Die Halsbandgeschichte

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Autor: L. K.
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Titel: Die Halsbandgeschichte
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aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 209–212
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Halsbandgeschichte.

Speit die Revolution ihre Todten aus? Oeffnet sie ihre Gräber, um den tollen Spuk der Gegenwart durch die unheimlichen Gespenster der Vergangenheit zu vermehren?

Während die stets gepanzerte Regierung Frankreichs aus den Rüstkammern der Revolution das Schreckenssystem der Jacobiner hervorsucht, um es als gute Wehr’ und Waffe gegen Unzufriedene und Verdächtige jeder Farbe zu gebrauchen, erhebt sich plötzlich aus seinem Grabe der geheimnißvolle Schatten eines der scandalösesten Vorspiele der Revolution. Wir würden es nicht glauben, wenn es nicht schwarz auf weiß gedruckt wäre und in allen Zeitungen stände: Die Halsbandgeschichte der Königin Marie Antoinette spielt noch einmal vor den Pariser Gerichtshöfen. Die Rechtsverfolger der Herren Boehmer und Bassange, Hofjuweliere unter Ludwig XVI., führen in diesem Augenblicke einen Proceß gegen die „Prinzen“ Rohan, die Schuldforderung betreffend, die durch den Verkauf des weltberühmten Halsbandes entstanden ist. Sie klagen gegen die Letzteren auf Anerkenntniß und Bezahlung der betreffenden Rechnung, die mit dem übrigen Activ- und Passivvermögen der Firma Boehmer und Bassange in ihren Besitz übergegangen ist.

Alle Welt kennt oder glaubt die berüchtigte Halsbandgeschichte zu kennen, die in der Chronique scandaleuse der achtziger Jahre eine Hauptrolle gespielt hat. Aber wer kann von sich sagen, er erkenne die einzelnen Fäden dieses verwickelten Intriguengewebes und sei im Stande, jeden von Anfang bis zu Ende zu verfolgen? Ist es doch selbst der gewissenhaften und unparteilichen Geschichtsforschung nicht gelungen, alle dunkeln Partien in diesem Drama aufzuhellen, und manche dürften unauflösliche Räthsel bleiben, da die betheiligten Personen aus Furcht oder Eigennutz das wahre Sachverhältniß verheimlicht oder entstellt haben. Prüfen wir unbefangen die Quellen, ziehen wir sorgfältig die besten Gewährsmänner zu Rathe, so überzeugen wir uns mehr und mehr, daß es eine Person gab, durch deren Mund die volle Wahrheit an den Tag kommen konnte – die Königin Marie Antoinette. Sie hat nicht gesprochen, den Schleier nicht gelüftet, die Verleumdung nicht Lügen gestraft. Das Geheimniß ruht in ihrem Grabe und reizt den Scharfsinn des Geschichtsforschers, der in den vorhandenen Berichten vergebens nach einer befriedigenden Lösung sucht.

Wenn wir nun hier eine kurze Darstellung der Halsbandgeschichte zu geben versuchen, so geschieht dies keineswegs in der Absicht, um ein neues Licht über dieses Intriguenspiel oder einzelne dunkele Partien desselben zu verbreiten. Jedermann hat in den Zeitungen die Nachricht von dem Proceß gegen die Prinzen Rohan gelesen, die Erinnerung an die Halsbandgeschichte ist wieder aufgefrischt, und der Leser wird es uns vielleicht Dank wissen, wenn wir seinem Gedächtniß zu Hülfe kommen.

Die Personen des scandalösen Drama’s waren: Marie Antoinette, Königin von Frankreich; der Prinz Rohan, Bischof von Straßburg, Großalmosenier und Cardinal; die Gräfin de la Motte, Abenteurerin und Intriguantin; ihr Mann, der angebliche Graf de la Motte, Garde-du-corps Monsieur’s; Demoiselle Oliva, „Cameliendame“; ein gewisser Rétaux de Villette und der berühmte Graf Cagliostro.

Der Schauplatz war der Hof von Versailles, die Zeit der Handlung das Jahr 1785.

