Louis Braun brachte nach dem Feldzuge 1870/71 einen sich befreundeten Arzt in den Künstler-Sängerverein als Gast mit, der nach dem im Feldzug erlebten Elend kein Lächeln mehr über die Lippen bringen konnte. Meggendorfers urwüchsige Scherze vertrieben zum erstenmal wieder den finstern Ernst von der Stirn des Gastes.

Alle Sorgen schienen zu schwinden, als Lothar Meggendorfer im Jahre 1873 Elise Rödel, die Tochter eines geachteten Münchener Bürgers, heirathete. Von ihrer Mitgift bauten sich die Glücklichen sogar ein eigenes Heim. Aber was als der Anfang einer freundlichen Zukunft erschienen war, wurde bald zur Ursache schwerster Enttäuschung und Noth. Das Bauen kostete mehr als veranschlagt war, der Zitherunterricht war aufgegeben – die Zeichnungen des jungen Künstlers wurden nirgends angenommen: so brach die Bedrängniß unaufhaltsam herein und selbst die ihm von einem Münchener Bürger hochsinnig zur Verfügung gestellte Summe von 12 000 Mark reichte nur eben dazu aus, die nöthigsten Hypotheken [811] zu decken. Das Heim mußte wieder verkauft werden, und nach Deckung aller Schulden zog das Ehepaar mit – 50 Mark barem Vermögen in ein Mietshaus im Innern der Stadt.

Nach zwei Wochen kam zum drittenmal der Klapperstorch. Jetzt war die Kasse erschrecklich leer geworden, und nur zwei Tage noch – und Weihnachten stand vor der Thür! Der Künstler wollte wenigstens den Kindern eine Freude machen – womit aber ohne Geld? Da war es seine Frau, die Rath wußte: mach’ ihnen ein Bilderbuch! Das war ein Ausweg in der Noth. Die freie Rückseite alter Zeichnungen wurde flugs zu neuen Entwürfen benutzt. Er arbeitete von früh bis spät, mit Stift und Schere, und eben noch rechtzeitig wurde das Bilderbuch fertig: das erste Ziehbilderbuch „Lebende Bilder“.

Die Freude der Kinder war groß, und einem zufällig am Weihnachtsabend als Gast anwesenden Offizier gefiel das Erzeugniß eines trotz Noth und Sorge glücklichen Humors so gut, daß Meggendorfer sich entschloß, am folgenden Tage das Buch mit zu Braun und Schneider, den Verlegern der „Fliegenden Blätter“, zu nehmen und es diesen vorzulegen. Der Eindruck war ein unerwarteter. Auf der Stelle erwarb die Firma das Buch für ihren Verlag, und frohgemuth eilte der Künstler nach Hause. In der Tasche hatte er Gold, und das war das Nöthigste; die Kinder freilich verlangten nach ihrem Buche und waren erst durch lange Ueberredung und durch das Versprechen eines neuen „lebenden Buches“ zu beruhigen.

Von diesem Zeitpunkt an trat eine entschiedene Wendung zum Besseren im Schicksale Meggendorfers ein. Dem ersten humoristischen Bilderbuch folgten bald andere, und die früher zurückgewiesenen Arbeiten wurden jetzt von allen Seiten mit Vergnügen angenommen. Besonders waren es Braun und Schneider in München, welche in ihrem Blatte und den „Münchener Bilderbogen“ immer Verwendung für die eigenartigen Schöpfungen des Meggendorferschen Humors fanden. W. Spemann in Stuttgart zog den Künstler für seine Zeitschrift „Vom Fels zum Meer“ heran und verlegte von ihm einen Band Bilderhumoresken unter dem Titel „Der Sonnenschein“. Seit einigen Jahren hat auch die Firma J. F. Schreiber in Eßlingen Bücher Meggendorfers in Verlag, darunter besonders einen „Internationalen Zirkus“ und neuerdings ein Aufstellbilderbuch „Das Puppenhaus“, ein komisches Ziehbilderbuch „Daumenlang und Damian“, sowie „Meggendorfers lustige Bildermappe“. In englischen, französischen, selbst italienischen und ungarischen Ausgaben haben seine humoristische Bilderbücher eine fast beispiellose Verbreitung erlangt.

Im Jahre 1882 konnte Lothar Meggendorfer abermals bauen, und sein neues Heim erstand nicht weit von seinem früheren Besitz. An schöner Aussichtsstelle ist die stattliche Künstlerwerkstatt gelegen und von seinem Arbeitszimmer aus übersieht Meggendorfer die ganze Stadt München und die ferne Kette des Gebirgs.

Um die Pflege des Humors ist es in dem geschäftlich nüchternen Treiben der Neuzeit herzlich schlecht bestellt; der Humor will nicht gedeihen, wo die Interessenjagd alles Gemüthvolle zu ersticken droht. Um so höher ist es aber gewiß zu schätzen, daß abseits von der lärmenden Heerstraße ein Künstler von der Begabung Meggendorfers unberührt von der Prosa des Tages dem echten, freundlichen, niemand verletzenden Humor eine bleibende Heimstätte bereitet hat. Dietrich Theden.     




Das naturhistorische Hofmuseum in Wien.

Schilderung von Gerhard Ramberg. Mit Abbildungen von Stef. Aug. Kronstein.

Wer die Wiener Neubauten betrachtet, genießt wahrlich den großartigsten Anschauungsunterricht über verschiedene Stilarten der Architektur. Parlament und Rathhaus zeigen uns, wie man die Bauweisen vergangener Zeiten dem heutigen Bedarf dienstbar machen kann. Und die Gruppe prächtiger Gebäude, welche einerseits von der Universität, andererseits von den beiden Hofmuseen, dem naturhistorischen und dem kunsthistorischen und dem neuen Theil der Hofburg gebildet wird, hat wohl in keiner Stadt ihresgleichen.

Die beiden Hofmuseen! Sie werden immer gemeinsam genannt und gemeinsam betrachtet werden, weil sie gemeinsam gedacht und geschaffen sind. Die beiden symmetrisch aufgeführten Riesenbauten stellen, durch das Maria-Theresia-Denkmal[1] verbunden, ein großes Kunstwerk dar. Die Wirkung, welche die symmetrische Wiederholung eines derartigen mächtigen Baukörpers hervorbringt, ist stets eine gewaltige: das haben die beiden Architekten Hasenauer und Semper weislich erwogen! Gottfried Semper, der mehrere Jahre lang an dem großen Werke mitgewirkt hatte, gehört seit einem Jahrzehnt zu den Todten. Karl von Hasenauer aber genießt das Glück, seine große Schöpfung nunmehr vollendet zu sehen. Er durfte die Eröffnung des naturhistorischen Museums, welche am 10. August durch den Kaiser feierlich vollzogen wurde, erleben.

Bevor wir jedoch in den Palast der Naturwissenschaften eintreten, seien die beiden Schwesterbauten von künstlerischen Gesichtspunkten aus gewürdigt. Und wenn wir uns auch nicht stummer Bewunderung hingeben und unser kritisches Auge offen halten, müssen wir doch von der tiefsten künstlerischen Verehrung für ihre Meister erfüllt werden.

Das Aeußere der beiden Museen, deren jedes im Viereck einen Hof umschließt, ist bis auf den bildnerischen Schmuck vollständig gleichartig. Der Unterbau, in mächtige Steinquadern gegliedert, umfaßt zwei Erdgeschosse. Das Tiefparterre reicht an der Lastenstraße unter die Straßenebene und ist durch verhältnißmäßig kleine, nahezu rechteckige Lichtöffnungen gekennzeichnet, während das Hochparterre durch riesige, drei Meter breite Rundbogenfenster erhellt wird. Auf dem Unterbau erhebt sich das Hauptgeschoß mit zwei Stockwerken, von denen das obere wiederum als Halbstock sich darstellt. Somit giebt die Hauptfassade nicht nur in wagrechter, sondern auch in senkrechter Richtung einen symmetrischen Eindruck.

In dem Mittelbau befinden sich die Vorhalle und das Stiegenhaus, durch welches der innere Hof in zwei rechteckige Hälften getheilt wird. Unmittelbar auf der Vorhalle erhebt sich eine mächtige Kuppel mit vier Tabernakeln (Seitenthürmchen), welche die Ueberleitung von der viereckigen Grundform zur achteckigen Kuppel bilden und leider kaum von irgend einem Standpunkte gleichzeitig gesehen werden können. Es ist also zu bemerken, daß sich die Kuppel nicht über dem Mittelpunkt des Hauses, sondern auf der Fassade erhebt, wodurch sie von unten besser sichtbar wird, während sich die scheinbare Willkürlichkeit dieser Anordnung durch die Symmetrie der beiden großen Steinkörper ausgleicht. Als krönende Riesenfigur ist beim kunsthistorischen Museum Pallas Athene, beim naturhistorischen Museum Phöbus Apollo verwendet. In der Regel wird zwar Minerva als die Beschützerin der Wissenschaft und Apollo als Kunstgott betrachtet, hier aber ist Pallas Athene als Göttin der künstlerischen Erkenntniß und der Sonnengott Helios als belebendes Princip in der Natnr, als Licht- und Wärmespender aufgefaßt worden.

Der äußere, bildnerische Schmuck der Hofmuseen ist ein sehr reicher, aber es würde uns zu weit führen, wollten wir alle einzelnen Figuren und Reliefe, welche die Balustrade des Daches und die Fassaden schmücken, aufzählen. Nur so viel sei gesagt, daß uns diese Bildwerke nicht nur künstlerisches Behagen, sondern auch die Befriedigung gewähren, daß zahlreiche Wiener Bildhauer während langer Jahre anregende und nutzbringende Arbeit an ihnen gefunden haben. Diesen Künstlern wäre es freilich lieber, ihre Bildwerke weniger hoch gestellt und des Gegensatzes wegen nicht in derselben Farbe ausgeführt zu sehen, wie sie das Aeußere des Hauses selbst trägt. Zwar wurden die Figuren und Reliefe in hellerem Material gemeißelt, aber Wind und Wetter haben seither die Unterschiede verwischt. Nirgends hebt sich der bildnerische Schmuck lebhaft vom Steingefüge ab, nirgends springt er ins Auge. Daß aber der Gesammteindruck hierdurch beeinträchtigt werde, wagen wir nicht zu behaupten. Vielleicht verhilft gerade solche Eintönigkeit zu großer Wirkung.

