Die Geburtsstätte der „Zauberflöte“

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Textdaten
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Autor: Alfred Walter
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Titel: Die Geburtsstätte der „Zauberflöte“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 69–71
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Zur Entstehung der Oper von Wolfgang Amadeus Mozart
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Das Mozarthäuschen im Freihause zu Wien.
Nach einer Zeichnung von A. Ewald.

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Die Geburtsstätte der „Zauberflöte“.


Wer, die enge, stets menschenüberfüllte Kärnthnerstraße in Wien verlassend, die Ringstraße und statuengeschmückte Elisabethbrücke überschreitet, gewahrt jenseits der letzteren zur rechten Seite ein weitläufiges, altes Gebäude, das die Spuren vorübergegangener Jahrhunderte deutlich an sich trägt – es ist das Starhemberg’sche Freihaus. Auf einem riesigen Flächenraume mit wahrer Raumverschwendung erbaut und seiner Bauart nach längst nicht mehr den Anforderungen modernen Geschmacks und Comforts entsprechend, mußte es in einer Zeit so reger Baulust bald die Aufmerksamkeit einer begehrlichen Baugesellschaft auf sich ziehen; so wurde das Haus denn auch zur Demolirung bestimmt, und bald werden sich an seiner Stelle neue Gebäude erheben und neue Straßenzüge dem Verkehre Raum schaffen.

Mit dem alten Freihause aber sind persönliche Erinnerungen an den großen Meister der Tonkunst verknüpft, der innerhalb jener Mauern eines seiner bedeutendsten Werke, „Die Zauberflöte“, geschaffen hat – und darum sei der nun der Vernichtung anheimgefallenen Stätte hier in weihevoller Erinnerung gedacht.

Es war im Frühlinge des Jahres 1791, als der Theaterdirector Emanuel Schikaneder an Mozart, dessen Bekanntschaft er schon vor elf Jahren in Salzburg gemacht hatte, mit der Aufforderung herantrat, eine Oper für sein Theater zu componiren, um dem etwas herabgekommenen Musentempel wieder auf die Beine zu helfen. Mozart war die Idee, eine deutsche Oper zu schreiben, hochwillkommen; hatte er ja doch selbst oft genug seine Sehnsucht nach Befreiung der deutschen Bühne von der Herrschaft der Wälschen und nach Begründung einer nationalen Oper ausgesprochen. Am deutlichsten erhellt dies aus seinem Briefe vom 21. März 1785 an den Theaterdirector und Dramaturgen Anton Klein in Mannheim; nachdem er in diesem Schreiben seinen Unwillen über die Ränke der italienischen und die mangelnde Thatkraft der deutschen Partei Ausdruck gegeben, schließt er dasselbe folgendermaßen:

„Die Idee dermalen ist, sich bei der deutschen Oper mit Acteurs und Actricen zu behelfen, die nur zur Noth singen; zum größten Unglück sind die Directeurs des Theaters sowohl als des Orchesters beibehalten worden, welche durch ihre Unwissenheit und Unthätigkeit das Meiste dazu beigetragen haben, ihr eigenes Werk fallen zu machen. Wäre nur ein einziger Patriot mit am Brette – es sollte ein anderes Gesicht bekommen! – Doch würde vielleicht das so schön aufkeimende National-Theater zur Blüthe gedeihen, und das wäre ja ein ewiger Schandfleck für Deutschland, wenn wir Deutsche einmal mit Ernst anfingen deutsch zu denken – deutsch zu handeln – deutsch zu reden und gar deutsch – zu singen! – Nehmen Sie nur nicht übel, mein bester Herr geheimer Rath, wenn ich in meinem Eifer vielleicht zu weit gegangen bin. Gänzlich überzeugt, mit einem deutschen Manne zu reden, ließ ich meiner Zunge freien Lauf, welches dermalen leider so selten geschehen darf, daß man sich nach solch einer Herzensergießung kecklich einen Rausch trinken dürfte, ohne Gefahr zu laufen, seine Gesundheit zu verderben.“

Wenn sich Mozart trotzdem anfänglich weigerte, die Musik zur Zauberflöte zu schreiben, so geschah es wegen des mangelhaften Textes, der ihm nicht zusagen wollte; die dringenden Bitten Schikaneder’s und mehr noch der mächtige Drang zum Schaffen besiegten jedoch seine Bedenken, und er willigte ein. Entscheidend für diesen Entschluß mochte wohl auch die Hoffnung auf pecuniären Erfolg eingewirkt haben; denn vom Wiener Hofe nach dem Tode des Kaisers Joseph schmählich vernachlässigt und ignorirt, in seinem Ringen nach einer festen Lebensstellung stets durch seine zahlreichen Feinde gehindert, mußte er die dargebotene Gelegenheit schon um seiner bedrohten Existenz willen ergreifen. Leider sollte er gerade in diesem Punkte um eine traurige Erfahrung reicher werden. Da in Schikaneder’s Casse die vollständigste Ebbe herrschte, wollte oder konnte Mozart keinen Anspruch auf das dazumal für die Composition einer Oper übliche Honorar von hundert Ducaten erheben, und er begnügte sich damit, daß ihm das Erträgniß von dem Verkaufe seiner Partitur an andere Bühnen zugesagt wurde. Wahrlich bescheidene Ansprüche, wenn man die Forderungen moderner Operncomponisten damit vergleicht! Und ein trauriges Merkzeichen der guten alten Zeit, daß man sich die Werke eines Künstlers wohl gefallen ließ, um den Menschen aber sich blutwenig bekümmerte. Mozart’s gutmüthige Bescheidenheit wurde schlecht belohnt, denn der biedere Schikaneder verkaufte später in aller Stille die Partitur für seine eigene Rechnung, und Mozart blieb das leere Nachsehen.