Der Prinz Rohan, ein geistreicher, eitler, prachtliebender, den sinnlichen Genüssen ergebener Mann, war in Ungnade gefallen, weil er sich als Gesandter in Wien einige bittere Aeußerungen über Maria Theresia erlaubt hatte, die zur Kenntniß der Königin kamen und ihm deren Haß zuzogen. Obwohl er dessen ungeachtet nacheinander zum Großalmosenier, Cardinal, Abt von St. Waaß d’Arras und zuletzt zum Rector der Sorbonne ernannt ward, ertrug der eitle Hofmann doch nur seufzend eine Ungnade, die seinen ehrgeizigen Plänen keineswegs förderlich war. Er versuchte mehrmals, sich zu rechtfertigen, ward aber schnöde abgewiesen, und schon gab er die Hoffnung auf, die verlorene Gunst der Königin wieder zu erwerben, als ein Umstand eintrat, der sein Vorhaben mächtig zu fördern und einen gewissen Erfolg in Aussicht zu stellen schien.

Er hatte in Straßburg den berühmten mystischen Gaukler Cagliostro kennen gelernt und war nach dessen Ankunft in Paris sein fanatischer Anhänger geworden. Ihm vertraute er den tiefen Kummer, den er über die Fortdauer der königlichen Ungnade und die Fruchtlosigkeit seiner Rechtfertigungsversuche empfand. Der große Magier, der mit einer ungemeinen Menschenkenntniß die gemeine Berechnung eines Gauners verband, ließ dem Cardinal eine Frau vorstellen, die zwar zunächst nur eine Geld-Unterstützung nachsuchte, aber durch ihre Herkunft, ihr romantisches Geschick, ihren Geist, ihr feines Benehmen und ihr pikantes, reizendes Aeußere befähigt war, sowohl den Cardinal für ihre Person zu interessiren und sein Vertrauen zu gewinnen, als auch die Rolle einer Vermittlerin zwischen ihm und der Königin, und sei es auch nur zum Schein, zu spielen. Diese Frau, die in gerader Linie von Heinrich II. abstammte und sich deshalb Valois nannte, war die Tochter eines Landmannes, der ein nicht unbedeutendes Vermögen durchgebracht und sein Leben als Bettler in einem Pariser Spital beschlossen hatte. Nach seinem Tode nahm sich die Marquise von Boulainvilliers der armen Verlassenen an, sorgte für ihre Erziehung und verschaffte ihr einflußreiche Gönner und Freunde. Die junge Valois eignete sich bald den feinen Ton der höheren Gesellschaftskreise an, ward als letzter Sproß des königlichen Geschlechts der Valois förmlich anerkannt, erlangte als solcher eine Pension, und war seit Kurzem mit dem Grafen de la Motte verheirathet, als sie sich mit einem Gesuch um Unterstützung an den verschwenderischen und mildherzigen Cardinal wandte. Dieser, schon im Voraus durch das Gerücht von ihrer Herkunft und ihrem Geschick günstig für sie gestimmt, überließ sich dem Zauber, den das anmuthige und einschmeichelnde Wesen der jungen, mit allen leiblichen und geistigen Vorzügen ausgestatteten Abenteurerin auf ihn ausübte. Er beklagte sich gegen sie über die ungnädige Behandlung, die ihm die Königin zu Theil werden ließ, und als nun die Lamotte wie zufällig äußerte, daß es ihr bei ihren bis in die höchsten Hofkreise hinaufreichenden Verbindungen gelingen dürfte, die Gunst und das Vertrauen der Königin zu gewinnen, ging er bereitwillig auf diese Idee ein und redete ihr zu, ihre Bewerbungen um den Schutz der Königin zu beginnen. Darauf hatten die Lamotte und ihr Helfershelfer Cagliostro gewartet. Sie entwarfen sogleich ihre Gaunerpläne, die sie denn auch, soweit es die Umstände gestatteten, mit vollendeter Meisterschaft ausführten.