Treten wir nun durch das Hauptthor in die mächtige Vorhallen des naturhistorischen Hofmuseums ein! Dieselbe ist (vergl. die Abbildung S. 812) mit einer flachen Wölbung überdacht, welche durch eine kreisrunde Oeffnung das Licht aus der Hauptkuppel einfallen läßt. Wir fühlen uns weder gedrückt noch vereinsamt; wir athmen frei und freudig in dieser gewaltigen Halle. Zur [812] Rechten und zur Linken führen Marmortreppen in das Hochparterre. Ueber den rechtsseitigen Treppenarm gelangen wir zunächst zu den mineralogischen Sammlungen, die fünf Säle füllen. Aber nicht weniger als 19 Säle nebst einigen Nebenräumen hat der Besucher zu besichtigen, ehe ihn der linke Treppenarm in die Vorhalle zurückführt. Und jeder dieser 19 Säle birgt mehrere große Wandgemälde, theilweise von hohem Kunstwerth. Diese Bilder geben in baukünstlerischem Sinn einen fortlaufenden Fries, der durch Pilasterstellungen (Wandpfeiler) unterbrochen wird. Auch die figürliche Ausschmückung, ja selbst der Deckenschmuck ist für jeden Raum eigens berechnet, sowohl im Hochparterre, als im ersten Stockwerk, welches gleichfalls 19 Säle (mit den zoologischen Sammlungen) umfaßt. Wird vielleicht auch die Mehrzahl der Besucher diese Naturwunder nicht mit fachmännischem Verständniß, sondern nur mit laienhaftem Staunen betrachten, so darf man doch voraussetzen, daß sich auch der Naturforscher manchmal in den Anblick der ausschmückenden Kunstwerke verlieren wird.

Einen geradezu blendend schönen Eindruck macht das Stiegenhaus mit seinen hellschimmernden Stuck-Marmorwänden, seinen echten Marmorstufen, seinen echten Marmorsäulen und seinem echten Marmorgeländer. An der Decke ist Hans Canons mächtiges Gemälde „Der Kreislauf des Lebens“ aufgespannt. Dieses Bild, welches nicht weniger als 140 Quadratmeter umfaßt, war vor Jahren einmal im Künstlerhause zu sehen und hat damals insbesondere von seiten der Künstler bitteren Tadel und derben Hohn geerntet. Heute, da die Riesenleinwand in einer Entfernung von beinahe 30 Metern von unserem Auge, an ihrem eigentlichen Bestimmungsorte sich befindet, sehen wir, daß Canon recht hatte, das Bild in der Art alter Fresken durchaus mit lichten, durchsichtigen Tönen auszustatten. Auch einige Uebertreibungen und Muskelschwellungen treten jetzt keineswegs mehr störend in Erscheinung, sondern sind eher geeignet, den Gesammteindruck zu steigern. Hans Canon mußte sterben, ehe seine größte Schöpfung gerecht beurtheilt wurde.

In der Mitte des Bildes sieht man die geheimnißvolle Sphinx, ihre Tatzen auf ein siebenfach versiegeltes Buch legend; unterhalb dieser Räthselgestalt den alten Saturn, das Stundenglas in der Hand. Rechts steigt die Kette der Gestalten hinan, welche das Werden und Vergehen des Menschenlebens versinnlichen sollen. Der Mann ringt der Thierwelt seine Nahrung ab und gewährt seinem Kinde Schutz; er genießt die Liebe und erstrebt irdisches Glück. Die Habgier greift nach dem Golde, der Ehrgeiz empfängt von einer Kindergestalt den Lorbeer. Die Krönung des Gemäldes bildet „der Kampf ums Dasein“. Auf mächtigen Rossen stürmen die Streitenden gegen einander. Der Gegner zur Linken fällt, und somit beginnt die Vernichtung. In jähem Sturze sinken Männer, Weiber und Kinder in die Tiefe, wo der Aasgeier ihrer wartet.

Außer diesem Deckengemälde zieren das Stiegenhaus noch zwölf Lünettenbilder (Füllbilder) Canons, welche die verschiedenen Zweige der Naturwissenschaften – in den meisten Fällen durch eine Frauengestalt mit einem Kinde – versinnlichen. In kräftig ausgebildeten Nischen aber stehen die Gestalten berühmter Naturforscher, von den Bildhauern Kundmann, Tilgner, Weyr und Zumbusch gefertigt.

Vorhalle im Wiener naturhistorischen Hofmuseum.

Hat uns das Stiegenhaus durch seine Glanzfülle schier geblendet, so wird der Eindruck von architektonischer Gewalt noch gesteigert, sobald wir die Flurhalle des ersten Stockes betreten, welche mit ihrem Lichtüberfluß auch die Vorhalle des Erdgeschosses erhellt. Der mächtige Kuppelraum prangt im üppigsten bildnerischen Schmuck, und die perspektivischen Durchblicke, welche Stiegenhaus und Halle gewähren, sind einzig in ihrer Großartigkeit.

Was nun den künstlerischen Schmuck der Schausäle betrifft, so hat der Architekt darauf Rücksicht genommen, daß die Darstellungen stets in geistigem Zusammenhang mit den naturgeschichtlichen Gegenständen seien, welche in den verschiedenen Räumen zur Ausstellung gelangen. So finden wir bei den prähistorischen Funden Idealbilder aus dem Kulturleben der Menschen aus vorgeschichtlicher Zeit, in der ethnographischen Abtheilung (der interessantesten und jedenfalls volksthümlichsten des ganzen Museums) Darstellungen aus dem Leben und Treiben der verschiedenen Völkerschaften. Besonders eigenartig wirken die tragenden Halbfiguren, welche im Mittelsaal und in den vier Ecksälen des Hochparterres angebracht sind. Sie stellen sinnbildlich in durchaus freier, lustiger Art Naturerzeugnisse, Thiergattungen und Völkerrassen dar. Den reichsten Schmuck aber besitzt, wie schon angedeutet, der Kuppelraum des ersten Stockwerks, welcher mit humoristischen Darstellungen von Benk, Tilgner und Weyr ausgestattet ist. Der künstlerische Prunk, der hier entfaltet wurde, muß selbst die kühnsten Erwartungen übertreffen.

Das kleinere Stiegenhaus, welches zu dem zweiten Stockwerk hinaufführt, weist sehr hübsche Lünettenbilder auf. Dieselben wirken, obgleich nur von einem einfachen Zimmermaler hergestellt, äußerst glücklich, insbesondere dadurch, daß die Luft mit einer [813]

Die Wiener Hofmuseen mit dem Maria-Theresia-Denkmal.

gewissen Verschwendung und die Pflanzen sparsam verwendet sind. Die Säle des zweiten Stockwerks, von welchen übrigens nur ein Theil der öffentlichen Besichtigung zugänglich ist, enthalten die botanischen Sammlungen und sollen im übrigen den Beamten des Hauses als Arbeitsräume dienen. Im Erdgeschoß dagegen sind Wohnungen von Beamten und Dienern sowie größere Werkstätten untergebracht.

So besitzt Wien heute einen reichen, würdigen Raum für die naturhistorischen Schätze der kaiserlichen Sammlungen, und es ist gewiß, daß Tausende von Wissensdurstigen erst jetzt ihre wahre Freude an diesen Schätzen haben werden. Also nicht nur vom rein künstlerischen, sondern auch von diesem populär-wissenschaftlichen Gesichtspunkte aus ist die Eröffnung des naturhistorischen Museums aufs herzlichste zu begrüßen. Und der große Andrang von Schaulustigen beweist, daß unser Volk den Werth der großen Gabe keineswegs unterschätzt.




Eine kleine Vergnügungsreise.

Humoreske von Hans Arnold.
(Schluß.)


Am andern Morgen wurde der Amtsrichter durch ein vernehmliches Klopfen an seiner Thür aus dem Schlaf gestört. Er setzte sich im Bette auf.

„Wer ist da?“ frug er unwillig, und seine Stimmung wurde nicht verbessert, als der Klopfer mit der allerdings nicht zu rascher Klarstellung dienenden Silbe „ich!“ diese Frage beantwortete.

„‚Ich‘ kenne ich nicht,“ schrie Karl zornig hinaus, „‚ich‘ kann jeder sein! Ich bin auch ‚ich‘!“

„Nun, ‚ich‘ heißt in diesem Fall Lebermann,“ tönte es freundlich durch die geschlossene Thür, „stehen Sie nur auf, Amtsrichterchen; wenn wir noch mit dem nächsten Zuge nach Potsdam wollen, ist es die höchste Zeit!“

Wir?“ frug Karl gedehnt zurück, mit unverkennbarer Empörung über diese Ausdehnung des eben gerügten „ich“, „woher wissen Sie denn, daß ich nach Potsdam will?“

„Der Portier hat es mir gesagt,“ gab Lebermann zurück, „und ich komme natürlich mit – das kann sehr hübsch werden.“

Karl verstummte, da er seinen wahren Gefühlen nicht ohne einige Gefahr einer Beleidigungsklage hätte Worte leihen können. Er zog sich eiligst an, nachdem er seine im Nebenzimmer wohnenden Damen auch durch Rufen und Klopfen ermuntert hatte.

Man war nämlich, des Sonntags halber, zu dem Entschluß gelangt, mit einem frühen Zuge nach Potsdam zu fahren, da man erstens mit Recht befürchten mußte, später unter großer Ueberfüllung der Bahnzüge zu leiden, und sodann auch abends zur Oper wieder zurück sein wollte. Wie vorher erwähnt, hatten unsere Reisenden sich Theaterbillette genommen und zwar zu einer Aufführung der „Lustigen Weiber von Windsor“.

Karl hatte für diese Tonschöpfung eine besondere Vorliebe, da die einzige Melodie des Weltenraums, die in seinem etwas ungefügen musikalischen Gedächtniß hängen geblieben war, der eben genannten Oper entstammte. Allerdings erkannte nur er selbst noch ihren Ursprung, denn der Uneingeweihte hätte die rauh hervorgestoßene Reihenfolge von Tönen, mit welcher der Amtsrichter sowohl den höchsten Grad der Heiterkeit wie sprachlose Wuth zu begleiten pflegte, ebensowohl für einen treu überlieferten indianischen Kriegstanz halten können. Aber der glückliche Eigenthümer dieser Melodie blieb dabei, „wir gehen in die ‚Lustigen Weiber von Windsor‘ – da kann ich schlimmstenfalls mitsingen,“ setzte er mit schönem Selbstgefühl hinzu.

Helene und Anna waren früher mit ihrem Anzug fertig als das Familienoberhaupt und begaben sich zum Frühstück in [814] den Speisesaal, wo sie zu gegenseitiger angenehmer Ueberraschung Doktor Rüdiger schon vorfanden, der sich sofort zu ihnen setzte, um sein Bedauern über das gestrige Verfehlen auszudrücken, worauf die Damen etwas verlegen erwiderten, da ihnen ja die Tücke ihres Gebieters schwer aufs Herz fallen mußte.

„Und was steht heute auf dem Programm?“ frug Rüdiger.

„Wir wollen mit dem nächsten Zuge nach Potsdam,“ sagte Anna etwas scheu, „und abends in die Oper.“

„Ich möchte mich sehr gern anschließen,“ meinte der junge Arzt zögernd und halblaut, „aber ich weiß nicht, ob es nicht unbescheiden wäre! Ich hatte gestern ein paarmal das Gefühl, als ob Ihr Herr Schwager lieber mit seiner Familie allein wäre!“ –

Anna schwieg und spielte in tödlicher Verlegenheit mit ihrem Theelöffel, während Helene eine Zeitung vornahm.

„Ist dem so?“ fuhr Rüdiger fort und beugte sich zu ihr, um ihr ins Gesicht zu sehen.

Sie nickte ehrlich – sah aber so betrübt dazu aus, daß er nicht allzu entmuthigt war.

