Die neue Künstler-Herberge in Berlin

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Autor: Rudolf Löwenstein
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Titel: Die neue Künstler-Herberge in Berlin
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 350–354
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[350]
Die neue Künstler-Herberge in Berlin.
Von Rudolf Löwenstein.


Was giebt es Schöneres als ein eigenes Heim? Wer sehnte sich nicht, aus der Knechtschaft und Zinsbarkeit des Miethsstandes erlöst zu werden und eine Stätte zu finden, da er Herr sein dürfe? Was ist der Miether, trotz seiner Freizügigkeit, Anderes als der Miethling des Haustyrannen, den Launen, Schrullen und der Hausordnung des Gestrengen unterthan? Wie glücklich, wer nach Irrfahrten und Umzügen eines unwirthlichen, der vierteljährlichen Kündigung ausgesetzten Lebens in den wirthlichen Hafen des Grundbesitzes einlaufen kann!

Auch der „Verein Berliner Künstler“ hat nach dem Ziele bürgerlicher Seßhaftigkeit gestrebt; aber – „es irrt der Mensch, so lang er strebt“. Was den Künstlern von München, Düsseldorf und Karlsruhe schon seit Jahren vergönnt ist, das blieb den Künstlern der kaiserlich königlichen Residenzstadt Berlin versagt – ein eigenes Heim. In Spree-Athen, der Stadt der Musentempel, Paläste und Casernen, ist kein Raum für ein Künstlerhaus. Die Künstler bilden hier eine zwar nicht gerade verachtete, aber eine „etwas schief von Oben angesehene“ Kaste, die bis in die neueste Zeit schwere Kämpfe zu bestehen hatte gegen die oberste Kaste der – Cultusdiener. Die Akademie, die Hochschule der Kunst, ist seit Schadow’s Tode, also seit einundzwanzig Jahren, verurtheilt, eine Körperschaft zu sein ohne Haupt, und die Glieder dieser Körperschaft leiden unter dem Drucke adelheidnischer Verordnungen von 1790 und 1871. Herr von Mühler liegt in offener Fehde mit den Akademikern, denen er die Anmaßung, das Unbeschreibliche, ewig Weibliche in natürlicher Wahrheitsschöne darstellen zu wollen, auf’s Strengste verwiesen hat. Die Göttinnen, als da sind Frau Venus, Hebe und Galathea, die Nymphen, Bacchantinnen, Grazien etc., sind verbannt aus den akademischen Hallen, wo sie die schaulustige Menge zu sündhaften Gedanken verführt, und die Musen sollen flüchten in ein härenes Büßerhemdchen. Kein Wunder, daß auch den Söhnen der Musen nicht verstattet ward, sich häuslich einzurichten, und daß Excellenz Fiscus alle Gesuche um Ueberlassung eines Bauplatzes zu einem Künstlerhause bisher abgewiesen hat.

Der „Verein Berliner Künstler“ mußte fürlieb nehmen mit den bescheidenen Räumen, welche ihm einmal in jeder Woche vom Tempelpächter der „Urania“ hergeliehen wurden. Er wanderte später zur Straße der Mohren in das Englische Haus, und die Götter mögen wissen, wie lange und wohin er noch ruhelos gewandert [351] wäre, wenn er nicht den kühnen Entschluß gefaßt hätte, sich mit einem Manne der Industrie zu verbünden, um, wenn auch nicht ein eigenes Haus, doch eine stattliche, der Berliner Künstlergesellschaft würdige Herberge zu begründen.