Der Cardinal erfuhr alsbald von der Gräfin den glücklichen Erfolg ihrer Bemühungen. Sie war der Königin vorgestellt worden, hatte Zutritt zu ihr und besaß in gewisser Hinsicht ihr Vertrauen. Hocherfreut über diese Nachricht und in vollem Glauben [210] an den wachsenden Einfluß der Gräfin, bat der Cardinal um ihre Vermittelung bei der Königin, mit der er sich um jeden Preis zu versöhnen wünschte. Bereitwillig übernahm die Gräfin die ihr angetragene Vermittlerrolle, und ihre angeblichen Verhandlungen mit der Königin hatten zunächst den Erfolg, daß dem Cardinal gestattet ward, sich zu rechtfertigen. Er händigte der Gräfin ein ehrfurchtsvolles Schreiben an die Königin ein und erhielt bald eine eigenhändige Antwort derselben mit den gnädigsten Zusicherungen. Der Cardinal schrieb wieder und die Gräfin ließ abermals eine Antwort an ihn gelangen, die nichts weniger als Haß und Verachtung athmete und wohl geeignet war, den eiteln, nichts argwöhnenden Mann zu dem Glauben zu verleiten, daß die Königin ihn heimlich liebe. Diesen verderblichen Wahn benutzte vorerst die Gräfin, um dem Cardinal nach und nach die Summe von 120,000 Livres abzuschwindeln. Sie gab ihm nämlich zu verstehen, durch Geldvorschüsse würde er sich der Königin, die sich manchmal in Geldverlegenheit befinde, ganz besonders verbinden. Wahrscheinlich theilte sie die geraubte Summe mit Cagliostro, dem als intellectuellem Urheber der saubern Intrigue ein Trinkgeld gebührte.

Kühn gemacht durch den guten Erfolg seiner schriftlichen Gunstbewerbungen, wagte der Cardinal, um eine geheime Zusammenkunft mit der Königin zu bitten. Diesen Wunsch zu erfüllen, ließ die Lamotte eine gewisse Demoiselle Oliva, die der Königin in Gestalt und Haltung ähnlich war, von Paris nach Versailles kommen und arrangirte hierauf folgende Scene. Der Cardinal mußte sich zwischen elf und zwölf Uhr Nachts in den Schloßpark begeben. Dort fand er an einer bestimmten Stelle eine tiefverschleierte Dame, die ihn erwartete und ihm mit den Worten: „Sie wissen, was das bedeutet,“ eine Rose überreichte. Während er die Rose an seine Brust drückt und auf eine Antwort sinnt, flüstert ihm eine unbekannte Stimme zu: „Fliehen Sie! dort kommen Madame und die Gräfin von Artois.“ Es war die Lamotte, die ihm gefolgt war und ihn jetzt fortzog.

Der Cardinal war nun soweit vorbereitet, daß die Gräfin zur Ausführung ihres Hauptplanes schreiten konnte. Auch hierbei war ihr Cagliostro behülflich, indem er Rohan’s wachsende Leidenschaft für die Königin, von der er geliebt zu sein wähnte, in feiner Orakelmanier durch geheimnißvolle Bedeutungen und Winke mehr und mehr entflammte.

Die Hofjuweliere Boehmer und Bassange hatten ein kostbares Halsband von Diamanten, dessen Werth sie auf 1,600,000 Livres anschlugen, anfertigen lassen und wiederholt der Königin zum Verkauf angeboten. Als sie im Jahre 1778 ihr erstes Wochenbett hielt, schien der König geneigt, ihr das Halsband zu schenken, sie lehnte es aber auf das Entschiedenste ab. Nach ihrer zweiten Niederkunft im Jahre 1781 wiederholte der König sein Anerbieten, erhielt aber auch diesmal eine abschlägige, fast zornige Antwort. Die französische Staatsschuld war schon damals zu einer ungeheueren Summe angeschwollen, die öffentliche Meinung murrte laut über die kolossalen Verschwendungen des Hofes, man glaubte daher den Grund einer sonst unerklärlichen Weigerung in der übeln Finanzlage zu finden, die der Königin die Pflicht auferlegte und vielleicht auch die erwünschte Gelegenheit bot, vor den Augen der Welt ein Opfer zu bringen, über das sie im Stillen seufzte.

Die Juweliere gaben die Hoffnung nicht auf, daß die Königin doch zuletzt das kostbare Kleinod kaufen würde. Auf Cagliostro’s Rath wandten sie sich Ende des Jahres 1784 an die Lamotte und versprachen ihr ansehnliche Geschenke, um sie für den Handel zu interessiren. Die Gräfin that anfangs etwas spröde, aber kaum war der Cardinal von seinen Gütern im Elsaß nach Paris zurückgekehrt, so stellte sie ihm vor, die Königin wünsche das Halsband zu kaufen, könne es aber wegen Geldmangel nur in Terminen aus ihrer Privatchatoulle bezahlen und würde es ihm Dank wissen, wenn er in ihrem Namen den Kauf mit den Juwelieren abschlösse und ihnen die Terminalzahlungen zusagte.