„Und Sie, Fräulein Anna, theilen Sie seine Ansicht?“ fuhr er in noch leiserem Tone fort und schwieg dann erwartungsvoll.

Aennchen sah ängstlich nach ihrer Schwester hinüber. Helene, die jedes Wort hörte, that, als wenn sie den Leitartikel der Zeitung zu morgen auswendig lernen müßte, und wandte keinen Blick davon.

„Nun?“ frug Rüdiger dringend, „sagen Sie nur ein Wort, und ich gehe – und komme Ihnen nie wieder vor Augen! Ein Wort, bitte! Soll ich gehen?“

„Nein!“ brachte Aennchen mühsam, aber mit großer Entschiedenheit heraus, so daß dies „eine Wort“ wenigstens nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig ließ.

Rüdiger, der ebenfalls sich erst durch einen raschen Blick auf Helene versicherte, daß ihre Aufmerksamkeit ganz von der Zeitung gefesselt sei, wagte es, auf dieses „Nein!“ hin seiner reizenden, kleinen Nachbarin die Hand zu küssen, – ein Vorgang, der Aennchen im selben Augenblick auf den höchsten Gipfel der Glückseligkeit hob und in den tiefsten Abgrund der Verlegenheit stürzte, da in ihrem sechzehnjährigen Herzen derartiges noch zu den ungemachten Erfahrungen zählte. Zum Glück trat in diesem bedenklichen Augenblick der Amtsrichter in den Speisesaal. Er sah nicht allzu freundlich drein, als ihm der Verehrer seiner Schwägerin schon wieder auf nüchternen Magen vorgesetzt wurde, und war auffallend wortkarg.

„Beeilt Euch, Kinder,“ trieb er, „es ist bald zehn Uhr und wir wollen noch etwas vom heutigen Tage haben!“

„Das will ich auch,“ bemerkte Rüdiger und erhob sich; „ich wünsche den Herrschaften viel Vergnügen zu Ihren Unternehmungen!“

Er empfahl sich mit einer allgemeinen Verbeugung und einem besondern, sehr vergnügten Blick auf Aennchen, den diese wohl zu deuten wußte, und verließ das Zimmer, während Karl sich die Hände rieb.

„Den habe ich weggegrault,“ sagte er mit großer Selbstzufriedenheit, „und was das Beste ist, noch eh’ er fragen konnte, was wir vornehmen! Wäre ich nur den Lebermann auch mit so guter Manier losgeworden! Nun, einer ist doch wenigstens abgeschüttelt!“

„Das ist ja ganz schön,“ bemerkte Helene und legte die Zeitung zusammen; „Aennchen, hole doch das Opernglas, ich habe es auf unserm Zimmer liegen lassen!“

Während Anna ging, sagte die Amtsrichterin kopfschüttelnd zu ihrem Manne: „Ich begreife Dich nicht, Karl! Was hast Du gegen den netten, jungen Rüdiger?“

„An und für sich gar nichts,“ erwiderte ihr Mann, „aber ich bin doch nicht nach Berlin gefahren, um ein Brautpaar zu segnen! – eine Lage, in die ich unfehlbar kommen würde, wenn wir den Doktor noch zwölf Stunden mit herum schleppten. Er rollt ja schon die Augen wie Billardkugeln – das kenne ich! Das dumme Ding, die Anna, ist imstande und verlobt sich mit ihm! Mit sechzehn Jahren!“

„Nun, das wäre ja kein Unglück,“ warf Helene begütigend ein, „viel älter war ich auch nicht, als wir uns verlobten, Karl, und es ist doch ganz gut ausgeschlagen!“

„Das lag an mir!“ erwiderte der Amtsrichter mit der den Ehemännern eigenen Art, jede ihnen gesagte Liebenswürdigkeit in einen Dolch zu verwandeln, den sie in das Herz ihrer Frau stoßen; „aber jetzt sei still, Helene, da kommt sie wieder! Sie sieht übrigens sehr fidel aus,“ setzte der Schwager lobend hinzu, „es ist ihr also ganz gleichgültig, ob der Jüngling mit uns kommt oder nicht. Setze Du ihr nicht erst etwas in den Kopf!“

Helene lächelte überlegen, da ihr der Grund von Annas Fassung bekannt war; schwieg aber wohlweislich.

Trotz der größten Vorsicht gelang es unserer Gesellschaft nicht, Lebermann zu entgehen, der an der Thür des Hotels lehnte. Er hatte sich mit dem Portier auf eine Unterhaltung eingelassen, und dieser sah infolge der dabei ausgestandenen Langenweile schon ganz elend aus.

Man mußte nun unweigerlich mit dem Apotheker abwandern und Karl es sogar noch ertragen, daß Rüdiger sich auf dem Bahnhof befand und mit einem selbstverständlichen „Sie erlauben?“ in dasselbe Coupé mit Amtsrichters stieg.

Die Fahrt wurde auf diese Weise unter recht verschiedenen Empfindungen zurückgelegt, wenn auch Karl gerecht genug war, um sein Vorurtheil gegen Rüdiger mit jeder Minute mehr schwinden zu lassen. Als der junge Mann beiläufig bemerkte, er müsse den nächsten Morgen wieder nach seinem Heimathsorte abreisen, da sein Vertreter ihm nur bis zu dem Tage Zeit gelassen habe, brachte dieser Hinweis auf eine bereits vorhandene Praxis das letzte Eis des Widerstandes in Karls Brust zum Schmelzen, und Anna, die sich von Lebermann mußte unterhalten lassen, fühlte mit frohem Herzklopfen, daß das Opfer nicht vergebens gebracht wurde.

Man durchwanderte nun mit großem Vergnügen Potsdam mit seinen historischen Denkwürdigkeiten; dann begab man sich nach Sanssouci, wo Lebermann allerdings einige Bitterkeit in den Kelch des Genusses träufelte, indem er mit erbarmungsloser Ausführlichkeit die bekanntesten Anekdoten vom Alten Fritz mittheilte und durch kein ihm entgegengerufenes: „Das kenne ich schon!“ zum Abbrechen seiner Erzählungen zu bewegen war.

„Wenn wir nur diesen Kerl loswürden!“ sagte der Amtsrichter knirschend zu Rüdiger; „helfen Sie mir doch auf ein Mittel denken, daß wir ihn unterwegs verlieren!“

Rüdiger zuckte die Achseln. „Wir nennen solche Leute ‚Klebstoff‘,“ sagte er lachend; „sie sind nicht abzuschütteln. Umbringen könnte man ihn wohl nicht?“

„Es wäre das Einfachste,“ meinte der Amtsrichter, „aber es würde am Ende darüber gesprochen werden.“

Im Schloßgarten zu Sanssouci war das Glück unseren Reisenden hold. Lebermann gab selbst die erwünschte Handhabe, unschädlich gemacht zu werden. Unmittelbar vor der Rückkehr nach Potsdam ließ er sich durch die Farbenpracht einer Georgine verleiten, sie abzupflücken, um seiner Emma damit den handgreiflichen Beweis zu liefern, daß er wirklich an dem historischen Ort gewesen sei. Da faßte ihn ein Gärtnergehilfe mit rauher Hand am Arme und zwang ihn, ihm als straffälliges Subjekt zu folgen – ein Vorgang, der den Amtsrichter zu der feigen Handlungsweise bewog, mit seiner Gesellschaft schleunigst das Weite zu suchen und, ohne auf des Apothekers Winken und Zurufen zu achten, den Häusern von Potsdam zuzueilen.

Die Schwestern empfanden eine Spur von Mitleid mit dem armen Lebermann – die Herren aber freuten sich roh und gefühllos und erklärten, es sei dem Patron sehr gesund, daß seine Missethat sich so blitzschnell gerächt habe.

Höchst vergnügt kam man auf dem Bahnhof in Potsdam an, allein hier bot sich ein unerwarteter Anblick dar. Eine Unmenge von Menschen aller Stände, Klassen und Bildungsgrade raunte lachend, scheltend, tobend durcheinander und suchte mit gänzlicher Nichtachtung ihrer gegenseitigen Menschenrechte die Eisenbahnwagen zu stürmen.

Verschiedene Versuche unserer Freunde, sich an den allgemeinen Eroberungsversuchen zu betheiligen, mißlangen gänzlich, Aennchen, die kraft ihrer sechzehn Jahre noch etwas kindisch war, zerfloß plötzlich in Thränen, da sie das Gefühl hatte, als wenn diese heulende Meute zu keinem andern Zweck auf den Potsdamer Bahnhof gekommen wäre, als um ihr an Leben und Geldbeutel zu gehen. Während Rüdiger sie durch Theilnahme und Zuspruch zu beruhigen suchte – ein der gegenseitigen Zuneigung sehr förderliches Verfahren! – stand der Amtsrichter auf dem Trittbrett eines Wagens, entschlossen, den Zugang mit Güte oder Gewalt zu erzwingen. Hinter ihn auf dasselbe Trittbrett hatte sich [815] ein derber Familienvater geschwungen, der im vollsten Gefühl seines Rechts – auf dem schon vorher eroberten Eckplatze saß seine ihm ebenbürtige Gattin – auf den Rücken des Amtsrichters drosch und ihn herunter zu zerren suchte.

Karl hielt nach dem Losungswort „nur über meine Leiche!“ unentwegt Stand, als ein bis auf den heutigen Tag unaufgeklärter kleiner Stoß aus dem Innern des Wagens – wahrscheinlich von obengenannter Gattin ausgetheilt – ihn in seinem unsichern Standpunkt erschütterte und seinem Angreifer Gelegenheit gab, sich in seine so schwer errungene Stellung zu begeben.

Empört, gestoßen, gepufft, mit zerdrücktem Hut sprang Karl vom Trittbrett herunter und bot seiner Frau den Arm, sie voll blinder Wuth mit sich fortziehend, während Rüdiger und Anna gedankenlos folgten.

„Ich werde doch sehen, ob ich mir nicht Recht schaffen kann!“ keuchte der Amtsrichter und wanderte, ohne Ziel und Richtung zu beachten, über den Bahnhof. „Sie müssen uns mitnehmen, das habe ich zu verlangen,“ sagte er, die Billette emporhaltend, „wartet nur ruhig ab – sie müssen Wagen anhängen, oder ich beschwere mich!“

Der Amtsrichter beschwerte sich nämlich mit Wonne wie viele cholerische Menschen und hätte eine Reise, auf der er sich nicht mindestens einmal beschweren konnte, halb und halb zu den verfehlten Unternehmungen gerechnet.

Ein Schaffner, der unsern halb betäubten Reisenden eben in den Weg lief, wurde von Karl mit der heute schon unzählige Male wiederholten Frage: „Haben Sie noch Platz für uns?“ angehalten.

Zur größten Ueberraschung erwiderte der Gefragte höflich: „Ja wohl, mein Herr, – bitte einzusteigen!“ – öffnete einen ganz leeren Wagen und ließ unsere ganze Gesellschaft darin sich einschachteln.

Während der Amtsrichter halb erleichtert, halb gekränkt, und die Freude des Beschwerens gebracht zu sein, sich zurechtsetzte, schloß der Beamte die Thür – es pfiff, und der Zug fuhr langsam aber sicher mit unsern beiden Paaren zum Bahnhof hinaus.