In der That gehörte Muth zu dem Wagniß, welches den Verein zur Zahlung von dreitausend Thalern Jahresmiethe verpflichtete. Die Künstler mußten, um diese Summe zu erschwingen, aus dem Reiche des Idealen hinabsteigen in das praktische Leben, aus harmloser Beschaulichkeit in das sorgenvolle Getriebe geschäftlicher Speculation. Sie haben sich – wie wir gleich hier bemerken wollen – als tüchtige Praktiker bewährt: durch die Zulassung außerordentlicher, dem Künstlerstande nicht angehöriger Mitglieder haben sie ihre Einnahmen erhöht, durch die Eröffnung einer permanenten Kunstausstellung ein erträgliches, mit den Kunsthändlern erfolgreich und zum Vortheile der Kunst concurrirendes Geschäft begründet. Trotz des bösen Kriegsjahres kann der Finanzminister des Künstlerstaates, der berühmte Marinemaler H. Eschke, sich rühmen, daß er nicht bloß ohne Deficit, ohne Anleihen und Steuererhöhungen durchgekommen sei, sondern daß er noch einen Ueberschuß erzielt und den Credit des Vereins beträchtlich erhöht habe.

Das Geber’sche Industriegebäude, in welchem sich die neue Künstlerherberge befindet, ist bereits in Nr. 18 des vorigen Jahrgangs[WS 1] der Gartenlaube abgebildet. Die Façade des Prachtbaues läßt nicht erkennen, daß diese Mauern einst zur Caserne gedient haben und daß – lediglich durch kunstvolle Bauflickarbeit – die düstere Wohnung des Kriegsgottes Mars in einen lichten Tempel der kunstschützenden Minerva umgewandelt worden ist; nur die seltsamen Festungsthürmchen, welche in die großen, einst dem Exercitium geweihten Höfe niederschauen, erinnern an die frühere Bestimmung des Gebäudes.

Ein weites Portal und eine breite Treppe führen in das „Geschäftslocal“, das im Vorderhause befindlich und durch das Schild „Permanente Ausstellung des Vereins Berliner Künstler“ bezeichnet ist. An einen kleinen, mit den Bureauzimmern in Verbindung stehenden und hauptsächlich für Aquarelle und Handzeichnungen bestimmten Vorsaal schließt sich die große, von Oberlicht erhellte Ausstellungshalle. Die eigentliche „Herberge“ ist nur während der Geschäftsstunden auf bequemem Wege zu erreichen; des Abends müssen wir über den Hof und durch eines jener seltsamen Thürmchen schreiten, und die Pforte ist eng und der Weg ist schmal, der zur Herberge führt. Haben wir aber die richtige Thür gefunden, dann merken wir auf den ersten Blick, daß wir die Stätte betreten, da die Söhne der Musen sich nach vollbrachtem Tagewerk lagern zu süßer Rast, um sich zu stärken zu neuem Schaffen durch die Spenden der Ceres und des Bacchus, und um die Herzen zu erfreuen an Bild und Rede, Spiel und Gesang. Von den Wänden rings grüßen uns, Kopf an Kopf gereiht, freundliche Künstlergesichter, denn es ist Vereinsgesetz, daß männiglich sein Conterfei auf die Leinwand werfen und zum Schmucke der Herberge aufhängen lasse. Da sehen wir vor uns in üppiger Lockenfülle und bestrahlt von der Morgensonne der Jugend gar manchen Künstler, der heute als würdiges akademisches Haupt in silbernem Mondenschein einherwandelt; da haftet unser Auge schmerzlich an manchem lieben Genossen, der, ach schon seit langer Zeit dem Künstlerkreise entrissen ist; da sagen uns die frischen Lorbeerkränze unter den Portraits von Brücke und Hagen von neuem Leid, das den Verein betroffen, und der vertrocknete Todtenkranz unter dem Bilde von Eduard Hildebrandt verkündet uns, daß der berühmte Weltumsegler und Beherrscher des Lichts seine letzte größte Reise in das Reich des ewigen Lichts schon vor Jahren angetreten hat. Doch fort mit trüben Gedanken und hinein in die lustige Tafelrunde, an der wir, wenn wir just Glück haben, den Meistersingern des Vereins, Schwarz und Naumann lauschen können, wie sie uns schnaderhüpflig betheuern: „Aber so Zwei wie wir Zwei, die find’t man nit bald,“ und wie sie alle Vorwürfe von wegen der Rauf- und andern Boldigkeit abwehren mit der Versicherung: „denn wir sind ja zwei ord’ntliche Leut’.“

