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Die Industrie im Waldbache

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Textdaten
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Autor: H. Beta
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Titel: Die Industrie im Waldbache
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 354–356
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Nachtrag
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[354]
Die Industrie im Waldbache.


Aus dem fernen Indien kam mir neulich ein Bericht über die verschiedenen Grade von Körper- und Geisteskraft der Bewohner zu. Leute an großen Flüssen und am Meeresgestade erwiesen sich arbeitsamer und einsichtsvoller als die, welche ohne Nahrung aus dem Wasser größtentheils von Reis und sonstiger Pflanzenkost lebten. Der betreffende englische Beamte fordert deshalb, man solle letzteren durch besondere Maßregeln, namentlich verbesserte Wege und Stege, Fisch- und Fleischnahrung zugänglicher machen.

Wir können freilich den Beweis näher haben, daß schlechtgenährte Völker weder geistig noch körperlich viel taugen und ohne Freiheit von drückenden Nahrungs- und Abgabesorgen auch die politische, gesellschaftliche und persönliche Freiheit nicht gedeihen kann.

Ich habe deshalb seit Jahren für Erweiterung und Bereicherung materieller Lebensbefriedigungsmittel als einer wesentlichen Grundlage aller Cultur Anregungen und Nachweise gegeben und namentlich in der Bewirthschaftung des Wassers eine unerschöpfliche, in Deutschland aber am meisten vernachlässigte Quelle dieser besseren Ernährung zugleich auch für den Geist nachgewiesen. „Neue Werke und Winke für die Bewirthschaftung des Wassers“, unlängst erschienen, machen uns mit den Anfängen und ersten Erfolgen dieses flüssigen Ackerbaues in Deutschland bekannt, namentlich mit den Plänen und Vorarbeiten des deutschen Fischereivereins, der sich unter dem Vorsitze des Kronprinzen von Preußen gebildet hat und unter seinen mehr als dreihundert Mitgliedern viele Gewährsmänner der Fischerei und als Vorsteher seiner fünf Commissionen den Oberregierungsrath Greif, die Professoren Virchow und Peters und den Dr. v. Bunsen aufweisen kann. Der Krieg hat zwar viele ihrer Pläne, wenn nicht vereitelt, so doch aufgeschoben. Wir hoffen deshalb um so freudiger, daß ein gründlicher, dauernder Friede uns in der Aufnahme vernachlässigter Culturarbeiten begünstige.

Das Wasser ist vielfach fruchtbarer als der beste Acker. Wir haben es bis jetzt beispiellos vernachlässigt und müssen uns besonders schämen, wenn wir in den „neuen Werken und Winken“ von vielen hundert blühenden, sich mit Hunderten von Procenten lohnenden Anstalten für künstliche Forellenzucht in Amerika und nur von schwachen Anfängen in Deutschland lesen.

Die Bachforelle, von Brehm unter die Thiere deutscher Wälder mit aufgenommen, ist, wie unser Wald, ein echt deutscher Vorzug. Auf unseren Tischen kommt sie nur ausnahmsweise als theurer und winziger Leckerbissen vor. Unzählige muntere Berg- und Waldflüßchen, die unter künstlicher Pflege die reichlichsten Ernten dieser schmackhaftesten aller Fische liefern würden, harren noch vergebens der Cultur, wie sie in Amerika in Hunderten von künstlichen Zuchtanstalten Blüthe und Früchte trägt.

[355] Um zur Belebung dieses flüssigen Ackerbaues gerade für Forellenzucht beizutragen, wollen wir hier die Erfahrungen und Lehren eines der ersten und sorgfältigsten Forellenzüchter im Wesentlichen mittheilen.

Unter dem wissenschaftlichen Beistande Brehm’s legte der unternehmende Berliner Capitalist Herr Stahlschmidt vor etwa drei Jahren eine künstliche Forellenzuchtanstalt in den Teichen und Flüssen zwischen Kämmerswalde und Sayda in Schlesien an und gewann für die praktische Ausführung und Leitung den Lehrer Herrn Ernst Maier zu Neuwernsdorf. Dieser nun schickte unlängst an Brehm einen Bericht über seine Erfahrungen und Beobachtungen, aus welchem wir hier für weitere Anregung und für den praktischen Gebrauch folgende wesentliche Thatsachen zum Besten geben.

