Die Insekten-Verwandlung

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Autor: Emil Adolf Roßmäßler
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Titel: Die Insekten-Verwandlung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 6, 11, 15, S. 65–66; 124–125; 175–176
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Teil 19–21 der Artikelreihe Aus der Menschenheimath
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[65]

Aus der Menschenheimath.

Briefe des Schulmeisters emerit. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler.
Neunzehnter Brief.
Die Insekten-Verwandlung.

Wenn man die Gleichgültigkeit wahrnimmt, mit welcher im gemeinen Leben die wunderbarsten Erscheinungen der Natur übersehen werden, weil sie allgewöhnliche sind, so fühlt man sich unwillkürlich an Lessing erinnert, indem er den Nathan sagen läßt: „Der Wunder größtes ist, daß uns die wahren, echten Wunder so alltäglich werden können, werden sollen.“

[66] Nur das „werden sollen“ in dieser scharfen Beobachtung hat mich immer überrascht, bedarf wenigstens einer Erläuterung; selbst hier, wo ich Dich einfach auf Lessing’s Fingerzeig hinweisen will.

– Die „wahren, echten Wunder,“ unter denen der große Dichter nur die überraschenden Erscheinungen im Natur- und Menschenleben meinen kann, sollen nun wohl deshalb „alltäglich“ werden, damit sie uns für unser Handeln den Gleichmuth und die klare Ruhe nicht beeinträchtigen. Wie nun werden sie uns alltäglich? Sie werden es entweder durch Nichtbeachtung und Unkenntniß, oder sie werden es, indem wir diese aufregenden Außendinge uns aneignen, in uns aufnehnen durch Kenntniß. Was wir uns innerlich gemacht haben, das kann uns nicht mehr Wunder nehmen.

Es kann bei Dir keine Frage sein, lieber Freund, daß wir den letztem Weg einschlagen müssen, an dessen Ziele die Heilung von Aberglauben jeder Art liegt.

Zu den „wahren, echten“ Wundern Lessing’s gehört unstreitig die Insectenverwandlung, die für das kenntnißlose Volk auf dem ersteren der beiden bezeichneten Wege, durch Nichtbeachtung und Unkenntniß, das Wunderbare verloren hat.

Wenn ich Dir jetzt sage, man habe auf einer neu entdeckten fernen Insel einen Vogel gefunden, der als zwölfäugige Schlange von ungeheurer Gefräßigkeit, die auch das Ekelhafteste nicht verschmähe, aus dem Ei krieche; dann monatelang mumienähnlich ohne Bewegung und ohne Nahrung zu sich zu nehmen tief im Erdboden vergraben liege, und erst im folgenden Jahre aus diesen sonderbaren Banden sich befreie, um als lustiger Vogel davon zu fliegen und nur von süßem Blumennektar lebe – was würdest Du da sagen?

Du würdest mir in’s Gesicht lachen. Aber Du würdest dazu nur halb Recht haben; denn ich würde sagen, warum lachst Du? Weil Dir eine Schlange und ein Vogel zu verschiedene Gestalten sind, als daß sie von einem und demselben Thiere in seinen Entwickelungsabschnitten getragen werden könnten? Und wenn ich Dir nun auf Naturforschungen die Wahrheit meiner Geschichte versichern würde – wie dann? Du würdest vor Staunen Dich nicht zu lassen wissen. Du würdest Wunder über Wunder schreien. Setze für Vogel – Schmetterling. Ja der – würdest Du gedehnt und enttäuscht aussprechen. Nun – der –; ist es bei ihm minder ein Wunder? Ist zwischen einem Schmetterlinge und einer Raupe eine geringere Unähnlichkeit als zwischen einem Vogel und einer Schlange?

Wie Wenigen wird es denn so recht tief und innerlich klar, wie wunderbar die Verwandlung einer Raupe in eine Puppe und dieser in den Schmetterling ist? Es ist uns aber „alltäglich“ geworden, und darin liegt das Wunderbare.