„Na, das nennt man noch vor Thorschluß mitkommen!“ sagte Karl behaglich und legte sich in die Kissen zurück, „seht Ihr, sie haben Wagen angehängt! Man muß sich nur nichts gefallen lassen – merkt Euch das! Aber,“ setzte er hinzu, „solche Prügel wie heute auf dem Wagentritt habe ich doch seit Sexta nicht mehr bekommen, das muß ich sagen!“

Die andern lachten mit ihm und die Fahrt ging weiter, ohne daß man auf den Weg geachtet hätte, der ja auch unseren Reisenden ganz fremd war. Helene schloß ermüdet die Augen, Anna und Rüdiger plauderten halblaut und Karl nahm seinen Hut ab, um die Spuren des männermordenden Kampfes daran zu vertilgen.

Da tönte auch schon ein langgezogener Pfiff, – der Zug hielt.

Neugierig steckten unsere Reisenden die Köpfe zum Fenster hinaus – ein kleiner, einsamer Bahnhof lag vor ihnen und nur zwei oder drei Menschen stiegen langsam und gemächlich aus.

„Ach, das ist noch nicht Berlin!“ sagte Karl etwas enttäuscht und setzte sich wieder zurecht.

Da öffnete der Schaffner die Thür: „Alles aussteigen – Station Wildpark!“

Karl blieb sitzen.

„Ich will aber nicht nach Wildpark!“ sagte er.

„Das thut mir sehr leid, das hätten Sie sich früher überlegen müssen,“ sagte der Schaffner kühl, „jetzt sind Sie in Wildpark!“

Unsere Reisenden sahen sich wortlos an.

„Wir wollten ja nach Berlin!“ brachte Helene endlich kläglich hervor.

„Da sind Sie in einen falschen Zug gestiegen,“ erklärte der Schaffner bedauernd.

„Warum haben Sie uns das denn nicht gesagt?“ schrie Karl wuthbebend.

„Sie haben mich ja gar nicht gefragt!“ erwiderte der Beamte nun auch mit erhobener Stimme.

„Ich werde mich beschweren!“ zischte Karl, dem die Stimme den Dienst versagte, „was fange ich denn nun hier an? Ich beschwere mich!“

„Ja, das ist Ihre Sache!“ sagte der Schaffner, dem nun auch die Geduld riß, „ein andermal fragen Sie erst, wo ein Zug hinfährt, eh’ Sie sich hineinsetzen! Das Unglück ist übrigens nicht so groß,“ setzte der Beamte mit einem mildern Blick auf die verzweifelten Gesichter der Damen hinzu, „wenn Sie sich beeilen, können Sie hier Billette nachlösen und in demselben Wagen in zehn Minuten über Potsdam zurück nach Berlin fahren!“

Helene und Anna dankten erfreut und erleichtert, während die Herren noch sehr beleidigt aussahen und vergeblich nach einem Vorwand sannen, um der Bahnverwaltung die Ursache des Unfalls aufzubürden.

Als man aber zum zweitenmal in den Potsdamer Bahnhof einfuhr, sagte Karl sehr befriedigt:

„So, nun haben wir hier unsere schönen, festen Plätze und brauchen uns nicht zu drängen – seht Ihr!“

Sein Ton schien anzudeuten, daß er bereits anfing, die unfreiwillige Fahrt nach Wildpark für eine Art genialen Schachzugs anzusehen, durch den er sich und den Seinigen eine bequeme Rückfahrt gesichert habe. Man sah nun dem Gewühl und Geschrei auf dem Bahnhof mit den Empfindungen von Menschen zu, die aus wohlverwahrtem Hause Sturm und Wind brausen hören und sich bewußt sind, daß ihnen beides nichts anhaben kann.

So ganz unbedrängt sollte nun aber die Familie doch nicht davonkommen. Ihre Wagenthür wurde jetzt aufgerissen und eine Anzahl von Reisenden kletterte zu ihnen herein, bis der Schaffner hinter einem letzten Einsteigenden die Thür zuschlug und der Zug im selben Augenblick losfuhr, als der neue Ankömmling mit einem erleichterten „So!“ auf den Sitz gegenüber dem Amtsrichter sank und sich zu allgemeinem Schrecken als – Lebermann auswies.

„Lebermann!“ rief Karl beinahe mit Thränen der Wuth, „wie kommen Sie denn hierher?“

„Ja, das hätten Sie nicht gedacht,“ schmunzelte der Apotheker, „als Sie mich so treulos verließen! Ich nehme es Ihnen übrigens nicht etwa übel!“

„Schade!“ brummte Karl.

„Denn jeder ist sich selbst der nächste,“ fuhr Lebermann fort, „das sage ich auch immer! Aber ich habe mich ganz schlau frei gemacht! Ich gab dem Jungen, der mich gefaßt hatte, ein ordentliches Trinkgeld –“

In Karls Gesicht blitzte ein Gedanke auf – er unterbrach den Sprecher hastig.

„Still – ums Himmelswillen!“ sagte er, sich ängstlich umsehend, „nicht so laut!“

Lebermann sah ihn verständnißlos an, während der Amtsrichter sich mit Rüdiger durch einen Blick in Verbindung setzte, den dieser auch sofort begriff und erwiderte.

„Sie haben den Gärtnergehilfen durch ein Trinkgeld dazu gebracht, daß er Sie laufen ließ?“ sagte der Amtsrichter mit leiser, aber düsterer Stimme; „Lebermann, da muß ich Ihnen sagen, da haben Sie eine große Dummheit gemacht – das wird Ihnen sehr schlecht bekommen!“

„Ja – wieso denn?“ stammelte der Apotheker bestürzt.

„Wissen Sie, wie man das nennt?“ frug Karl feierlich; „‚Bestechung‘! Lebermann, Lebermann, da können Sie schön ankommen!“

„Ach was!“ sagte Lebermann etwas bleich, aber mit erkünstelter Leichtfertigkeit; „ich lasse mich nicht ins Bockshorn jagen – wird so schlimm nicht sein!“

Karl sah ihn strafend an.

„Bin ich Jurist, oder sind Sie’s?“ frug er nachdrücklich, „Bestechung, Paragraph 333, Gefängniß – Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte – Geldstrafe bis zu 1500 Mark! Was sagen Sie jetzt?“

„Ums Himmelswillen!“ rief Lebermann händeringend, „ich habe auch noch einen Schutzmann gefragt, ob der Gärtner das Recht gehabt hätte, mich zu verhaften – wenn der nun nachforscht!“

„Das ist eine böse Geschichte!“ bestätigte Rüdiger nun auch, „das kann sehr unangenehm werden!“

Beide Herren sahen sich wieder ängstlich im Wagen um, ob auch keiner der Mitreisenden ihr Gespräch belausche.

„Ja, was mache ich denn nun?“ frug Lebermann kläglich.

Die ganze Gesellschaft verstummte und saß eine Weile in düsterem, nachdenklichem Schweigen bei einander.

[816] „Was ich thäte, weiß ich,“ nahm der Amtsrichter endlich wieder das Wort, „ich machte, daß ich nach Solau zurück käme. Es ist zwar kein streng gesetzlicher Rath, den ich Ihnen da gebe, aber es wäre mir doch peinlich, wenn ein alter Bekannter hier in solche Sachen verwickelt würde.“

„Um so mehr,“ setzte Rüdiger mit durchbohrenden Blicken hinzu, „da wir, der Herr Amtsrichter und ich, als Zeugen vernommen werden könnten – sehr – sehr peinlich!“

„Wenn ich Ihnen rathen soll, Lebermann,“ sagte Karl, „so fahren Sie geradeswegs von der Bahn nach dem Hotel – bezahlen Ihre Rechnung – aber möglichst ruhig, nicht etwa mit auffälliger Hast, vor der Sie sich auch auf dem Bahnhof hüten müssen! – und reisen heut abend nach Hause; weit davon ist gut vorm Schuß! Unmaßgeblich, Lebermann! Ich will Sie zu nichts veranlassen, was Sie lieber nicht thäten.“

„Sie haben ganz recht,“ sagte der arme Lebermann, „ich bin Ihnen sogar sehr dankbar, Herr Amtsrichter!“

Und er drückte Karl mit Innigkeit die Hand.

„Bitte!“ erwiderte dieser etwas beschämt, und er wäre am Ende noch gerührt worden, wenn nicht in dem Augenblick der Zug gehalten hätte und Berlin erreicht worden wäre.

Der zitternde Lebermann griff nach seinem Ueberrock und Hut. „Ich gehe jetzt gleich nach dem Hotel,“ sagte er mit sichtlicher Angst.

„Das machen Sie sehr recht!“ nickte Karl billigend, „ich wollte, ich könnte mit Ihnen zurückfahren – aber meine Damen würden doch zu unglücklich sein!“

Man stieg aus und gerieth sofort in das undurchdringlichste Gewühl der Reisenden, in dem Lebermann nach flüchtigem, kurzem Abschiedsgruß an den Amtsrichter untertauchte und verschwand wie ein gehetztes Wild, während dieser über seine gelungene Niedertracht frohlockte und sich jetzt nach dem Rest seiner Gesellschaft umsah. Aber wehe ! Die Häupter seiner Lieben bestanden nur noch aus seinem eigenen Haupt und dem seiner Frau – Rüdiger und Anna waren spurlos verschwunden!

Das Gedränge hatte die beiden von ihren natürlichen Beschützern getrennt, und es war ihnen unmöglich, sich wieder mit denselben zusammenzufinden. Anna, der die Thränen in den Augen standen, flehte nur Rüdiger an, nicht zu rufen, da sie ihres Schwagers Abneigung gegen öffentliche Namensnennung genugsam kannte. Als die vollständige Unmöglichkeit, durch den Augenschein die Verlorenen wieder zu erlangen, klar zu Tage trat und das erst verschmähte Hilfsmittel des Rufens nun doch ergriffen wurde, war es zu spät – die Menge verlief sich bereits, und Rüdiger und Anna standen verlegen und bestürzt allein miteinander, was unter andern Verhältnissen gewiß seine großen Annehmlichkeiten gehabt hätte, auf dem Bahnhof und sahen sich stumm an.

„Ja, was thun wir jetzt?“ nahm der junge Arzt endlich beklommen das Wort. „Das Klügste wird wohl sein, wenn ich Sie sofort nach dem Hotel zurückbringe, Fräulein Anna – dort finden Sie die Ihrigen so sicher wieder, und wir gehen dann alle zusammen ins Theater.“

Anna willigte ohne weiteres ein. Auch ihr schien dieser Ausweg der beste, und man bestieg eine Pferdebahn und sauste dem Hotel zu.

Dort angekommen, fand man aber die Gesuchten nicht und wurde durch den Portier beschieden, daß die Herrschaften nur vorgefahren wären und sich alsbald nach dem Opernhaus begeben hätten. Anna rang die Hände – es war ja auch eine höchst peinliche Lage, in der sie sich befand!

„Also jetzt nach dem Opernhaus!“ entschied Rüdiger, bot Anna den Arm und ging mit ihr die Straße hinunter, während sie so erbarmungswürdig schluchzte, als wenn sie, statt zu den „Lustigen Weibern von Windsor“, aufs Schaffot geführt werden sollte.