An jedem Dienstage, wenn die ernsten Berathungen geschlossen, entfaltet die heitere Kunst der Töne ihre Schwingen und bald ist es das lustige Jodlerpaar, bald ein nur von Menschenstimmen executirter Leierkasten, bald ein sinniges Quartett, oder das Kartoffel-Puppenkomödienspiel des höheren Blödsinns, an dem sich die Künstler ergötzen. Der Humor, der hier zur Geltung kommt, hat Nichts von der kaustischen Schärfe des Berliner Witzes, desto mehr aber von der Frische und Naivetät süddeutscher Harmlosigkeit. Die Possenspiele, die dann und wann verübt werden auf den Festen des Vereines, tragen zumeist diesen süddeutschen Charakter, die Musik aber, die hier in Vocal- und Streichquartetten geübt wird, ist von universellem, künstlerischem Werthe. Es ist eigenthümlich, daß viele Mitglieder der Künstlerschaft ebenso tüchtige Meister im Reiche der Töne als in dem der Farben sind. Carl Becker, der große Virtuos der Farbentöne, beherrscht mit gleicher Meisterschaft die Töne der Geige, Theuerkauff, Anton Werner und Begas illustriren mit ihren Instrumenten die Werke Mozart’s und Beethoven’s, wie sie mit Stift, Pinsel und Meißel die Weltgeschichte illustriren, Paul Meyerheim und Gustav Heil sind als vielsaitige Talente bewährt, Hertel, Bennewitz von Löthen, Amberg und Feckert, die Landschafts- und Genrezeichner par excellence, würden dem Quartette jedes Hoftheaters zur Zierde gereichen, und Wilhelm Scholz, der Zeichner des „Kladderadatsch“, eifert mit contrapünktlicher Gewissenhaftigkeit den großen Vorbildern der Tonwelt nach.

Da wir einmal Namen zu nennen begonnen haben, so wollen wir erwähnen, daß über theils höchst- und hochberühmte, theils bekannte oder nach Berühmtheit strebende Männer das Mitglieder-Verzeichniß des Vereins folgenden Aufschluß giebt: die Welt der Farben ist vertreten durch „Schwarz“, „Weiß“, „Grün“ und „Pinkert“, die der Töne durch den ausgezeichneten „Blaser“ aus Köln und einen selbst im Orient bekannten „Fiedler“. Der Verein erfreut sich des Beistandes der biblischen Männer „Lucae“, „Thomas“, „Jonas“, „Simon“, „Simson“, „Michaelis“ und „Jacob“, aber trotzdem gehören zu ihm noch zwei „Heyden“. Er hat einen „Magnus“ und seinen kleinen „George“. Es herrschen in ihm „Schnee“, „Schauer“ und „Brausewetter“; aber es ist gut dafür gesorgt, daß der „Winter“ zu „Ende“ gehe, jeder „Vogel“ im Lenz seinen „Baum“ und auch „Körner“ finde. Gegen jeden „Dorn“ und „Hader“ ist hier „Heil“ und in allen Nöthen ein „Nothnagel“ zu finden. Von auswärtigen Völkerschaften sind repräsentirt „Grönland“ und die Stadt der „Römer“, von nachbarlichen und heimischen der „Pohle“, „Westphal“, „Hesse“, „Sachs“, „Friedländer“ und „Meißner“, und von den Städten sind vertreten: „Worms“, „Jüterbogk“, „Henneberg“ und „Lüben“. Der Verein hat zwar zwei Männer „Vollgold“ zu Ehrenmitgliedern, aber er besitzt doch nur einen „Schilling“.