Nicht das ist wunderbar, was jenseit der Grenze menschlicher Erkenntniß liegt – (dort drüben liegt überhaupt für den Menschen nur das, was er selbst erst hingelegt hat) – sondern was diesseit liegt und sein Wunderbares eben nur in der ewigen Unerschöpflichkeit seiner wechselnden Erscheinungen hat.

Man hat die Insectenwelt schon oft eine Welt voll Wunder genannt, und man hat Recht, es zu thun; und dennoch liegt auch hier das Wunderbare nur in dem Ueberraschenden, dem flüchtigen Blicke scheinbar Unvermittelten.

Die Insectenverwandlung ist in dieser Hinsicht, wenigstens, um es so zu bezeichnen, der oberflächlichen Bekanntschaft nach, allgemein berühmt. Dennoch, mein Freund, fehlt noch viel, sehr viel, um sagen zu können, das Volk kenne die Wunder der Insectenverwandlung so, wie sie gekannt zu werden verdienen und lohnen.

Schon die Alten, die überhaupt tiefere Kenner der Natur waren, als unsere heutige Schul-Philosophie es sich träumen läßt, wählten den sich der Puppenhülle entwindenden Schmetterling als Sinnbild der Psyche. Unsere Zeit oder richtiger die neue Weltanschauung, innerhalb der dem Menschen gezogenen Schranken bleibend, kann das Bild eben so passend anwenden auf die den Banden der häßlichen Unwissenheit und des schändenden Aberglaubens sich entwindende Menschheit.

Ja das Sinnbild ist recht eigentlich bezeichnend. Sieh die Raupe an. Sie fröhnt in träger Gebundenheit auf ihrer Futterpflanze dem Bedürfniß des Magens, eine strotzende Fülle von Säften sammelnd. Dann webt sie sich ihr gemächliches Lager zur trägen Puppenruhe, wo sie die gesammelten Säfte behaglich verarbeitet. Dann aber wacht in ihr plötzlich der Drang nach etwas Edlerem auf; sie sprengt die alten Bande und fliegt als befreiter Falter dem Lichte der Sonne entgegen und besucht Blume auf Blume, um von ihnen ihr geläutertstes Erzeugniß, den süßen Nektar zu nippen. Wenn das Thier zum Schmetterling wird, ist es schon alt. Es erfreut sich erst im hohen Alter seines bessern Seins.

Sieh, mein Freund! ist’s heute nicht eben so mit den Menschen? Ich kenne Tausende, die erst jetzt aus der dumpfen Puppenruhe ihrer Spießbürgerlichkeit erwachen und in ihren alten Tagen noch in sich einen Drang zu etwas Höherem sich regen fühlen. Bücher sind ihnen Blumen, durchdrungen von dem Lichte der Wahrheit, erfüllt von dem Honig nützender Lehre.

Aber wo bin ich hingekommen! Ich wollte beschreiben und habe es nicht weiter, als bis zu Gedanken gebracht. Doch die Gedanken sind ja auch bunte Falter, oder wenn’s auch nur Eintagsfliegen wären; ja wirklich, das sind sie, mehr als andere, denn die Eintagsfliegen sind die einzigen Insecten, die sich als vollendete Insecten noch einmal häuten: so häuten sich auch oft unsere Gedanken, bis sie blank und hell vor uns stehen, nachdem sie das Unklare, Irrige abgestreift haben.

Wem die Natur Stoff zu sinnigem Denken ist, der ist ihr wahrer Jünger. Aber ich verspreche Dir, in meinem nächsten Briefe Dir mehr zu beschreiben als vorzudenken. Verzeihe nur, daß ich am Ende gar meinen heutigen mehr für mich, als für Dich geschrieben habe. Das geht Einem ja mit den Briefen oft so. Du wirst als Empfänger meines Briefes es um so lieber verzeihen, je näher wir uns stehen, so daß unsere Briefe so viele verknüpfende Bänder sind.