Inzwischen hatte der Amtsrichter mit seiner Frau sich, wie wir gehört haben, vom Bahnhof nach dem Hotel begeben, dort nach Anna gefragt und, als sie nicht vorhanden war, sich in der festen Ueberzeugung, sie sei mit Rüdiger unmittelbar von der Bahn nach dem Opernhaus gegangen, auch dorthin verfügt.

Hier stand nun das Ehepaar auf dem großen Platz, Karl vor Ungeduld und Aerger mit dem Fuß stampfend, als sollte er Pflastersteine einrammen, Helene zitternd vor Besorgniß, Abspannung und Erregung, und suchte unter dem zuströmenden Theaterpublikum nach den Vermißten.

Karl zog die Uhr. „Gleich sieben! Wir kommen noch zu spät!“ sagte er stirnrunzelnd, „Anna sitzt am Ende mit Eurem Doktor doch im Hotel und wartet dort auf uns – ich werde hinfahren und sie abholen. Du bleibst hier, Helene, für den Fall, daß sie etwa vor mir hier eintreffen sollten!“

Nun brach auch Helene in Thränen aus.

„Nein,“ rief sie außer sich, „ich bleibe nicht hier! Ich fürchte mich zu Tode, Karl, abends allein in der fremden, großen Stadt! Wenn auch Du dann nicht wieder kommst, bin ich verloren!“

Und sie verbarg das Gesicht im Taschentuch. Karl stand rathlos.

„Ich will Dir etwas sagen,“ begann er nach einer Pause. „Siehst Du den Schutzmann dort? Der geht immer vor dem Theater auf und ab. Gehe Du immer hinter dem her, da thut Dir kein Mensch etwas! Ich schwöre Dir, Helene, ich bin in einer halben Stunde wieder hier, wenn ich Anna im Hotel finde – sei doch vernünftig!“

Er entfernte sich eilig, und Helene, in einer Hand Opernglas und Fächer, in der andern das Taschentuch, folgte mit zitternder Gewissenhaftigkeit und bitterlich weinend den Spuren des Schutzmanns, der ihr als einziger Fels in dem brandenden Meer des Berliner Lebens erschien.

Nach einer Viertelstunde etwa, die sie in dieser wenig belustigenden Weise verbracht hatte, entdeckte sie endlich Rüdigers Gestalt mit ihrer Schwester am Arm.

„Hier, hier!“ rief sie überlaut und aller großstädtischen Haltung vergessend und schwang ihr Thränentuch hoch in der Luft; das ankommende Paar, das sich in sichtlicher Verwirrung befand und sich gegenseitig nicht ansah, stürzte dann auf sie los, und Annas erste Frage war: „Wo ist Karl?“

„Ja, wo ist Karl?“ gab Helene erschreckt zurück, „er hat Dich ja doch abgeholt?“

O weh – Karl war also an den beiden wieder gerade vorbeigefahren, und wenn sich jetzt wieder jemand nach dem Hotel zurückbegab, um ihn zu holen, so war kein Grund ersichtlich, warum dies Spiel nicht bis zum nächsten Morgen fortgesetzt werden sollte. Die drei Zurückgebliebenen sahen sich mit dem deutlichen Gefühl an, daß sie als lebende Illustration zu der bekannten Geschichte von Wolf, Kohlkopf und Ziege dienen konnten. In Helene dämmerte nebenbei beim Anblick ihrer Schwester die unabweisbare Ueberzeugung auf, daß dies Kind die so entschieden günstige Gelegenheit benützt habe, um sich mit Rüdiger zu verloben – Anna sah sie so beweglich stehend an! Empfindungen jeder Art bestürmten die beiden Schwestern, und die kaum versiegten Thränenströme brachen aufs neue hervor, während Rüdiger tödlich verlegen dazwischen stand und sich in den Schoß der Erde wünschte, da das weinende Schwesternpaar schon die lächelnde Aufmerksamkeit der Vorübergehenden zu erregen begann.

In dem Augenblick stürmte, den Hut auf dem Hinterkopf, glühend roth vor Eile, Aerger und Aufregung, der ersehnte Amtsrichter herbei. Alle begannen nun auf einander einzusprechen, sich mit Erklärungen, Vorwürfen, Thränen und Abbitten zu überhäufen, während keins ein Wort von dem verstand, was das andere sagte.

„Und zum Ueberfluß versäumen wir noch den ersten Akt der ‚Lustigen Weiber‘,“ sagte Karl, sich die Stirn trocknend, „und im ersten Akt kommt gerade meine Melodie vor. Wann fängt es denn an?“

Er sah nach dem Zettel und prallte erschreckt zurück.

„Na, das fehlt bloß noch!“ sagte er dumpf.

„Was giebt’s denn?“ frugen die andern gespannt.

„Die ‚Lustigen Weiber‘ werden gar nicht aufgeführt, sondern ‚Rienzi‘,“ sagte Karl niedergeschmettert, „den ‚Rienzi‘ kann ich nach dem gehetzten Tage heut nicht aushalten – ich gehe ins Hotel und lege mich schlafen.“

Die übrigen fühlten sich auch nicht sehr für „Rienzi“ gestimmt – andererseits aber schien die einfache Rückkehr ins Hotel doch eine zu zahme Auflösung des Abends. „Das hätten wir auch in Solau haben können!“ sagte Helene halblaut.

„Ja ja, es ist dumm,“ gab Karl bedrückt zu, „aber Wagnersche Musik nach diesem Hetzen und Rasen – das halt’ ich nicht aus! Da hätten wir ebenso gut den Lebermann dabehalten können!“

Anna und Rüdiger hatten unterdeß ein paar leise Worte gewechselt.

[817]

Der Witwe Trost.
Nach einem Gemälde von Fritz Steinmetz.

[818] „Darf ich mir einen Vorschlag erlauben?“ sagte der junge Arzt, der bis dahin auffallend still gewesen war; „lassen wir die Theaterbillette unbenützt und gehen wir zu Siechen, um ein Glas Bier zu trinken! Das scheint mir der geeignetste Abschluß für den Tag und zugleich eine Möglichkeit, den Damen noch ein Bild großstädtischen Lebens zu zeigen.“

„Einverstanden!“ rief Karl erfreut, da das Zauberwort „Bier!“ ihm wie jedem guten Deutschen unwiderstehlich war, sehr einverstanden – auf nach Valencia!“

Wieder machte man sich paarweise auf den Weg und ging, die Damen nun ganz getröstet, in das Lokal, wo das Ehepaar sehr vergnügt bei seinen schäumenden Biergläsern saß, während Rüdiger und Anna weder sich gegenseitig, noch jemand anders ansahen, und der Doktor aufs ersichtlichste „maikäferte“, d. h. tief sinnend sich vorbereitete, um eine Mittheilung zu machen. Plötzlich schlug sich der Amtsrichter vor die Stirn.

„Da fällt mir eben ein – ich habe im Hotel eine Depesche vorgefunden und in der Eile noch nicht aufgemacht!“

Er öffnete das Telegramm, las und reichte es seiner Frau.

„Prost, Helene, und Adieu Lebermann! Ich bin Landrichter in D . . . geworden – die Stadt wird hoffentlich groß genug sein, daß der Apotheker nicht darüber Buch führt, ob ich zwei Löffel Suppe esse, oder drei!“

Das Ehepaar stieß jubelnd mit einander an, – und auch Rüdiger erhob sein Glas.

„Einen unleugbaren Vorzug von D... darf ich auch nicht unerwähnt lassen,“ sagte er verlegen und vergnügt, „es liegt nur eine halbe Stunde von meinem Aufenthaltsort entfernt, und da Ihr Fräulein Schwägerin sich vorhin bereit erklärt hat, mir, mit Ihrer Zustimmung, einmal dorthin zu folgen, so wird sich ja hoffentlich der Verkehr recht gemüthlich gestalten!“

Der Amtsrichter und seine Frau sahen erst sich gegenseitig und dann Anna starr und strafend an. Anna saß glühend mit gesenkten Augen da.

„Du kennst ihn doch noch gar nicht!“ brachte Karl endlich mühsam hervor.

„Ach, wie lange!“ rief Anna und schlug, in glückselige Thränen ausbrechend, die Hände vors Gesicht.

„Sehr lange!“ bestätigte Helene zwischen Rührung und Lachen, „frage sie nur einmal, was sie in der Kapsel hat! Zeig’ her, Aennchen!“

„Lieber sterben!“ rief diese, wie es schien, fest entschlossen, das K aus Nudelteig bis zu ihrem letzten Athemzug zu vertheidigen und zu verheimlichen.

„Nein, das alles will in Ruhe abgemacht und besprochen sein,“ meinte der Amtsrichter und erhob sich. „Mir scheint dies Lokal nicht gerade geeignet zu einer solchen Familienscene! Gehen wir ins Hotel“ – er sah nach der Uhr – „Lebermann muß ja nun schon auf dem Wege nach Solau sein – und dann besprechen wir alles in Ruhe mit einander! Wir machen den Leuten hier noch einen Extraspaß!“ setzte er hinzu und sah sich mit bedenklichen Blicken nach den andern Gästen um, die allerdings, was ihnen nicht zu verdenken war, mit sichtlich gespitzten Ohren da saßen.

Als unsere Gesellschaft sich zum Abschluß dieses denkwürdigen Tages im Hotel wieder zusammenfand – als Rüdiger noch die allerbefriedigendsten Aufschlüsse über seine Persönlichkeit und Verhältnisse gegeben hatte und man das Wohl des jungen Paares unter acht Augen fröhlich trank, fragte der Amtsrichter plötzlich: „Nun, und wem habt Ihr Euer Glück eigentlich zu danken?“

„Dir – oder Lebermann!“ sagte Rüdiger lachend.

„Nein, dem Kürschner aus Solau,“ erwiderte Karl feierlich, „denn hätte der nicht den Zettel auf meinem Pelz loszumachen vergessen, so wüßte ich nicht, wie der Doktor unsere Bekanntschaft hätte machen sollen.“

„Ich glaube, wir hätten uns auch so gefunden – irgendwie und irgendwo, es wäre gar nicht anders möglich gewesen!“ sagte Rüdiger glücklich und zog die Hand seiner kleinen, reizenden Braut an die Lippen, „aber einerlei – der Kürschner aus Solau soll leben, und alle Dummheiten, die er macht, sollen ebenso erfreuliche Folgen haben als diese!“




Blätter und Blüthen.


