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Die Gartenlaube (1893)/Heft 18

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1893
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[293]

Nr. 18.   1893.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf. In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf. In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



Schwertlilie.

Roman von Sophie Junghans.

 (4. Fortsetzung.)

7.

Stürme und Herbstregengüsse waren dem klaren sonnigen Septembertag, an dem Pfalzgräfin Sabine ihre Hofjagd abgehalten hatte, gefolgt, Auch heute flogen die Wolken noch windzerfetzt an einem trüben Himmel hin, und unter diesem bleifarbenen, nun schon dem Abend zudunkelnden Himmel lag die Herrenmühle ganz besonders still und düster da, als wäre alles Leben in ihr erstorben.

Polyxene saß in dem weiten und niedrigen Gemache, in welchem ihr Himmelbett stand, am Fenster und hatte ein Gebetbuch auf dem Schoße. Aber darin zu lesen hatte sie aufgegeben, lange ehe das schwindende Licht es ihr verwehrte. Sie war heute früh am Nachmittag in dem Häuschen am Galgenfeld gewesen, bei der Kranken, die noch ganz ebenso sich fristete wie vor etwa zehn Tagen bei jenem ersten denkwürdigen Besuch Polyxenens dort oben. Und von den Lippen Magdalenens waren wieder wunderbare Worte gefallen, von einer geheimnißvollen Inbrunst erfüllt, ihr eingehaucht von einem Geiste, desgleichen das Fräulein von Leyen bisher nicht gekannt hatte. Kein Zweifel, das elend hingestreckte Weib wurde gestärkt auf unbegreifliche Weise. Von wannen ihr auch dieser mächtige Beistand kam – irdisch war er nicht; und der Hauch aus einer anderen Welt, welcher jenes Lager umgab, der konnte, so dünkte es Polyxene, unmöglich herauf von dem schwülen Aufenthalt der Verdammten wehen.

Da nun Magdalena den Namen Christi so vertraulich nannte, so hatte Polyxene nach ihrer Rückkehr ein Verlangen empfunden, auch auf ihre Weise diesem Freunde der Seelen sich zu nahen, denn einsam fühlte sie sich oft genug. Und sie hatte daher zu dem einzigen Buche in ihrem Besitz gegriffen, das seinen Namen nannte, zu ihrem kleinen Gebetbuch. Sehr bald aber saß sie vor diesem Buche rathlos. Da waren Anrufungen der Jungfrau Maria, Verherrlichungen gar vieler Heiligen, Litaneien um Sonnenschein und Regen – Polyxene kannte das alles. Wie oft hatte sie die Worte, schon als kleines Dirnlein, gedankenlos mitgemurmelt. Jetzt, da sie dieselben zum ersten Male prüfend las, verloren sie aber jene gewohnte Vertraulichkeit. Fremd starrten sie ihr entgegen, fremd und über alle Maßen unzulänglich!

Eine Bangigkeit ergriff Polyxene, wie den, der sorglos bei heiterem Himmel dahin gewandelt ist; jetzt aber, gerade da sich dunkles Gewölk anhäuft und die Sonne erbleicht, wird er inne, daß er auf falschem Wege sei, und er fängt an zu ahnen, daß er ein langes mühsames Zurückgehen wird beginnen müssen, um vielleicht noch den richtigen Pfad zu finden. Sie schloß das Buch und erhob sich. Unwillkürlich horchte sie, wie sie es gewohnt war, auf Lutzens Stimme oder Tritt. Aber das Haus war ganz still; und doch mußte es Zeit zum Abendbrot sein.

Herr von Gouda, in sein Museum vergraben, wie man das mit Büchern, Instrumenten und Seltsamkeiten vollgepfropfte Gemach wohl nennen konnte, pflegte diese Stunde leicht einmal zu vergessen. War er gar zu tief in Berechnungen oder Versuche versenkt,

Dalmatinerin.
Nach einem Gemälde von Carl Hetz.
Photographie im Verlage von Franz Hanfstaengl in München.

[294] so wurde ihm ein Imbiß und ein Krug Wein vom Tische, an dem seine beiden Mündel dann allein saßen, hineingeschickt. Wahrscheinlich dachte er heute, als er sich von einem Globus umwendete, an dem er mit dem Zirkel Messungen vorgenommen hatte, daß es sich um diese Unterbrechung handle. Er nickte nur flüchtig nach der eingetretenen Person hin und fuhr in seiner Arbeit fort – ein seltsamer Anblick für den, der seiner nicht gewohnt war: der hagere Mann, dessen lange dürre Finger sich noch fortzusetzen schienen in den zwei Schenkeln des Meßinstrumentes, über welches er das ernsthafte gelbe Gesicht neigte; spitz alles an ihm, spitz die Ellbogen, spitz das Kinn und beinahe nadelspitz und dünn unten am Kinn das kohlschwarze Bärtchen.

Jetzt aber wurde er angeredet, und zwar durch Polycenens Stimme. „Wollt Ihr nicht zu Tische kommen, Oheim?“ fragte sie.

„Ja, ja,“ sagte er wie abwesend und fuhr fort, den Zirkel gleich einem phantastisch stelzbeinigen Geschöpf große Schritte über den Globus machen zu lassen. Erst nach einigen Minuten merkte er, daß Polyxene noch da war. „Ihr konntet ja unterweilen ohne mich anfangen,“ sagte er etwas ungeduldig, legte nun aber doch sein Instrument zusammen. Getrieben und gestört zu werden, war er nicht gewohnt, am wenigsten von dieser seiner Nichte, die er deswegen auch für ein verständiges Frauenzimmer zu halten geneigt war.

„Ich bin allein, Oheim,“ sagte Polymelie darauf. „Lutz ist noch nicht zu Hause. Wißt Ihr, wo er stecken mag?“ Es brach bei ihren letzten Worten eine leise Unruhe durch, welche das Fräulein auch endlich in das Zimmer des Oheims geführt hatte, nachdem sie eine Weile in dem großen Eßzimmer mutterseelenallein auf ihre beiden sonstigen Gefährten gewartet hatte.

„Nein; wie soll ich wissen wo der Bursche sich herumtreibt,“ erwiderte der Oberst. „Sehr ungehörig aber von ihm, die Stunde der Mahlzeit nicht einzuhalten!“ Damit reichte der alte Herr von Gouda seinem Mündel mit großer Würde den Arm, um sie in den Speisesaal mit den vielen Wappen zu führen. Polyxene hatte auf seine letzten Worte geschwiegen, weil sie den Vetter diesmal nicht zu vertheidigen wußte.

Die beiden speisten also allein, das heißt, sie nahmen an dem alten geschonten damastenen Tafeltuch und von werthvollem, zum Theile silbernem Geschirr einen einfachen aber anständigen Imbiß zu sich, der hauptsächlich aus kaltem Wildbraten, Brot und Wein bestand. Das Fräulein horchte und schaute fortwährend nach der Thür, denn sie konnte sich Lutzens Ausbleiben je länger je weniger erklären. Ja, wenn sie nicht vorhin selber in der Küche gewesen wäre und von der alten Wirthschafterin erfahren hätte, daß der Junker nicht etwa zwischendurch der Speisekammer einen Besuch abgestattet habe, wie er zuweilen pflegte und besonders jedesmal, ehe er eine Streiferei in den Wald antrat! Aber er hatte sich seit zwölf Uhr, der Stunde des Mittagsmahles, im Hause nicht mehr blicken lassen. Polyxene nahm sich vor, ihn sehr ernstlich zu schelten, sobald er heimkomme.

Es war unter diesen Umständen bisher ziemlich still am Tische gewesen, da begann der Oberst: „Heute mittag war ein Besuch für Dich hier, Nichte.“

„Für mich?“ sagte Polyxene verwundert. „Frau von Biberen vielleicht?“ – Das gute Fräulein von Motz war schon zwei Tage nach der Jagd draußen in der Herrenmühle gewesen und hatte ihrer Freundin Polyxene eifrig vertraut, wie sehr der ganze Hof sich durch das Benehmen der Pfalzgräflichen Hoheit verletzt gefunden habe. „Die Obersthofmeisterin sagt, sie wasche ihre Hände von allem, was bei Hofe geschehe,“ hatte das kleine runde Fräulein mit dem kurzen Näschen versichert, „seit gewisse Leute ohne Rang und Charge sich einer nie erhörten Bevorzugung erfreuen. Und weißt Du, Polyxenchen, wie Frau von Biberen diese Person, diese Méninville, nur noch nennt: der Frau Pfalzgräfin bösen Engel! Die Biberen ist ja selber ein wenig scharf, wie wir alle wissen, aber sie ist ehrlich. Sie hat öffentlich Deine Partei genommen, vor den Ohren dieser ... dieser Méninville – so lieb ich Dich habe, Polyxenchen, soviel hätte ich mir nicht herausgenommen – und sie wird Dich besuchen; sie hat es laut vor aller Welt gesagt.“

„Nein, nicht Frau von Biberen,“ antwortete indessen der Oberst, „überhaupt kein Frauenzimmer.“ Polyxeue war wie in leisem Schreck innerlich zusammengefahren bei den letzten Worten. Jetzt aber blickte sie in gleichmüthigem Befremden auf als ihr Vormund hinzugefügt hatte: „Zwei geistliche Herren; der Dekan von St. Aloysius und sein Kaplan.“

„Was wollten die Herren von Euch, Oheim?“ fragte sie.

„Von mir? Nichts! Wie ich schon einmal bemerkte, galt der Besuch Euch, dem Fräulein von Leyen,“ erwiderte er in seiner pedantischen Art.

„Mir? Wie wunderlich!“ sagte Polyxene. Die Sache war in der That so wunderlich, daß sie es für jetzt aufgab, eine Erklärung dafür zu finden, Allerdings war die Herrenmühle mit ihren Bewohnern in St. Aloysius, der stattlichen Jesuitenkirche der Residenz Birkenfeld, eingepfarrt. Da aber der Weg weit war, so pflegte Polyxene zur Messe und zur Beichte in das Siechenhofskirchlein draußen vor dem Brunnenthor, dahin sie es am nächsten hatte, zu dem guten alten Pfarrer Wehrbein zu gehen. Allzu oft geschah es nicht; die Religionspraxis wurde dazumal in Birkenfeld überhaupt ziemlich lau betrieben, wenigstens bis vor kurzem noch. Den Dekan, Pater Antonius Zindler, ihren eigentlichen Seelsorger, kannte daher das Fräulein kaum, und so brachte sie es jetzt nicht einmal zu einer Vermuthung über den möglichen Zweck seines Besuches.

Der Oheim hatte darüber auch nichts weiter gesagt, blieb aber noch bei seinem Weine sitzen, länger als gewöhnlich. Das war Polyxenen lieb, Lutzens wegen, der sie hoffentlich beide noch bei Tische fand, denn er mußte ja jetzt bald kommen. „Erfuhret Ihr von den Herren nicht, was ihr Geschäft hier war?“ fragte sie nach einer langen Weile, nur um das Gespräch noch zu fristen und den Obersten dadurch womöglich länger am Tische zu halten.

„Nicht ein Wort,“ sagte Herr von Gouda mit einer gewissen trockenen und unparteiischen Beifälligkeit, die hier etwa bedeutete: ja, erfahre du von einem Jesuiten, was er nicht sagen will! „Dagegen hatten sie vor, von mir dies und jenes sich mittheilen zu lassen. Es ist aber nicht viel damit geworden, Zum Beispiel begehrten sie von mir zu wissen, wohin Ihr heute Euren Weg gerichtet hättet. Und dann: ob Ihr häufig hinauf gen Keula ginget? Ob der Heidenkopf sich nicht Eurer besonderen Vorliebe erfreue? Ich bin den Herren auf ihre Fragen die Antwort schuldig geblieben. Einmal, weil ich nicht abzusehen vermochte, was die hochwürdigen Herren an allen diesen Dingen zu kümmern habe. Und fernerhin: alldieweilen ich mich in einer völligen Unkenntniß über die beregten Punkte befand.“

Polyxene schüttelte nur in neuer Verwunderung leise den Kopf; sie wußte nichts aus der ganzen Sache zu machen, hatte heute aber auch keinen rechten Sinn dafür. Als der Oberst jetzt Miene machte, den Tisch zu verlassen, erhob sie sich rasch: „Soll ich Euch die Pfeife hierher holen, Oheim?“

Hierher, in das Eßzimmer. die langstielige Thonpfeife, die er allabendlich mit großem Gusto zu schmauchen pflegte, sein Museum ganz erfüllend mit jenem von vielen dem Höllenbrodem gleichgeachteten Qualme des damals noch kaum eingebürgerten virginischen Krautes! Hierher, von wo dann der Tabaksrauch durch die vielen Thüren in das ganze Haus dringen, sogar in die profanen Nasen der beiden Dienstboten steigen würde!

„Was ficht Euch an, Nichte?“ meinte der Oberst, Polyxene abfällig ansehend, als habe sie ihm eine Entweihung seines abendlichen Rauchopfers zugemuthet.

„Es ist nur,“ sagte sie und trat ihm näher, wie in einer Regung von Hilflosigkeit „daß Lutz immer noch ausbleibt! Was dünkt Euch davon, Oheim?“

Sie wollte nicht allein bleiben mit ihrer Angst, deren sie sich jetzt nicht mehr erwehren konnte. Ludwig war dreist und sorglos, ja tollkühn; wenn ihm ein Unfall zugestoßen war! Die Dunkelheit war längst hereingebrochen; auf dem Tische brannten ein paar Kerzen. So beträchtlich hatte sich der Knabe noch nie verspätet.

„Er wird schon kommen,“ entgegnete Herr von Gouda gleichmüthig und verfügte sich nach seinem Gemache.

Lutz kam aber nicht. Nicht an jenem Abend, nicht in der Nacht, welche die Bewohner der Herrenmühle sämtlich in mehr oder minder großer Unruhe verbrachten, und nicht am andern Morgen. Polyxene hatte sich gar nicht entkleidet. Es war ihr, als könne sie gar nichts anderes thun als am Fenster stehen, versuchen, die Dunkelheit draußen mit ihren heißen Augen zu durchdringen und horchen, horchen. Von Müdigkeit überwältigt, setzte sie sich gegen Morgen auf ihr breites Bett und legte den Kopf aufs Kissen, fest entschlossen, nicht einzuschlafen und den ersten Laut jenes kräftigen Knabenschrittes zu vernehmen, nach dem sie sich so unaussprechlich sehnte. Ja, sie wußte, sie mußte [295] scharf horchen. Denn wenn er nun kam – wie es ja gar nicht anders möglich war – er hatte sich gestern abend verspätet, hatte irgendwo ein abenteuerliches Nachtquartier gehabt, vielleicht auf einem Baum im Walde – wenn er kam, dann war es vor Tage; er würde versuchen, sich leise einschleichen, daß man ihn nicht merke, um dann am Morgen ruhig vorhanden zu sein, als wäre nichts gewesen, der Schelm! – Da war er! Aber wie seltsam sah er aus, blaß und verändert! Und warum war er so stumm? Polyxene fuhr auf und sah sich verwirrt und suchend um. Ihr Gemach war leer und die bleiche kalte Dämmerung der noch sonnenlosen Frühe herrschte darin. Wo war Lutz? Sie hatte doch eben noch mit ihm gesprochen! Ach, es war nur im Traume gewesen! Verstört erhob sie sich, horchte hinaus in das noch stille Haus, schlich zum Ueberfluß auf leisen Sohlen in das Nebengemach, wo Lutz sonst schlief und sah wieder das leere unberührte Bett.