[124]
Zwanzigster Brief.
Die Insekten-Verwandlung.
II.


Ehe ich Dir Einiges von meinen kleinen Wundergeschichten aus der Entwicklung der Insekten erzähle, muß ich Dir noch zweierlei vorher bemerken; erstens, daß neuere Forschungen auch in andern niedern Thierklassen eine Verwandlung aufgefunden haben, die oft nicht minder überraschend ist; und zweitens, daß nicht alle Insekten eine Verwandlung haben.

Der Naturforscher verbindet mit dem Worte Verwandlung hier einen genau abgegrenzten Begriff; er braucht es nicht so unbestimmt, wie es im Leben meist der Fall ist. Er schreibt z. B. den Schmetterlingen eine Verwandlung zu, und spricht sie den Heuschrecken ab; obgleich die jungen von den vollkommen entwickelten Heuschrecken durch den gänzlichen Mangel der Flügel auffallend genug abweichen. Ich muß Dir daher genau bestimmen, was die Wissenschaft unter Insektenverwandlung versteht, damit wir uns im Verlauf meiner Mittheilungen nicht falsch verstehen. Man sagt nämlich von denjenigen Insekten, daß sie eine Verwandlung, Metamorphose, haben, welche während ihres Lebensverlaufs in einen nach rück- und vorwärts scharf begränzten Zustand kommen, der außer einer auffallenden Gestaltveränderung sich hauptsächlich dadurch zu erkennen giebt, daß sie in ihm sich nicht frei bewegen und keine Nahrung zu sich nehmen können. Das ist natürlich der Puppenzustand, den die Wissenschaft wie das Leben gleich benennt.

Da weitaus die größte Zahl der Insekten im vollkommenen Zustande geflügelt sind, und alle geflügelten Insekten in der ersten Hälfte ihres Lebens der Flügel entbehren, so zerfällt das Leben der Insekten sehr bestimmt in vier Abschnitte oder Zustände. Diese sind der Eizustand, der Larvenzustand, der Puppenzustand und der Fliegenzustand.

Schon diese scharfe Gliederung des Insektenlebens unterscheidet diese interessante Thierklasse von den übrigen Thieren, bei denen die Gestaltveränderungen mehr unwesentlicher Art sind und mehr allmälig in einander übergehen.

Es ist vielleicht nicht überflüssig, wenn es auch auf den ersten Blick so scheinen könnte, vorher genau festzustellen, was die Wissenschaft, welcher sich hierin das Wissen des Lebens anpassen muß, unter Insekten versteht. Spinnen und Krebse sind z. B. keine Insekten, zu denen man sie gewöhnlich, jedoch immer mit einem gewissen und ganz natürlichen Widerstreben, wirft. Ein wahres Insekt hat immer einen aus drei Haupttheilen zusammengesetzten Leib, von denen der Kopf den ersten bildet. Dieser aber ist bekanntlich bei Spinnen und Krebsen innig mit der Brust verschmolzen. [125] Die Spinnen und Krebse bilden zwei besondere Thierklassen für sich. Die Flügel können deswegen nicht als durchgreifendes Kennzeichen der Insekten benutzt werden, weil es doch ziemlich viele flügellose giebt.

Gewöhnlich theilte man sonst die Klasse der Insekten in acht Ordnungen, die auch im gewöhnlichen Leben meist ebenso unterschieden werden: 1. Die Flügellosen, Apteren (Flöhe, Läuse, Springschwänze). 2. Die Fliegen oder Zweiflügler, Dipteren. 3. Die Immen oder Hautflügler, Hymenopteren (Bienen, Wespen etc.). 4. Die Libellen oder Netzflügler, Neunopteren. 5. Die Wanzen oder Halbflügler, Hemipteren (Bett-, Baum-, Wasserwanzen etc.). 6. Die Heuschrecken oder Geradflügler, Orthopteren. 7. Die Falter, Schmetterlinge oder Schuppenflügler, Lepidopteren; und 8. die Käfer oder Scheidenflügler, Coleopteren.

