Die Hagenbeck’schen Singhalesen

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Autor: Ludwig Beckmann
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Titel: Die Hagenbeck’schen Singhalesen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 564–566
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Zurschaustellung einer Gruppe von Indigenen aus Ceylon und ihrer Nutztiere
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Die Hagenbeck’schen Singhalesen.

Die in neuerer Zeit in Deutschland wiederholt auftretenden Schaustellungen außereuropäischer Menschenrassen üben wohl auf Jedermann eine eigenthümliche Anziehungskraft aus. Es ist dies namentlich der Fall, wenn diese Fremdlinge, welche der Mehrzahl der Besucher wohl nur aus Abbildungen und Beschreibungen bekannt sind, in Begleitung ihrer eigenthümlichen Hausthiere erscheinen und wir somit Gelegenheit haben, die originelle Art und Weise, in welcher letztere von ihren Besitzern behandelt, gepflegt und benutzt werden, kennen zu lernen. Die ersten Versuche, wie auch die bedeutendsten Unternehmungen in dieser Richtung hat unseres Wissens der bekannte Thierhändler Karl Hagenbeck in Hamburg mit großem Erfolge durchgeführt, und von ihm ist auch das Arrangement der großen „Singhalesen-Karawane“ ausgegangen, welche diesen Sommer hindurch die größeren Städte Deutschlands bereist und bereits Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Dresden hinter sich hat.

Es sind das keine imitirten, sondern echte Singhalesen, wirkliche Einwohner der Insel Ceylon, welche die Agenten Hagenbeck’s zu einer Reise nach Europa veranlaßt haben. Sie sind mit Kind und Kegel bei uns erschienen, haben ihre leichten Hütten, ihre Hausthiere, Elephanten und Zeburinder, mitgebracht und auch die zweiräderigen „Ochsendroschken“ nicht vergessen.

Wir haben die immergrüne Heimath dieses 1½ Millionen Seelen zählenden Volkes erst vor Kurzem unsern Lesern ausführlich geschildert (vergl. „Gartenlaube“ Jahrgang 1883, Nr. 11) und können uns darum heute auf die Beschreibung des Thun und Treibens beschränken, welches sich beim Besuch der eigenartigen Schaustellung vor unsern Augen entwickelt.

In Mittelpunkte eines weiten freien Raumes befindet sich ein großes Wasserbassin, um welches die leichten Hütten der Singhalesen, aus Bambusstäben und einer Bedeckung von trockenen Palmblättern erbaut, sich gruppiren. Die Räume zwischen und hinter den Hütten sind mit Palmen und anderen großblätterigen Pflanzen entsprechend decorirt, sodaß das Ganze einer kleinen ceylonesischen Ansiedelung gewiß täuschend ähnlich sieht. – Es ist am frühen Morgen, nur einzelne Besucher zeigen sich hier und dort – in einer von den niederen Hütten ist der weibliche Theil der singhalesischen Bevölkerung eifrigst mit allerlei künstlichen Arbeiten beschäftigt. Die Männer füttern ihre Elephanten und Zebus oder lungern, mit der unvermeidlichen kurzen Pfeife im Munde und einem Kinde auf dem Arme, bei den Hütten umher. Ihr Körperbau ist leicht und zierlich, unter Mittelgröße, ja klein zu nennen, namentlich überrascht die geringe Größe der meistens sehr corpulenten Frauen und Mädchen. Der Gang ist rasch und elastisch, die Haltung aufrecht, die Haut zeigt bei den meisten Individuen eine prächtige Bronzefarbe, bei Andern ein Mandelgelb bis zum Braunschwarz hinab. Schädel- und Gesichtsbildung variiren sehr, doch scheinen die schmale, hohe Schädelform, eine etwas stumpfe Nase und gewulstete Lippen vorherrschend zu sein. Die Männer haben kurzen Bart und wie die Weiber langes, schwarzglänzendes Kopfhaar, welches von beiden Geschlechtern zu einem Chignon am Hinterkopfe aufgebunden und durch einen Hornkamm befestigt wird. Die Kleidung der Männer besteht in der Regel nur aus einem um die Hüften geschlagenen, bis auf die Füße hinabreichenden bunten Stücke Zeug, der Kopf ist turbanartig mit einem farbigen Tuche umschlungen. Die Frauen tragen den Kopf frei, aber außer dem langen Unterkleide noch kurze Jäckchen.

Die Kopfzahl der diesjährigen „Singhalesen-Karawane“ beziffert sich auf circa 40 Personen, darunter Männer, Frauen und Kinder jeden Alters. Die mitgeführten Thiere bestehen in einer Anzahl des schön gebauten Zebu, oder Zwerg-Buckelrindes und 20 Elephanten verschiedenen Alters. Um die Verwendung der Elephanten in ihrer Heimath zu zeigen, werden die riesigen Thiere im Laufe des Tages mehrere Male mit dem

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Die Hagenbeck’sche Singhalesen-Karawane.
Originalzeichnung von L. Beckmann.