Am Morgen begann das Suchen und Forschen nach dem Knaben. Der Oberst, ein etwas gleichgültiger und wunderlicher, aber doch kein gewissenloser Vormund, entsandte selber sämtliche Dienstboten des Hauses und ein paar Knechte, die auf den zur Herrenmühle gehörigen Ländereien in der Nähe arbeiteten, nach verschiedenen Richtungen. Zwischendurch aber versenkte er sich wieder in seine Studien, annehmend, daß man es am Ende doch nur mit einem Knabenstreich zu thun habe und daß jeden Augenblick von irgendwoher der gedankenlose junge Schlingel selber oder eine Nachricht über seinen Verbleib eintreffen müsse. Anders Polyxene. Wie ein ruheloser Geist durchwanderte sie unausgesetzt das weitläufige alte Haus und alle Nebengebäude, leidenschaftlich suchend in den unzähligen Ecken und Winkeln, die niemand so gut kannte wie sie und der Vetter, von ihren Spielen her. Ach, wie leichten Herzens hatte sie da – es war noch nicht allzu lange her – diese staubigen Böden und halbdunklen Speicher, die ehemaligen Vorrathsräume der Mönche, durchkrochen, und mit wie schwerem geschah es jetzt! Der kindlich sorglose Sinn, den sie hier in ihrer ruhigen Jugendheimath bisher noch gehegt hatte, trotz ihrer achtzehn Jahre, der war ihr überhaupt in den letzten Wochen abhanden gekommen. Und heute lastete die Furcht vor einem unausweichlichen Unglück auf ihr, und sie schleppte je länger je mühsamer die bleischweren Glieder, gleichwohl von fiebernder Rastlosigkeit immer vorwärts getrieben.

Wie anders als mit Bangen und Grauen konnte sie aber auch von den Speichern in die Tiefen der darunter liegenden verbauten Räume, kaum zugänglicher Schachte, hinablugen, die Lutz manchmal mit halsbrechendem Klettern erreicht hatte! Wenn er dort hinuntergestürzt wäre, was hätte sie alsdann von ihm gefunden? Und wenn sie, sich gewaltsam bemusternd, mit Mühe die schweren Deckel uralter Truhen hob, in die sich der leichtsinnige Junge wohl einmal versteckt hatte, konnte es anders geschehen als unter unsäglicher Angst vor dem Anblick eines im Erstickungskrampf entstellten Totenantlitzes, das ihr vielleicht entgegenstarrte?

Fruchtlos jedoch alles Suchen: lebendig oder tot – wie sie ihn nun schon manchmal mit eisigem Jammer sich vorstellte – in der Herrenmühle war Lutz nicht. Und die Boten, die ausgeschickt worden waren, kehrten im Laufe des Vormittags einer nach dem andern unverrichteter Sache zurück.

Jetzt wurde auch der Herr Oberst von Gouda selber ziemlich rathlos. Als letzter kehrte der Knecht zurück, welcher auf des Fräuleins Weisung sogar den Strieger, den alten Waldwart, in seiner Klause am Heidenkopfe hatte aufsuchen müssen. Der Alte war zwar auf der Streife gewesen, der Mann hatte ihn aber doch noch getroffen. Und auch Strieger hatte von dem Junker nichts gewußt; bei ihm 1m Walde hatte sich Lutz gestern und heute nicht blicken lassen. Auf diese Nachricht hin winkte der Oberst der mit starren verstörten Augen dastehenden Polyxene, ihm auf sein Zimmer zu folgen. Hier hieß er sie sitzen. „Mich dünkt, Ihr nehmt Euch die Sache wunderlich schwer zu Herzen, Nichte,“ sagte er, sein eigenes Unbehagen unter einem krittelnden Tone verbergend. Polyxene sah ihn nur an und rang die schlanken Finger ineinander; schelten wollte sie sich gerne lassen, wenn er nur Trost wußte! „Ist Euch nicht schon zu Ohren gekommen,“ fuhr er fort, „wie manch ein junger Fant heimlich das sichere Dach seiner Heimath verlassen hat, um auf Abenteuer in die weite Welt zu gehen? Zu Schiffe nach den Goldländern jenseit des Oceans, oder auch nur der ersten besten Werbetrommel folgend, um als Soldat der Fortuna nachzurennen, freventlich unbekümmert in seinen Phantasien um die Angst liebender Anverwandten?“

Polyxene sah ihn verwirrt an, ob sie ihn auch recht verstehe. „Und Ihr meint, dessen wäre Ludwig fähig gewesen?“ rief sie endlich. „Nein, Oheim, das glaube ich nimmermehr! Lutz unter den Werbern!“ – Wie gegen ihren Willen duldete sie nun doch auf Augenblicke den schrecklichen Gedanken. „Das müßten holländische gewesen sein, die zuweilen über die Grenze gehen. Freiwillig wäre er nicht gefolgt. Und sollten sie ein Kind, das sie noch nicht gebrauchen können, gewaltsam fortführen? Er hätte es nicht geduldet – er ist von altem Adel – der Frevel wäre unerhört.“

„Nein, an offene Gewalt denke ich nicht,“ sagte der Oberst. „Der schöne Bursch wäre gerade recht, um eine Trommel zu tragen. Und sein Sinn stand auf Abenteuer ...“

„Die sucht ein Edelmann nicht mit der Trommel auf dem Rücken, wenn er den Degen tragen darf,“ rief Polyxene unwillig. „Und vor allem wäre er nicht heimlich fortgegangen! Ich kenne ihn besser als Ihr: nimmermehr hätte er uns – hätte er mir das angethan!“

Während sie jetzt beide eine Weile schwiegen, hatte sich dem Mädchen die ganze tolle Unwahrscheinlichkeit der Vermuthung des alten Herrn immer mehr aufgedrängt. Und im selben Verhältniß stieg von neuem die verzweifelte Ungewißheit, die Ahnung größern Unglücks. „Warum sollte der Knabe uns haben verlassen wollen?“ sagte sie klagend. „Er war frohen Sinnes und zufrieden; er hatte seine Heimath lieb und uns auch, Oheim ...“

Auf die letzten Worte des Fräuleins hatte Herr von Gouda aber nun doch noch eine Entgegnung, die des Scharfsinnes nicht ermangelte, wenn sie auch nicht die echte innere Wahrscheinlichkeit für sich hatte, wie Polyxene im tiefsten Herzen fühlte. Er sagte: „Habt Ihr mir nicht neulich vermeldet – nur flüchtig freilich, da meine Studien mir die Aufmerksamkeit auf einen allzu ausführlichen Bericht nicht verstattet hätten – es sei wegen eines Hirsches zu kränkenden Worten der Frau Pfalzgräfin gegen Euch Leyens gekommen? Wie, wenn der thörichte Knabe aus diesem Vorkommniß den Anlaß genommen hätte, trotzend davon zu gehen?“

„Nein, so schwer traf ihn die Sache nicht,“ sagte Polyxene bestimmt. „Die Frau Pfalzgräfin hat ihm auch gleich darauf wieder Freundlichkeit erwiesen.“ Freilich fielen ihr jetzt die Worte Lutzens aufs Herz, die er damals zu Herrn von Nievern gesagt hatte, vom Dienstenehmen beim Kaiser oder bei den Holländern. Aber wenn er erwachsen sein würde, hatte er gemeint. Nein – sie hatte in seinem Kinderherzen immer bis auf den Grund sehen können! Nimmermehr hätte er einen tollkühnen Entschluß von weittragenden Folgen tagelang und wochenlang vor ihr zu verbergen vermocht und gewiß auch keinen gefaßt, der ihr so bittere Angst und Schmerzen bringen mußte!

Sie sah dem Oheim aber an, daß er sich nicht würde überzeugen lassen, sondern sich bei dieser seiner Auslegung des unerklärlichen Verschwindens seines Mündels vorderhand bis zu einem gewissen Grade zu beruhigen wünschte. „Wir dürfen selbstverständlich von unseren Nachforschungen nicht ablassen,“ sagte er jetzt noch. „Ich werde meditieren, welche Maßregeln die geeignetsten dafür sein möchten.“ Damit hatte er sich schon wieder halb seinem Büchertisch zugewendet, und Polyxene mochte gehen und sehen, wie sie mit ihrem Jammer allein fertig wurde. Sie besann sich darauf, daß sie in den Oberstock des Hauses steigen und von einem seiner zahlreichen Dachaugen aus umherspähen wollte. Da war ein Fenster, aus dem überschaute man ein großes Stück der Landstraße nach Keula zu. Vielleicht, daß er doch noch von dort, aus dem Walde oberhalb des Dorfes, zurückkehrte.

Da trat am Aufgang zum oberen Geschoß jemand an sie heran. Der winklige Flur war hier selbst am Tage dämmerig, und Polyxene war schon zusammengefahren, ehe sie erkannte, daß es nur Dietlieb war. Der stille Mann sah sie halb mitleidig an, als sie mit stockendem Athem fragte: „Nun, Dietlieb? ... bringt Ihr etwas?“ Nein, immer noch nichts – sie las es ihm in tiefer Muthlosigkeit vom Gesicht ab. Aber jetzt drehte er die Mütze in den Händen; er hatte doch etwas zu sagen. Es schien selbst ihm nicht ganz leicht zu werden ... das Fräulein sah so wie so schon so verstört aus! Endlich begann er: „Haben Euer Gnaden noch gar nicht an den Mühlgraben hinten im Garten gedacht?“

[296] Polyxene griff hart in das Treppengeländer und sah den Mann an wie einen Feind. „Er ist dort verunglückt – Ihr habt ihn gefunden,“ sagte sie mit fremder ruhiger Stimme.

„Nein,“ entgegnete Dietlieb nur, anstatt die Annahme nachdrücklich abzuwehren, „nein – wir haben noch nicht ordentlich gesucht.“

„So kommt,“ sagte das Fräulein und schritt ihm voran, durch den Hinterhof unter einem offenen Schuppen hindurch, dessen thürlose hintere Einfahrt den Ausblick in den verwilderten alten Mühlgarten wie ein in Grün getauchtes Bild umrahmte. Ein Knecht hatte sich ihnen angeschlossen; Polyxene sah mit halbem Blicke, was ihr das Herz schwer wie einen Stein werden ließ: wie auf einen Wink Dietliebs dieser Bursche aus der Ecke des Schuppens ein paar große Stangen griff. Jetzt schritten sie durch das hier immer feuchte lange Gras, welches sich wie Schlingen um die Füße legte. Schattig und unhold war der Ort; an der geschwärzten Hinterwand des Schuppens unter dem tief herabreichenden Dachvorsprung wuchs der Schierling fast zu Mannshöhe; im Grase jagen mächtige alte Mühlwalzen, das Holz schwarz von der Zeit und von Feuchtigkeit, schleimig überzogen, schimmelnd, hier und da mit Pilz- und Schwammansiedlungen in dicken weißlichen Schuppen bedeckt. Und bedeckt mit allem, was schmarotzend ihnen die Lebenskraft und Fruchtbarkeit entziehen konnte, standen auch die matten Obstbäume da, die das Fleckchen so dunkel machten, obgleich die mächtigen Aeste, die sich schwer auf das vermorschende Dach des Anbaus legten, nur noch wenig rostiges Laub trugen.

Der Schnppen reichte bis nahe an das Ufer, und das Stückchen verwilderter Garten hinter ihm bildete eine vorspringende Landzunge, deren eine Seite der alte Mühlgraben, die andere eine unbedeutende Wasserrinne begrenzte, welche ehemals in besonderen Fällen dem Mühlwerk das Wasser gespendet hatte. Der Graben aber war hier voll, breit und an einzelnen Stellen tief und das Wasser hatte noch immer den mächtigen Zug der Stelle zu – wenig unterhalb des Schuppens – wo es früher die gewaltigen Mühlräder getrieben hatte, die jetzt stille standen und zerfielen. Und da war ein Platz am Ufer, wo der Steg hinübergeführt hatte, den, als er allzu morsch wurde, Polyxene hatte abbrechen lassen. An der Ufermauerung des Grabens befand sich ein Vorsprung, der dem Steg als Fundament gedient hatte. Hier hatte jedenfalls Lutz das Brett aufgelegt, auf welchem er, wie er neulich eingestanden, noch oft den zum Sprunge zu breiten Graben überschritt. Und da, sie hatte es längst gesehen, aber es nicht sehen wollen, bis sie dicht davor stand und sich überzeugen mußte, da ragte das eine Ende einer wassergeschwärzten schlüpfrigen Bohle auch jetzt in die Höhe; das kürzerr Ende nur; über die Hälfte lag sie im Wasser – sie war am andern Ufer abgeglitten.

Polyxene stand vor diesem Anblick lange stumm; es war, als ob jede um das Unglücksbrett herziehende Welle von dem Restchen Hoffnung, das ihr geblieben war, mehr unterspüle und hinwegnage. Dann aber raffte sie sich mit einem Male wieder auf. Die Bohle konnte erst abgeglitten sein, als der, der sie benutzt hatte, drüben ans Ufer sich schwang, das dort höher aufstieg. Der Zufall, daß sie im Wasser lag, brauchte nichts zu bedeuten, gar nichts. Und war es Lutz überhaupt gewesen? Warum nicht ebensogut einer der Knechte, der sich seinen Weg nach dem Acker hatte abkürzen wollen?

Das Fräulein hatte es vermieden, dem hinter ihr stehenden Manne, dem Dietlieb, wieder ins Gesicht zu sehen. Er hatte sie hergeführt, er hatte vorher schon gewußt, wie sie das Uebergangsbrett finden würden; sie wollte nicht Gewißheit haben über seine Gedanken. Endlich aber mußte sie sich doch zu ihm umwenden. Da schaute er aber nicht sie an; sondern blickte so sonderbar neben ihr weg auf den Boden. Sie folgte seinen Augen und gewahrte nun erst im Grase nahe am Ufer Lutzens wohlbekannte Jagdtasche. Nun wußte sie alles! Eine starre Ruhe überkam sie. Sie bückte sich, nahm die kleine alte Jagdtasche auf und strich liebevoll darüber her; sie bückte sich noch einmal und sah mit aufmerksamen trockenen Augen die Stelle im Grase an, auf der sie gelegen hatte, und blickte dann hinüber nach dem anderen Ufer, als müsse von dort das helle heitere Knabengesicht ihr zugeschaut haben und sie nun über ihre thörichte Angst auslachen, Dietlieb aber mochte glauben, daß er nun nichts mehr zurückzuhalten brauche. Er trat neben das Fräulein dicht ans Ufer und sagte, mit dem Kopfe hinüber auf die glatt ansteigende Böschung deutend: „Seht, wie dort drüben das Gras ausgerissen ist, als ob sich einer daran hätte halten wollen. Da, den Streif hinunter, da ist die Bohle heruntergeglitten. Aber rechts davon, zur Seite oben, seht Ihr die Stelle? Da sind ganze Büschel Ufergras losgearbeitet. Und wenn er dort hinabgerutscht ist – der Graben hat ein paar Löcher hier herum und ist da über mannstief – ein Erwachsener könnte sich schwer heraushelfen . . .“

„Der Junker Ludwig war kräftiger und gewandter als mancher Mann.“ Polyxene hatte es gesagt fast unwillig; plötzlich entsetzte sie sich über ihre eigenen Worte. „War!“ Sagte man das von einem Lebenden? Hatte durch ihren eigenen Mund ohne ihre Absicht eine Prophezeiung gehen müssen, vor der es ihr selber graute?

Dietlieb schüttelte den Kopf. „Des Schwimmens war er nicht kundig“ – auch er fiel in diese Redeweise! – „und es hätte ihm nicht einmal viel geholfen. Das Wasser zieht hier stark . . . und wenn er sich etwa beim Abrutschen verletzt hatte . . . Wenn wir ihn nur finden,“ murmelte er noch, „ehe der Graben in die überwölbte Rinne einläuft. Denn da heraus kommt so leicht nichts wieder ans Tageslicht. Hierher, Klaus!“ Er nahm dem Knechte die eine Stange ab. Dann mochte ihm etwas einfallen und er wandte sich zu Polyxene. „Geht lieber, Fräulein,“ sagte er gutmüthig überredend. „Dies ist nichts für Euch zum Zusehen.“

Polyrene verließ zögernd den Grasgarten. Dietlieb hatte recht – dabeizustehen, wenn die Männer ihre Stangen in jene verhängnißvollen Löcher des Grabengrundes stießen, wenn sie dann stockten, sich ansahen und nun angestrengter arbeiteten, um etwas, was sie da unten gefühlt hatten, zutage zu fördern – es wäre schwer zu ertragen gewesen. Aber das Fräulein ging nicht weit. Sie verweilte im Hofe und warf von dort scheue Blicke durch den viereckigen Rahmen der Durchfahrt in das Grün dahinter. Das Plätzchen war bisher die Stätte so friedlicher Erinnerungen gewesen. Als Lutz noch ganz klein war und sie ein halbwüchsiges Mägdlein, da hatte sie den Buben dort bei sich gehabt und gehütet, während sie dicke Vergißmeinnichtkränze wand Und obwohl er sonst wild war, dies Kränzebinden hatte ihn lebhaft mitbeschäftigt und sehr artig gemacht. Er hatte ihr dann die Blumen ausgerauft, ungeschickt, mit allzu viel Gras dazwischen, und sie in den dicken Händchen herbeigebracht. Noch vor wenigen Monaten, als die Frau Pfalzgräfin besonders gnädig gelaunt gewesen war, im Zirkel nach der Erbauungsstunde, da war auf jene Vergißmeinnicht die Rede gekommen, von denen einmal die kleinen Leyens dem verstorbenen Gemahl der Fürstin zu seinem Namenstag eine kunstvoll gewundene Kranzspende dargebracht hatten, den hochseligen Herrn herzlich damit erfreuend. Polyxene, ihre Gedanken ziellos zurückwandern lassend, erinnerte sich, wie sie bei jener Gelegenheit im Damenzirkel auch eine Beschreibung eben dieser ihr jetzt so fürchterlichen Stätte gemacht habe, und mit schmerzlichem Staunen über sich selber dachte sie jetzt an die Unbefangenheit, mit der sie damals noch von der gefährlichen Tiefe des Mühlgrabens aller Welt heiter vorgeplaudert hatte.