Bereits am 24. Januar 1785 konnte die Lamotte den Juwelieren anzeigen, daß der Cardinal zu ihnen kommen würde, um das berühmte Halsband für die Königin zu kaufen. Der angekündigte Besuch fand in der That statt, der Cardinal besah den Schmuck und ließ ihn zwei Tage später in seine Wohnung schaffen, wo dann der Kauf förmlich abgeschlossen wurde. Da aber die Juweliere Bedenken hinsichtlich der Bezahlung äußerten und wohl Anstand nehmen mochten, dem verschuldeten Cardinal den werthvollen Schmuck ohne Sicherstellung zu überlassen, zeigte er ihnen zu ihrer Beruhigung ein Handschreiben der Königin, worin die Kaufbedingungen genau angegeben waren: „Genehmigt, Marie Antoinette von Frankreich.“ Uebrigens zweifelte weder der Cardinal noch die Juweliere an der Echtheit dieses Handbillets, obwohl der Erstere als Prinz, Großalmosenier und ehemaliger Gesandter Frankreichs in Wien wissen mußte, daß Marie Antoinette niemals mit dem Zusatz „von Frankreich“ unterzeichnete.

Der Cardinal hatte also das Halsband und nun lag ihm daran, es der Königin durch eine zuverlässige Person zukommen zu lassen. Zu dem Ende begab er sich am 1. Februar 1785 Abends mit dem Schmuckkästchen in die Wohnung der Lamotte zu Versailles. Kaum war er hier angekommen, als sich ein Mann anmelden ließ, der von der Königin gesendet zu sein vorgab. Die Lamotte ließ den Cardinal in einen Alkoven treten, dessen Thür halbgeöffnet war, und aus diesem Versteck sah er, wie ein Mann eintrat und der Gräfin ein Billet überreichte, das diese dem Cardinal zusteckte. Es enthielt den Befehl, dem Ueberbringer das Schmuckkästchen zu übergeben. Der Bote war ein Kammerdiener der Königin, Namens Lesclaux, und von Person dem Cardinal bekannt, weshalb dieser kein Bedenken trug, ihm das Schmuckkästchen anzuvertrauen.

War das Kleinod auf diese Weise wirklich in den Besitz der Königin gelangt? Die Anhänger des Prinzen Rohan, und unter ihnen namentlich sein Vicar Georgel, behaupten es ganz entschieden. Dagegen wird von anderer Seite geltend gemacht: der Cardinal habe zuversichtlich erwartet, die Königin am ersten Pfingsttage mit dem Halsbande geschmückt zu sehen; da diese Hoffnung nicht erfüllt werden konnte, habe ihm die Gräfin mitgetheilt, die Königin finde den Preis zu hoch und wolle, wenn er nicht ermäßigt würde, den Schmuck zurückgeben.

Wir haben hier nicht zu untersuchen, ob diese oder jene Behauptung richtig sei, da es nicht unseres Amtes ist, die Welt von der Schuld oder Unschuld der Königin zu überzeugen. Wir halten uns lediglich an die geschichtlichen Daten, die actenmäßig feststehenden Thatsachen, und dürfen daher nicht verschweigen, daß die erwähnte Mitteilung der Gräfin allerdings durch einen Brief bestätigt wird, den der Cardinal Ende Juni an die Juweliere richtete. Der Kaufpreis ward in der That um 200,000 Livres ermäßigt und die Königin davon in Kenntniß gesetzt durch ein Schreiben, das sie in ihrem Bibliothekzimmer aus Boehmer’s Händen empfing. Sie las es ganz unbefangen der Madame Campan vor, ohne auch nur durch ein Wort oder eine Miene Erstaunen über ein solches Schreiben auszudrücken, dann hielt sie es gleichgültig an eine brennende Kerze und verbrannte es, wie man ein werthloses Stück Papier verbrennt.

Indessen rückte der verhängnißvolle Tag heran, an welchem die erste Abschlagszahlung geleistet werden mußte. Noch vor Ablauf der Frist theilte die Gräfin dem Cardinal mit, daß die Königin nicht in der Lage sei, die erste Rate an dem bestimmten Tage zu zahlen. Natürlich sollte nun wieder der Cardinal aushelfen, dessen Vermögensverhältnisse, wie schon erwähnt, keineswegs glänzend waren. In seiner Verlegenheit ließ er die Juweliere kommen, eröffnete ihnen, daß die Königin die für den ersten Termin versprochene Zahlung erst im October leisten könne, und bot ihnen vorläufig 30,000 Livres als Zinsvergütung an. Diese Summe wurde denn auch angeblich im Namen der Königin den Juwelieren ausgezahlt.

