Die Kapelle bei Dallau

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Textdaten
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Autor: Alois Wilhelm Schreiber
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Titel: Die Kapelle bei Dallau
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 608–609
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[608]
Die Kapelle bei Dallau.[1]

Als die Hunnen das teutsche Land überschwemmten, lebten in dem Kloster bei Dallau zwölf junge Nonnen mit ihrer betagten Vorsteherin. Sie gehörten sämmtlich den edelsten Geschlechtern der Gegend an und waren von unsträflichem Wandel. Als die wilden Feinde sich dem Neckarthale nahten, sah man auch im Kloster nur schreckensbleiche Gesichter, denn allenthalben verübten die zuchtlosen Schaaren unerhörte Frevel. Einst verharrten die Jungfrauen bis um Mitternacht im Gebet, zum Himmel um Schutz und Rettung flehend, da vernahmen sie plötzlich ein dringendes Läuten an der Klosterpforte. Ein alter Mann mit schneeweißem Barte und von ehrwürdigem Ansehen bat um Einlaß und Nachtherberge. Freundlich nahmen die Frauen den Wanderer auf und labten ihn mit Speise und Trank. Ueber sein Antlitz war eine Hoheit und Milde ausgegossen, die jedes Herz mit Ehrfurcht und Vertrauen erfüllte. Im Laufe des Gespräches theilten ihm die frommen Schwestern auch ihre Besorgnisse wegen der Barbaren mit und baten um seinen Rath.

„Wie ihr an mir Erbarmen geübt habt,“ – sagte der Greis – „so wird Gott auch eurer sich erbarmen, denn er hört stets das Flehen der reinen Unschuld. So hört nun den Rath, den ich euch ertheilen will: Laßt alsbald dreizehn Todtensärge machen und dieselben in die Kapelle stellen. Nahen sich die Feinde diesen heiligen Mauern, so schmückt eure Häupter mit Blumenkränzen und legt euch in die Särge, als ob ihr Verstorbene wäret. Ich werde wiederkommen zu derselben Stunde, da die wilden Heereshaufen in dies Gotteshaus dringen und werde euch einsegnen.“

Die Jungfrauen thaten, wie der Greis sie geheißen. Sie ließen in Eile die dreizehn Särge zimmern und als sie das Geschrei und Gelärme der heranziehenden Hunnen vernahmen, flocht Eine der Andern einen Kranz um das Haupt und Jede legte sich im Todtengewand in ihren Sarg, die Hände über die Brust gefaltet. Auf einmal kam der Greis im kirchlichen Talare, begleitet von zwei wunderschönen Chorknaben, aus der Sakristei geschritten und verrichtete die Gebräuche, wie sie bei Beerdigungen [609] vorgeschrieben sind; denn die Jungfrauen waren wirklich eingeschlummert, aber nur um jenseits, in den Gefilden des ewigen Friedens, wieder zu erwachen. Kaum waren die letzten Einsegnungsworte über die Lippen des Greises, als die Hunnen hereinstürzten, aber bei dem Anblick der dreizehn Särge wie starr vor Schrecken stehen blieben. Der Greis hatte sich in eine hohe zürnende Jünglingsgestalt verwandelt, die mit drohendem Winke die Hand nach den Feinden streckte. Eine Strahlenglorie umwob seine Locken und über die weißen Gesichter der todten Jungfrauen ergoß sich ein güldener Schimmer. Von namenloser Angst ergriffen, stürzten die Kriegsknechte aus Kapelle und Kloster fort, Keiner mehr es wagend, dem Gipfel des Berges wieder zu nahen. Als endlich das Land von den wilden Horden gesäubert war, kehrten die Umwohner des Klosters nach und nach in ihre Hutten zurück und wollten auch, nach alter Gewohnheit, dem Gottesdienst auf dem Berge wieder beiwohnen, allein sie fanden zu ihrem Staunen alle Zellen verlassen und in der Kirche dreizehn frischgelegte Gruftplatten, alle mit Kreuzen bezeichnet, worauf die Namen der dreizehn Jungfrauen und ihrer Priorin zu lesen waren.

Al. Schreiber.
(Siehe dessen „Sagen etc.“)

  1. Dorf, ein und eine Viertelstunde von Mosbach.