Ruhelos schleifte Polyxene die müden Füße auf dem Hofe umher. Der Durchgang, durch den die Männer zurückkommen mußten, hielt sie in einem qualvollen Banne, Die Angst litt nicht, daß sie sich allzu weit davon entfernte, das Entsetzen vor dem, was erscheinen konnte, nicht daß sie allzu nahe kam.

Der gewölbte Kanal, von dem Dietlieb gesprochen hatte, nahm den Graben hinter dem ehemaligen Mühlwerk auf und führte ihn unterhalb des Hofes fort. Es war dieser Kanal auch ein Werk der betriebsamen und kundigen Kugelherren; man fand seinesgleichen damals noch wenig, die geistlichen Herren aber waren gute Tiefbaumeister gewesen. Und dann gab es im alten Mühlbau, im Kellergeschoß, einen Ort, da sah man das Gewässer wieder, dicht vor sich und kaum spannbreit unterhalb der eigenen Augen, mit denen man durch eine Kellerluke schaute. Und zugleich sah man da, ebenfalls in nächster Nähe, den dunkeln Gewölbebogen, unter dem das Wasser hinlief, um erst jenseit des Gartens am Herrenhaus wieder ans Tageslicht zu kommen und nun schlecht und recht wie ein anderer Vach zwischen wechselnden Ufern ins Land hinein weiter zu fließen, Jenes Fensterloch im Kellerraum der Mühle hatte von jeher eine geheime Anziehungskraft, aber von der schauerlichen Art, für die Kinder gehabt. So, wie beschrieben, war es bei gewöhnlichem Wasserstand; nun aber erst bei niedrigem! Schwellten Frühjahrs- oder Herbstgüsse den Graben übervoll, dann stand das Wasser in jenem Keller und er war unzugänglich. In

[297]

Beim Handfertigkeitsunterricht.
Originalzeichnung von A. Eckardt.

[298] der Sommerdürre jedoch, wenn nur noch eine dünne Wasserader im Grunde des bloßgelegten Grabenbettes herschlich und seine schlimmen Vertiefungen mit trüber Lache füllte, dann sah man hier die Hügel schwarzen Schlammes am Kanaleingang, und dann wimmelte es in diesem garstig dunstenden Schlamme und Moder von feisten Ratten. Einmal hatte Lutz in solcher Jahreszeit sein Bäschen halb zwangsweise an die Kellerluke im Mühlbau geführt, damit sie sehe, wie er mit seiner Armbrust und mit Bolzen nach den Ratten schoß. Für ihn war das ein echtes Bubenvergnügen gewesen; sie hatte damals einen lebhaften Abscheu vor dem Orte gefaßt. Und jetzt stand ihr die dunkle Höhle des Kanaleingangs immer vor Augen, zur Zeit mit trüber Fluth gefüllt, und ein unsägliches Grauen bemächtigte sich ihrer vor einer gewissen Vorstellung: der fühllose Körper des Knaben da hineingezogen von den Gewässern; innen in stockender Enge festgehalten, ein Sammelpunkt für alles, was modernd, verwesend vom Wasser mitgeführt wurde und nun hier nicht weiter konnte. Dann, im blinden Dunkel massenweis herzulaufend auf den schlammigen Mauervorsprüngen, das ekle Geziefer … und nun, der goldene Kopf, das liebe Angesicht zerstört, so grauenvoll – nein, der Gedanke war nicht zum Ausdenken!

Jetzt kam es vom Grasgarten in langsamen Schritten zurück, und langsam und widerwillig erhob Polyxene den Kopf. Die Männer gingen leer; Dietlieb schüttelte schon von weitem den Kopf – sie hatten, soweit der Graben offen lag, in seinem Bette nichts gefunden.

„Und daß er schon fortgetrieben sein sollte mit dem Wasser, unter die Erde, glaub’ ich auch nicht,“ sagte Dietlieb herzutretend und sah rathlos aus. Er hatte fest geglaubt, daß die Stangen da eine Lösung des unglückseligen Räthsels zu Tage fördern würden. Aber diese Lösung fand sich nicht, heute nicht und nicht an den folgenden Tagen.

(Fortsetzung folgt.) 


Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.

Weltverbesserer.

Von Dr. J. O. Holsch.
IV.
Der Jesuitenstaat in Paraguay und anderes.

Auf die Höhe der Gedanken eines Thomas Morus, dessen „Utopia“ wir in unserem letzten Artikel erörtert haben, hat sich jahrhundertelang kein „Weltverbesserer“ erhoben.

Weder die lawinenartig durch Deutschland rollende Bewegung der Widertäufer und Schwärmer unter Thomas Münzer, noch die süddeutsche Bauernerhebung haben ausgebildete, eigenthümliche wirthschaftliche Grundanschauungen gezeitigt oder sich auf solche berufen. Münzer ließ den Bauern durch seine Sendlinge sagen: „Das Reich Gottes ist vor der Thür; nunmehr sollt ihr den Fürsten nicht mehr gehorchen, sondern sie totschlagen und verbrennen; denn es hören alle Fürsten und Unterthanen, Vornehme und Geringe, Arme und Reiche auf; einer ist dem andern ganz gleich.“ Daß solche Lehren in manchen Kreisen wohl gefielen, leuchtet ein; man kann aber mit dem besten Willen nicht sagen, daß sie besonders neu und vernünftig gewesen wären; sie entsprangen nicht nur einer Verkennung dessen, was die Schrift bezw. Christus unter dem „Reich Gottes“ versteht, sondern auch einer Verkennung des wirklichen Lebens der damaligen Zeit.

Die zwölf Artikel, welche von den süddeutschen Bauern aufgestellt, von Melanchthon nicht gebilligt wurden, tragen zwar – was Luther als „eigennützig“ verwarf – fast durchweg einen sozialen und wirthschaftlichen Charakter, aber sie beschränken sich auf Entlastungsforderungen, entbehren also ebenfalls der klaren, positiven Grundanschauungen von dem Wesen einer künftigen Wirthschaftsordnung. Von einer Umgestaltung der wirthschaftlichen Gesellschaftsordnung war nirgends die Rede, und ausdrücklich findet sich im 12. Artikel die Versicherung, daß die Bauern von ihren Forderungen abstehen wollten, wenn man dieselben auf Grund der Heiligen Schrift als unberechtigt nachweise.

Auch alle die anderen größeren reformatorischen Bewegungen und Erhebungen, durch welche die ganze mitteleuropäische Welt dazumal auf Generationen geschwächt und zerrissen wurde und welche im Herzen Europas in den Dreißigjährigen Krieg einmündeten, hatten zwar durchweg ausgesprochene wirthschaftliche Unterströmungen und Wurzeln, allein nirgends – und das ist hier die Hauptsache – klar ausgesprochene wirthschaftliche Ziele. Es wird auch nie gelingen, was eine gewisse Richtung in der Geschichtsdarstellung gegenwärtig unternimmt, jene geistigen Bewegungen, wie alles Geistesleben überhaupt, aus rein wirthschaftlichen Ursachen heraus zu erklären. Soviel aber ist sicher: die alt hergebrachte Ordnung der Gesellschaft durch die Kirche, oder besser gesagt, durch „die“ Kirche, welche nicht nur das Leben der Geister, sondern durch ihre Feiertage und ihren ausgedehnten Besitz auch das Arbeitsleben wesentlich beherrschte, schien in jenen Jahrhunderten vollkommen aus den Fugen gehen zu wollen, während sich gleichzeitig zur Rettung neue Welttheile mit unbekannten, unendlichen Aussichten eröffneten.

Kein Wunder daher, daß die Kirche ihre wankende Machtstellung durch Eroberungen auf neuen Gebieten zu stützen trachtete. Der Gedanke einer Weltchristianisierung durch die katholische Mission gewann gleichzeitig mit den gegenreformatorischen Bestrebungen Gestalt, und es fanden sich auch die Personen zusammen, welche der Verwirklichung dieses Gedankens ihr Leben verschrieben.

Schon ehe der Jesuitenorden seine Weltstellung gewann, war dieser Gedanke auch sonst da und dort aufgetaucht; es ist darum auch keineswegs ein Zufall, daß derjenige Mann, dessen Utopie nächst derjenigen von Morus das meiste Interesse in dem nächsten Zeitraum beanspruchen darf, ein kalabrischer Dominikanermönch war, Giovan Domenico, genannt Tommaso Campanella (1568 bis 1639). Dieser merkwürdige, an Schicksalen dem Odysseus ähnliche Mann hat zwar zeitlebens an den Lehren des Papstthums gezweifelt und von demselben auch viel zu leiden gehabt – aber sein 1611 niedergeschriebenes und 1620 veröffentlichtes Werk „Der Sonnenstaat oder poetischer Dialog über die Idee des Staates“ trägt doch so sehr das hierarchische Gepräge der katholischen Kirchenorganisation, daß die oberste Regierung im Sonnenstaat wie dort ausdrücklich in den Händen eines Priesterfürsten liegt. Die Schilderungen des gemeinsamen Lebens und Arbeitens erinnern auffallend an diejenigen des Klosterlebens, die Magistrate, zu welchen die in jedem Fache ausgezeichnetsten Menschen verwendet werden, sind zugleich Beichtväter.

Während bei Morus die Gemeinschaft der Güter nur in beschränktem Umfang und mit einem gewissen Spielraum für den Einzelwillen erscheint, ist bei Campanella die Gemeinschaft der Güter, Weiber und Kinder rücksichtslos durchgeführt. Der Einzelne ertrinkt hier förmlich in der Gemeinschaft; diese aber soll so stark auf die geistigen Kräfte der Individuen zurückwirken, daß die „Solarier“ – wie Campanella in einem eigenartigen Ausblick auf die Zukunft glaubt – ihr Alter bis auf zweihundert Jahre bringen, daß sie fliegen lernen, Pflüge mit Segeln, Schiffe dagegen ohne Segel zu lenken verstehen werden u. a. m.

So sehr aber der feurige Süditaliener in der Phantasie von seiner Zeit abschweifte, schon die bloße Thatsache, daß er in dem hinterlassenen Kommentare zu seinem „Sonnenstaate“ durch nicht enden wollende Citate aus der Bibel und aus der Legion der Kirchenväter seine Gütergemeinschaft zu belegen unternommen hat, beweist uns, daß die Wurzeln seiner Gedanken noch in der alten Welt lagen.

Die theokratische Wirthschaftsordnung, welche er dachte und beschrieb, trat gleichzeitig in die Wirklichkeit ein; was der katholische Dominikaner in Süditalien schrieb, das suchten katholische Jesuiten in Südamerika zu verwirklichen.

„Man wird“ – so sagt Gothein mit Recht – „den kühnen Dominikaner eher den Schriftstellern der Gesellschaft Jesu beizählen dürfen als den Scholastikern seines eigenen Ordens. Er traf mit den Jesuiten in dem gemeinsamen Bestreben zusammen, dem System der alten Kirche durch Aufnahme der für sie verwerthbaren Resultate der neuen weltlichen Bildung stärkere Stützen zu verleihen. Sein gewagter Ideenflug nahm oft eine andere Richtung, als die straff organisierte Jesuitenschule ihren Jüngern vorschrieb, schließlich aber trafen sich beider Gedanken immer wieder. [299] In Campanellas Werkchen vom Sonnenstaat ist der Ideenkreis des restaurierten und durch die Renaissancebildung erweiterten Katholicismus am rücksichtslosesten dargestellt worden, die Jesuiten haben ihn in Paraguay am rücksichtslosesten durchgeführt; und insofern ist eine Vergleichung jenes Schemas und dieses Experimentes nicht ohne Interesse.“

Mit diesem ersten geschichtlichen Experimente hat es folgende Bewandtniß.

Am Ende des sechzehnten Jahrhunderts drangen die Missionäre der Jesuiten in den Mündungsländern des Parana ein, jenes großen südamerikanischen Stromes, der als La Plata sich in den Atlantischen Ocean ergießt. Sie erwarben sich vom spanischen Mutterlande allerlei Rechte zu ihren Gunsten, hatten aber mit den schon früher eingewanderten Spaniern zu kämpfen, welche ihrerseits die Eingeborenen auszunutzen suchten; die Jesuiten setzten es schließlich durch, daß aus ihren Stationen, „Reduktionen“ genannt, die Spanier ausgeschlossen wurden. Aus dieser Missionsstationenverwaltung, welche sich zu Cordoba einen Mittelpunkt schuf, der 31 derartige Bezirke unter sich hatte, wuchs das heraus, was man wohl einen „Jesuitenstaat“ nennen kann. Durch die Mission kam nach und nach eine Eingeborenenbevölkerung von im ganzen 100.000 bis 300.000 Seelen in die Macht der Patres; diese Eingeborenen, der Rasse nach gutmüthige Indianer, Guarani genannt, waren sehr leicht zu lenken, und da bei ihnen der Eigenthumsbegriff infolge niedriger wirthschaftlicher Entwicklung noch unausgebildet war, so gelang es den Leitern der Stationen leicht, alle Gegenstände, welche sonst ins Privateigenthum übergehen, für „Tupambak“, d. h. Sache Gottes, zu erklären, abgesehen von dem Gebrauchseigenthum. In den einzelnen Reduktionen war bald die Sorge für den Lebensunterhalt vom Einzelnen auf die Gesamtheit übergewälzt; der Grund und Boden sowie das Weidevieh, welches sehr zahlreich war, wurde nebst Saatkorn den Familien auf bestimmte Fristen überwiesen. Das Zugvieh mußte nach verrichteter Bestellarbeit wieder zurückgegeben werden. Das Fleisch zum Essen wurde jeden zweiten Tag, die Baumwolle zum Verspinnen und das besonders wichtige Salz alle Sonntage, die Kleidung jährlich zweimal vertheilt, das Handwerk systematisch geordnet und beaufsichtigt. Der Handel im Innern war lediglich Tausch der Naturalerzeugnisse durch die Leiter der einzelnen Kolonien. Die Ueberschüsse, welche erzielt wurden, traten nur an einem Punkte, in Buenos Ayres, in den Welthandel ein, und der Erlös daraus floß dem Orden zu. Unter diesen Umständen war ein Geldumlauf innerhalb des Jesuitengebiets nicht nöthig und fand daher auch nicht statt. Das Arbeitsleben war durch straffe Organisation des täglichen Gottesdienstes, der Feste, der Beichten, der Erziehung wohl vorbereitet und geregelt; dies war um so leichter, als nur Siedeldörfer in der Höhe von 2500 bis 8000 Seelen angelegt wurden und also auch die Landbebauer völlig centralisiert und überwachbar waren. Mit ausgesuchter Berechnung wurden alle menschlichen Triebe und ihre Bethätigung in den Dienst des Gemeinwesens gestellt und diesem rücksichtslos unterworfen, so vor allem die Künste, die Feste und öffentlichen Lustbarkeiten. Unverbesserliche Wilde wurden einfach über den Strom geschafft. Die nothwendige Verbindung zwischen der in den Patres verkörperten herrschenden Aristokratie und der Masse stellten die sogenannten „Corregidoren“ dar, Gehilfen der Patres, aus den Farbigen gewählt, welche die Aufsicht bei der Arbeit führten, die Nahrungsmittel vertheilten etc. Sie waren ferner für den Fall eines Krieges Mitbefehlshaber, denn auch hierfür war gesorgt; der Gesamtstaat konnte – in seinen Blüthezeiten – bis zu 30.000 bewaffnete Krieger stellen.