Um die Forellenzucht wissenschaftlich und mit Erfolg zu betreiben, ist künstliche Befruchtung unerläßlich. Die Forellen laichen mit herannahendem Winter, und dies ist die Zeit, wo ihnen die Kunst zu Hülfe kommen muß. Diese ist nicht leicht auszuüben, da es gilt, die streichfähigen Exemplare gegen das Wasser schwimmend aus ihren Schlupfwinkeln im kalten Wasser, vielleicht gar unter dem Eise hervor herauszufischen. Besser ist es daher, sie schon vorher gelegentlich abzufangen und sie in größeren Behältern mit gekochten Blutkuchen, gewiegtem Fleisch, Quark oder noch besser mit kleinen Elritzen und Schmerlen zu füttern. Da sie sehr gefräßig sind und selbst kleinere unter sich nicht schonen, muß man sie so sortiren, daß möglichst gleiche zusammenkommen. Auch ist Trennung nach dem Geschlecht unerläßlich, wenn das künstliche Streichen gelingen soll. Ferner ist Classification nach der Verschiedenheit erlangter Reife sehr zu empfehlen. Diese ist an der Entwickelung der Farben zu erkennen. Je näher der Laichzeit, desto prächtiger entwickelt sich bei dem Männchen die dunkelnde Farbe, die zuletzt fast rußig überhaucht wird. Der sonst silberne oder gelblichweiße Bauch wird bläulichgrau. Die Weibchen sehen geschwollen aus, und die dunkelrothe Scheide tritt mehr und mehr heraus. Den Rogen fühlt man bei vollkommener Reife im Bauche wie Erbsen in einem Säckchen.

Jetzt ist die Zeit zum künstlichen Streichen gekommen. Die ausersehenen Fische bringe man einige Stunden vor der Handlung in das Wasser, in welches der Laich während und nach der Befruchtung kommen soll. Bei dem Streichacte sind zwei Personen nöthig. Man greift zuerst mit beiden Händen nach der ausersehenen Forelle, faßt sie mit dem Zeigefinger und Daumen der linken Hand dicht hinter den Kiemen und drückt nur wenig mit dem Mittelfinger unterhalb des Schlunges. Der Gehülfe hat inzwischen zur Verhütung des Schnellens den Schwanztheil fest gepackt und etwas nach oben gebogen. Jetzt streicht man mit der freigebliebenen rechten Hand durch leisen Druck mit Daumen und Zeigefinger, womit man die Forelle ringförmig umspannt, von oben nach unten, zuerst in der Nähe des Afters, dann immer weiter von vorn her, bis aller Laich zwanglos zu Tage gefördert ist. Werden dabei die Eier noch vom Netze zusammengehalten, so gebe man die Sache sofort auf, denn es würden keine reifen Eier zum Vorschein kommen. Dasselbe gilt von den Milchnern. Beide Geschlechter behalten oft nach dem Streichen noch etwas Laich zurück, so daß man nach drei, vier Tagen neue Versuche machen kann. Die Milch ist desto besser, je ähnlicher sie der einer gemolkenen Kuh herausstrahlt.

Zu dieser künstlichen Befruchtung sind terrinenähnliche Gefäße je nach der Zahl der zu behandelnden Forellen so in Größe zu wählen, daß sie ziemlich mit Wasser gefüllt und mit der Milch zweier Männchen gemischt eine weißliche Flüssigkeit geben. Zur Mischung dient die Fahne einer Feder oder ein weicher Pinsel. In dieses Gemenge streicht man so schnell wie möglich den Rogen von sechs bis acht Forellen. Die befruchtenden Keime der Milch werden nun rasch von den Eiern aufgesogen, und die künstliche Befruchtung kann nach etwa fünfzehn Minuten als vollendet gelten. Die leicht getrübten Eier erscheinen jetzt in der gequollenen Milch wie mit weißen Ringen umgeben. Man muß nun das ganze Gemisch ohne Verzug in den bereitgehaltenen Brutapparat mit fließendem Wasser bringen. Man lasse sich nicht durch die verschiedene Färbung der Eier, vom citronengelben bis zum rothweinfarbigen und fast ganz farblosen, stören. Nur die undurchsichtige weiße, käsige Farbe ist ein Zeichen der Unfruchtbarkeit oder Krankheit, und Eier dieser Art müssen möglichst durch tägliche genaue Untersuchung, am besten mit einer federnden Zwinge, deren Schenkelspitzen einer ausgehöhlten Halbkugel gleichen, entfernt werden. Auch kann man mit Vorsicht gewöhnliche Pincetten brauchen.