Dies geschah im Juli 1785. Am 3. August erschien plötzlich Madame Campan bei den Juwelieren unter dem Vorwande, daß sie einige Schmucksachen zu sehen wünsche. Dann knüpfte sie mit Boehmer ein Gespräch an, erkundigte sich im Laufe desselben gelegentlich nach dem Halsbande und erfuhr nun von dem Juwelier den ganzen Handel, den wir schon kennen. Zugleich aber gestand ihr Boehmer, daß er sich seit einiger Zeit genöthigt sehe, zur Beruhigung der Personen, von denen er Geld geborgt habe, die schriftlichen Befehle der Königin vorzuzeigen. Die Sache war also schon ruchbar geworden. Indessen beeilte sich die Campan keineswegs, die Königin von den Mittheilungen des Juweliers in Kenntniß zu setzen, und als sie sich endlich dazu entschloß, war bereits die ganze Intrigue dem Polizeiminister Breteuil hinterbracht worden. Dieser, ein Todfeind des Cardinals, begab sich eilig zur Königin und erstattete einen Haß und Rache athmenden Bericht. Die Königin war entrüstet über den schändlichen Mißbrauch ihres Namens; sogleich wurde Boehmer herbeigeholt und nach dessen Vernehmung über die zu treffenden Maßregeln Rath gepflogen. Die Furien des Hasses und der Rache schienen bei dieser Berathung den Vorsitz zu führen, und das [211] Resultat war ein öffentlicher Scandal, der das Unheil nur verschlimmerte und der Verleumdung neue Nahrung zuführte.

Am 15. August 1785, einem Festtage, als der Hof zum feierlichen Kirchgange versammelt war, ließ plötzlich der König den Cardinal in sein Cabinet rufen. Hier fand er außer dem Könige die Königin, den Großsiegelbewahrer und den Baron von Breteuil, und in deren Gegenwart sollte er Rechenschaft geben über den Kauf des Halsbandes. Darauf war er freilich nicht vorbereitet. Er gerieth in Verwirrung, stotterte einige Worte zu seiner Entschuldigung und betheuerte seine Unschuld. Allein weder diese Versicherung, noch die Rechtfertigungsschrift, die er sogleich in einem Nebenzimmer aufsetzen mußte, vermochten den einmal gefaßten Beschluß zu ändern. In dem Augenblick, als er aus dem Cabinet des Königs trat, ward er auf Befehl des Barons von Breteuil vor den Augen des Hofes verhaftet. Er ward nach der Bastille gebracht, fand aber unterwegs Gelegenheit, einen schriftlichen Befehl zur Vernichtung aller ihn compromittirenden Briefe an seinen Vicar Georgel in Paris abzusenden. Dann wartete man auffallender Weise noch volle vier Stunden, ehe man zur Haussuchung schritt, und so mußte denn freilich der eigentliche Hergang der Sache für alle Zeiten ein undurchdringliches Geheimniß bleiben.

Drei Tage später, am 18. August, ward die Lamotte in Barsur-Aube verhaftet. Sie hatte bereits ihre Papiere, darunter mehrere Briefe des Cardinals, verbrannt. Da sie sich durch ihren Helfershelfer Cagliostro verrathen glaubte, schob sie alle Schuld auf diesen, der nun ebenfalls festgenommen ward.

Die scandalöse Verhaftung des Cardinals hatte überall das größte Aufsehen erregt und die Gemüther erbittert. Seine zahlreichen und hochgestellten Verwandten, die Geistlichkeit, ein großer Theil des Adels, ja selbst die Tanten des Königs protestirten feierlich gegen die schonungslose und unwürdige Behandlung eines Prinzen und Kirchenfürsten. Aber als man erfuhr, daß der Cardinal die Gnade des Königs abgelehnt, und sich der Jurisdiction des Parlaments unterworfen habe, bildeten sich zwei Parteien, die je nach der Verschiedenheit ihrer Interessen Verdruß oder Freude an den Tag legten. Am meisten frohlockte das Parlament, denn es fand einmal Gelegenheit, die Kirche und die Geburtsaristokratie, seine beiden Hauptgegner, in der Person eines Cardinals und Prinzen zu demüthigen, ja – was noch wichtiger war – es sollte zugleich über die Ehre des Königs entscheiden. Der Triumph des Parlaments mußte natürlich den Stolz den Adels beleidigen, und erfüllte ihn mit Zorn gegen die Königin, durch deren blinde Leidenschaftlichkeit einer der glänzendsten Namen der französischen Adelsaristokratie dem Tagesgespött preisgegeben war. Auch der Klerus war in hohem Grade entrüstet, und donnerte gegen das Parlament, das einem Geistlichen den Proceß zu machen wagte. Der Papst drohte den Cardinal zu suspendiren, weil er sich einem weltlichen Gerichtshöfe unterworfen hatte. Alle besonnenen und verständigen Anhänger der Monarchie verwünschten die Verblendung des Hofes und weissagten dem Könige nichts Gutes von dem Ausgange eines Processes, der den letzten Nimbus der Krone, den fleckenlosen Ruf der Königin und die Ehre Ludwig’s XVI., zerstören mußte.