Du siehst, daß es wesentlich die verschiedene Beschaffenheit der Flügel ist, nach denen das Insektensystem sich aufbaut, zu welchem in neuerer Zeit, als eine allerdings sehr abweichende Zugabe, die Tausendfüße als neue Ordnung hinzugefügt werden mußten; so daß, neben einer nothwendig gewordenen Zerfällung der ersten und zweiten obiger Ordnungen, das Insektensystem, wie es zur Zeit feststeht, zwölf Ordnungen zählt.

Von den genannten acht Ordnungen haben alle Insekten der zweiten, dritten, siebenten und achten Ordnung eine Verwandlung nach der vorhin gegebenen Umschreibung: aus der ersten und vierten blos einige, die übrigen haben keine Verwandlung.

Hier muß ich mir das Vergnügen versagen, über die einzelnen Insektenordnungen Dir weiteres zu schreiben, da ich vor der Hand meine Aufgabe im Auge behalten muß, Dir die wunderreiche Insektenverwandlung auseinander zu setzen. Vielleicht komme ich später einmal ausführlicher auf die einzelnen Ordnungen zu sprechen, wo Du dann sehen wirst, wie sonderbare und eigenthümliche Lebenserscheinungen diese Thierchen bieten.

Laß uns nun die vier vorhin bezeichneten Zustände oder Abschnitte des Insektenlebens der Reihe nach betrachten.

Der Eizustand.

Fast alle Insekten werden als Eier geboren, und die wenigen Ausnahmen können diese große allgemeine Regel nicht stören. Dennoch muß ich diesen Ausnahmen erst einige Worte widmen, weil sie ein besonderes Interesse haben. Du wirst Dich schon von selbst fragen: wenn nun manche Insekten nicht als Eier geboren werden, kommen sie denn da als Larven oder als Puppen oder als Fliegen (vollkommene Insekten) zur Welt? Entweder das Erste oder das Zweite, nicht das Dritte.

Wenn im Sommer rohes Fleisch nur eine kurze Zeit an der Luft gelegen hat, so sieht man dann winzig kleine, schneeweiße Würmchen darauf herumkriechen – die Hausfrau sagt: es ist beschmeißt – das sind die als Larven geborenen Jungen der bekannten Schmeiß- oder Fleischfliegen. Den ganzen Sommer hindurch bringen die grünen Wanzen unserer Rosenstöcke lebendige aber flügellose Junge (also Larven) zur Welt.

Die Pferdelausfliege (Hippobosca equina), welche für das Pferd ein arger Quälgeist ist, gebärt ihre Jungen gleich als unbewegliche Puppen.

Dies sind einige der bekannteren Ausnahmen.

Sehen wir uns heute zunächst beiliegende zierliche Figur an. Sie zeigt Dir, worin die meisten Insekten einander sehr ähnlich sind, die eine Hälfte des Eierstockes. Du erkennst leicht in den schönen perlschnurförmigen Gebilden die Bildungsstätten der Eier, die in ihnen desto größer und entwickelter sind, je tiefer und also je näher sie dem Eiergange liegen, in welchen bereits vier eingetreten und nun geeignet sind, gelegt zu werden, wofür Du unten am Eingange eine Oeffnung siehst. Die zierliche Figur stellt aber eine reiche Quelle von Unheil dar, denn – es ist der Eierstock einer Heuschrecke. In meinem folgenden Briefe sollst Du erfahren, wie diese furchtbaren Pflanzenzerstörer ihre Eier ablegen.

Von der Regel, welche die wunderbarsten Verhältnisse in Gestalt und sonstiger Hinsicht darbietet, soll mein nächster Brief handeln.