Die Kunst, ein hohes Alter zu erreichen. Ueber diese Kunst, welcher die „Gartenlaube“ im Jahrgang 1884 (S. 58) eine längere Betrachtung widmete, hat der berühmte Italiener P. Mantegazza ein Büchlein geschrieben, das auch in deutscher Uebersetzung erschienen ist (Styrum und Leipzig, Adolf Spaarmann). Mantegazza beruft sich dabei auf die Grundsätze richtiger Gesundheitspflege, die er selbst in zahlreichen Schriften verbreitet hat, doch steht die Gesundheit in keiner direkten Beziehung zur Lebensdauer, es kann unter Umständen selbst ein beständig kränkelnder Mensch eine hohe Lebensdauer erreichen. Ueberhaupt führt Mantegazza den Ausspruch eines alten italienischen Arztes an: der wirkliche Werth des Lebens läßt sich nicht nach der Zeit, sondern nur nach dem Gebrauche derselben messen. Gleichwohl ist das Streben nach einem langen Leben fast allgemein und auch natürlich. Nicht nur unsertwegen, sondern auch der andern wegen sollen wir unser Leben zu verlängern trachten. Eine menschliche Gesellschaft, in welcher alte Leute fehlen oder selten sind, ist unvollkommen und ermangelt eines der edelsten Elemente des Gleichgewichts und des Fortschrittes. Einen gesunden und rüstigen Greis schauen wir nicht nur mit Achtung und Ehrfurcht, sondern auch mit Neid an, und die hochbejahrten Greise sind stolz darauf, daß sie die Zeit bezwungen haben, und hängen mitunter aus einer Art Eitelkeit ihrem wirklichen Alter noch einige Jahre an.

Zu allen Zeiten hat es die verschiedenartigsten Mittel und Geheimmittel gegeben, mit deren Hilfe das ersehnte Ziel eines hohen Lebensalters erreicht werden sollte. Von dem vegetabilischen Schwefel und dem Goldelixir bis zum Himmelsbette Grahams, welches den darauf Liegenden mit neuer Lebenskraft erfüllen sollte und diese Wirkung durch elektrische Maschinen, Wohlgerüche, musikalische Instrumente und sinnberauschende Mittel hervorzurufen suchte, bis zum rothen Lebenssaft de l’Ormes, dem „Thee zum langen Leben“, des Grafen Saint Germain, dem Lebenselixir Cagliostros – wahrlich, eine Menge abenteuerlicher Zaubermittel, die ein langes Leben erzwingen sollten! Weit einfacher war die Weisheit Cornaros, der fast hundert Jahre alt wurde und vor allein eine mäßige Diät empfahl. Darauf sind ja auch die Rathschläge der meisten preisgekrönten und nicht preisgekrönten Schriftsteller zurückzuführen, die über dieses Thema geschrieben haben. Der Kernpunkt der Rathschläge Mantegazzas besteht darin, das Nervensystem in einem Zustande harmonischer Energie zu erhalten. Es ist unrichtig, daß das Leben sich bei jedem Kraftverbrauch verkleinere; ebenso wenig ist das Leben ein mit Geld gefüllter Sack, der um so länger aufrecht stehen bleibt, je weniger Geldstücke daraus genommen werden. Das Lebens ist vielmehr mit einer Maschine zu vergleichen, die, sobald man sie nicht gebraucht, verrostet und untauglich wird oder, sobald man sie in übermäßiger Weise in Anspruch nimmt, sich langsam abnutzt oder plötzlich zerbricht. Kein Organ unseres Körpers darf in Müßiggang verharren und ebenso darf keins den Arbeitsantheil der andern sich aneignen. Furcht vor dem Tode ist ebenso schädlich wie hypochondrische Selbstprüfung. Mantegazza meint, daß die Menschen in Zukunft ihr Leben verlängern können. Die Natur bringe ausnahmsweise ein Kakerlak-Kaninchen, eine doppelfarbige Stechpalme, ein Rennpferd hervor; wir erzeugen künstlich bis ins unendliche Kakerlak-Kaninchen, doppelfarbige Stechpalmen und Rennpferde. Ebenso bringe die Natur ausnahmsweise Menschen hervor, die 100, ja 150 Jahre alt werden; aber wir können auf künstlichem Wege bewirken, daß die Ausnahme zur Regel werde!

Ob die Zukunft diesen Wechsel einlösen, diese Verheißung erfüllen wird? Die Vergangenheit giebt keinen Anhalt dafür.

Ein Werk der Selbsthilfe. Noch hemmten im lieben deutschen Vaterlande die mit Sorgfalt in den jeweiligen Landesfarben bemalten Grenzpfähle jeden Ausgleich einzelstaatlicher Besonderheit; noch berührte man auf der Reise durch die Staaten des deutschen Bundes dreißig und einige Male das „Ausland“ und hatte ebenso oft schlechterdings unerläßliche Reisepaßförmlichkeiten zu überstehen; noch führte jeder deutsche Staat seine eigenen Münzen und Maße und das Heer der „wilden“ Kassenscheine bildete eine beängstigende und gefürchtete Sündfluth; noch exerzierte jedes „Kontingent“ nach eigenem „Reglement“ in besonders gearteter Uniform; noch waren Eisenbahn und Telegraph unbekannte Erscheinungen, aber erstere begann man als eine Handel und Wandel zu Grunde richtende Einrichtung zu fürchten; von großen Versicherungsgesellschaften bestanden nur einzelne und Schulze-Delitzsch war noch Referendar oder vielmehr, wie man es hieß „Auskultator“.

In dieser Zeit politischer, socialer und wirthschaftlicher Dämmerung begründete – es war am 29. August 1836 – im Herzen Deutschlands, im klassischen Weimar, ein Häuflein weitschauender deutscher Volksschullehrer, durchdrungen von der Wahrheit des Wortes von der Stärke durch die Einigkeit, einen Verein, der seinen von Brandunglücksfällen betroffenen Mitgliedern den Ersatz ihrer von den Flammen vernichteten Habe gewährleistete. Der thüringische Lehrerstand, von jeher durch Intelligenz und reges Vorwärtsstreben ausgezeichnet, würdigte rasch die aus einer derartigen Vereinigung sich ergebenden Vortheile und schloß sich derselben in Verbänden, die sich bequem nach den politischen Grenzen der einzelnen Staaten ordneten, an; und noch bevor das Jahr 1866 wenigstens den Norden Deutschlands einigte, umfaßte der „Thüringer Brandversicherungsverein unter Geistlichen – denn auch viele Seelsorger hatten die Mitgliedschaft des Vereins erworben – und Lehrern“ sämmtliche Staaten Thüringens mit Ausnahme der preußischen Gebietstheile desselben. Aus bescheidenen Anfängen herausgewachsen, bildet der Verein heute in seiner [819] Art eine wirthschaftliche Großmacht, ist eine Musteranstalt genossenschaftlicher Selbstverwaltung.

Seine Einrichtung ist die folgende: Eine Anzahl von einander nahe wohnenden Mitgliedern bildet eine Agenturgemeinschaft, deren Geschäfte von einem Agenten wahrgenommen werden. Mehrere Agenturen zusammen bilden einen Zweigverein, der die Mitglieder eines Herzogthums oder eines Fürstenthums umfaßt. So gliedert sich z. B. der Zweigverein Gotha – Herzogthum Gotha – in 18 Agenturen. An der Spitze jedes Zweigvereins steht ein Direktor nebst Stellvertreter, dem die Erledigung bezw. die Zusammenfassung der Geschäfte der ihm unterstellten Agenturen obliegt. Neun solcher Zweigvereine bilden mit dem Stammverein Weimar-Jena zusammen den Gesammtverein. Die Geschäfte desselben werden von einem Centraldirektor geführt, dem ein Stellvertreter zur Seite steht. Der Gesammtverein gliedert sich in 93 Agenturen mit 4595 Mitgliedern und einer Versicherungssumme von 25 715 490 Mark. Da sämmtliche Aemter Ehrenämter sind und demgemäß unentgeltlich verwaltet werden, so betrug, abgesehen von den gezahlten Entschädigungssummen, im vergangenen Geschäftsjahr die Summe der Geschäftsunkosten mit Einschluß der Reisekosten und des Aufwandes für Drucksachen etc. 384 Mark 80 Pfennig! Da erhebliche Brandunglücksfälle nur vereinzelt auftreten, so wurden als Beitrag der Versicherten zur Beschaffung der Entschädigungsbeträge im jüngstvergangenen Geschäftsjahre 3/100% erhoben, nachdem in den vorausgegangenen beiden Jahren von der Erhebung von Mitgliederbeiträgen deshalb abgesehen worden war, weil die Entschädigungssummen aus den vorhandenen Beständen gedeckt werden konnten. So steht diese Vereinigung thüringischer Lehrer und Seelsorger zum Schutze des gegenseitigen beweglichen Vermögens da als ein leuchtendes Beispiel der Macht genossenschaftlicher Selbsthilfe und des in die lebendige That umgesetzten Wortes „Einer für alle, alle für einen!“ H. Meißner.

Lohnauszahlmaschine. In dem Jahrbuch der interessantesten Erfindungen und Entdeckungen, welches unter dem Titel „Das neue Universum“ im Verlage von W. Spemann in Berlin und Stuttgart erscheint, findet sich die Abbildung eines eigenartigen Automaten, einer Lohnauszahlmaschine, durch welche Kassirern großer Geschäfte die umständliche Auszahlung der Lohnbeträge erleichtert, der Empfänger aber in Stand gesetzt werden soll, den ihm zukommenden Betrag rasch und sicher zu kontrollieren.

Lohnauszahlmaschine.
Aus dem „Neuen Universum“.

Der äußerst sinnreiche Mechanismus der Maschine ermöglicht es, Zahlungen in klingender Münze mit größter Schnelligkeit vorzunehmen, wobei ein Irrthum fast ausgeschlossen bleibt. Die Haupttheile der Maschine sind von Eisen und bestehen aus einem Kasten nebst Gestell, an welchem ein Tritt angebracht ist, der nur bei dem Füllen des Kastens in Thätigkeit gesetzt wird. In dem die Kasse bildenden Kasten ist Raum für Münzen im Betrage von 8000 Mark, welche, nach Sorten geordnet, in verschiedenen Messingröhren Aufnahme finden. Durch je eine Feder werden die auf Stempeln ruhenden Münzen derart fest unter den in der Abbildung ersichtlichen Verschlußbalken gedrückt, daß jedesmal nur das oberste Geldstück zur Auszahlung bereit liegt. Durch einen Druck des Kassirers auf einen der vor den Röhren befindlichen Stifte oder Schieber springt ein Stück der betreffenden Münzsorte hervor und legt sich, mit der Werthangabe nach oben gekehrt, auf den am Apparate befindlichen Zahltisch, auf welchem es leicht übersehen und gezählt werden kann. Aus unserer Abbildung sind auf dem Zahltische mehrere Reihen derartig geordneter Münzen sichtbar.

