Die Geister des Sees

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Textdaten
Autor: vermutlich Amalie von Imhoff
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Titel: Die Geister des Sees
Untertitel:
aus: Friedrich Schiller:
Musen-Almanach für das Jahr 1799, S. 165 – 169
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1799
Verlag: J. G. Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: HAAB Weimar, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung: Die Chiffre F. wird Amalie von Imhoff zugeschrieben.
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[165]
Die Geister des Sees.


Dumpf rauschts vom hohen Wogenstrand
Ans steile Felsengestade,
Und grau wie der Geister wehend Gewand
Webt dichter Nebel sich übers Land,

5
Und hüllt die dämmernden Pfade.

Die herbstlichen Lüfte säuseln,
Es steigt in leisen Kräuseln
Die blaue Welle des Sees,
Aus Wolken die Sterne blinken,

10
Und langsam wogen und sinken

Die Silberflocken des Schnees.

     Und in der Nacht die still und kalt
Um Ullins Hügel sich breitet,
Am Ufer, das dunkel die Flut umwallt,

15
Da wankt und irrt eine holde Gestalt

Von banger Liebe geleitet.
Die seidnen Locken wehen,
Sie eilt mit ängstlichem Spähen
Scheu zu dem nächtlichen Hayn.

20
Laut ruft sie mit wildem Blicke,
[166]

Dumpf kehrt die Stimm’ ihr zurücke,
Die Winde nur ächzen drein.

     Was irrt Allona so spat im Reif
Von Ullins einsamen Auen?

25
Ihr leuchtet nur ferne der Purpurstreif

Des hellen Nordlichts mit breitem Schweif,
Es strahlet ahnendes Grauen.
Sie sucht im röthlichen Scheine
Cathullin den Jäger der Hayne,

30
Den Sohn der schattigen Höhn,

Zwey Nächte sah sie vom Stamme
Bemooster Eichen die Flamme
In einsamer Halle verwehn.

     Und an der jähen Felsenwand,

35
Wo seufzende Wellen sich schlagen,

Da faßt es ihr flatternd weißes Gewand,
Da schmiegts sich schmeichelnd an ihre Hand
Mit leise winselnden Klagen.
„Bist du es Luath, der Treue?

40
Jagt nicht Chatullin das scheue

Dem Pfeil entflichende Reh?
Verlies er des Waldes Pfade

[167]

Umirrend die Felsgestade
Vom Nebelzeugenden See?

45
     Ach, nimmerjagt er’s scheue Reh

Kehrt nimmer zum heimischen Heerde,
Es rauscht mir so traurig der dunkle See
Und jede Welle, sie seufzet Weh.
Laut winselt der Jagden Gefährte,

50
Stets blieb mit treuem Geleite

Er seinem Gebieter zur Seite
Jezt liegt er am Ufer allein!
Verkündet’s nächtliche Lüfte
Umfangen die feuchten Grüfte,

55
Des Jünglings starres Gebein?“


     Da rauscht die Luft, ein Sturm erhebt
Der See die schäumenden Wogen,
Und bleich aus dem Dufte der Nacht gewebt
Schwankt leis ein Dunstbild empor und schwebt

60
Vom Sturm ans Ufer gezogen.

Die hohe Gestalt erreichet
Die Nebelwolken, es zeiget
Gelenkt und ungespannt,
Blaß wie aus neblichter Ferne

[168]
65
Der silberne Glanz der Sterne,

Den Bogen des Geistes Hand.

     Still ist und ernst sein Angesicht,
Er neiget es liebend nieder,
Und leis wie der Lüfte Säuseln er spricht:

70
„Mit Beute der Jagden kehr’ ich nicht

Zur Flamme des Heerdes wieder.
Mich lockt’ aus dem schützenden Hayne
Hervor im Nebelscheine
Das eilend flüchtige Reh,

75
Ein Duft barg Ufer und Wogen,

Da sank ich vom Schimmer betrogen
Hinab in den schweigenden See.“

     Mit Liebes Arm Allona strebt
Die theure Gestalt zu fassen,

80
Die bleich vom Schleier der Nacht umwebt,

Sich scheidend höher und höher hebt,
Sie sieht sie im Duft erblassen.
Dann faßt sie nächtliches Grausen,
Es rauscht mit dumpfem Brausen

85
Um sie des Sturmwinds Wuth,

Ihr schwinden die matten Sinnen,

[169]

Da reißt sie’s wirbelnd von hinnen
Hinab in die tiefe Flut.

     Und wenn es rauscht vom Wogenstrand

90
Ans steile Felsengestade,

Und grauer Nebel, wie Geists Gewand,
Sich dichter webt ums weite Land,
Verhüllend die öden Pfade,
Dann sieht man die Wellen sich kräuseln,

95
Es schweben mit leisem Säuseln

Herab wie Flocken des Schnees
Zwey Geister mit schwachem Blinken,
Sie wanken, wogen und sinken
Vereint in den Schoos des Sees.

F***