Der Verein hat einen „Kaiser“, einen „Printz“ und einen „Marschall“, in seinem Schilde führt er als Wappengethiere den „Schwan“, den „Storch“, den „Geier“, den „Steinbock“ und drei Wölfe, von denen ein „Wolf“ immer größer ist als der andere. Seine Devise ist „Bleibtreu“. Der Künstlerstaat hat gar berühmte Bürger und „Burger“, drei „Richter“, einen „Kaufmann“ und einen „Kunde“, einen „Fläschner“, einen „Pfannenschmidt“, einen „Fischer“, einen „Seemann“, einige „Weber“, „Becker“ und „Kretschmer“, zwei „Müller“, aber (was für Berlin schier merkwürdig) keinen Schultze. Für die Hungrigen ist stets ein „Koch“ und für die Durstigen ein „Seidel“ da. Und der Durst ist manchmal groß unter den von Meister Steffeck beherrschten munteren Gesellen, zumal wenn Quartal, d. h. eine Generalversammlung auf der Herberge angesetzt ist. Dann hat Herr Weiß, der Herbergsvater und Verwalter der Bundeslade, genannt „Sparbüchse des eisernen Fonds“, alle Hände voll zu thun, damit den Künstlern auch kunstgerecht die Bowle gebrauet werde, denn: „Zu gutem Werk ein guter Trunk macht Meister und Gesellen jung.“

Die Spruchweisheit, welche in dem Getäfel der Decke geschrieben steht, enthält manche gute Lehr und Fürbitt. Sie spricht dem Künstler Muth zu durch die Worte:

Hast du ein Bild im Geist erschaut –
Nur frisch der eignen Kraft vertraut!
Zur Wahrheit wird dem Traumgesicht,
Und sieh: dein Bild, es lebt und spricht!

In einem andern Sprüchlein heißt es:

Gott gab dem Lehm einst Lebenshauch.
Versucht es nur – ihr könnt es auch!

Und in einem dritten:

Ob ihr mit Meißel oder Pinsel schafft –
Wie klein das Werkzeug, wie groß die Kraft!

Wer schaut – so fragt der Herbergsdichter –

[352]

Das neue Heim des Berliner Künstler-Vereins. Originalzeichnung von Ludwig Loeffler.

[354]

Wer schaut dem Marmorblock wohl an,
Was für ein Gott d’raus werden kann?

Welch schöner Dienst, der Gottheit fröhnen
Im ewig lichten Reich des Schönen!

Aber man muß ihr dienen im Geist, denn:

Der Geist belebt und nicht der Text.
Der Eine malt, der Andre klext.

Man muß ihr dienen um ihrer selbst willen, darum:

Tracht’ nicht nach Ruhm und Menschengunst,
Kurz ist das Leben, lang die Kunst.

Man soll ihr dienen mit Beharrlichkeit, denn:

Festes Aug’ und sichre Hand
Preisen allwärts Leut’ und Land.

Die Maler sollen stets eingedenk sein der Lehre:

Sitzt sie nicht am rechten Fleck,
Ist die schönste Farbe – Dr…!

Die Künstler sollen sein:

In Lust und Leid getreu allzeit.

Wenn sie zum Becher greifen, sollen sie aber vorher sprechen:

Hör’, Maler Bacchus, meine Bitt’:
Mal’ mir zu roth die Nase nit!

Im Leid aber sollen sie sich getrösten, denn:

Den Künstlern winkt einst reicher Lohn,
Sanct Lucas ist ihr Schutzpatron.

Sie dürfen jedoch bitten:

Sanct Lucas, schau’ schon diesseits drein!
Man wird nicht satt vom Ruhm allein.

Sie sollen sich endlich, so oft sie entweder den Tannenbaum schmücken zu ihrem Weihnachtsfeste, oder den Waldmeister pflücken zum Frühlingsfeste, bewähren als:

Ohn’ Falsch und Fehl, von ganzer Seel’, allweil fidel!

Die Wände sind geschmückt mit heiteren, auf „Wein, Weib, Gesang“ und Spiel bezüglichen Bildern von Spangenberg, Heyden, Lulvès, Gentsch und anderen Meistern. Zwei derselben haben wir in unserm Holzschnitte skizzirt: links „Karten spielende Grenadiere“ (von O. Wisniewski), eine Mahnung an die Vergänglichkeit des Glücks, rechts, über der schlummernden Künstlerwerkstatt, eine bei schwelgerischem Mahle entschlummerte Gruppe (von Brausewetter), bei welcher sich unbemerkt, um von den Speiseresten zu naschen, bereits ein furchtbarer – Kater eingeschlichen hat.