So etwa war der Staat beschaffen, dessen Ordnung von zwei Italienern, Cataldino und Maceta, entworfen worden war und der auch in den Jahren seiner größten Ausdehnung von nur höchstens 100 Personen geleitet wurde. Lange blieb er unbeachtet in jener Ecke Südamerikas, die erst in letzter Zeit allmählich in Westeuropa näher bekannt wird. Er war thatsächlich, wenn man den Ausdruck gebrauchen will, eine große jesuitische Reinertragsunternehmung; die Bestimmung in dem Privilegium Philipps V. (1645), daß der Handel der Jesuiten nur zum Nutzen der eingeborenen Indianer betrieben werden dürfe, wurde selbstverständlich nicht beachtet, und es ist sehr wahrscheinlich, daß von dem auf etwa 3 bis 6 Millionen Mark sich belaufenden jährlichen Reinertrag gegen die Hälfte an den Jesuitengeneral abgeliefert worden ist. Die Indianer waren also hier nicht freie Menschen, sondern lediglich unbewußte Sklaven anderer geworden. Als im Jahre 1750 Spanien und Portugal durch Vertrag ihre Gebietssphären in Südamerika gegenseitig abgrenzten, fielen die Reduktionen der Jesuiten an Portugal. Die Jesuiten aber ließen es auf einen Krieg gegen Portugal ankommen, dessen leitender Minister damals der berühmte Emanuel Pombal war. Pombal veröffentlichte im Jahre 1757 eine mächtig wirkende kurze Denkschrift über die Jesuitenrepublik, welche den ganzen Geist der Gründung und der Gründer bloßlegte und zu thatkräftiger Bekämpfung des Gegners führte. Im Jahre 1768 wurden die Jesuiten in Paraguay an einem Tage fast sämtlich verhaftet und nach dem Kirchenstaate verbracht; die Folge hiervon war, daß auch die Niederlassungen sehr bald verödeten und mit der Bevölkerung die ganze Kulturarbeit wieder auseinanderfiel.

Angesichts der vielfach niedrigen Beweggründe, namentlich auf seiten der spanischen Nachbarn, welche zur Niederwerfung dieses merkwürdigen sozialen Gebäudes inmitten des Urwaldes der südlichen Halbkugel geführt haben, ist man versucht, in das Urtheil des berühmten Verfassers des „Geistes der Gesetze“, des Franzosen Montesquieu, einzustimmen, der sagt: „sie – die Jesuiten – haben die Wilden vereinigt, genährt, gekleidet, und wenn sie nichts gethan hätten, als den Gewerbfleiß unter den Menschen vermehren, so würden sie Großes gethan haben“ – ein Urtheil, das auch der Angehörige des Ordens und Reiches Dobrizzhofer herausfordert, wenn er ganz freimüthig sagt: „Lasset uns lieber darauf denken, wie wir das auch in Europa zustande bringen, was ohne Zwang und ohne Geld bei den Guaranis bewerkstelligt worden ist, nämlich, daß einer für alle und alle für einen arbeiten, daß niemand etwas zu kaufen und zu verkaufen habe, daß der Gebrauch des Geldes aufhöre und daß es eine Wahrheit werde, daß den Göttern alles um die Arbeit feil sei.“ Trotzdem wird man schließlich dem Abbé Raynal recht geben müssen, welcher, obschon ein glühender Vertheidiger der Patres, dennoch den entscheidenden Maßstab für die Leistungen derselben darin erst sehen zu dürfen glaubte, ob sich die Guarani der Auflösung des geschaffenen Staates, d. h. der Vernichtung der Quelle ihres Glücks, widersetzen würden oder nicht. Sie haben es nicht gethan – was Raynal noch nicht wußte. Ihre kindlichen Bittgesuche an die Machthaber des Mutterlandes zeugen nicht von derjenigen Kraft und Ueberzeugung, welche nothwendig wäre, wenn man ein zustimmendes Urtheil zu den Erfolgen der jesuitischen Erziehung und Gesellschaftsordnung darauf gründen wollte. Die Jesuiten hatten die Eingeborenen als Naturkinder gefunden; sie haben dieselben aber nicht zu Männern gemacht, sondern als Kinder künstlich erhalten. In diesem Punkte liegt die Schwäche nicht bloß des ganzen geschichtlichen Experiments, sondern auch des Prinzips, aus welchem dasselbe hervorging. Die Masse der Bürger des jesuitischen Gemeinwesens setzte sich nicht zusammen aus selbständigen, zu freiem Selbstbewußtsein, zu eigener Selbstbeschränkung heraufgeführten Persönlichkeiten; sie waren vielmehr planmäßig zu Menschen zweiten Grades, niederer Ordnung herangebildet, sie waren bewußtlose, unselbständige Wesen, die ihr inneres Leben von anderer Seite erhielten und erhalten mußten, um überhaupt zu sein und sich zu bethätigen. Die ganze Gesellschaft war wohl ein richtig gehender Mechanismus, der auch so lange in Ordnung und Thätigkeit blieb, als die treibende Kraft der Leiter von außen her wirksam war, der aber sofort leb- und bewegungslos zusammenbrechen mußte, als dieser Anstoß wegfiel. Jene Kolonie war kein lebendiger, menschlich selbstbewußter Organismus, in welchem die Einzelglieder neben der nothwendigen und grundlegenden Gebundenheit an das Ganze noch genug Spielraum für die Entwicklung der Einzelpersönlichkeit gehabt hätten.

Wenn man gerecht sein will, kann man nicht umhin, festzustellen, daß die Fehler, welche die Jesuiten bei der äußeren Gründung ihres wirklichen Staates gemacht haben, wohl kaum größere sind als diejenigen, welche die Staats- und Popularphilosophen dieses Zeitraums in der inneren Begründung der Staatstheorie gemacht haben. Die mechanisch-atomistische Weltanschauung, welche sich, von England und Frankreich ausgehend, mehr und mehr auch mit der Untersuchung der Staatstheorien befaßte, war – an unserer heutigen entwickelteren Einsicht gemessen – in ihrer Art keineswegs besser als die Praxis der jesuitischen Missionäre, unter welchen anerkanntermaßen bewährte Menschenfreunde und ehrliche Richter sich befunden haben. Weder [300] die Ansichten eines Hobbes über das Naturrecht noch die in dem „Code de la Nature“ von Morelly (1755) in abstrakten Gesetzesparagraphen ausgesprochenen „Naturwahrheiten“ wären imstande gewesen, irgend ein wirkliches, großes Menschengefüge zusammenzuschweißen und zusammenzuhalten, und es dürfte sehr schwer zu entscheiden sein, ob nicht der „Contrat social“, der „Gesellschaftsvertrag oder die Grundsätze des Staatsrechts“ von Jean Jacques Rousseau weit utopistischeren Inhalts sind als etwa dasjenige, was man aus der Erziehungspraxis der Jesuiten als Kanon herauslesen kann.

Hiermit werden wir aber hinübergeführt auf den Boden der Neuzeit, aus dem sowohl utopistische Ideen als praktische Versuche zu ihrer Verwirklichung zahlreich aufgesproßt sind.


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Wilhelm Heinrich Riehl.

Ein Gedenkblatt zu seinem siebzigsten Geburstag.

In unserer Zeit, wo die Trennung und Einseitigkeit auf allen Feldern menschlicher Arbeit sehr weit gediehen ist, erscheint es wohl erstaunlich, wenn ein Mann auf mehreren ziemlich entlegenen Gebieten gleichzeitig thätig auftritt; um so erstaunlicher, wenn die Ergebnisse dieser verschiedenen Thätigkeiten auch bei strengster Beurtheilung durchweg die Züge der Vollendung und der Meisterschaft aufweisen. Menschen mit engem Gesichtskreise sind sehr leicht zu der Behauptung geneigt, man müsse sich heutzutage auf Eines beschränken. Das gilt für Durchschnittsmenschen. Aber es sind nicht alle an diese Arbeitsregel gebunden; es giebt Naturen, die sich über dieselbe hinwegsetzen können. Diese auserlesenen Naturen erfrischen sich eben durch den Wechsel der Arbeit. Wo sie neben der Wissenschaft auch der Kunst dienen, erscheint ihnen nicht etwa das eine als Berufs- und das andere als Dilettanten-Arbeit, sondern sie nehmen die verschiedenen Seiten ihrer Thätigkeit ernst. Aber ihre künstlerische Weltanschauung gestattet ihnen, dasjenige, was sie auf wissenschaftlichem Gebiete leisten, zu verschönen, in elegantem Gewande zu bringen, dabei geistig frischer zu bleiben und in manches Grenzgebiet zwischen Wissenschaft und Kunst einzudringen, welches dem bloßen Gelehrten verschlossen bleibt. Und wo solche Männer dichterisch schaffend auftreten, da ist es die in anderen Zeiten von ihnen betriebene wissenschaftliche Thätigkeit, welche ihren dichterischen Werken jene Gründlichkeit und Gediegenheit, jenen Adel solider Geistesarbeit verleiht, welche die bloße Phantasie zwar nicht nothwendig verlieren muß, aber doch leicht verlieren kann.

Es muß eben immer begnadete Menschen geben, welche der Wahrheit und der Schönheit zugleich dienen, damit die Wahrheit und die Schönheit sich nicht fremd werden.

Einer dieser seltenen Menschen ist uns Wilhelm Heinrich Riehl, der in ungetrübter Geistesfrische und Schaffenskraft in diesen Tagen sein siebzigstes Lebensjahr vollendet. Geboren am 6. Mai 1823 in dem nassauischen Städtchen Biebrich, wandte er sich anfänglich dem Studium der Theologie zu, um bald zur Geschichte und Philosophie überzugehen. Der nothwendige Kampf ums Dasein warf ihn jedoch, obwohl er seiner ganzen Natur nach zum Universitätslehrer bestimmt war, zunächst in die journalistische Laufbahn.

Wie viele Menschen, selbst solche, die mit schönen Talenten begabt sind, in dieser Laufbahn von der Tagesarbeit tot gehetzt werden und zu Grunde gehen, ist bekannt. Riehl selber hat ja das wuchernde Litteratenthum in seiner „Bürgerlichen Gesellschaft“ genügend gezeichnet. Ihn aber konnten die journalistischen Wirbel nicht verschlingen, dazu war er von Hause aus zu stark und zu tüchtig angelegt. Von Frankfurt, wo er seit 1845 Mitredakteur der „Oberpostamtszeitung“ gewesen war, wandte er sich 1847 nach Karlsruhe als Mitarbeiter der „Karlsruher Zeitung“ und Herausgeber des „Badischen Landtagsboten“. Schon hier schrieb er Aufsätze von dauerndem Werthe, welche die Keime zu seinen späteren kulturgeschichtlichen Werken bildeten. Die politisch bewegte Zeit des Jahres 1848 verlebte er in Wiesbaden, wo er die „Nassauische allgemeine Zeitung“ gründete und redigierte. Hier, mitten in stürmischer Tagesarbeit, fand er doch noch Zeit zu den gründlichsten Studien über die Volksseele. Er studierte das Volk unmittelbar nach der Natur, indem er das Land durchwanderte, Volks- und Gemeindeversammlungen, Gerichts- und Landtagssitzungen besuchte. Im Frankfurter Parlament, wie von einzelnen seiner Biographen irrthümlich angegeben wird, saß er nicht; aber die aufgeregten Massen von Frankfurt, Mainz, Wiesbaden und Karlsruhe hat er genügend beobachtet, um sie meisterhaft schildern zu können.

Zu Anfang des Jahres 1851 folgte er einem Rufe an die hochangesehene „Allgemeine Zeitung“ nach Augsburg. Hier fand er wohlthätige ruhigere Tage in der stillen Stadt mit ihren lebendigen Erinnerungen an altreichsstädtisches Bürgerthum. Wie er in den hessischen Dörfern die Bauern, in den Rheinstädten die unteren Schichten der Arbeiterbevölkerung studiert hatte, machte er nunmehr seine Beobachtungen über den Adel und städtisches Bürgerthum. Die Frucht dieser Beobachtungen war sein berühmtestes Buch, die „Bürgerliche Gesellschaft“, heute noch mustergültig, obwohl es, wie Riehl selbst sagt, als Urkunde für den Geist einer vergangenen Zeit erscheint. Dieses Buch schildert das soziale Volksleben und verknüpft mit der Schilderung die Erörterung politischer Probleme.

Im Jahre 1853 ließ er ein verwandtes Werk folgen, „Land und Leute“, in welchem der Zusammenhang von Landschaftscharakter und Volksthum zur Untersuchung gelangt. Zahlreiche Erfahrungen, welche Riehl bei seinen Fußwanderungen durch deutsche Gaue gesammelt hatte, verarbeitete er in diesem Buche, um das organische Herauswachsen des Volksthums aus der Bodennatur nachzuweisen. Fast das nämliche Ziel verfolgt auch das später erschienene „Wanderbuch“. Zu den kulturgeschichtlichen Arbeiten Riehls gehört ferner die „Familie“ (1855), in welcher er jene Mächte schildert, welche die Begründung und den Zusammenhang der Familie im deutschen Volksleben beeinflussen, und daran schließt sich endlich noch „Die deutsche Arbeit“ als eine Summe von werthvollen Beobachtungen über das Erwerbsleben in Deutschland. Es ist dies kein nationalökonomisches Werk im landläufigen Sinne des Wortes, sondern ein Buch, welches über den Zusammenhang von Volkscharakter und Erwerbsleben Aufklärung giebt.

Während dieser fleißigen und fruchtbaren kulturgeschichtlichen Arbeiten hatte sich Riehls äußere Lebensstellung sehr zu ihrem Vortheil verändert. König Maximilian II. von Bayern, welcher damals eifrig bestrebt war, das geistige Leben seines Volkes zu heben und namentlich an der Universität München eine auserlesene Schar deutscher Gelehrter zu versammeln, hatte Riehl im Jahre 1853 als Professor nach München berufen. So vertauschte dieser das Redaktionsbureau mit einem Lehrstuhl der Kulturgeschichte und Sozialwissenschaft. Es war in den Jahren, als auch Männer wie Liebig, Sybel, Bodenstedt, Geibel, Heyse, Bluntschli, Carrière nach München gezogen wurden, als der König selbst an bestimmten Abenden einen Kreis von Gelehrten um sich versammelte, um mit ihnen Gedanken auszutauschen, sein Interesse an ihren Forschungen kundzugeben und selbst Arbeiten anzuregen. Aus einer Anregung des Königs erwuchs Riehls Buch „Die Pfälzer“; auch die „Bavaria“ ist hierher zu rechnen, eine umfangreiche geographisch-ethnographische Schilderung des bayerischen Staates, an welcher Riehl hervorragenden Antheil nahm.

Sein Lebensgang blieb nunmehr in dem ruhigen Fahrwasser des akademischen Lehrers. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Forschungen erwählte ihn die Bayerische Akademie der Wissenschaften zu ihrem Mitglied; der König verlieh ihm den persönlichen Adel; auch die Rektorswürde an der Ludwig-Maximilians-Universität hat er schon bekleidet. Seine hervorragende Gewandtheit in künstlerisch durchgearbeiteten freien Vorträgen ward Veranlassung, daß von den verschiedensten deutschen Städten aus die Aufforderung zu Vorträgen an ihn erging. Seine alte Freude, im Wandern zu lehren und zu lernen, ließ ihn diesen Einladungen folgen, und so bilden diese Wandervorträge seit einer Reihe von Jahren einen Theil seiner Thätigkeit. Unter den Gelehrten, welche in Deutschland durch derartige Vorträge geistige Anregungen im Volke verbreiten, ist Riehl unbestritten der erste.