Für den Laien und insbesondere für die reifere Jugend bildet das „neue Universum“, das an solchen Mittheilungen reich ist, ein werthvolles unterhaltendes und belehrendes Nachschlagewerk, welches zugleich über die Erfindungen und Entdeckungen des Jahres sowie über die neuesten Reisen berühmter Forscher in fremden Erdtheilen eine vollkommene Uebersicht giebt. **

Die illustrirte Marlitt-Ausgabe, auf welche wir in Nr. 14 des vorigen Jahrganges zum erstenmal hingewiesen haben, ist seitdem rüstig vorgeschritten, und es liegt nunmehr bereits die Hälfte der Gesammtausgabe in fünf stattlichen Bänden vor. Band I enthält „Das Geheimniß der alten Mamsell“, Band II „Das Heideprinzeßchen, Band III „Reichsgräfin Gisela“, Band IV „Im Schillingshof“, Band V „Im Hause des Kommerzienrathes“. Der Illustrationsschmuck dieser Bände – von E. Koch, Erdm. Wagner, J. Kleinmichel, W. Claudius und H. Schlitt – ist reich und künstlerisch, die äußere Ausstattung der Bände geschmackvoll. Wer zum bevorstehenden Weihnachtsfeste den Geschenktisch mit einer werthvollen literarischen Gabe schmücken will, findet in der vorliegenden Hälfte der Marlitt-Ausgabe eine solche, die überall willkommen geheißen werden dürfte – und die zweite Hälfte, welche bis Weihnachten nächsten Jahres vollständig vorliegen soll, würde für ein weiteres Jahr eine begehrte Weihnachtsgabe bilden können. **

Zimmerpflanzen im November. Wenn es im Pflanzenleben einen Stillstand gäbe, so könnte man sagen, im November sei an den Pflanzen nichts zu thun. Aber dieser Fall kommt nie vor. Zunächst pflegt man das Vorhandene, gießt und sorgt für Reinhaltung der Blätter durch Abwaschungen, sorgt für Heizung und Auffrischung der Luft, Schutz gegen Gasgeruch und Licht u. a. m. Aber schon greift man in den nächsten Frühling hinüber, indem man Vorbereitungen für neuen Blüthenschmuck trifft. Zunächst nimmt man die im Garten tief eingegrabenen Blumenzwiebeltöpfe aus der Erde und bringt sie in den Keller. Dabei werden sogleich eine Anzahl frühester Tulpen, besonders Duc van Tholl, in das Zimmer gestellt, damit das Treiben beginne, ebenso einige Marseiller Tazetten, wenn man sie überhaupt treiben will, denn später sind diese wenig prächtigen Blumen neben der Pracht der Hyazinthen zu unscheinbar. Findet man unter den frühesten Hyazinthen einige mit weit vorgerückten Knospenhüllen, so setze man sie ebenfalls zum Treiben bereit; ist dies aber nicht der Fall, so warte man lieber noch einige Wochen, denn schwach getriebene Zwiebeln bleiben, werden sie jetzt schon warm gestellt, unfehlbar „sitzen“, wie die Gärtner sagen, das heißt: es zeigen sich zwischen den Blättern kümmerliche, nicht ausgebildete Blüthen, und der Stengel erhebt sich nicht, Die übrigen Zwiebeltöpfe gräbt man, wenn Gelegenheit dazu ist, so tief in den Sand des Kellerbodens, daß der Sand zwei Finger hoch über den Töpfen liegt, und feuchtet dann den ganzen Boden an. Ist kein Sandbeet vorhanden, so fülle man wenigstens Sand zwischen die Töpfe und halte denselben feucht. Zum gelegentlichen Warmstellen sucht man durch Abstreichen des Sandes diejenigen Hyazinthen heraus, welche am weitesten vorgeschritten sind, man findet solche auch oft zwischen den Rommelzwiebeln ohne Namen. Das Treiben findet in dem Wohnzimmer oder in einem anderen immer erwärmten Raume statt. Die Hyazinthen stellt man anfangs an einem dunklen Platz fern vom Ofen in Untersätze, welche stets mit erwärmtem Wasser gefüllt sind; die Tulpen aber sofort in das Blumenfenster. Durch das Umgeben mit lockerem Moos und Bedecken mit einem umgestülpten ausgewaschenen Blumentopfe erreicht man höhere Blüthenstengel, denn bei ganz unbedeckt stehenden Töpfen bleiben die ersten Pflanzen oft niedrig. Die Bedeckung läßt man, bis die Stengel hoch genug sind; sie blühen oft schon nach zwei Wochen. Die Hyazinthen stellt man nicht vor Mitte des Monats warm, entweder einzeln in Thonuntersätzen oder mehrere in ein größeres Gefäß. Hat man keinen andern Platz, als die Decke des Ofens, so müssen Mauersteine untergelegt werden. Ueber die Töpfe stellt man umgekehrte Blumentöpfe.

Besser ist folgende Einrichtung: man läßt einen dem Durchmesser der Ofendecke angemessenen Holzkasten anfertigen, so hoch, daß über den Töpfen noch genügend Raum bleibt. Der Boden des Kastens ist von Latten. Dann wird eine Lage Moos untergebreitet, auf welche die Töpfe zu stehen kommen. Zwischen die eingestellten Töpfe wird Moos gestopft, welches immer feucht gehalten wird. Dann deckt man wieder eine Schicht Moos darüber. Noch günstiger gestaltet sich das Treiben, wenn man diesen Holzkasten auf ein mit Wasser gefülltes Blechgefäß stellt, aus welchem immer Dunst aufsteigt. Hier bleiben die Töpfe stehen, bis die Blüthenstengel vier Finger hoch sind; dann bringt man sie an das Fenster, stülpt aber zur Vorsicht Papierhüllen darüber, bis sie die umgebende Luft vertragen. Will man viele Hyazinthen auf einmal treiben, so muß man mehrere solcher Kästen haben. Will man einige Hyazinthen bis Weihnachten oder Neujahr blühend haben, so muß man mit dem Treiben spätestens am 10. November beginnen, doch ist der Erfolg stets unsicher, denn viele Hyazinthen werden kümmerlich. Sicherer ist es, später anzufangen und langsamer zu treiben. Um Hyazinthen in Wassergläsern zu treiben, muß man die Zwiebeln schon im Oktober aufsetzen und bei mäßiger Wärme Wurzeln bilden lassen, dann erst im November warm stellen. Späteres Treiben hat bessere Erfolge.

Eine besondere Behandlung erfordern die Maiblumen. Diese verlangen und vertragen die höchste Wärme. Die im Oktober eingepflanzten Töpfe werden daher an den wärmsten Platz gestellt, ganz mit Moos eingehüllt und mit leeren Töpfen bedeckt. Von Zeit zu Zeit sieht man nach, ob die Blüthenstengel bald anstoßen, und ist dies der Fall, so stellt man sie hell, schützt sie aber einige Tage lang durch übergedeckte Gläser oder Hülsen von durchscheinendem Papier gegen die trockene Zimmerluft. Oft kommt es vor, daß manche Töpfe zu wenig Blüthenstengel haben und schlecht aussehen. In diesem Falle pflanzt man den Inhalt der lückenhaften Töpfe zusammen, was keine Störung verursacht. H. J.

Kosmos. Im Jahre 1844 schrieb Alexander von Humboldt die Vorrede zu dem ersten Bande des „Kosmos“, eines Werkes, dessen Bild in unbestimmten Umrissen dem großen Gelehrten „fast ein halbes Jahrhundert lang vor der Seele schwebte“. Nach dem Plane des Verfassers sollte das Werk eine „physische Weltbeschreibung“ bilden und alles umfassen, was im Erd- und Weltraume erforscht wurde. Der erste Band lieferte ein derartiges Naturgemälde in großen, meisterhaft ausgeführten Zügen und bildete ein abgeschlossenes Ganzes; die nachfolgenden Bände [820] sollten einzelne Abschnitte ausführlicher behandeln. Rastlos arbeitete Humboldt an diesem Werke, bis der Tod dessen Faden abschnitt. Die letzte Korrektursendung langte von Stuttgart am 10. Mai 1859 in der Stunde in Berlin an, wo der Sarg Alexanders von Humboldt auf Befehl des Prinz-Regenten von Preußen in feierlichem Gepränge nach dem Dom geführt wurde. Das Werk ist unvollendet geblieben, aber trotzdem ist es in seiner Art unerreichbar, ein Denkmal, welches die Mit- und Nachwelt mit Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt.

Die J. G. Cottasche Buchhandlung Nachfolger veranstaltet jetzt eine neue billige Gesammtausgabe der Werke Alexanders von Humboldt, und soeben ist der „Kosmos“ als der erste Theil dieser Veröffentlichung erschienen. Dreißig Jahre sind verflossen, seitdem Humboldt die letzten Zeilen geschrieben hat, und die Forschung ist in dieser Zeit in ungeahnter Weise fortgeschritten. An Stelle vieler Vermuthungen und Ahnungen sind festverbürgte Thatsachen getreten, und es genügt, nur auf die Spektralanalyse, welche uns die Zusammensetzung der fernen Sonnen erkennen läßt, hinzuweisen, um zu begreifen, welche Bausteine für das große Gebäude der Naturerkenntniß die jüngste Wissenschaft herbeigetragen hat.

Es ist gewiß ein seltsames Zusammentreffen, daß die Entdeckung der Spektralanalyse und das Erscheinen von Darwins einschneidendem Werke „Ueber die Entstehung der Arten“ mit dem Todesjahre Humboldts zusammenfallen. Sie kennzeichnen sozusagen den Beginn einer neuen Aera der Forschung.

Diese und andere Entdeckungen der Neuzeit lassen natürlicherweise vieles in dem Naturgemälde Humboldts veraltet erscheinen. Aber es ist kein Lehrbuch für das jüngste Geschlecht; der „Kosmos“ besitzt vor allem einen geschichtlichen Werth. Humboldt selbst schreibt in dem Vorwort: „Wenn ich bisweilen des klassischen Alterthums und der glücklichen Uebergangsperiode des durch große geographische Entdeckungen wichtig gewordenen fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts erwähnt habe, so ist es nur geschehen, weil in dem Bereich allgemeiner Ansichten der Natur es dem Menschen ein Bedürfniß ist, sich von Zeit zu Zeit dem Kreise streng dogmatisirender moderner Meinungen zu entziehen und sich in das freie, phantasiereiche Gebiet älterer Ahnungen zu versenken.“ Dieses Bedürfniß ist auch heute vorhanden. Darum sind veraltete naturwissenschaftliche Schriften nicht für jeden unlesbar. Wer für die Geschichte und Entwickelung des menschlichen Wissens Sinn und Interesse hat, wer aus diesem allmählichen und stetig der Vervollkommnung zustrebenden Wechsel der Meinungen Belehrung und Anregung zu schöpfen weiß, der wird noch heute zu dem großen Werke Humboldts greifen, welches uns die Natur „lebendig und in ihrer erhabenen Größe“ schildert. *

Die Elternzeitschrift „Cornelia“ feiert das Jubelfest ihres 25jährigen Bestehens. Alljährlich sind zwei Bände der „Cornelia“ erschienen und der fünfzigste geht seiner Vollendung entgegen. Die ganze Reihe bildet eine stattliche Bibliothek und eine Fundgrube für den Erzieher in Elternhaus und Schule. Die wichtigsten Fragen von dem weiten Gebiete der Erziehung hat die „Cornelia“ in den Kreis ihrer Betrachtungen gezogen und die aufmerksame Durchsicht schon eines einzigen Bandes der bewährten Zeitschrift legt dar, mit welchem Ernste hier gearbeitet worden ist und heute noch gearbeitet wird. Mit unverändert freudiger Begeisterung steht immer noch der verdiente Gründer der „Cornelia“, Dr. Karl Pilz in Leipzig, an der Spitze derselben, und heute wie vor einem Vierteljahrhundert ist seine Richtschnur der Wahlspruch: „Man bessert die Welt, wenn man die Jugend bessert.“

Dr. Karl Pilz ist am 4. August 1821 geboren, also heute bereits ein hoher Sechziger. In solchem Alter ist es kein Wunder mehr, wenn sich Gebrechen einstellen, welche die Arbeit auch des Thätigsten hemmen. So hat der Mangel an scharfem Gehör auch Karl Pilz gezwungen, einen Theil seines Arbeitsfeldes an eine andere, jüngere Kraft abzutreten; er hat sein mit Treue und Hingebung verwaltetes Lehramt niedergelegt. Aber in der „Cornelia“ setzt er seine Mitarbeit an dem Werke der Erziehung fort und an ihrer Spitze hoffen wir ihn noch lange Jahre rüstig schaffen zu sehen. **

Der Landbriefträger zur Winterzeit. (Mit Illustration S. 805.) Hurrah, das ist einmal ein lustiger Schnee! Kniehoch deckt er Weg und Steg, einer Flausdecke gleich birgt er schützend die Saat des Feldes, schwer hängt er an allen Bäumen, silbern glänzt er auf den Dächern. Das giebt einmal Schneemänner, und Schneeballen, und Schlittenbahnen!