Die Zeit bis zum Auskriechen der jungen Fischchen ist die wichtigste. Man darf sich deshalb die Mühe nicht verdrießen lassen, die Keime gehörig zu schützen und zu pflegen. Hauptsache ist, daß stets reines Quell- oder Waldbachwasser von vier bis acht Grad R. durch den Brutapparat fließe und dieser gegen grelles Licht und sonstige Feinde möglichst geschützt sei und bleibe. Zu letzteren gehört besonders der Schimmel an unbefruchteten und verwesenden Eiern, welche, wenn nicht immer rechtzeitig entfernt, auch die andern anstecken und verderben. Man mache deshalb nur alle Tage einmal mit einer guten Lupe Jagd auf diese blassen und undurchsichtigen Leichen. Mit gutem Auge und einiger Uebung und in einem geeigneten Brutapparate braucht man dazu nicht mehr als zehn bis fünfzehn Minuten.

Je nach der Wärme brauchen die befruchteten Eier zwölf bis sechszehn Wochen, um die darin schlummernden Fischkeime bis zum Durchbruche und Entschlüpfen zu bringen. Man glaube aber nicht, daß, je größer die Wärme, desto schneller die Entwickelung sei. Alle Lachsarten, wozu die Forellen gehören, laichen im kalten Herbst und Winter; sie lieben die Frische und Kühle, also ein Wasser von vier bis sieben Grad Réaumur.

Nicht blos der Naturforscher, auch der gebildete Liebhaber wird Freude daran finden, die langsame Entwickelung der Eier bis zu den zartesten Fischchen und dieser bis zu den kühnen Raubrittern, die sie sind, mit scharfem Auge und vergrößerndem Glase zu verfolgen. Nach sechs, sieben Wochen werden die Augen im Eie sichtbar und gleich darauf rothe Aederchen gleichsam als künftiges Knochengerüst. Wer befruchtete Eier versenden will, thue es jetzt, aber nur in guter Verpackung zwischen sorgfältig gereinigten Moosschichten in fein durchlöcherten Schachteln.[1]

Die durchsichtigen, kaum mit bloßen Augen bemerkbaren Fischchen, die aus den Eiern entschlüpfen, liegen zunächst mit ihrem harztropfenähnlichen Dottersacke, ihrer Speisekammer für die nächsten sechs Wochen, wie todt auf einem Flecke. Erst später lernen sie munter umherfahren und Versuche zum Entwischen machen. Dagegen muß man sie überall durch fein durchgitterten Verschluß bewahren, da sie sonst allen möglichen lauernden Feinden zum Opfer fallen würden. Man bringe sie später in größere, lebhaft durchflossene Behälter und füttere sie mit den feinsten Leckerbissen von staubartig zermalmtem Fleisch, Eiern, Blut, Quark und sonstiger Kost thierischen Ursprungs, bis sie stark genug sind, sich selber zu schützen und zu nähren. Wer diese Sorge und Mühe scheut, bringe sie in einen sandigen, ruhig fließenden, im Zickzack laufenden, flachen, mit Gittern sorgsam verwahrten Bach oder Graben möglichst unter dichte Wasserpflanzen, von wo ihnen Nahrung herabfällt und sie sich vor Feinden flüchten und verstecken können.