Seine unermüdliche Arbeitsthätigkeit hatte es ihm ermöglicht, sich in München ein bescheidenes aber behagliches Heimwesen zu begründen, wo er im Kreise seiner Familie lediglich seinem [301] Schaffen lebte, als das Unglück über den verdienstvollen Mann hereinzubrechen drohte. Ein schweres Augenleiden stellte sich ein. Aber noch fast am Erblinden blieb Riehl rastlos thätig, bis zu Anfang des Jahres 1893 eine Staroperation nothwendig wurde. Sie gelang in so glücklicher Weise, daß das Augenlicht Riehls heute besser ist als jemals und der scharfe Blick des Kulturhistorikers nunmehr wieder hell und klar durch die Landschaft zu schweifen und durch die Seele des deutschen Volkes zu dringen vermag. Um die Mittheilungen über seine äußeren Lebensverhältnisse zu vollenden, muß noch mitgetheilt werden, daß Riehl in den letzten Jahren auch den Titel eines Geheimraths erhielt und daß er seit 1885 zum Direktor des Bayerischen Nationalmuseums und zum Generalkonservator der Kunstdenkmäler und Alterthümer Bayerns ernannt wurde, eine Stellung, durch welche glücklicherweise seine schriftstellerische und seine Lehrthätigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt wird.

Wir haben bisher nur einen Theil der Arbeiten Riehls genannt: die kulturgeschichtlichen. Sie wurden absichtlich vorangestellt, weil Riehl in erster Linie immer als der hervorragende Kulturhistoriker erscheinen wird. Kulturgeschichte und Gesellschaftswissenschaft sind die breite Grundlage jener Stellung, die er in der deutschen Wissenschaft und Litteratur stets einnehmen wird. Es ward schon oben angedeutet, worin der besondere Werth von Riehls Arbeiten auf diesem Gebiete liegt; sie sind getragen von dem Grundsatze, daß, wer das Volk schildern will, wandern muß, und zwar zu Fuß und allein, ausgerüstet mit mehr Kenntnissen über des Landes Geschichte und Zustände, als die Einwohner der zu durchforschenden Gegenden selber haben. Nur der einsame und geübte Wanderer vermag rastlos zu beobachten. Tiefste Wanderpoesie und strengste Schulung des Forschers ist das Selbstsuchen. So sehen wir aus Riehls kulturgeschichtlichen Schriften, wie sie überall aus unmittelbar Geschautem herporgegangen sind, wir sehen aus ihnen, wie der unermüdliche Forscher sucht und entdeckt, wie er die Menschen der verschiedenen Bildungsgrade zum Reden bringt und das findet, was er eben beobachten will.

Wilhelm Heinrich Riehl.
Nach einer Photographie von Franz Hanfstaengl in München.

Diese Bücher enthalten kein System einer Gesellschaftslehre. Ein solches System hat Riehl nur in seinem Kolleg über „Die bürgerliche Gesellschaft und die Geschichte der sozialen Theorien“ zusammengestellt, welches er seit 1860 an der Münchener Universität alljährlich liest. Aus diese Universitätsvorlesungen nur ist Riehls wissenschaftliche Erkenntniß vom Wesen und Aufbau der Gesellschaft, vom modernen Begriff der Stände, vom Verhältniß der Gesellschaft zum Staat und zum Erwerbsleben zu beurtheilen. Riehl gehört auch, wo er in seinen Werken das Treiben der modernen Parteien streift, keiner bestimmten Gruppe an. Er war niemals ein Mann der herrschenden Parteien und der herrschenden Schulen, wie er selbst betont. Das hat seinen Büchern anfangs geschadet, später genützt, weil sie ihren Werth über die Dauer der Parteien und der Schulen hinaus bewahrten. Auch in das Treiben der Tagespolitik hat Riehl, seit er aus der Redaktionsstube trat, sich nicht mehr gemischt. Der feine Kenner des Volkes, der vorzügliche Redner blieb der politischen Tribüne fern, und mit Recht. Denn was er in der dämmerstillen Schreiberzelle seines Häuschens an der Kaulbachstraße in München geschaffen hat, ist von weit höherem Werthe als das, was er hätte leisten können, wenn er sein politisches Denken in die Schablone einer Partei hätte pressen müssen, wenn er genöthigt gewesen wäre, seine Zeit mit fruchtlosen Debatten zu vergeuden. Ein gewisser konservativer Zug ist ihm allerdings eigen; aber er ist konservativ in des Wortes edelstem Sinne; er will die Erhaltung des Bestehenden nur, wo das Bestehende seine geschichtliche und sittliche Berechtigung hat. Da aber vertheidigt er es mit inniger Herzenswärme und überlegenem Humor gegen die Bestrebungen gedankenloser Gleichmacherei, gegen Oberflächlichkeit und Gefühllosigkeit, gegen Roheit wie gegen die Fäulniß und Zersetzung der Ueberfeinerung,

Ein ganz anderes Feld, auf welchem Riehl gleichfalls höchst erfolgreich aufgetreten ist, bildet die Theorie und Geschichte der Musik. Und so entlegen dieses Gebiet auch von dem vorgenannten scheint, Riehls Arbeiten auf demselben sind doch derart, daß er heutzutage zu den besten Kennern der musikalischen Theorie gezählt wird. Als Ergebnisse seiner musikalischen Studien sind zu nennen die „Hausmusik“, 1855, sowie die drei Bände „musikalische Charakterköpfe“, 1853, 1860 und 1878. In dem letztgenannten Werke verfolgt er das Ziel, das geschichtliche Studium der musikalischen Kunstwerke zu fördern und die Entwicklung der Tonkunst in ihrem organischen Zusammenhang mit der gesamten Kulturgeschichte zu fassen. Dabei ist er getragen von dem pietätvollen Willen, auch die Männer der Vorarbeit, der Uebergangsstufen, die kleineren Meister neben den großen Sternen der Musikgeschichte zu würdigen. So wurden die drei Bände der musikalischen Charakterköpfe ausgesponnen zu einem überaus werthvollen und gediegenen Stück Kunst- und Sittengeschichte, welches geeignet ist, eine fühlbare Lücke auszufüllen, und welches Riehl als den Mann erscheinen läßt, der mehr als irgend ein andrer berechtigt und befähigt wäre, eine zusammenfassende Geschichte der Musik zu schreiben,

Das dritte Gebiet, auf welchem Riehl sich glänzende Lorbeern errungen hat, ist die Prosadichtung. Eine Reihe von Novellenbänden gehören dieser Gruppe an: „Kulturgeschichtliche Novellen“, „Geschichte aus alter Zeit“, „Neues Novellenbuch“, „Aus der Ecke“, „Am Feierabend“, „Lebensräthsel“. Es sind fünfzig Novellen, welche Riehl im ganzen geschrleben hat. Man würde aber irren, wollte man in ihnen bloß Kulturgeschichte suchen. Sie sind zugleich echte Dichtungen, voll Liebenswürdigkeit, Lebenswahrheit, psychologischer Tiefe und feinem Humor, keine oberflächliche Unterhaltungslektüre, sondern vollendete Kunstwerke.

So ist es eine stattliche Bibliothek geworden, welche wir der nie ermattenden Lebensarbeit dieses einen Mannes verdanken. Der Stil, welchen Riehl in allen diesen Büchern schreibt, zeichnet sich aus durch edelste Einfachheit und durchsichtige Klarheit. Als Stilist ist Riehl im Ausland weit richtiger gewürdigt worden als in Deutschland; einzelne seiner Werke sind in verschiedene fremde Sprachen übertragen worden; manche derselben erscheinen dort sogar als Volksausgabe und werden zum deutschen Sprachunterricht verwendet.

In seiner äußeren Erscheinung zeigt Riehl noch nichts von den sieben Jahrzehnten, die auf ihm lasten. Er ist körperlich und geistig frischer als mancher Fünfundzwanzigjährige. Seine Regsamkeit und Elasticität sind wahrhaft bewunderungswürdig. Was diese geistige Kraft uns noch zu schenken berufen ist, wissen wir nicht; aber daß es nur Mustergültiges sein wird, dürfen wir in froher Zuversicht hoffen. Und in dieser Zuversicht möge das deutsche Volk einem seiner besten Geisteshelden zu seinem siebzigsten Geburtstag den wohlverdienten Lorbeer zum Kranze winden! M. H.     


[302]

Freie Bahn!

Roman von E. Werner.

 (17. Fortsetzung.)

Diese Maja Dernburg ist ja ein reizendes Mädchen geworden!“ sagte Stetten zu Viktor von Eckardstein, als der Wagen mit den beiden Damen sich etwas entfernt hatte. „Da würde es sich schon verlohnen, ein bißchen weniger förmlich zu sein, als Du soeben gewesen bist. Ich denke doch, Du warst mit ihrem Bruder eng befreundet!“

Viktor hörte nicht, er blickte finster und mit fest zusammengepreßten Lippen dem Wagen nach. Erst als der Onkel seine Frage wiederholte, schreckte er aus seinem Brüten auf. „Mit wem? Ah so, Du meinst den armen Erich! Du hast ihn in Nizza gesehen, wie Du mir erzähltest, gerade damals, als er sich verlobte. Das Glück war ihm kurz genug zugemessen – ein hartes Schicksal!“

„Wer weiß, die Ehe hätte ihm vielleicht Enttäuschungen gebracht,“ bemerkte Stetten in einem eigenthümlich kühlen Tone. „Er starb im Glück und im vollen Glauben daran, das ist eher beneidenswerth … Wie hat sich denn die junge Frau in ihr Geschick gefunden?“

„Sie soll im Anfang ganz fassungslos gewesen sein, und das ist nur zu begreiflich.“

„Sie wird den Schlag überwinden,“ meinte Stetten, wieder in jenem kalten, halb verächtlichen Tone. „Eine junge und reiche Witwe weiß sich zu trösten. Ihre Vermählung giebt ihr Anspruch auf einen Theil des Dernburgschen Vermögens, und auf dieses wird es von vornherein abgesehen gewesen sein.“

Viktor sah betreten seinen Onkel an, dessen Art es sonst gar nicht war, so lieblos über Menschen zu urtheilen, die er nur oberflächlich kannte. „Du glaubst, daß die Berechnung bei dieser Verbindung eine Rolle gespielt habe?“ fragte er ungläubig.

„Gewiß, wenigstens soweit Oskar von Wildenrod dabei ins Spiel kommt. Er brauchte eine reiche Partie für seine Schwester und setzte alle Segel bei, um das zu erreichen.“

„Verzeih’, Onkel, aber da bist Du im Irrthum! Die Wildenrods sind reich, sehr reich sogar, wie man sagt.“

„Sagen mag man so, dafür wird der Freiherr schon Sorge getragen haben. In Wirklichkeit liegt die Sache ganz anders. Doch was geht das uns an! Wenn Dernburg sich hat täuschen lassen, so ist das seine Sache – er hätte vorsichtiger sein müssen.“

„Onkel, was sollen diese Andeutungen?“ forschte Viktor unruhig. „Kennst Du diesen Wildenrod näher? Weißt Du etwas von ihm?“

„Ich weiß manches, fühle mich aber durchaus nicht verpflichtet, den Warner zu spielen; Dernburg ist mir so gut wie fremd. Die Augen werden ihm allerdings aufgehen, früher oder später. Zu seinem Glücke hat der Tod seines Sohnes die Familienverbindung eigentlich schon wieder gelöst, und die Wildenrods werden sich abfinden lassen. Und nun genug davon, ich spreche nicht gern darüber.“

„Aber zu mir mußt Du sprechen!“ rief der Graf mit ausbrechender Heftigkeit. „Ich bitte, ich beschwöre Dich, theile mir offen mit, was Du erfahren hast! Ich will und muß es wissen!“

„Oho! Ich muß? Weshalb? Nimmst Du soviel Antheil an den Odensbergern? Vorhin schienen sie Dir sehr gleichgültig zu sein.“

Viktor antwortete nicht und senkte den Blick vor den fragenden Augen seines Oheims, der jetzt stehen blieb. „Ich habe längst bemerkt, daß Du irgend etwas Schweres mit Dir herumträgst,“ sagte dieser. „Etwas, das Dein ganzes Sein und Wesen verändert hat. Was ist Dir? Sei aufrichtig, Viktor – vielleicht kann Dein väterlicher Freund Dir rathen und helfen.“

„Helfen kannst Du mir nicht,“ erklärte der junge Majoratsherr finster. „Aber ich will Dir beichten, die Sache drückt mir sonst noch das Herz ab. – Du kennst den Grund des Zerwürfnisses zwischen Konrad und mir. Konrad war bisweilen hart gegen mich und schließlich machte er seine Hilfe, die ich nothwendig brauchte, von einer Bedingung abhängig. Er plante zwischen Maja Dernburg und mir eine Verbindung, die ihn jeder weiteren Sorge für mich überheben sollte, und ich – nun ich war gereizt, erbittert, ich wollte um jeden Preis diese drückende Abhängigkeit loswerden und stimmte zu. Ich kam hierher, sah Maja wieder, und da war es vorbei mit jeder Ueberlegung und Berechnung, da wuchs die volle heiße Liebe zu dem süßen Geschöpf in mir empor. Und dann – dann bin ich hart genug dafür gestraft worden, daß ich einmal rechnete.“

„Du hast ein Nein erhalten? Unmöglich! Das junge Mädchen war ja vorhin die Unbefangenheit selbst.“

„Maja weiß von meiner Bewerbung überhaupt nichts, ich kam gar nicht dazu, mich ihr zu erklären. Ihrem Vater wurde Konrads Plan hinterbracht, in der gehässigsten Weise. Er stellte mich zur Rede, und als ich die Wahrheit nicht ableugnen konnte und nicht wollte, behandelte er meine Werbung als eine Spekulation der niedrigsten Art, mich selbst als einen Glücksjäger. Er hat mir schonungslose Dinge gesagt, Dinge –“ Viktor biß die Zähne zusammen. „Erlaß mir das Weitere!“

„So also steht die Sache?“ sagte Stetten nachdenklich. „Ja freilich, was fragt dieser stolze Industriefürst nach einem Grafen Eckardstein! Nun, sieh nur nicht so verzweifelt aus, mein armer Junge, die Verhältnisse liegen jetzt anders als vor sechs Monaten. Das Schicksal hat Dich inzwischen zum Herrn von Eckardstein gemacht und Du hast es in der Hand, durch eine Erneuerung Deiner Werbung Dich bei dem alten Starrkopf da drüben glänzend zu rechtfertigen.“

„Ich werde mich dazu nicht verstehen – niemals! Maja ist und bleibt für mich verloren.“

„Nur nicht so stürmisch! Dem künftigen Schwiegervater kann man immerhin ein paar herbe Worte verzeihen, vollends da er in der Sache selbst gar nicht so sehr unrecht hatte. Verbietet Dir Dein Stolz eine Wiederannäherung, so überlaß mir die einleitenden Schritte. Ich werde mit Dernburg reden.“

„Damit er Dir mit höflichem Bedauern erklärt, seine Tochter sei die Braut des Freiherrn von Wildenrod?“ fuhr Viktor auf. „Das können wir uns ersparen!“

„Was fällt Dir ein! Wildenrod steht im Beginn der Vierzig und Maja Dernburg –“

„O, er hat eine dämonisch zwingende Macht und weiß sie zu brauchen. Ich bin überzeugt, daß jene Einflüsterung, die Dernburg so gegen mich aufbrachte, von ihm stammt. Ich war ihm im Wege, er rechnete schon damals auf Majas Besitz! Und sie ist nicht gleichgültig gegen ihn geblieben, man spricht schon überall von einer Verlobung, und vorhin habe ich Gewißheit erhalten. Maja verrieth sich – ich habe nichts mehr zu hoffen!“ Die Verzweiflung des jungen Mannes zeigte deutlich, wie tief ihm die Leidenschaft für seine Jugendgespielin im Herzen saß.