Endlich begann der für die Bourbonendynastie so verhängnißvolle Proceß, und nun fanden die Parteien reichen Stoff, sich gegenseitig anzugreifen und zu verleumden. Ein Theil des Adels und der Geistlichkeit erklärte sich für den Cardinal, die Mehrzahl der Hofleute hielt es mit der Königin, die große Menge, die Alles nur nach dem äußern Schein zu beurtheilen pflegt, beschuldigte die Königin, mit ihrer Ehre und dem Cardinal ein frevelhaftes Spiel getrieben zu haben, und ihre Erbitterung gegen dieselbe verwandelte sich nach und nach in förmlichen Haß.

Nach Verlauf mehrerer Monate ward durch die Untersuchung festgestellt: daß die Oliva nach den Weisungen der Lamotte in der uns bekannten Parkscene die Rolle der Königin gespielt; daß ein gewisser Rétaux de Billette, ein Bekannter des Grafen de la Motte, auf Anstiften und in Gegenwart der Gräfin das oben erwähnte Handbillet der Königin und die Unterschrift: „Genehmigt, Marie Antoinette von Frankreich,“ verfertigt; endlich, daß der Graf de la Motte an den Juwelier Gray in London für 10,000 Pfund Sterling Diamanten verkauft hatte.

Diesen wichtigen Ermittelungen zum Trotz leugnete die Lamotte beharrlich alle Schuld, und wußte sich mit vielem Geschick zu vertheidigen. Sie behauptete nämlich, die Anfertigung des königlichen Handschreibens, das Arrangement der nächtlichen Parkscene, Alles sei mit Bewilligung der Königin geschehen, um den Cardinal zu mystificiren und seine Discretion auf die Probe zu stellen. Die Diamanten, die ihr Mann in London verkauft hatte, gab sie keck für ein Geschenk der Königin aus.

Obwohl diese Erklärungen nicht förmlich zu Protokoll genommen wurden, gelangten sie doch in die Oeffentlichkeit, besonders durch Flugschriften, welche die Lamotte von London aus verbreiten ließ, und wurden zu den abscheulichsten Insinuationen gegen die Königin benutzt. Die öffentliche Meinung war einmal gegen die „Oesterreicherin“ eingenommen und ergriff begierig die Gelegenheit, den Ruf und die Ehre der Königin durch scandalöse Verdächtigungen zu besudeln. Die Königin ihrerseits versuchte nicht, sich von dem Verdacht zu reinigen, der an ihrer Person haftete, sie setzte allen Anklagen und Verleumdungen schweigende Verachtung entgegen und bedachte nicht, daß sie dadurch ihre Lage nur verschlimmerte. Das Schlimmste aber war, daß Niemand dem geistreichen und scharfblickenden Prinzen Rohan, der mit seltener Gewandtheit die diplomatischen Geschäfte in Wien geführt hatte, genug Geistesbeschränktheit und Einfalt zutraute, um sich von einer gemeinen Intriguantin anführen zu lassen. War Rohan nicht betrogen, so blieb nur die Alternative: entweder hatte er das Halsband für sich, oder im Namen und auf Befehl der Königin gekauft. Eine furchtbare, aber unvermeidliche Alternative!

Nun stand aber actenmäßig fest, daß der Cardinal die Juweliere aufgefordert hatte, das Benachrichtigungs- und Denkschreiben an die Königin zu richten, und dieser Umstand – so meinte man – bewies zur Genüge, daß der Cardinal nur im Auftrage der Königin und für sie das Halsband gekauft hatte. Die Schuldfrage war also von vorn herein so gestellt, daß die Freisprechung des Cardinals ein Schandfleck für den Ruf der Königin sein mußte.