An den Hauptsaal schließt sich auf der einen Seite das Spielzimmer, auf den andern der Sitzungssaal, zu dem wir einige Stufen hinabsteigen. Hier werden unter den Augen der in lebensgroßen Figuren dargestellten Meister der früheren Zeiten die parlamentarischen Kämpfe der Künstler ausgefochten, sowohl untereinander als gemeinsam, wider den bösen Geist des „grünen Tisches“; hier wurden die Proteste geschweißt gegen den Mann, der eine neue Kleiderordnung für Venus und Kallisto octroyrt hatte. Die Herren Holbein, Albrecht Dürer, Peter Vischer, Erwin von Steinbach und Rubens sollen damals ein gar verwundert Gesicht gemacht haben zu der mittelalterlichen Cultusverordnung; die Herren Schlüter, Schmidt, Chodowiecki und Sennefelder sollen ein herzhaft Gelächter aufgeschlagen, der alte Schadow aber, aus dem Rahmen hervortretend, den Bekennern der nackten Wahrheit ein lautes Bravo zugerufen haben.

In einer Ecke des Sitzungssaales steht – welch seltsames Möbel in einem Parlaments! – eine Kanzel, mit Figuren im Holbein’schen Stile, mit Aureolen, Drachen und allerlei gothischen Schnörkeln ebenso zierlich als wunderlich bemalt. Wie kommt sie hierher? Ist sie etwa auch, gleich dem Kaiserstuhle von Goslar, aus einem Schlößlein oder Kirchlein einer weiland kaiserlichen Residenz nach Berlin überführt worden? Die Jahreszahl unter dem Ritter Jürge belehrt uns, daß sie erst in neuester Zeit erbaut worden, und dennoch hat sie einen hohen historischen Werth: sie erinnert daran, daß das Jahr 1871 das erste und einzige gewesen seit dem Bestehen des Vereins, da – der ernsten Zeiten wegen – kein Carnevalsfest gefeiert werden, kein lustiger Frater die Narrenkanzel besteigen durfte, um den Schellenbrüdern zu predigen. Sie erinnert aber auch an das herrlichste Fest, das der Verein am 22. Februar des vergangenen Jahres begangen hat, und an den heitern Syllabus, der von dieser Kanzel verkündet worden ist. Damals – es war wenige Tage, nachdem die römischen Verfluchungen bekannt geworden – sprach der Pater Abraham a Sancta Clara der Künstlerschaft also zu der närrischen Gemeinde:

„Wer heut’ – so steht von kund’ger Hand geschrieben an der Kanzel
     Wand – Wer’s heut’ mit Narrheit nicht versucht, der sei – ver-
     flucht, verflucht, verflucht!

Wer heut’ den Kopf griesgrämlich senkt, wer Mücken seih’t und Grillen
     fängt und sich nicht fügt der lust’gen Zucht, der sei – verfl…!

Wer hungrig sitzt beim leckren Mahl, und, wenn er leidet Durstes Qual,
     nicht seinen Durst zu löschen sucht, der sei – verfl…!

Wer nicht des Liebchens Lippen küßt, wenn es nach Küssen trägt Gelüst,
     und wer sein Liebchen täuscht verrucht, der sei – verfl…!

Wer für des Nächsten Gram und Schmerz nicht hat ein volles, warmes
     Herz, wer nur des Nächsten Fehler bucht, der sei – verfl…!

Wer nur an ird’schen Vortheil denkt, nach Gold nur giert, am Gold nur
     hängt und frömmelnd doch zum Himmel lugt, der sei – verfl…!

Wer heut’ hier sagt: ich spiel’ nicht mit! und wer, so lang’ er nicht im
     Tritt, nicht doch in Tritt zu kommen sucht, der sei – verfl…!

Doch wer hier von des Tages Last sich eine Herberg’ sucht zur Rast
     in treuer, deutscher Freunde Zahl, der sei gegrüßt viel tausendmal!“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Nr. 8