Stetten war sehr ernst geworden. „Das wäre allerdings ein Meisterstreich Wildenrods,“ sagte er mit gefurchter Stirn. „Also er hat an dem Antheil seiner Schwester nicht genug und will für sich selbst die Odensberger Millionen erobern! Da ist es freilich Zeit, Dernburg die Augen zu öffnen – seine Tochter soll nicht die Beute dieses Abenteurers werden.“

„Ein Abenteurer? Der Freiherr von Wildenrod?“

„Er ist es geworden, als Glück und Glanz seines Hauses zusammenbrachen. Vielleicht war ebensoviel Verhängniß als Schuld dabei – gleichviel! Er hat das Recht verwirkt, sich mit einer ehrenwerthen Familie zu verbinden.“

„Und das wußtest Du schon damals in Nizza und hast geschwiegen?“ rief Viktor mit bitterem Vorwurf.

„Sollte ich etwa den Angeber machen? Und bei wem? Welches Recht hatte ich, mich in die Verhältnisse einer fremden Familie einzudrängen? Was gingen mich damals die Dernburgs an? Man stellt den Sohn eines Mannes, in dessen Hause man jahrelang als Freund verkehrt hat, nicht an den Pranger ohne zwingende Nothwendigkeit –“

„Aber Du hättest Erich auf irgend eine Weise warnen können!“

„Da hätte keine Warnung gefruchtet. Wenn Erich hätte sehen wollen – die zweideutige Rolle, die sein künftiger Schwager spielte, war in ganz Nizza bekannt; ich war nicht der

[303] einzige Wissende. Aber er ging blindlings in das aufgestellte Netz. Doch beruhige Dich! Jetzt, wo ich weiß, wie nahe seine Schwester Deinem Herzen steht, jetzt werden jene Rücksichten fallen.“

„Ja, Maja muß geschützt werden vor diesem Manne, koste es, was es wolle!“ rief Viktor stürmisch. „Onkel, ich habe Dir nichts verhehlt, jetzt sei auch Du offen gegen mich! Wer und was ist dieser Wildenrod?“

„Du sollst es erfahren,“ sagte Stetten ernst. „Aber hier im Walde können wir solche Dinge nicht erörtern. In zehn Minuten sind wir im Schlosse, dort laß uns weiter von der Sache reden.“




Maja und ihre Begleiterin waren inzwischen weiter gefahren. Sie wollten nach der Bahnstation, Frau von Ringstedt abzuholen, die sich nach Berlin begeben hatte, um in dem dortigen Wohnsitz der Familie die Anstalten für einen Winteraufenthalt zu treffen. Dernburgs Wiederwahl war mit einer solchen Bestimmtheit erwartet worden, daß man auch bei den häuslichen Anordnungen darauf Bedacht genommen hatte. Jetzt war der ganze Berliner Aufenthalt in Frage gestellt, und die alte Dame kehrte vorläufig nach Odensberg zurück.

„Was war das nur heute mit dem Grafen Viktor?“ sagte Maja nachdenklich. „Er gab sich ganz anders als sonst und schien nicht einmal über unser Wiedersehen erfreut zu sein.“

„Er ist noch in der ersten Trauer um den Bruder,“ warf Leonie ein. „Da ist es nur natürlich, wenn er sich ernster und gehaltener zeigt als sonst.“

Maja schüttelte das Köpfchen, die Erklärung wollte ihr nicht einleuchten. „Nein, nein – es war etwas anderes. Viktor ist auch damals im Frühjahr ohne Abschied fortgegangen! Papa sagte zwar, er sei in dienstlichen Angelegenheiten ganz plötzlich abberufen worden, aber dann hätte er doch schreiben können. Und als ich ihn jetzt einlud, nach Odensberg zu kommen, sah er aus, als hätte er gar keine Lust dazu. Was soll das alles bedeuten?“

„Mir ist die Zurückhaltung des Grafen auch aufgefallen,“ sagte Leonie, „und eben deshalb hätten Sie ihm nicht mit einer solchen Vertraulichkeit entgegenkommen dürfen, Maja. Sie sind jetzt eine erwachsene Dame und dürfen sich den Gutsnachbarn gegenüber nicht mehr die Freiheiten eines Kindes erlauben.“

„Viktor ist kein bloßer Gutsnachbar!“ rief das junge Mädchen ärgerlich. „Er ist als Knabe beinahe ebenso in Odensberg zu Hause gewesen wie in Eckardstein. Es ist garstig von ihm, jetzt auf einmal so fremd und förmlich zu thun, und das werde ich ihm auch sagen, wenn er zu uns kommt. O, ich werde ihm schon den Text lesen!“

Fräulein Friedberg nahm eine zurechtweisende Miene an und verbreitete sich noch einmal sehr ausführlich über die Rücksichten, welche eine erwachsene Dame zu nehmen habe, aber sie predigte tauben Ohren. Maja träumte mit offenen Augen vor sich hin; sie sah noch immer den düsteren vorwurfsvollen Blick des Jugendgespielen, und wenn sie auch weit entfernt war, den Grund seines veränderten Wesens zu ahnen, seine Zurückhaltung that ihr doch weh, Sie fühlte erst jetzt wie lieb Viktor ihr war.

Am Bahnhofe empfing Doktor Hagenbach die beiden Damen mit unerfreulichen Nachrichten. Er hatte in der Stadt von einem Eisenbahnunfall gehört, der sich im Laufe des Vormittags ereignet haben sollte. Da er wußte, daß Frau von Ringstedt unterwegs war, so hatte er schleunigst Erkundigungen eingezogen, die zum Glück beruhigend lautete. Infolge der letzten Regengüsse hatte ein Dammrutsch stattgefunden, das Geleise war auf eine größere Strecke gesperrt, man mußte die Züge halten und die Fahrgäste umsteigen lassen – der Berliner Schnellzug konnte daher nur mit namhafter Verspätung eintreffen; ein Unfall aber bei dem Zuge selbst war nicht vorgekommen.

Auf diese Mittheilung hin blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Da sich jedoch auf dem Bahnhof eine größere Truppenabtheilung befand, die vom Manöver zurückkehrte und ihre Weiterbeförderung erwartete, so waren sämtliche Räume überfüllt, die Wartezimmer fast gänzlich von den Offizieren in Beschlag genommen, und überall herrschte ein lärmendes Treiben, das einen längeren Aufenthalt für Damen sehr unangenehm machte. Der Doktor rieth deshalb, nach dem „Goldenen Lamm“ hinüberzugehen, sich ein Zimmer geben zu lassen und dort die Ankunft des Zuges abzuwarten. Der Vorschlag wurde angenommen, und da Herr Willmann gerade nicht zu Hause war, so wurden die Gäste von seiner Ehegattin empfangen, die auf die Nachricht hin, daß die Odensberger Herrschaften das „Goldene Lamm“ mit ihrer Gegenwart beehrte, was bisher noch niemals geschehen war, aus der Küche herbeigestürzt kam, um dieser Ehre pflichtschuldigst Rechnung zu tragen.

Die Vorzüge der Frau Willmann mochten wohl nach der wirthschaftlichen Seite hin liegen, in ihrer Erscheinung traten jedenfalls keine hervor. Sie war bedeutend älter als ihr Mann, mit einem abstoßenden Aeußeren und einer lauten scharfen Stimme begabt, die ihren Worten etwas Keifendes verlieh. Und die Hauskleidung, in der sie ihre Gäste empfing, ließ an Geschmack wie an Sauberkeit sehr viel zu wünschen übrig.

Sie öffnete schleunigst das beste Gastzimmer, riß ein Fenster auf, um frische Luft hereinzulassen, schob Tisch und Stühle zurecht und versicherte den Herrschaften, daß sie ihnen in der allerkürzesten Zeit den allervortrefflichsten Kaffee vorsetzen würde. Dann verschwand sie schleunigst, ganz Eifer und Dienstfertigkeit.

Nach Aussage des Bahnbeamten hatte man mindestes noch eine Stunde auf den Berliner Zug zu warten. Fräulein Maja fand das sehr langweilig; sie bekam Lust, eine Entdeckungsreise im „Goldenen Lamm“ anzustellen, und als sie vollends durch das Fenster eine Kinderschar gewahrte, die in dem Gärtchen an der Rückseite des Hauses spielte, da war es vorbei mit ihrer Fähigkeit, stillzusitzen. Sie schlüpfte, trotz aller Vorstellungen ihrer Erzieherin, aus dem Zimmer und überließ die anderen sich selber.

Einige Minuten lang herrschte ein verlegenes Schweigen. Der Doktor und Fräulein Friedberg hatten zwar längst eine stille Uebereinkunft geschlossen, jenen verunglückten Heirathsantrag als nicht geschehen zu betrachten. Es war die einzige Möglichkeit, bei dem beinahe täglichen Verkehr, zu dem sie gezwungen waren, die nöthige Unbefangenheit zu bewahren, aber im einzelnen sah es mit dieser Unbefangenheit doch recht mißlich aus. Hagenbach konnte es nicht lassen, seinem Groll über den Korb, den er erhalten hatte, in allerlei versteckten Andeutungen Luft zu machen, und Leonie befand sich ihm gegenüber fortwährend im Vertheidigungszustand. Trotz dieses unerquicklichen Verhältnisses aber war es eine Thatsache, daß der Herr Doktor viel mehr Sorgfalt auf seine äußere Erscheinung verwendete als früher und sich auch bemühte, seiner Derbheit soviel wie möglich Zügel anzulegen. Das letztere gelang ihm zwar nur in sehr bescheidenem Maße, doch zeigte er wenigstens den guten Willen dazu.

„Maja ist nicht zu berechnen!“ begann Fräulein Friedberg endlich mit einem Seufzer. „Ich bin wirklich bisweilen in Verzweiflung. Was soll man mit einer jungen Dame anfangen, die bereits Braut ist und noch immer nicht die Nothwendigkeit einsehen will, daß man sich den gesellschaftlichen Formen zu beugen hat!“

„Nun, über diese Nothwendigkeit ließe sich streiten,“ warf Hagenbach ärgerlich hin.

„Nein, darüber läßt sich nicht streiten,“ war die sehr entschiedene Antwort. „Das ist die Grundlage, auf der die ganze Geselligkeit beruht.“

„Jawohl, die Formen!“ spottete Hagenbach mit unverhohlener Gereiztheit, „die sind die Hauptsache in der Welt! Was kommt’s auch darauf an, ob ein Mann ehrlich, tüchtig, gediegen ist – er muß dem ersten besten Gecken weichen, der es versteht, Verbeugungen zu machen und Redensarten zu drechseln – der hat natürlich den Vortritt!“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Aber gemeint! Ich habe mich mein Lebtag nicht viel mit den Formen abgegeben, habe es auch in meiner Praxis nicht nöthig gehabt und in meiner Häuslichkeit erst recht nicht. Bin ich doch noch Junggeselle – Gott sei Dank!“

Der Doktor stattete dem Himmel seinen Dank ob des glücklich bewahrten Junggesellenthums in einem so grimmigen Tone ab, daß Leonie es vorzog, gar nicht zu antworten. Sie trat ans Fester und blickte hinaus. Zum Glück erschien jetzt eine der Mägde mit den Kaffeetassen und einem riesigen Kuchen, der für mindestes zehn Personen ausreichte, und meldete, die Herrschaften möchten sich nur noch eine kleine Weile gedulden, Frau Willmann bereite den Kaffee selbst.

[304] Leonie stutzte bei dem Namen und wandte sich heftig um. „Wer, sagten Sie?“

„Frau Willmann, gnädige Frau.“

„So heißt die Wirthin vom ‚Goldenen Lamm‘,“ erläuterte Hagenbach, der jetzt einsah, daß ein Verschweigen nichts mehr nütze und daß die „ganze Wehmuthsgeschichte doch noch einmal durchgesäuselt werden müsse“. Leonie sagte zwar kein Wort, aber die fliegende Röthe, die ihr Gesicht färbte, verrieth, wie sehr diese Erinnerung an den einstigen Verlobten sie erschütterte. Der Doktor zog es deshalb vor, die Sache selbst zur Sprache zu bringen, als das Mädchen das Zimmer verlassen hatte.

„Der Name fällt Ihnen auf?“ fragte er.

„Er war mir einst sehr theuer und ist es noch. Es kann sich wohl hier nur um einen Zufall handeln, aber ich werde doch bei der Wirthin zu erfahren suchen –“

„Das ist nicht nothwendig, das können Sie auch von mir erfahren. Der Wirth dieses Hauses ist ein Vetter des seligen Herrn Engelbert, des Heidenbekehrers, der im Wüstensande begraben liegt. Er hat es mir selbst gesagt – das heißt, nicht der Begrabene, sondern der lebendige Herr Pankratius Willmann vom ‚Goldenen Lamm‘.“

„Ein Vetter Engelberts?“ wiederholte Leonie befremdet. „Ich habe nie von einer solchen Verwandtschaft gehört. Dieser Herr Pankratius Willmann ist wohl nach dem Alter seiner Frau zu schließen schon ziemlich bei Jahren?“

„Bewahre, er ist mindestens zwölf Jahre jünger als seine bessere Hälfte, ein angehender Vierziger. Er war eben ein armer Schlucker und sie eine reiche Witwe. Uebrigens ist der Mann gar nicht ungebildet, er hat sogar studiert, wie er mir neulich einmal erzählte, hat es aber dann doch vorgezogen, sich in die Wolle des ‚Goldenen Lamms‘ zu setzen.“

Die Lippen Leonies kräuselten sich verächtlich. „Welch ein Entschluß! Diese gewöhnliche Frau –“

„– hat Geld und kocht ausgezeichnet,“ ergänzte Hagenbach, der eine Genugthuung darüber empfand, daß wenigstens der Vetter des seligen Engelbert nicht auch in idealer Verklärung dastand. „Uebrigens scheint die Ehe der beiden sehr glücklich zu sein, und eine zahlreiche Nachkommenschaft haben sie auch – sehen Sie nur da drunten im Garten springen die sechs kleinen Lämmer herum!“ Er war gleichfalls an das Fenster getreten und wies in das Gärtchen hinunter, wo sich die Sprößlinge des Willmannschen Ehepaares schreiend und lärmend umhertrieben. Durch besonderen Liebreiz zeichneten sie sich allerdings nicht gerade aus, es waren kleine wohlgenährte dickköpfige Geschöpfe mit strohgelben Haaren und schienen wesentlich nach der Frau Mutter gerathen zu sein.

Leonie zuckte die Achseln. „Ich begreife nicht, wie ein gebildeter Mann zu einer solchen Ehe herabsteigen kann. Freilich, der Vortheil regiert jetzt die Welt. Wer fragt noch nach dem Idealen!“

„Herr Pankratius Willmann jedenfalls nicht,“ meinte Hagenbach trocken. „Der hält es mit dem Praktischen, ganz im Gegensatz zu seinem Vetter. Herr Engelbert ließ die Heimath im Stich, um da hinten in Afrika die schwarzen Heiden zu taufen. Nun liegt er im Wüstensand – das hat er davon!“

Leonie nahm eine vernichtende Miene an. „Einen solchen Entschluß vermögen Sie allerdings nicht zu würdigen, Herr Doktor. Engelbert Willmann war eine ideale Natur, die ohne jede Rücksicht auf irdische Vortheile einer höheren Eingebung folgte, und man muß selbst etwas davon in sich tragen, um das verstehen zu können.“

„Nun, ich verstehe das nicht!“ erklärte Hagenbach mit ausbrechendem Aerger. „Ich mache schlecht und recht die Menschen gesund, ohne höhere Eingebung, und bin selbst ein ganz gewöhnlicher Mensch, ohne jede ideale Zuthat – also eigentlich gar nichts werth.“

So war der Streit zwischen den beiden wieder einmal recht hübsch im Zuge, als jetzt die Thür sich öffnete und Herr Pankratius Willmann auf der Schwelle erschien, in seiner ganzen stattlichen Leibesfülle, mit dem breiten rothen Gesicht. Er machte eine tiefe Verbeugung vor dem Arzte, eine zweite vor der Dame am Fenster und begann dann mit seiner sanften, wehmüthigen Stimme:

„Ich hörte eben von meiner Frau, daß die Odensberger Herrschaften hier seien, und konnte es mir nicht versagen, meine Freude und meinen Dank auszusprechen für die Ehre, die meinem bescheidenen Hause widerfahren ist.“

„Gut, daß Sie kommen, Herr Wirth!“ sagte der Doktor. „Eben sprach ich noch von Ihnen mit Fräulein Friedberg –“ Weiter ließ ihn die Scene nicht kommen, die sich plötzlich vor seinen Augen entwickelte.

