Die Hahnkrähe bei Breslau
Kein Ritter so stattlich, kein holderes Weib,
Gleich lieblich und edel an Seel’ und Leib;
Kein schöneres Paar einst wurde genannt,
Als die Wiesenburger im Schlesierland.
Aller Aug’ und Herz ist ihnen geneigt;
Ja, der Herzog selbst nicht dem Zauber entging:
Das merket und schüret der Kämmerling.
Der Herzog sieht auf den Ritter voll Leid,
Er wünscht, und der Wunsch wird Muth, wird Gluth,
Dem Ritter zu rauben sein Herzensgut.
Er sinnet und spinnt, doch vergebens er sann;
Die Edle nur lebt für den einzigen Mann;
Der Herzog wünschet ihn mondenweit.
Der Wunsch wird ihm zum Gespenst der Nacht,
Das mächtiger, wilder die Gluth anfacht,
Und schleicht in die Kammer bei Mondenschein,
Er liebet sein Weib, doch Schwert auch und Streit:
Schick’ ihn fort in den Kampf zu dem wilden Magyar,
Daß sein Weib er vergeß’ in der Fern’ und Gefahr!
Des Kaisers senden ein Fähnlein zum Heer;
Doch weiß, um zu Sorgen für Kaiser und Reich,
Keinen tapferern Führer ich, Ritter, als euch!
Bedenklich höret der Ehemann,
Der Herzog reichet die Hand ihm fein,
Der Ritter, ohn’ Arg, schlägt ritterlich ein.
Es duldet die Liebe des Schicksals Beschluß;
Doch wie säumet so bange der Abschiedskuß,
Von der Holden zu scheiden wie nimmer so schwer.
Vom Finger zieht er den goldenen Ring,
Den von ihr als der Treue Pfand er empfing;
Weh! wenn dir je brächte den Ring ein Mann,
Ein Christuskreuz am rosigen Band
Hängt die Betende um ihm mit weihender Hand:
Das soll dich beschützen in Leben und Tod,
Dich wieder mir bringen aus Kampf und Noth.
Als ob er den Hausherrn warn’ und ermahn’:
Bedenke dein Haus, dein Heil! sei wach! –
Und so kräht er noch lange dem Scheidenden nach.
Der Ritter zieht in den fernen Krieg;
Fern folgt ihm der Liebe Thränenblick,
Fern in sein drohendes Mißgeschick.
Er kommet zu früh nicht zur blutigen Schlacht;
Er bewährt sein Schwert mit Macht und Bedacht;
Sie verstricket den Muth in Gefangenschaft.
Im Kerker nun erst wird’s gräßlich ihm klar,
Daß betrogen, verrathen, verkauft er war;
Umschlossen von kalter, nächtlicher Wand,
Sieht – grausige Bilder! – sein Weib ihm geraubt;
Doch, küssend den Ring, an die Treu’ er noch glaubt,
Da tritt, kaum zeigt’s ihm der Dämmerung Schein,
Eine Rotte von Knechten im Kerker ein:
Sucht schnell für den Ring ein sichres Versteck;
Doch schneller noch fassen die Knecht’ ihn an;
Um den Ring ringt wüthend der riesige Mann.
Ist’s Nacht, – fort der Ring. Ein schauriger Traum
Schwebt ihm vor aus der Fern’ hellglänzendem Raum.
Er siehet sein Weib im Trauerkleid;
Des Herzogs Hof bezeigt ihr sein Leid;
Der Herzog reicht ihr des Ritters Ring.
Da wähnt er von Drachen und Molch sich umstellt,
Voll Teufel dünkt ihm die ganze Welt.
Geist der Hölle, Satan! ich weihe mich dir!
Da verschwinden die helleren Bilder des Traums;
Ihn flammt aus der Tiefe des nächtlichen Raum’s
Wildfunkelnder Augen Gespenstigkeit an: –
Was begehrst du, gefangener Rittersmann? –
Eh’ mein Weib wählt einen anderen Herrn;
Dein bin ich, doch dann nur, bringst du mich hin
Im Schlafe, daß dein ich bewußt mir nicht bin.
Wohlan! Ich nehm’ das Bedingniß an;
Der soll dich tragen in Eil’ durch die Nacht
Nach Breslau, eh’ du vom Schlaf’ erwacht.
Gen Breslau fliegt er; der Teufel ihm nach.
Der Teufel den Ritter am Kragen schon hat.
Nur wenig Gewände noch fehlen zum Ziel:
Verspielt ist, Armer dein Seelenspiel! –
Da fängt es im Osten zu schimmern an;
Der Ritter erwachet: Des Kreuzes Heil
War Schutz ihm; die Höll’ hat nicht an ihm Theil.
Der Hahn ist worden ein stattliches Roß,
Der Ritter steht vor der Heimath Schloß.
Des Weibes verkündigt, daß sein sie noch sei;
Und zwiefach selig aufs Neu’ er empfing
Der Liebe, der Treu’ goldlauteren Ring.
Auf dem Schloßhof’ lustig auch krähet der Hahn;
Denkt, dankbar dem Retter, in Freudigkeit:
Heil! wem der da krähet zur rechten Zeit!
Als Denkmal der Treue, nicht weit von der Stadt,
Steht am Platz’, wo der Teufel verspielet hat,
Sind sichtbar noch Kreuz, Roß, Wappen und Hahn.