Die Gräfin von Orlamünde (Grimm)

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Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Die Gräfin von Orlamünde
Untertitel:
aus: Deutsche Sagen, Band 2, S. 376-377
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Nicolai
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Commons,Google
Kurzbeschreibung:
Die Gräfin von Orlamünde
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[376]
579.
Die Gräfin von Orlamünde.
Lazius de migrat. gent. Lib. 7.

Waldenfels antiquitatis selectae libri XII. Norimb. 1677. 4. p. 465 - 474.
Vgl. Jungs Anmerk. zum Titelkupfer seiner Geisterkunde.


Otto, Graf zu Orlamünde, starb 1340 (nach andern 1275. 1280. 1298) mit Hinterlassung einer jungen Witwe, Agnes, einer gebornen Herzogin von Meran; mit welcher er zwei Kinder, ein Söhnlein von drein, und ein Töchterlein von zwein Jahren erzeugt hatte. Die Witwe saß auf der Plassenburg und dachte daran, sich wieder zu vermählen. Einstens wurde ihr die Rede Albrechts des Schönen, Burggrafen zu Nürnberg, hinterbracht, der gesagt hatte: „gern wollt ich dem schönen Weib meinen Leib zuwenden, wo nicht vier Augen wären!“ Die Gräfin glaubte, er meinte damit ihre zwei Kinder, sie ständen der neuen Ehe im Weg; da trug sie, blind von ihrer Leidenschaft, einem Dienstmanne, Hayder oder Hager genannt, auf, und gewann ihn mit reichen Gaben, daß er die beiden Kindlein umbringen möchte. Der Volkssage nach sollen nun die Kinder diesem Meuchelmörder geschmeichelt und ihn ängstlich gebeten haben: „lieber Hayder, laß mich leben! ich will dir Orlamünden geben, auch Plassenburg des neuen, es soll dich nicht gereuen“ sprach das Knäblein; das Töchterlein aber „lieber Hayder, laß mich leben, ich will dir alle meine Docken geben.“ Der Mörder wurde hierdurch nicht gerührt, und vollbrachte die Unthat; als er später noch andre Bubenstücke ausgerichtet hatte, und gefangen auf der Folter lag, bekannte [377] er „so sehr ihn der Mord des jungen Herrn reue, der in seinem Anbieten doch schon gewußt habe, daß er Herrschaften auszutheilen gehabt: so gereue ihn noch hundert Mal mehr, wenn er der unschuldigen Kinderworte des Mägdleins gedenke.“ Die Leichname der beiden Kinder wurden im Closter Himmelskron beigesetzt, und werden zum ewigen Andenken der Begebenheit als ein Heiligthum den Pilgrimmen gewiesen.

Nach einer andern Sage soll die Gräfin die Kinder selbst getödtet, und zwar Nadeln in ihre zarte Hirnschalen gesteckt haben. Der Burggraf hatte aber unter den vier Augen die seiner beiden Eltern gemeint, und heurathete hernach die Gräfin dennoch nicht. Einigen zufolge ging sie, von ihrem Gewissen gepeinigt, barfuß nach Rom, und starb auf der Stelle, so bald sie heim kehrte, vor der Himmelskroner Kirchthüre. Noch gewöhnlicher aber wird erzählt: daß sie in Schuhen, inwendig mit Nadeln und Nägeln besetzt, anderthalb Meilen von Plassenburg nach Himmelskron ging, und gleich beim Eintritt in die Kirche todt niederfiel. Ihr Geist soll in dem Schloß umgehen.