Die Häfnet-Jungfrau (Badisches Sagen-Buch)
Siehe auch: Die Häfnet-Jungfrau (Werkausgabe 1834) |
Vetter, wo simmer doch echterst? Bald glaubi, mer seige verirret.
’s schlacht kei Uhr, me hört ke Guhl; es lütet ke Glocke;
Wo me lost, und wo me luegt, se findt me ke Fueßtritt.
Chömmet do das Wegli ab! Es isch mer, mer seige
Drüber mueß; jez wäri froh. Der Sunne no möcht es
Schier gar Zehni sy. Sel wär kei Fehler, mer chäme
Alliwil no zitli gnueg go Steine bis Mittag. –
Geltet, was hani gseit! Gottlob, do simmer am Häfnet,
Hüte früeih, wills Gott, und hentich gwäschen und d’Hoor gstrehlt
Mittem Richter? Mengmol müen au d’Finger der Dienst thue,
Und der sehnt mer schier so us. Jo, Vetter, i warnich,
Wemmer bim Brunne sind, me würdich wäschen und strehle.
No ne Huus, me seit em numme ’s Steinemer Schlößli.[1]
’s thuet de Hamberchs-Lüten und ’s thuet de Buure, wo gfrohnt hen,
Bis es gstanden isch mit sine Staflen am Giebel,
Au kei Zahn meh weh. Doch liege sie rüeihig im Bode,
In dem Schlößli ghuset het mit Vater und Muetter.
’s isch e Zwingher gsi, und ’s het des Frohnes kei End g’ha,
Bald ufs Tribe, bald zuem Bauen oder an Acker,
z’Nacht zuem Hüeten in’s Feld, und het der Zwingher und d’Zwingfrau
Mitteme Zuckergsicht und marzipanene Hälsli.
Bald het ein go Basel müeßen oder no witers,
Salbe hole, das und deis zuem Wäschen und Strehle,
Schueh mit gstickte Bluemen und chosperi goldene Chappe
Meinetder denn, sie wär e mol go Steine in d’Chilche
Uffem Bode gange mit ihre papierene Schuhne?
Oerliger, bim Bluest, vom thüürste, wo me cha finde,
Hen sie müeße spreite vom Schlößli bis füren an Steine
Und am Möntig wäschen. Am nächste Samstig het Alles
Müeße sufer sy, wie neu vom Weber und Walker.
’s isch emol en alte Ma, ’s heig Niemes si Heimeth
Wüsse welle, neben an dem Oerliger-Fueßweg
Jumpferli,“ heig er gseit, „’s isch mit dem Plätzli nit z’spasse.
Goht mer so in d’Chilchen und über die graßige Gräber?
Wie heißts in der Bibel? Der werdets iemerst nit wüsse:
Erde sollst du werden, aus Erde bisch du genommen!
Sel mol uf Oerlinger-Tuech in d’Chilche gangen und nümme!
Nei, ’s mueß Flanell her am nächste Sunntig mit rothe
Bendle rechts und links und unten und obe verbendlet.
O, wie mengmol hen doch d’Lüt im Stille der Wunsch gha:
Oder wo der Pfeffer wachst! Es sott der jo gunnt sy.“
Aber ’s het sie Niemes möge. D’Muetter isch gstorbe,
Der Vater au, sie liege nebenenander,
Und ’s chunnt z’letzt e Gang, wo ’s Töchterli füren in Chilchhof
Hen sie nit im Todtebaum vier Richter ins Grab treit?
’s seig nit briegget worde. Ne Vater unser den frilig
Alli betet, und gseit: „Gott geb der ewige Friede!“
Drum der Tod söhnt Alles us, wenns numme nit z’spot wär.
Gstanden und heig gseit mit schwere bidütseme Worte:
„Hesch nie das Plätzli birührt, so soll di das Plätzli nit tole.
Wo du ane ghörsch, weiß numme ’s Geitligers Laubi.“
’s isch so cho. Der ander Morge, women ins Feld goht,
Wer verbei isch, het en gseh, und ’s heißt no dernebe,
’s seige Grappe gnueg druf gsessen und heigen am Tuech pickt;
Wie mes macht; wenn näumis isch, se lüegt me no meh dra,
Jo, me hets wieder probiert, me het sie no tiefer vergrabe,
Endli seit der Vogt: „Me müen go ’s Geitligers Laubi
Froge, wo si ane ghört.“ Me rüstet e Wage,
Wettet d’Stieren i, und leit der Todtebaum ufe.
„Laufet, wo der went!“ Sie hen sie nit zweimol lo heiße.
Z’allernöchst am Brunne (der wüssets) womer vorbei sin.
In dem Brunne sitzt sie. Doch stigt sie an sunnige Tage
Mengmol usen ans Land, strehlt in de goldige Hoore,
Und wenn Näumer chunnt, wo selle Morge nit betet
Oder junge Bäum verderbt und Andere ’s Holz stiehlt,
Seit me: sie nehm en in d’Arm, und ziehnen aben in Brunne. –
Vetter, i glaub sel nit. Me seit so wege de Chinde,
Aß sie süferli werden und niene näumis verderbe.
Wo mer neben abe sin, und gwäschen im Brunne,
Und au wieder gstrehlt e mol. – Nei loset, was höri?
’s lütet z’Steine Mittag. Bal simmer dussen im Freie.
D’Zit wird eim doch churz im Laufe, wemmen au näumis
Seigs denn au nit wohr, es isch nit besser, wenns wohr isch.
Sehnt der jez dört ’s Schlößli mit sinen eckige Gieble?
Und das Dorf isch Steine. Do füre zieht si der Chilchweg.
- ↑ In der Nähe des Dorfes Steinen, zwei Stunden nordöstlich von Lörrach. Die hier erzählte Sage lebt noch im Munde der dortigen Landleute.