Zum Unglück für Marie Antoinette war das Parlament von feindseligen Gesinnungen gegen den Thron erfüllt, und ergriff begierig die Gelegenheit, den König und die Königin zu demüthigen. Vor Allem bemühte sich der Hauptreferent d’Epremeuil, die Schuldfrage so zu formuliren, daß sich die oben erwähnte verhängnißvolle Alternative einem Jeden von selbst aufdrängen mußte. Dazu kam, daß die Rohan’sche Partei Alles aufbot, um das Parlament zu Gunsten des Cardinals zu stimmen. Alte, grauköpfige Parlamentsräthe wurden von jungen, schönen Bittstellerinnen bestürmt, und wo der Zauber eines reizenden Augenpaares nicht verfing, da bediente man sich des bekannten goldenen Schlüssels. An den Sitzungstagen stellten sich die Condé, die Rohan, die Soubise, die Guemenée in schwarzer Trauerkeidung vor dem Justizpalast auf, und begrüßten ehrfurchtsvoll die eintretenden Mitglieder des Gerichtshofes. Alle Bemühungen Breteuil’s, das Parlament für seinen Racheplan gegen den Cardinal zu stimmen, hatten keinen Erfolg.

Am 31. Mai 1786 versammelte sich das Parlament, um das Urtheil zu fällen. Der Cardinal ward von der Anklage entbunden, die Lamotte zu Staupbesen, Brandmarkung und lebenslänglichem Gefängniß verurtheilt, desgleichen ihr Mann in contumaciam; die Oliva und Cagliostro wurden freigesprochen, letzterer jedoch des Landes verwiesen; Billette ward auf immer verbannt.

Paris jubelte über die Freisprechung des Cardinals. Der ehedem unpopuläre Mann ward plötzlich vom Volke vergöttert. Als er in den Wagen stieg, um vorläufig nach der Bastille zurückzukehren, stritt man sich eifrig um die Ehre, seine Kleider zu küssen.

Für die Königin war das Urtheil ein furchtbarer Schlag. Sie überließ sich rücksichtslos ihren Zornausbrüchen gegen das Parlament und rächte sich auf eine beklagenswerthe Weise, indem sie es dahin brachte, daß der Cardinal seines Amtes als Almosenier entsetzt und vom Hofe verbannt ward.

Die Lamotte fand Gelegenheit, aus dem Gefängnisse zu entkommen, und begab sich zu ihrem Manne nach London. Dort ließ sie eine Denkschrift drucken, für deren Vernichtung der französische Hof ihr 200,000 Livres auszahlen ließ. Eis Exemplar blieb jedoch übrig, das Buch ward neu gedruckt, und gelangte in die Oeffentlichkeit.

Auf die Höfe von Europa machte der Ausgang dieser cause célèbre einen sehr üblen Eindruck; ja selbst die nächsten Verwandten der Königin, wie z. B. der Kaiser Franz II., ihr Neffe, zweifelten an ihrer völligen Schuldlosigkeit.

Es wird erzählt, unmittelbar nach der Urteilsverkündigung am [212] 31. Mai 1786 habe der Generalprocurator zu einem der Richter, einem eifrigen Vertheidiger des Cardinals, geäußert:

„Sie haben soeben die Grundpfeiler der Monarchie erschüttert.“

Das war nun freilich eine lächerliche Uebertreibung, die Grundlagen der Monarchie werden nicht in Frage gestellt durch die Chancen eines Processes. Aber es läßt sich nicht leugnen, daß unter den secundären Ursachen der Revolution die Halsbandgeschichte eine der wichtigsten und wirksamsten war. Die Sittenverderbniß der Großen, die lüderliche Wirthschaft am Hofe, der Antagonismus zwischen den höchsten Staatsgewalten, die absichtliche Verdunkelung aller Rechtsbegriffe, die Willkürherrschaft, der Volkshaß gegen die Träger der höchsten Gewalt, die Ohnmacht der Krone – kurz, alle Mängel und Schwächen der Bourbonenmonarchie kamen durch diese Gaunergeschichte und den sich daran knüpfenden Proceß an den Tag. Die Namen des königlichen Paares wurden mit Gaunern und Intriguanten in Verbindung gesetzt; es war geschehen um den Nimbus des Thrones Ludwig’s XIV.

L. K.