[71] Da es dem Theaterdirector vor Allem darum zu thun war, die neue Oper möglichst bald auf die Bretter zu bringen, war er bemüht, für den Componisten einen Ort aufzufinden, wo dieser möglichst ungestört an’s Werk gehen könne, und er fand ein Plätzchen, wie es den Neigungen Mozart’s, der ein warmer Freund der Natur und ihrer unvergänglichen Reize war, nicht besser entsprechen konnte.

In dem altmodisch umfriedeten Garten, der die eine Hälfte des mittleren großen Hofes im Freihause einnimmt, räumte er Mozart den schmucklosen, hölzernen Gartenpavillon ein, welcher, an die Einfassungsmauer gelehnt, dem Auge einen reizenden Ausblick auf das Gärtchen gewährte. Hier, die blumenbesäeten Wiesen und blühenden Bäume vor seinen Augen, konnte der Meister den Eingebungen seiner überreichen Phantasie lauschen, und im verständnißvollen Anschauen der Natur enthüllte sich ihm das, was in seinen Werken mit den Mitteln höchster Kunst zum Ausdrucke kam, das Schöne.

Mit vollem Eifer gab sich Mozart dem Schaffen hin, so daß die Oper der Hauptsache nach schon im Juli beendet war; doch verzögerte sich die erste Aufführung noch einige Monate, da in der Zwischenzeit noch die Reise nach Prag und dort die Aufführung der zum großen Theile während der Reise dahin componirten Oper „Titus“ erfolgte.

Zur selben Zeit entstand auch jenes berühmte Ave verum, das, an Schönheit des musikalischen Gedankens und an Formenadel selbst unter Mozart’s eigenen Werken einzig dastehend, den Stempel Mozart’scher Weihe am reinsten an sich trägt. Die weihevolle, religiöse Stimmung, die über dieser Tondichtung ruht, beherrscht auch die ernsteren Theile der „Zauberflöte“; ein Hauch tiefer, edler Trauer zieht durch diese Musik und giebt Zeugniß von dem Gemüthszustande, der den Meister jetzt erfaßt hatte. Die rauhe Wirklichkeit des Lebens hatte mit allzu harter Hand an diese zartbesaitete Natur gegriffen, zugleich aber auch das innerste Wesen Mozart’s vertieft und geläutert.

Am 30. September 1791 ging die „Zauberflöte“ zum ersten Male in Scene. Das Schikaneder’sche Theater, nur aus Riegelwänden erbaut, ist längst verschwunden, und an seiner Stelle erhob sich später ein neuer Tract des Freihauses. Ein Exemplar des Theaterzettels aber, welcher die erste Aufführung der Oper ankündigt, ist noch erhalten und zeigt, welch große Wichtigkeit der Theaterdirector seiner eigenen werthen Persönlichkeit beilegte. Nach den in großen Lettern gedruckten Worten: „Zum ersten Male: ‚Die Zauberflöte‘. Eine große Oper in 2 Acten, von Emanuel Schikaneder,“ sind die handelnden Personen aufgeführt, und erst darunter finden sich in kleinerem Drucke die Worte:

„Die Musik ist von Herrn Wolfgang Amade Mozart, Kapellmeister und wirklicher K. K. Kammerkompositeur. Herr Mozart wird aus Hochachtung für ein gnädiges und verehrungswürdiges Publikum, und aus Freundschaft gegen den Verfasser des Stücks, das Orchester heute selbst dirigiren.“

Der Erfolg der Oper, anfangs ein schwacher, steigerte sich in jeder folgenden Aufführung, je mehr die wunderbaren Schönheiten dieses Werkes in’s Verständniß drangen. –

Bald wird die Stätte, wo die „Zauberflöte“ das Licht der Welt erblickt hat, nicht mehr erkennbar sein, und wo sich im Garten einst die gefiederten Sänger lustig in den Zweigen wiegten, wird geschäftiges Treiben und Wagengerassel wiederhallen. Das hölzerne Gartenhäuschen aber wird den Verehrern Mozart’s auch in Zukunft erhalten bleiben. Nachdem es nach Mozart’s Tode lange verwaist und unbeachtet gestanden, nahm sich seiner der im Jahre 1862 verstorbene Fürst Camillo Rüdiger von Starhemberg an, sorgte für die Erhaltung desselben und ließ eine hölzerne Votivtafel daran anbringen. Als nun in jüngster Zeit die Kunde in die Oeffentlichkeit drang, daß das Freihaus verkauft werden sollte, bewarb sich die „Internationale Mozart-Stiftung“ in Salzburg auf Anregung ihres kunstsinnigen Präsidenten, Freiherrn von Sterneck, um das Häuschen, und nachdem Fürst Starhemberg es bereitwilligst der genannten Stiftung zur Verfügung gestellt hat, wird es künftig die Geburtsstadt des großen deutschen Tondichters zieren. Der nächste Herbst wird es, neu aufgerichtet, in alter Form unter den Bäumen des Mirabellgartens wiederfinden.

Alfred Walter.