[175]
Einundzwanzigster Brief.
Die Insekten-Verwandlung.
Würdest Du nicht, lieber Freund, für die meisten meiner heutigen Figuren die Vorbilder vielmehr im Pflanzenreiche als in der Thierwelt suchen? Bei dem Worte Ei denken wir an die schlichte gerundete Gestalt, welche die Eier der Vögel, Fische und Amphibien so allgemein haben, daß die Eiform zum allgemein verständlichen Erklärungsmittel geworden ist. „Dies oder jenes Ding hat die Form eines Eies.“ Mit diesen Worten sind wir vollkommen aufgeklärt. Aber nun sieh unsere Figuren an! Sollte Fig. 8 nicht vielmehr einen zierlichen Blattpilz darstellen? Sind Fig. 3 nicht vielmehr Pflanzenknöllchen, Fig. 6 und 7 nicht etwa Pflanzensaamen?

Ich will dasjenige, was ich in einem kurzen Briefe über diesen reichen Stoff zusammendrängen kann, an meine Figuren anknüpfen.

Fig. 1 ist ein Schmetterlingsei und zwar von der bekannten Kupferglucke, Gastropacha quercifolia. Die Schmetterlinge haben in der Gestalt des Eies nichts eben sehr Abweichendes; nur in der Anordnung derselben nach dem Ablegen und wie sie dieselben vor den Witterungseinflüssen und vor den Nachstellungen ihrer Feinde zu sichern suchen, zeigen sie oft auffallende Erscheinungen. Die aschgrauen runden Eier der Kupferglucke zeigen zierliche stahlgrüne Ringe. Sie finden sich frei an Baumstämmen abgelegt.

Unsere gemeinen Heuschrecken bergen ihre Eier (Fig. 2) in förmliche Packete vereinigt (siehe die Figur rechts) unter der Erde. Dazu haben sie eine aus zwei Klappen gebildete säbelförmige Legscheide. Als Kind unterschiedest Du daran die stummen Weibchen von den singenden Männchen, wenn Du Dir diese Feldmusikanten für die Graspferdhäuschen einfingst.

Aber großartige Anstrengungen muß der Käfer machen, dessen Eier uns Fig. 3 (rechts ein einzelnes davon) in Vergrößerung zeigen, ehe er sie ablegen kann. Mit vollstem Recht hat dieser Käfer (Necrophorus) davon den Namen des Todtengräbers erhalten. Während er selbst auf Pflanzen lebt, wohnte er als Larve in stinkendem Aas, was auch deren Nahrung ausmacht. Lege einmal wenn es Sommer wird, einen kleinen todten Vogel oder eine Maus auf ein Gartenbeet. Nach einigen Tagen wirst Du ihn an derselben Stelle begraben und mit Erde bedeckt finden. Ein für uns Menschen unbegreiflich feines Spurvermögen wehete mit der Luft diesen Käfern die Kunde zu, daß hier ein noch unbestatteter Leichnam liege. Sie flogen herbei und legten ihre Eier aus und in denselben und erledigten dann eine Arbeit, größer als es uns sein würde, ohne Werkzeuge, blos mit unsern Händen, einen Elephanten zu begraben. Sie unterwühlten den Leichnam bis er in die Erde sank, worauf sie ihn mit Erde bedeckten.

Fig. 4 zeigt Dir das Blatt eines Grases, am Rande eines Baches gewachsen. Der schwarze gegitterte Fleck darauf ist ein Eierhaufen einer Köcherjungfer (Phryganea), die wir bei dem Larvenzustande als geschickte Arbeiterin kennen lernen werden. Die Eier sind durch eine Gallerte in sehr regelmäßiger Anordnung verbunden, wie Dir ein vergrößerter Theil des Eierhaufens links zeigt. Das Insekt, ein Ordnungsverwandter der bekannten Libellen, schwärmt in Menge in der Nähe der Gewässer und seine in düstere Farben gekleideten vier Flügel, die es sitzend aufwärts zusammengeschlagen trägt, gleichen in der Form etwas denen der Schmetterlinge. Da das Insekt seiner Lebensweise zufolge seine Eier auf solche Pflanzentheile legt, welche unmittelbar am Wasser stehen, so gelangen die auskriechenden Lärvchen leicht in dieses ihr Element, wo wir ihnen später begegnen werden.