Leonie war beim Klange der fremden Stimme in jähem Schrecken zusammengefahren, und Herr Willmann zeigte sich nicht weniger erschrocken beim Anblick des Fräuleins. Er knickte förmlich zusammen, seine rothen Wangen erbleichten, ganz fassungslos starrte er die Dame an, die sich ihm rasch näherte.

„Mein Herr,“ begann sie mit bebender Stimme, „Sie tragen einen Namen, der mir nicht fremd ist, und ich höre von dem Herrn Doktor, daß in der That eine Verwandtschaft besteht –“

Sie hielt inne und schien eine Antwort zu erwarten, doch Herr Pankratius neigte nur das Haupt, bejahend, aber so tief daß fast nichts mehr von seinem Gesicht zu erblicken war.

„Ich finde allerdings etwas Verwandtes in Ihren Zügen,“ fuhr Leonie fort, „und auch Ihre Stimme hat eine fast erschreckende Aehnlichkeit mit der Ihres verstorbenen Vetters, dessen Sie sich vielleicht kaum noch erinnern.“

Willmann antwortete auch diesmal nicht, er machte eine verneinende Bewegung, aber ohne das Gesicht emporzuheben.

„Nun, haben Sie denn die Sprache verloren?“ rief der Doktor. „Was soll dies stumme Nicken und Schütteln bedeuten?“

Aber Herr Pankratius verharrte in seinem Schweigen, es schien, als habe er eine förmliche Angst, seine Stimme wieder ertönen zu lassen. Statt dessen warf er einen scheuen Blick auf die Thür, wie wenn er die Möglichkeit eines Rückzuges erwägen würde. Jetzt verlor Hagenbach die Geduld. „Was steckt denn hinter diesem Benehmen?“ rief er mit erwachendem Argwohn. „Ist am Ende die ganze Geschichte mit der Verwandtschaft nicht wahr? Rücken Sie gefälligst heraus mit der Sprache!“

Der von zwei Seiten Bedrängte wußte sich offenbar nicht mehr zu helfen. Er hob die Augen zur Stubendecke empor, genau mit demselben frommen wehmüthigen Ausdruck, der den Doktor zuerst stutzig gemacht hatte, und seufzte. „O Gott, Herr Doktor, der Himmel ist mein Zeuge –“

Ein lauter Aufschrei unterbrach ihn. Leonie wurde plötzlich totenbleich und umfaßte krampfhaft mit beiden Händen die Lehne des vor ihr stehenden Sessels. „Engelbert! Allmächtiger Gott – er ist es selbst!“

Herr Willmann schien in diesem Augenblick den dringenden Wunsch zu hegen, daß sich die Erde zu seinen Füßen öffnen und ihn verschlingen möchte. Da aber ein solcher Eingriff des Himmels nicht erfolgte, so blieb er mitten im Zimmer im hellen Sonnenschein stehen. Doktor Hagenbach aber ließ sich auf den nächsten Stuhl nieder; er hatte starke Nerven, doch diese Enthüllung griff ihn einigermaßen an.

Merkwürdigerweise hatte Leonie trotz dieser für sie vernichtenden Entdeckung in wenigen Augenblicken ihre Fassung wiedergewonnen. Sie fiel weder in Ohnmacht, noch bekam sie Weinkrämpfe; regungslos stand sie da und blickte auf ihren einstigen Bräutigam, der keinen Versuch zum Leugnen machte.

„Leonie, Du hier?“ stammelte er in tödlicher Verlegenheit. „Ich hatte keine Ahnung – ich werde alles erklären –“

„Ja, darum möchte ich auch ernstlich bitten!“ rief der Doktor, der jetzt die Sprache wiederbekam und entrüstet aufsprang. „Was, Sie lassen sich zwölf Jahre lang als verunglückter Heidenapostel beweinen und dabei sitzen Sie äußerst lebendig hier im ‚Goldenen Lamm‘ als glücklicher Ehegatte und sechsfacher Familienvater? Das ist ja niederträchtig!“

„Herr Doktor,“ unterbrach ihn Leonie, noch an allen Gliedern bebend, aber doch mit Selbstbeherrschung, „ich habe mit diesem – diesem Herrn da zu reden. Bitte, lassen Sie uns allein!“

Hagenbach sah sie etwas bedenklich an, er traute dieser Fassung nicht recht; da er jedoch einsehen mußte, daß bei einer solchen Auseinandersetzung die Gegenwart eines Dritten überflüssig sei, so verließ er das Zimmer. So wenig er sich sonst mit dem Horchen abgab, diesmal blieb er ohne alle Gewissensbisse dicht an der Thürspalte stehen. Die Sache, die da drinnen verhandelt wurde, ging ihn doch auch einigermaßen an.

Herr Engelbert Willmann schien sich sehr erleichtert zu fühlen, als der Zeuge des peinlichen Auftrittes fort war, und machte

[305]

Sie schmollt!
Nach einem Gemälde von F. Indoni.

[306] nun endlich Anstalt zu der verheißenen Erklärung. Er hob in reuevollem Tone an: „Leonie, höre mich!“

Sie stand noch immer an ihrem Platze, ohne sich zu regen, und sah ihn an, als könne und wolle sie es nicht glauben, daß diese behäbig spießbürgerliche Erscheinung und die Idealgestalt ihrer Jugend eine und dieselbe Person seien.

„Es bedarf keiner Erklärung,“ sagte sie mit einer Ruhe, die ihr selbst unbegreiflich vorkam. „Ich verlange nur, daß Sie mir einige Fragen beantworten. Sind Sie wirklich der Gatte jener Frau, die uns vorhin empfing, der Vater der Kinder, die drunten im Garten spielen?“

„Höchst vernünftig und praktisch!“ brummte beifällig der Doktor draußen. „Nichts von Weinkrämpfen! Die Sache läßt sich ganz gut an.“

Leonies Frage schien Herrn Willmann vollends niederzuschmettern. „Verdamme mich nicht, Leonie!“ bat er stammelnd. „Der Zwang der Verhältnisse – eine unglückliche Verkettung von Umständen –“

„Reden Sie mich nicht mit dem vertraulichen Tone von einst an, Herr Willmann,“ schnitt ihm Leonie das Wort ab. „Wie lange sind Sie verheirathet?“

Willmann zögerte, er hätte gern eine möglichst kurze Dauer seines Eheglückes angegeben, aber da draußen lärmte seine gesamte Nachkommenschaft, und sein Aeltester, ein zehnjähriger Bube, war auch dabei. „Elf Jahre,“ sagte er endlich leise.

„Und vor zwölf Jahren haben Sie mir geschrieben, daß Sie als Missionär in das Innere Afrikas gehen wollten, und seitdem blieben Ihre Briefe aus. Sie sind also wohl unmittelbar darauf nach Deutschland zurückgekehrt – ohne mir Nachricht zu geben?“

„Es geschah allein um Deinet – um Ihretwillen, Leonie,“ versicherte Engelbert mit einem Versuche, seiner Stimme einen zärtlichen Klang zu geben. „Wir waren beide arm, ich hatte keine Aussichten, es konnten Jahre vergehen, ehe ich imstande war, Ihnen meine Hand zu reichen. Sollte ich zugeben, daß Sie mir zulieb Ihre Jugend vertrauerten, ein anderes, vielleicht besseres Glück verscherzten? Niemals! Und da ich Ihre Großmuth kannte, da ich wußte, daß Sie nie Ihr Wort von mir zurückgefordert hätten, so that ich mit blutendem Herzen, was ich mußte – ich gab Ihnen die Freiheit zurück, durch meinen angeblichen Tod –“

„– und machte selbst schleunigst eine reiche Partie,“ ergänzte der Doktor draußen. „Der Mensch lügt das Blaue vom Himmel herunter! Gnade Dir Gott, Du sanfter Engelbert, wenn Du mir nachher unter die Hände geräthst!“

Der sanfte Engelbert schien indessen mit seiner aufopfernden Liebe und seinem blutenden Herzen gar keinen Eindruck auf die einstige Braut zu machen. „Geben Sie sich keine Mühe, ich lasse mich nicht mehr täuschen,“ erwiderte sie verächtlich. „Den Treubruch hätte ich Ihnen verziehen, diese erbärmliche Komödie hier verzeihe ich Ihnen nicht. Hätte ich geahnt, daß ich Ihnen zu arm, daß unsere Verlobung Ihnen eine Fessel war, ich hätte sofort den Ring zurückgesandt. Ein offenes ehrliches Wort hätte Ihnen all dies Lügen und Heucheln erspart und mir diese bittere Stunde.“ Jetzt zum ersten Male drohte das Schluchzen ihre Stimme zu ersticken, doch nur einen Augenblick lang, dann zwang sie es nieder und fuhr mit ausbrechender Empörung fort: „Und einen Menschen wie Sie habe ich geliebt! Um Ihretwillen habe ich meine Jugend verloren, um Ihres Andenkens willen die Hand eines ehrenwerthen Mannes zurückgewiesen!“

„Das wird ja ausgezeichnet,“ meinte Doktor Hagenbach an seiner Thürspalte und rieb sich vergnügt die Hände. „Na, die Sache kann ja wieder in Ordnung gebracht werden.“

„Leonie, Sie zerreißen mir das Herz!“ versicherte Herr Willmann, indem er beide Hände auf die Magengegend legte. „Wenn Sie wüßten, was ich litt – ich habe ja doch nur Sie allein geliebt!“ Er machte einen Versuch, sich ihr zu nähern, allein sie wich mit einem Ausdruck des Widerwillens zurück.

„Bitte, Herr Willmann, wir sind zu Ende und haben uns nichts mehr zu sagen. Ich fordere nur noch eins von Ihnen: wenn der Zufall uns wirklich noch einmal im Leben zusammenführen sollte, so kennen wir uns nicht und haben uns nie gekannt.“

Engelbert athmete bei dieser Erklärung verstohlen auf, er hatte nicht gehofft, so leichten Kaufes loszukommen, und schickte sich nun schleunigst zu einem würdevollen Abgang an. „Sie verurtheilen mich – ich muß es tragen!“ sagte er sanft und schmerzerfüllt. „Lebe wohl, Leonie, der Schein ist gegen mich, aber Du bist dennoch meine erste und einzige Liebe gewesen!“

Er warf noch einen wehmuthsvollen Blick auf seine einstige Braut und trat dann eilig den Rückzug an. Draußen aber ereilte ihn das Verhängniß in der Gestalt des Doktors Hagenbach, der ihn ohne weiteres am Arme packte. „Jetzt wollen wir ein paar Worte miteinander reden, Herr Engelbert Willmann,“ sagte er und schleppte den Erschrockenen rücksichtslos nach dem anderen Ende des Ganges, wo man außer Hörweite des Gastzimmers war. „Viel werde ich mich allerdings nicht mit Ihnen abgeben, aber sagen will ich es Ihnen denn doch, daß Sie ein Lump sind!“

„Herr Doktor – nicht so laut!“ flehte Willmann und schielte angstvoll nach der Treppe, wo jede Minute seine Frau oder irgend jemand anderes erscheinen konnte.

Aber Hagenbach kehrte sich nicht daran. „Ein ausgemachter Lump!“ wiederholte er. „Mir persönlich ist das zwar sehr angenehm, aber Sie bleiben doch, was Sie sind. Und solch einem Menschen weint man zwölf Jahre lang nach und umgiebt ihn mit einem förmlichen Heiligenschein. Er wird aufgehängt –“

„Um Gotteswillen!“ jammerte der Bedrohte, während der Doktor ingrimmig fortfuhr: „Aufgehängt mit einer Trauerschleife und einem Veilchenstrauß! Jetzt wird aber die Geschichte hoffentlich von der Wand genommen. Wie gesagt, Sie sind keinen Schuß Pulver werth!“ Dabei schüttelte er den Unglücklichen, dem er diese Artigkeiten sagte, mit einem Ingrimm, daß Herrn Willmann Hören und Sehen verging.

„Ich verstehe kein Wort,“ stöhnte dieser, der sich aus Furcht vor noch größerem Lärm nicht zu befreien wagte. „Haben Sie Mitleid, Herr Doktor, und schweigen Sie über die Sache! Wenn meine Frau es erfährt, meine Kundschaft, die Stadt – ich wäre ein geschlagener Mann.“

„Ja, das wäre allerdings etwas für die Stammtische im ‚Goldenen Lamm‘,“ sagte Hagenbach mit einem zornigen Auflachen, „diese Geschichte von dem verunglückten Heidenapostel und Wüstenmenschen! Um Ihretwillen schweige ich wahrhaftig nicht. Sie verdienen es, daß man Sie an den Pranger stellt, aber für Fräulein Friedberg wäre das eine peinliche Sache, also mag es verschwiegen bleiben! Und nun, Gott befohlen, Herr Engelbert, wir beide haben uns auch nichts mehr zu sagen!“

Er schüttelte den ganz vernichteten Willmann noch einmal gründlich, ließ ihn dann stehen und kehrte in das Zimmer zurück, wo seine ärztliche Hilfe jedenfalls nöthig war. Wenn Fräulein Friedberg sich auch bisher über Erwarten tapfer gezeigt hatte, jetzt mußten doch die unumgänglichen Ohnmachten und Weinkrämpfe eintreten! Aber nichts von alledem. Leonie kam ihm entgegen, sie war noch immer sehr bleich und man sah, daß sie heftig geweint hatte, allein sie behauptete auch jetzt ihre Haltung.

„Ich wollte sehen, wie es Ihnen geht,“ sagte der Doktor mit einer gewissen Verlegenheit. „Ich fürchtete – ja, mein Fräulein, heute gestehe ich Ihnen ohne weiteres das Recht zu, ‚Nerven‘ zu haben – Sie sollen keinen Spott darüber hören.“

„Ich bin ganz wohl,“ versicherte Leonie, ohne den Blick zu erheben. „Ich habe freilich eine sehr schmerzliche Enttäuschung durchgemacht, Sie werden errathen, wie die Sache zusammenhängt, Herr Doktor – ersparen Sie mir die Beschämung, es Ihnen ausführlich erzählen zu müssen.“

„Sie brauchen sich gar nicht zu schämen!“ rief Hagenbach warm und herzlich. „Es ist doch keine Schande, an das Gute und Edle im Menschen fest und unverbrüchlich zu glauben. Und wenn Sie einer getäuscht hat, so brauchen Sie deshalb noch nicht den Glauben an alle zu verlieren. Es giebt noch manchen unter uns, der diesen Glauben verdient.“

„Ich weiß es,“ entgegnete Leonie leise und bot ihm die Hand. „Und ich will einer Erinnerung nicht nachweinen, die es nicht werth ist, daß man auch nur eine Thräne darum vergießt – mag sie begraben sein!“

„Bravo!“ rief der Doktor, indem er die dargebotene Hand ergriff und Miene machte, sie herzhaft zu schütteln. Aber auf einmal besann er sich und hielt inne. Die „rauhe Schale“ mußte doch schon einigermaßen gelockert sein, denn es geschah das Unerhörte – Herr Doktor Hagenbach beugte sich nieder und drückte einen äußerst zarten Kuß auf diese Hand.

(Fortsetzung folgt.)

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Blätter und Blüthen.