Ja, aber viele Leute haben mehr zu thun, als Schneemänner zu formen oder mit Bällen sich zu balgen, und gar manchem von ihnen nützt auch die beste Schlittenbahn nichts, wenn nicht eine Fee mit ihr, zugleich Roß und Schlitten beschert. Und die Fee, sagt der Landbriefträger, ist launisch; ihn hat sie noch nie mit ihrer Freigebigkeit überrascht. Tag für Tag pilgert er durch sein weites Revier, Sommer und Winter, in Sonnenschein, Sturm, Regen und Schnee, auf holperigen Feld- und Waldwegen, in einsame Dörfer und abseits zu den fernsten Gehöften – und nirgends noch ist er ihr begegnet. Doch es macht nichts, freudlos ist sein mühevoller Weg darum doch nicht: verschieden sind die Lose, die seine Tasche birgt, aber immer gleich ist seine Treue in der Pflicht, sie auszutheilen, und das Bewußtsein davon ist sein Lohn und – hin und wieder ein freundliches Wort Beglückter, ein Druck der Hand, ein gern gewährter Imbiß. Da mag an rauhen Wintertagen der Schnee dann unter seinen Füßen knirschen oder fußhoch aufgehäuft sein, daß kaum der Weg noch zu erkennen ist – unverdrossen geht es vorwärts, Brief nach Brief wird bestellt, bis endlich die schwere, vollgepackte Tasche leer und der Weg wieder einmal vollendet ist.

Freilich, auch an Beispielen, daß der Weg nicht mehr vollendet wurde, daß der Athem vor dem Munde, das Blut in den Adern eisig erstarrte, fehlt es nicht. Oft sind im strengen Winter die zu überwindenden Hindernisse fast übermenschlich groß, und der Beruf des Landbriefträgers ist dann ein namenlos harter. Da stärkt das Bewußtsein steter Pflichterfüllung nicht die müden Glieder, wenn sie keine Statt zum Ausruhen finden, als im toddrohenden Schnee; da hilft kein Bewußtsein geleisteter Dienste, wenn auf verspätetem Wege das letzte mitgenommene Brot lange verzehrt ist und keine neue Stärkung winkt – da hilft allein die Rast am warmen Herde, der dargereichte Trunk, ein kräftiges Mahl! Und wenn an solchen Tagen der Landbriefträger kommt und pocht, da rufe zweimal herein und beweise Anerkennung und Dank mit der That! **




Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

C. A. in M. Sie möchten wissen, seit welchem Jahrhundert das deutsche Volk mit dem französischen à dieu grüßt und welche deutschen Abschiedsworte durch dasselbe verdrängt wurden. – Der französische Gruß ist schon etwa auf der Grenzscheide des 12. und 13. Jahrhunderts von den höfischen Kreisen Deutschlands, die ja bereits mit großer Vorliebe nach französischen Worten haschten, herübergenommen worden und erscheint denn auch zunächst in der höflichen Poesie jener Zeit und zwar zuerst im „Tristan“ Gottfrieds v. Straßburg (Anfang des 13. Jahrhunderts):

„friunt“, sprâchen jene, „a dê, a dê!“

In späterer Zeit begegnet die Grußformel fast nur in der altfranzösischen Gestalt aldê, so in Laßbergs „Liedersaal“:

„ach zartez liep, ich spriche aldê,“

oder an anderer Stelle:

„ich sprach zuo im aldê, aldê“ und so öfter.

Selbst im 15. und 16. Jahrhundert findet sich diese Form noch. Die heutige Gestalt à dieu ist zeitlich die letzte und erscheint nicht vor dem 16. Jahrhundert; aufgeführt wird sie zuerst beim Lexikographen Henisch (1616):

„ade, adi, adieu, gott behüt dich.“

In Frankreich war sie bereits seit dem 14. Jahrhundert im Gebrauch. – Abschiedsgrüße, wie sie vor der welschen Formel in Deutschland bräuchlich waren, sind: lebe wol, gehabt iuch wol, var wol (engl. farewell). Herrschend im Gebrauch ist aber keiner derselben gewesen, und eben deshalb ist es dem französischen Eindringling so leicht und schnell gelungen, allgemein Boden zu fassen und beinahe alle anderen Abschiedsformeln zu verdrängen.

Frau E. S. Wie wir schon oft betont haben, lassen wir uns auf briefliche Kuren grundsätzlich nicht ein; wir verweisen Sie vielmehr an einen Arzt. Aus Grund Ihrer ganz allgemeinen Mittheilungen können wir nicht einmal beurtheilen, was für ein Specialarzt Ihnen empfohlen werden könnte.

J. v. H., Nürnberg. Das Recht der von Ihnen erwähnten Züchtigung steht Eltern und Vormündern unbedingt zu.

L. N., Nijkerk. Wir bitten um Angabe Ihrer näheren Adresse, damit wir Ihnen brieflich antworten können.

B. S. in Verden. Die Geschichte vom „Swinegel un sine Fru“ in Kamerun in Nr. 39 dieses Jahrgangs hat den Wunsch in Ihnen rege gemacht, den eigentlichen Urheber jenes plattdeutschen Märchens zu erfahren. Selten ist dies bei einem Märchen möglich. In diesem Falle aber wissen wir es: es ist Wilhelm Schröder, der sich hauptsächlich durch Schriften in plattdeutscher Mundart einen Namen gemacht hat. Vergl. über ihn „Gartenlaube“ 1878, S. 703.

Militärpflichtiger in Br. Gewiß giebt es Zusammenstellungen der Garnisonsorte der deutschen Armee unter Berücksichtigung der neuen Benennungen der Regimenter. Eine solche ist z. B. in Berlin im Verlag von Wilhelm Ißleib (Gustav Schuhr) erschienen.

A. in G. Wir bedauern sehr, trotz Ihrer Bitte nicht von unserem Grundsatze abweichen zu können, und müssen sie auf den Weg zum Arzte verweisen.

R. M. Z., Magdeburg. Die Bestimmungen über die Bewerbung um den Doktorgrad sind an den verschiedenen deutschen Universitäten nicht überall gleich. Sie finden über die Einzelheiten Auskunft in dem Buche von Dr. Max Baumgart, „Grundsätze und Bedingungen zur Erlangung der Doktorwürde“ (Berlin, R. v. Deckers Verlag). – Was die gesellschaftliche Stellung der Zahnärzte anbelangt, so nimmt jeder von ihnen die Stellung ein, die er sich selbst schafft.

Dr. M. in D. Wir freuen uns, daß der Artikel „Wie entstehen Moden?“ in Nr. 40 und 41 der „Gartenlaube“ Ihr besonderes Interesse erregt hat. Der in Nr. 41 mitgenannte, um die Musterzeichnerei in Sachsen hochverdiente Professor der Dresdener Kunstgewerbeschule heißt H. Eckert, nicht Eckart.

Jul. B. in T. Das „Eisengeld“ der alten Spartaner steht gar nicht so allein da in der Welt wie man glaubt. Bei den wilden Stämmen im oberen Kongogebiet, zwischen Stanley-Falls und Njangwe, giebt es eisernes Geld, welches die Form von Speerspitzen hat und manchmal sechs Fuß lang ist. Jedenfalls müssen dort die Schatzkammern aussehen wie bei uns die Waffenkammern. Solches Geld findet sich in der reichen Sammlung afrikanischer Gegenstände, welche gegenwärtig in Regent Street in London ausgestellt ist; der junge Engländer Herbert Wood hat sie während eines fünfjährigen Aufenthalts am oberen Kongo gesammelt.


Für unsere Knaben und Mädchen empfohlen:
Deutsche Jugend.
Herausgegeben von Julius Lohmeyer.
Inhaltsverzeichniß des 2. Heftes, Band VIII (Preis des Heftes 40 Pf.):

Der wunderbarliche Königssohn. Märchen von H. Villinger. Mit Illustr. von H. Vogel. – Bergsteigerabenteuer. Von M. Reymond. Mit Illustr. von C. W. Allers. – Von Gemsjagden. Von Forstmeister Lizius. Mit Illustr. von F. v. Pausinger. – Indische Fakire. Von M. Reymond. Mit Illustr. von C. W. Speyer. – Die Aster. Von Georg Bötticher. – Sokus-Wai-nn-äts, der Ein-Zwei-Mann. Eine Indianermythe. Nach Forschungen von J. W. Powell, erzählt von Agnes Brauer. Mit Bild von A. v. Rößler. – Drei zierliche Nester. Von Eduard Rüdiger. Illustr. von Fedor Flinzer. I. Das Nest der Zwergmaus. – Goldne Worte. Von Gustav Freytag. – Kleine Fächer aus Kienholz zu schnitzen. Eine Weihnachtsarbeit von Minna Laudien. Mit Abbildungen. – Ein blutiger Streit um Nichts. Von C. Leo. – Knackmandeln, Räthsel etc.


Inhalt: Sakuntala. Novelle von Reinhold Ortmann (Fortsetzung). S. 805. – Ein Humorist fürs junge Volk. Von Dietrich Theden. S. 810. Mit Porträt und Randzeichnungen S. 809. – Das naturhistorische Hofmuseum in Wien. Schilderung von Gerhard Ramberg. Mit Abbildungen S. 812 und 813. – Eine kleine Vergnügungsreise. Humoreske von Hans Arnold (Schluß). S. 813. – Der Witwe Trost. Illustration. S. 817. – Blätter und Blüthen: Die Kunst, ein hohes Alter zu erreichen. S. 818. – Ein Werk der Selbsthilfe. Von H. Meißner. S. 818. – Lohnauszahlmaschine. Mit Abbildung S. 819. – Die illustrirte Marlitt-Ausgabe. S. 819. – Zimmerpflanzen im November. S. 819. – Kosmos. S. 819. – Die Elternzeitschrift „Cornelia“. S. 820. – Der Landbriefträger zur Winterzeit. S. 820. Mit Illustration S. 805. – Kleiner Briefkasten. S. 820.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.