An dem Zweigstückchen Fig. 5 sehen wir, durch unauflöslichen Kitt zu einem festen Ringe verbunden, die Eier eines Schmetterlings (Gastropacha neustria), dessen Raupe unter dem Namen Ringel- oder Bandraupe allgemein bekannt und als ein Feind unserer Aepfelbäume gefürchtet ist. Man kann den festen Eierring oft leicht von dem Zweige abziehen. Wenn die Meisen und andere Singvögel im Winter und Spätherbst in unseren Obstgärten von Baum zu Baum schlüpfen, so sind sie beschäftigt, uns von diesen und den Eiern anderer schädlicher Schmetterlinge zu befreien.

Wenn wir das verborgene Leben auf dem Grunde eines Sumpfes oder Teiches der Aufmerksamkeit werth halten, die es, wie die ganze uns umgebende Natur verdient, so finden wir dort auch ein häßliches, aschgraues, abenteuerlich gestaltetes Insekt mit ganz plattgedrücktem Leibe und sonderbaren Fangarmen. Es ist der Wasserskorpion (Nepa cinera), der seine Eier zu langen Schnüren verbunden legt, von denen jedes am obern Ende sieben Borsten hat, womit es in der Schnur das vordere umfaßt. Ein einzelnes Ei und ein Stück Eierschnur siehst Du in Fig. 6 dargestellt.

[176] Aehnlich gestaltet, aber nicht zu Schnüren verbunden sind die Eier der Schmalwanze (Ranatra linearis) Fig. 7. welche als nächste Verwandte des Wasserskorpions mit diesem auch, wiewohl seltener, an denselben Orten gefunden wird.

Diese letzt beschriebenen beiden Eierarten sehen manchen Pflanzensamen täuschend ähnlich, besonders den Samen mancher Körbchenblüthler, wohin z. B. Sonnenrose und Löwenzahn gehören, und mancher Scabiosen.

Zu den sonderbarsten Formen des Insekteneies aber gehören die Eier der schönen Florfliegen (Hemerobius), welche Dir sicher, wenn auch nicht unter diesem Namen, bekannt sind. Sie sind Ordnungsverwandte der Libellen und haben vier ziemlich breite, gleich große, zarte Flügel mit einem äußerst zierlichen und feinmaschigen Adernetz. Sie halten sich gern in unsern Zimmern, namentlich in selten geöffneten, an den Fenstern auf und fliegen uns Abends nicht selten in die Flamme unseres Lichtes. Sie zeichnen sich aus durch halbkugelig am Kopfe bervortretende Augen, welche in wunderschönem Goldgrün glänzen. Diese Thiere heften ihre Eier truppweise zusammen auf langen haarfeinen Stielchen an Pflanzenblätter fest und sind diese daher lange selbst von den Naturforschern für Blattpilze gehalten worden (Fig. 8). Die daraus auskriechenden Larven jagen dann auf den Pflanzen nach Blattläusen, die sie aussaugen und deren Bälge dann an dem mächtig bepuderten Leibe der Larven hängen bleiben.

Als ich einst bei Triest auf einem Steine festgeklebt ein solches Ding fand, wie Dir Fig. 9 in natürlicher Größe zeigt, wußte ich Anfangs selbst nicht, wofür ich es halten solle. Es ist ein wunderliches gelblich graues wie aus Hausenblase gemachtes blättriges Gebilde, was man, wenn es trocken ist, leicht nach den Blättern zerbrechen kann. Inwendig findet man dann, siehe rechts den Durchschnitt, eine Menge längliche Eier. Sie gehören der im südlichen Deutschland vorkommenden Heuschrecke, mit dem sonderbaren Namen der Herrgottanbeterin (Mantis religiosa), an. Indem das Weibchen die Eier ablegt, baut es zugleich um dieselben aus einem, schnell zu einer derben Haut erhärtenden, Schleime die sonderbare Hülle, die man leicht selbst für ein selbstständiges aus Schildern regelmäßig zusammengesetztes Wesen halten könnte.