König Alexander von Serbien. (Mit Bildniß.) Der jugendliche König von Serbien hat der Welt eine rechte Ueberraschung bereitet. Seit der Abdankung König Milans im März 1889 war er der glückliche Inhaber des serbischen Thrones, indessen, als ein Knabe von damals noch nicht einmal 13 Jahren, mußte er sich wohl oder übel eine Regentschaft dreier älterer erfahrener Männer gefallen lassen. Das ging denn auch soweit die Jahre her. Der junge Fürst bildete sich durch Reisen und Studieren, die Regenten regierten, die Parteien befehdeten sich – in Serbien vielleicht etwas heftiger als anderswo, theils weil das dort im Naturell liegt, theils weil eben die Umstände in dem vielumgewühlten Lande noch nicht jene Festigung erreicht haben, die auch den politischen Gegnern eine gewisse Schranke auferlegt. Nach den letzten Wahlen aber, welche die beiden Hauptparteien in annähernd gleicher Stärke in die Skupschtina geführt hatten, wurde die Verwirrung doch zu toll – und da scheint sich der jetzt sechzehnjährige König Alexander mit seinem Lehrer Dr. Dokitsch des auch nicht viel älteren großen makedonischen Namensbruders erinnert zu haben, der mit 22 Jahren den Gordischen Knoten durchhieb. So lud er denn am Abend des 13. April – des 1. April alten Stils – die Regenten zur festlichen Tafel, und als er die Meldung erhalten, daß alle Vorbereitungen gegen einen etwaigen Widerstandsversuch vollendet seien, da erhob er sich mit seinem Glase in der Hand, dankte den beiden Regenten Ristitsch und Vellmarkowitsch – der dritte war gestorben und noch nicht wieder ersetzt – für alles, was sie für ihn und seinen Vater gethan hätten, und theilte ihnen anschließend in aller Freundschaft, aber sehr deutlich mit, daß er nun ihrer Dienste nicht mehr bedürfe. Der Staatsstreich beim Souper war fertig. Die Regenten mußten alsbald erkennen, daß jeder Versuch einer Auflehnung gegen die königliche Willensmeinung vergeblich wäre, sie unterzeichneten, wenn auch mit Bitterniß im Herzen, das ihnen vorgelegte Aktenstück, und nach einer anständigen Haft im Palais wurden sie des anderen Vormittags entlassen.

König Alexander I. von Serbien.
Nach der neuesten Aufnahme von L. Letzter, Hofphotograph
in Belgrad.

Der nunmehr selbst regierende König Alexander I. von Serbien ist ein Sohn des vielgenannten Fürsten Milan, jetzt Grafen von Takowa, und seiner nicht weniger bekannten Gattin Natalie. Er ist geboren am 14/2. August 1876, unser Bild ist aufgenommen am 1. April dieses Jahres. Seine Großjährigkeit hätte an und für sich im Jahre 1895 erklärt werden sollen. Wenn man es noch nicht wüßte, so müßte man aus seiner neuesten That schließen, daß er einen tüchtigen Muth und einen kräftigen Willen besitzt – beides Eigenschaften, deren das ihm anvertraute Land wohl gebrauchen kann. Das Serbenvolk scheint denn auch mit der neuen Wandlung der Dinge ganz einverstanden zu sein.

Der Krinolinenkrieg. Schon verkünden auch in Deutschland allerlei Anzeichen den drohenden Einzug der Krinoline in die Läden, die Boudoirs, die Salons! Doch in Deutschland steht man dieser neuesten Umwälzung der Toilette, welche einen so bedenklichen Rückfall in eine überwundene Mode bedeutet, wehrlos oder gleichgültig gegenüber. Anders in England und Amerika, wo die Frauen gewohnt sind, größere Kampfbereitschaft an den Tag zu legen. In London hat Mrs. Stannard, die Erzählerin, die unter dem Namen „John Strange Winter“ schreibt, eine „Antikrinolinenliga“ gegründet. In dem Aufruf zur Begründung dieses Vereins sagt sie: „Es ist schlimm genug, daß die Frauen nicht die Moden erfinden und nicht die Macht haben sollen, zu sagen, was sie tragen wollen, sondern daß, wie wohlbekannt, solche Dinge von einer kleinen Clique von Männern bestimmt werden.“ Die Formel, durch deren Unterschrift jedermann Aufnahme in den Verein findet, lautet: „Hiermit verpflichte ich mich, alles zu thun, was in meiner Macht steht, um das Krinolinetragen zu verhindern.“ Schon haben 12000 Frauen und Jungfrauen unterschrieben. Auch an die Königin und an die Prinzessin von Wales haben sich die kampflustigen Damen gewendet, doch ohne Erfolg; denn die Möglichkeit eines Rückzugs wäre, wenn die Krinoline wieder zur Weltherrschaft gelangt, doch nicht ausgeschlossen! Und ein solcher Rückzug wäre der größte Triumph für die Pariserinnen und den englischen Modetyrannen in Paris, Mr. Worth und seine ganze Clique.

Auch andere Frauen- und Toilettenvereine haben gegenüber der Krinoline Stellung genommen, besonders die Gesellschaft, die sich die Einführung eines „vernünftigen“ Kleides zur Aufgabe gestellt hat. Hier herrscht keine so erbitterte Feindschaft gegen die frühere, wiederauserstehende Mode. Die Präsidentin dieses Vereins erklärt sie durchaus nicht in Acht; die Röcke würden durch sie von den Fersen abgehalten, was bei schlechtem Wetter ein Segen sei. Wohl aber müßten die Kleider kürzer getragen werden, fünf Zoll vom Boden, und es hat sich jetzt eine „Fünf Zoll vom Boden-Liga“ gebildet, um diesen Grundsatz zur Geltung zu bringen. Ein anderer Klub, die „Weiblichen Pioniere“, erklärt sich überhaupt von der Mode unabhängig und verlangt Bethätigung der persönlichen Neigung und des eigenen Geschmacks. Diese freie Toilette schlägt bedenklich die Richtung nach der Herrentracht ein. In Amerika wird die Krinoline in einer Art und Weise bekämpft, die an das deutsche Seuchengesetz erinnert. Ein Abgeordneter in Minnesota hat in dem dortigen Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht, demzufolge Fabrikanten, die es wagen, Krinolinen anzufertigen, nicht nur mit schwerer Geldbuße, sondern auch mit Gefängnißstrafe belegt werden sollen. Es wird sich ja zeigen, ob alle diese Mittel gegen die Tyrannin Mode, deren Wege so dunkel, aber doch so siegreich sind, etwas ausrichten werden. †      

Beim Handfertigkeitsunterricht. (Zu dem Bilde S. 297.) Einen Nagel einschlagen, zwei Brettchen zusammenfügen oder gar eine Schachtel herstellen – lauter einfache Dinge; und doch steht mancher gelehrte Vater rathlos vor solcher Aufgabe, wenn der Sohn sich an ihn wendet. Da haben’s die Jungen auf unserem Bilde besser; man sieht ihnen die Freude an der einfachen Handarbeit so deutlich an, und mit gespannter Aufmerksamkeit lauschen die sechs im Vordergrund auf die Erklärungen des Lehrers, der ihnen die Geheimnisse des „Zinkens“ erklärt. Es ist ein Blick in eine der Schülerwerkstätten, wie sie das letzte Jahrzehnt in verschiedenen Städten Dentschlands hat entstehen lassen. Dem rührigen „Verein für Knabenhandarbeit“, welcher die Anregung dazu gab, schwebt das Ziel vor, der Jugend neben der geistigen Arbeit eine gesunde Erholung zu bieten, den Sinn für das Praktische zu wecken, durch harmonische Ausbildung von Hand und Auge der Einseitigkeit vorzubeugen und so im Verein mit Turnunterricht und Jugendspiel das heranwachsende Geschlecht gesünder und frischer zu machen. In den meisten dieser Schülerwerkstätten werden mehrere Fächer, wie z. B. Papparbeiten, Tischlerei, Kerbschnitzerei, leichtere Metallarbeiten, betrieben; hie und da reichen die Mittel oder die Lehrkräfte nur für ein einziges Fach aus, und da entspricht denn die Arbeit an der Hobelbank durch ihre Vielseitigkeit und gleichmäßige Inanspruchnahme von Muskelkraft und Denkvermögen am meisten dem gesteckten Ziel. Denn immer handelt es sich ja nur um den Erziehungszweck, nicht darum, Handwerker vorzubilden. Den Unterricht ertheilen entweder Handwerksmeister, wie in Osnabrück, Straßburg, Stuttgart, oder Lehrer, welche auf alljährlich zu Leipzig stattfindenden Kursen sich ausbilden.

Möglichste Einfachheit herrscht in solchen Räumen, aber es belebt sie ein fröhliches Treiben, frei vom Zwang der Schule und doch in den Schranken des Anstands gehalten durch den Eifer für die Sache. Das Zusammenarbeiten von frischen Jungen aus allen Ständen und aus verschiedenen Lehranstalten weckt Kameradschaftlichkeit; die saubere Arbeit des barfüßigen Volksschülers gilt soviel als die des Kindes „aus guter Familie“, das im Hintergrunde mit der Säge sich abmüht. Schelten und Strafen giebt es nicht, weil die Freude an der Arbeit keine Unarten aufkommen läßt und jeder sich nach dem Augenblick sehnt, wo er das sorgfältige Werk seiner Hände dem Vater oder der Mutter auf den Geburtstagstisch legen kann.

Eine Dalmatinerin. (Zu dem Bilde S. 293.) Die südslavischen Länder gehören unter jene Gebiete von Europa, in welchen die Volkstrachten noch nicht zur Sage geworden sind. Die Südslaven tragen ihre eigenthümliche Gewandung nicht nur in den Abbildungen der Kostümblätter, in der Einbildungskraft der Romanschreiber oder bei Aufzügen und Festlichkeiten, sondern immer. Ihre Tracht ist von ihren übrigen Lebensgewohnheiten nicht zu trennen. So wenig der Montenegriner ohne Waffen, so wenig erscheint die Dalmatinerin, insbesondere die Bewohnerin der Inseln, ohne ihre Münzen, ihre Ketten, ihre sonstigen Schmucksachen, ihre grellfarbigen Röcke. Wie alle Slaven liebt sie starke Farbengegensätze in der Gewandung – Weiß, Roth, Schwarz sind die bevorzugten Zusammenstellungen, während im Gewande der Männer auch Braun unb Blau auftritt. Rock und Mieder der Frauen ist fast immer verschiedenfarbig, bald so, bald anders, je nach den vielfach wechselnden örtlichen Gepflogenheiten.

Die Dalmatiner, einer der kräftigsten und ausdauerndsten Menschenstämme, die es giebt, gehören meist zu jenem Typus, welchen die Anthropologen „kurzköpfig“ nennen. Ausgezeichnet ist ihre Physiognomie durch das lebhafte Auge, die langen Wimpern und die meist trefflich erhaltenen Zähne. Bei den Frauen fällt dazu noch die üppige Lippe und die feine schmale Nase auf.

Das Los der Dalmatinerinnen ist im allgemeinen kein sehr beneidenswerthes. Das männliche Geschlecht wälzt einen großen Theil der groben Arbeit auf sie ab. Schon der Umstand, daß so viele Männer auf das Meer hinaus müssen – werden ja doch die Dalmatiner zu den tüchtigsten Seeleuten der Welt gezählt – nöthigt den Frauen Beschäftigungen auf, die man ihnen anderweitig nicht zumuthet. Feldbau, Viehzucht, das Fortschleppen von Lasten gehört so zu ihren herkömmlichen Beschäftigungen. Auch rudern sieht man sie häufig; denn die Verhältnisse bringen es mit sich, daß sie oft von einer der zahllosen Inseln aus nach einem anderen unbewohnten Eilande fahren müssen, um nach dem dort weidenden Vieh zu schauen, daß sie Früchte nach dem Festland zu bringen oder dort Wasser zu holen haben, wenn die Brunnen der Insel versiegt sind.

Am besten kann man die Trachten studieren auf dem Markte einer [308] Stadt wie Spalato. Da findet man Frauen und Mädchen von den vielen, der Stadt gerade gegenüberliegenden, großen und kleinen Inseln mit ihren verschiedenfarbigen Miedern und Röcken, ihren bunten Westen und gestickten Aermelbesätzen, ihren mehrfarbigen Kitteln, ihren Perlen- und Korallenschnüren, ihren Schaumünzen und anderem Flitter. Sie verkaufen die Früchte ihres Bodens, Paradiesäpfel und Johannisbrot, Citronen, Melonen, Feigen, Pfirsiche – je nach der Jahreszeit. Und wenige Stunden später sieht man sie auf ihren langen Kähnen durch die Wellen heimwärts segeln. Wie langgezogene Klagen klingen dann ihre Lieder herüber zum Lande und verhallen über der Fluth.

Die Sprengung des Domthurms zu Berlin. (Mit Abbildung.) Eine weite Trümmerstätte, auf der nur noch ein paar spärliche Mauerreste und ein halbes Dutzend gebrochener Säulen stehen, bezeichnet die Stelle, an der sich bis vor kurzem die Berliner Domkirche mit ihren drei grünspanbedeckten Kuppeln erhob. Als man bei der Niederlegung des Gebäudes an den Thurm kam, der die große Mittelkuppel trug, da zeigte es sich, wie vortrefflich die Baumeister früherer Jahrhunderte solche Arbeiten auszuführen wußten. Die über fünf Meter starken Grundmauern konnten nur mit Dynamit gesprengt werden. Am 8. April wurde die erste Sprengung vorgenommen, vorsichtig und – erfolglos. Denen, die diesem ersten mißlungenen Versuch beigewohnt haben, wird der Augenblick unvergeßlich sein, als nach dem Luft und Erdboden erschütternden Knall die mächtige Staubwolke sich langsam verzog, alle die Tausende von Menschen in athemlosester Spannung den Zusammenbruch der Ruine erwarteten, die einen Augenblick lang sich thatsächlich zu heben schien und dann doch wieder stand, fest und trotzig, scheinbar unerschüttert, und wie sich die Spannung der großen Volksmenge in einem jubelnden Hurraruf löste. Dieser Ruinenkoloß, der so romantisch über das weiße Trümmerfeld emporragte, erschien wie eine Persönlichkeit, eine gewaltige, heldenhafte Persönlichkeit, die sich gegen kleinliche Umsturzmächte zu halten hatte und – hielt.

Der Berliner Domthurm vor und nach der Sprengung.
Nach Original-Aufnahmen des Berliner Phototypischen Instituts Robert Prager in Berlin.

Und der Held hielt sich auch am zweiten Tage, am Montag den 10. April, als Major Gerding mit der weit stärkeren Ladung von 140 Kilogramm Dynamit die Sprengung wiederholte. Dasselbe Schauspiel wie am Sonnabend vorher. Nur die Risse klafften weiter. Eine dritte Sprengung sollte am Tage darauf erfolgen. Da geschah das Unerwartete: noch am Nachmittage des 10. April, um 4 Uhr, während nur Major Gerding mit ein paar Soldaten anwesend war, die sich noch rechtzeitig zurückziehen konnten, legte sich der Thurm langsam, als hätte[WS 1] er nur darauf gewartet, einsam und nicht in Gegenwart einer neugierigen, schaulustigen Menge zu sterben, nach der Seite des Spreebettes hin nieder. Ein gewaltiger Donnerkrach und eine die Luft weithin verfinsternde Staubwolke, die sich die wenigen in der Nähe zufällig und ahnungslos Vorüberwandelnden erst gar nicht zu erklären vermochten – und von der Stelle, wo die Ruine stand, bis zum Flußbett hin lag nur noch ein weißer Schutt- und Trümmerhaufen, aus dem kolossale Mauerstücke hervorragten. Die ganz ungewöhnlich starke Verankerung des Mauerwerks ist namentlich der Grund gewesen, daß zweimal eine Sprengung erfolglos verlaufen konnte, die unter keinen Umständen mit noch stärkerer Ladung hätte unternommen werden dürfen, wollte man nicht die Umgebung des Lustgartens, das Museum, das Schloß und die Häuser der Burgstraße aufs ernsteste gefährden. Schon bei dem zweiten Sprengungsversuch machte sich eine sekundenlange erdbebenartige Erschütterung des Bodens bemerkbar. Bei den Sprengungen hatte der Kaiser vom Mittelbalkon des Schlosses zugeschaut, während die Sprengungskommission auf der großen Freitreppe des Alten Museums Aufstellung genommen hatte. Die beiden elektrischen Batterien, mit denen die Minen entzündet wurden, befanden sich an einem der beiden Springbrunnen des Lustgartens.


Kleiner Briefkasten.

L. Z. in Weimar. Die einzige Ausgabe von Franz Liszts Briefen ist die, welche La Mara im Verlag von Breitkopf und Härtel in Leipzig herausgegeben hat. Die Sammlung umfaßt zwei stattliche Bände und wird Ihnen das Bild des liebenswürdigen Künstlers von seinen schönsten Seiten zeigen.


Inhalt: [ Verzeichnis der Beiträge in Nr. 18/1893]



[ Verlags-Werbung Ernst Keil's Nachfolger für W. Heimburg's Romane u Novellen. ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: häte