Nimmt man Gelegenheit, sie hier zu beobachten, so wird man sehen, wie ängstlich sie am Rande umherschießen, theils um zu rauben, theils um Räubern zu entschlüpfen. Sie unterscheiden sich vorläufig von Elritzen und Schmerlen hauptsächlich nur durch ihre schnellere, gegen und nicht miteinander schwimmende muntere, furchtlose Beweglichkeit. Nur später und in der Nähe merkt man die röthlichen Fleckchen und rothen Punkte, die ihnen eigen sind. In ihrer Flinkigkeit und Verschmitztheit geberden sie sich trotz des ihnen noch anhängenden Zulpes im Vergleich zu anderen Fischen wie Ritter ohne Furcht und Tadel, stehen hin- und herwackelnd, und zielen und schießen blitzartig auf Alles, was ihrer Gefräßigkeit zu Gute kommen könnte. Dabei behauptet jeder dieser Räuber gern ein eigenes Jagdgebiet und kennt keine Freundschaft.

Will man sie schnell wachsen und gedeihen lassen, so ist es gut, sie ziemlich regelmäßig mit zerhackten Fleisch- und Fischabfällen zu unterstützen und später in größeren Flußausweitungen oder Teichen dafür zu sorgen, daß schlammige Bodensätze nicht überhand nehmen.

Ist die Brut ein Jahr alt, so setze man sie, nach der Größe geschieden, in gut durchflossene und umschattete Teiche, wo sie bald gewitzigt genug sind, sich selbst zu schützen und zu nähren. Da sie sich freilich leicht fangen lassen und Diebe selten fehlen, sind für gedeihliche und lohnende Zucht sicher umhegte und bewachte [356] Flußteiche und Gräben unerläßlich. Um nun auf dem kleinsten Raume möglichst viel fließendes Wasser zusammenzudrängen und viel Spielraum zu bieten, ist es praktisch, den Teich in Form von sich hin- und herschlängelnden Gräben zwischen äußeren Gräben, welche zum Abschluß etwaiger Uebermenge dienen, und zwischen Berg und Wald anzulegen. Oben möglichst nahe am Ursprunge der Zufluß in die geschlängelten Gräben, deren Zwischenräume mit Baum- und Buschwerk, Sumpf- und Wasserpflanzen geschmückt sein müssen. Ausfluß in einen großen Teich für größere Forellen. An diesen mögen sich anderweitige größere Behälter für Zucht und Mästung der Forellen für den Markt schließen.

Weitere Einzelheiten, namentlich auch für andere Fische, Veredelung derselben und Einbürgerung von ausländischen Eß- und Edelfischen, muß man schon in meinem Buche: „Die Bewirthschaftung des Wassers und die Ernten daraus“ nachlesen. Wenigstens ist mir kein Werk bekannt, in welchem alle betreffenden Thatsachen und Anweisungen so umfangreich und faßlich dargestellt sind, wie in diesem.

Wir haben mindestens viele Hunderte von Berg- und Waldbächen in Deutschland, in welchen sich mit verhältnißmäßig wenig Anlagekapital, Arbeit, Einsicht und Geduld die köstlichsten aller deutschen Fische züchten und zu einer ziemlich billigen Volksnahrung vermehren ließen. Wir können deshalb nur dringend bitten, diese Anregung hier zu benutzen und nach Kräften zu verwerthen. Wo es an geeigneten Quell- und Waldbächen fehlt, finden wir wenigstens fast überall auf den Tausenden von Geviertmeilen Deutschlands Seen, Teiche, Tümpel, Gräben, Gerinne und Sümpfe. Alle diese werthlosen und sogar schädlichen Theile der Oberfläche sind irgend einer Bewirthschaftung und Verwerthung fähig. Freilich wird sich schwer Capital und Einsicht dafür finden. Wer aber irgendwie über Wasser mit Fischen gebieten kann, sollte für das Nächste und Nützlichste, Einbürgerung und Züchtung besserer Eß- und Edelfische sorgen. Die gewöhnlichen Süßwasserproletarier, Bleie, Barsche und Plötzen etc. sind nicht im Stande, gebildete Gaumen zu reizen und Geld und Geist für höhere Bewirthschaftung des Wassers flüssig zu machen.
H. Beta.


  1. Herr Maier versendet befruchtete Forelleneier.