Sind auch meine Eifiguren hier am Ende, so würde doch die Insektenwelt für viele andere Stoff bieten. Oft wahrhaft staunenerregend sind die Anstrengungen und Arbeiten, welche die weiblichen Insekten übernehmen, um ihre Eier so unterzubringen, damit es nachher die auskommenden Lärvchen behaglich finden. Eine kleine Wespe baut z. B. für jedes einzelne Ei, deren sie doch wenigstens nach und nach zwanzig legt, eine kugelrunde haselnußgroße Höhle, die sie im Freien an Mauern, zwischen Steinen, an Felsen u. s. w. anbringt, und dann, bevor sie dieselbe verschließt, daß sie eine hohle Kugel ist, zu dem Ei einige lebendige Räupchen sperrt, welche dann ihrem Larvenkinde zur Nahrung dienen.

Denke an die Bienen und gemeinen Wespen, die für jedes einzelne Ei eine so kunstvolle sechseckige Zelle bauen, als hätten sie Zirkel und Maaß dabei angewendet. Belausche den bekannten schneeweißen Schmetterling, den Goldafter (Liparis chrysorrhoea), wie er seine goldbraunen Afterhaare mit den Flügeln auf den eben gelegten Eierhaufen herunterbürstet und diesen dadurch vor den scharfen Augen der Singvögel doch nicht gut genug verbirgt. Ein wunderbarer Instinkt lehrt, die Pferdebremse (Ostrus equi), ihre Eier an diejenigen Theile des Pferdeleibes zu legen, wo diese sich lecken kann, damit sie von dem Pferde verschluckt und in den Magen befördert werden, wo die Bremsenlarven allein ihren gedeihlichen Entwickelungsort finden. Die grausamen Schlupfwespen oder Ichneumoniden suchen andere Insekten auf, am häufigsten Schmetterlingsraupen, denen sie ihre Eier auf den Leib heften, aus denen dann die Lärvchen dem armen Schlachtopfer sich unter die Haut bohren und von dessen Lebenssäften zehren. Eines dieser Thierchen, die Gattung Teleas, ist so klein, daß es gegen zwölf seiner unendlich kleinen Eierchen in ein Schmetterlingsei legt, dessen Inhalt dann ausreicht, die Teleaslärvchen wenigstens eine Woche lang und zwar bis zur Verpuppung zu nähren! Bis endlich die Gallwespen als Meister der wahrhaften natürlichen Magie aus ihrem Reiche heraus einen kühnen Griff in das Pflanzenleben thun und durch ein unaussprechlich winziges Tröpfchen eines mit dem Ei in das Eichenblatt gebrachten Saftes dieses zwingen, als Wiege und Speisekammer zugleich um das Gallwespenlärvchen den Gallapfel zu bauen.

Ueberall das ganze Jahr hindurch sind zahllose Eier dieser Thierklasse, die eine unausdenkbar wichtige Rolle im Naturhaushalte spielt, wenn auch meist für uns unsichtbar verbreitet. Erinnere Dich an die als „Landplage“ sprüchwörtlichen Heuschrecken. In einer Gemeinde sammelte man 1833 bei Marseille 3808 Kilogramm Heuschreckeneier, was nach einer Schätzungszählung über 300,000,000 Eier beträgt. Gewiß sind dort mindestens doppelt so viel dem Auge der Sammler entgangen.

Mein nächster Brief soll Dir Einiges von dem Larvenzustande der Insekten berichten.