[566] Fortschaffen und Aufstapeln einer Anzahl von Baumstämmen, die oft mehrere hundert Kilogramm schwer sind, beschäftigt, wie dies auf dem vorstehenden Bilde veranschaulicht wird.

Inzwischen sind die kleinen, flinken Zeburinder in die leichten zweiräderigen Cabriolets gespannt und zwar mittelst eines an der Spitze der beiden Deichselstangen befestigten einfachen Joches, welches vor dem Höcker des Rindes auf dem Nacken ruht und nach unten durch einen Gurt gehalten wird. Als Leitzügel dient ein feiner, glatter Strick, welcher durch die schon in früher Jugend für diesen Zweck durchbohrte Nasenscheidewand der Zebus gezogen wird. Die höchst einfachen, leicht und elegant gebauten rothlackirten Cabriolets haben eiserne Achsen und Reifen und sind augenscheinlich englisches Fabrikat, denn ein anderes im Zuge befindliches zweirädriges Fuhrwerk – vom indischen Festlande stammend – macht mit seinen niedrigen Holzrädern mit je vier Doppelspeichen und seinen eigenthümlichen Sitzvorrichtungen einen ganz andern, fremdartigen Eindruck.

In raschem Trabe eilen die elegant gebauten Zebus mit den leichten Fuhrwerken dahin, bald aber treiben die Lenker der Gespanne die Thiere durch leichte Gertenhiebe zu rasendem Galopp an, und so entspinnt sich ein tolles Wettfahren im Umkreis der Hüttengruppe.

Der dumpfe Schall eines großen Gonghs macht dem Treiben ein Ende, und wir werfen unsere Blicke der entgegengesetzten Ecke des Platzes zu, von wo sich langsamen, feierlichen Schrittes die lange Reihe der riesigen, mit bunten Decken geschmückten Elephanten nähert. Vorauf zwei Vorreiter, dann vier Musikanten mit dudelsackähnlich quietschenden und schnarrenden Instrumenten – dann kommt der stärkste Elephant mit den langen Stoßzähnen, er ist festlich geschmückt mit hellblauer Decke, welche wie der mit Federbüschen gekrönte Baldachin mit breiten Goldfranzen verziert ist.

Unter dem Baldachin sitzt rittlings auf weichem Polster der wohbeleibte Führer, mit gutmüthigem Lächeln wohlgefällig um sich schauend – er trägt ein langes bis unter die Arme reichendes Gewand von tadelloser Weiße und eine wundersame Kopfbedeckung von gleicher Farbe, welche am meisten einem viereckigen, aufgebauschten Kissen ähnelt. Arme, Hals und Füße sind nackt. Am Ende des langen Zuges folgt auch ein größeres vierräderiges Zebufuhrwerk – durch Verbindung zweier Cabriolets hergestellt. Darin sitzen oder hocken vier bis fünf Singhalesenfrauen oder -Mädchen im Kreise um eine große Kesseltrommel, welche sie unaufhörlich mit ihren kleinen, dicken Händen bearbeiten. Nach mehrmaligem Umzuge gebietet der Führer Halt, sein Elephant hebt den linken Vorderfuß hoch empor, um seinen Reiter absteigen zu lassen. Dann streckt sich das kluge Thier allmählich nieder – der Baldachinsattel (Houdah) wird abgeschnallt, die Decke entfernt und bald liegt die ganze Elephantenschaar behaglich auf der Seite und hält Siesta.

Neben und auf den lebenden Colossen ruhen ihre Führer rauchend, schwatzend oder den grottesken Sprüngen der buntgeputzten indischen Tänzer zuschauend, welche mitten auf dem Platze ihre Künste aufführen und mit überraschender Schnelligkeit und Präcision sich gleichmäßig nach rechts oder links schwenken und vor- und rückwärts springen. Anhaltender Applaus im Zuschauerraume belohnt die flotte Tänzerschaar, dann kommen die Schlangen- und Teufelsbeschwörer, welche in merkwürdigem Aufputze unter wunderlichen Grimassen schwer verständliche Pantomimen aufführen.

Nach dieser Arbeit begiebt sich die Singhalesen-Karawane an ihre starkgewürzte Mahlzeit, die zum größten Theil aus Reis besteht. Wehmüthig denkt dann wohl Mancher von ihnen an das ferne Ceylon und die ruhigere Siesta, die er dort unter dem Palmendache seiner Hütte gehalten, an die paradiesische Insel, auf welcher er noch weniger zu „arbeiten“ braucht, als hier in der Hagenbeck’schen Truppe.
L. B.