Die Kentuckier

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Titel: Die Kentuckier
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aus: Das Ausland, Nr.  180 S.  719-720
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Kentuckier[1].


Die erste Nacht unter einem Obdach in Kentucky, überzeugte mich schon, daß die Bewohner dieses Staates in Neuyork mit Recht halb Roß, halb Alligator genannt, noch keine milderen Sitten angenommen hatten. Der Bauer, oder vielmehr Pflanzer, war mit seiner Frau abwesend und sein Bruder, der die Wirthschaft besorgte, auf einem Pferderennen; ein alter Mann, mit seiner Tochter allein zu Haus, bejahte meine Frage, ob ich hier Aufnahme fände. Ich speiste eben Speckschnitten, Kornbrod und Milch, als der Bruder des Hausbesitzers mit seinem Nachbar vom Wettrennen heimkehrte. Beide führten noch Rosse, außer denen, worauf sie ritten, und feuerten, bevor sie abstiegen, ihre Pistolen los. Beide Kentuckier hatten eine Pistole in dem Gürtel und einen Dolch in der Brusttasche. Eine Quartflasche in der einen Hand, und mit der andern die Tabakreste aus dem Munde ziehend, trank mein Wirth eine halbe Minute lang aus der Flasche, deren Rand von den Tabaksüberbleibseln eine braune Farbe bekommen hatte. Der Kentuckier sah mich mißfällig an, als ich die Flasche abwischte; allein ich kehrte mich nicht daran und reichte sie, nachdem ich getrunken, seinem Freunde. Wir setzten uns. „Wie weit kommt Ihr heute?“ fragte mein Wirth. „Von Cincinnati.“ „Ihr wohnt aber nicht in Cincinnati, vermuth’ ich, oder?“ „Nein, mein Herr.“ „Und wo wohnt Ihr denn?“ „In Pennsylvanien.“ „Eine gute Strecke!“ rief mein Gastfreund, „ich habe dies Volk in Pennsylvanien lieber, als die verdammten Yankees; aber immer sind es keine Kentuckier.“ Ich gab von Herzen meine volle Einstimmung. „Die Kentuckier,“ fuhr mein Wirth fort, „sind ein erstaunlich mächtiges Volk; sie sind das erste Volk auf Erden!“ „Ja, mein Herr.“ „Sie sind ein unbeschreiblich großes, ein Wunder, wie mächtiges Volk, sind sie’s nicht?“ „Ja, mein Herr.“ „Wie gefällts Euch in Kentucki?“ „Sehr gut, mein Herr; schon vor vier Jahren habe ich’s durchreist.“ „Gott verdamm! meiner Seel! Hölle und Teufel!“ brüllte das Unthier. „Die Pennsylvanier haben keine Quadratmeile Land in ihrem Staat, das sich mit unsern ärmsten Landen messen dürfte! Bill,“ (hier wandte er sich an seinen Nachbar zur Linken), „Bill ist kannibalisch gezeichnet worden. Gott verdamm’ mich etc., er blutete wie ein Schwein.“ „Ja,“ erwiderte sein Nachbar, „Sam hat excellent drein geschlagen, sollt’ ich meinen. Bill darf seine vier Wochen zuwarten, bis er wieder auf die Füße kömmt, wenn er’s je wieder so weit bringt. Gott verdamm! Aber sagt mir Isaak, die Mähre, auf die er so viel hält, ist nur ein armseliges Thier gegen seins – führ ihn auf den Sand. Ich hätt’ ihm Hals und Beine brechen mögen, wär’ auch draus entstanden, was da wollte. Aber Dick und John!“ – und nun brachen die beiden Ehrenmänner in das brüllendste Roßgelächter aus. „Wie seine Augen blinzelten, er sah aus wie der Squire Toms, wenn er die ganze Nacht über der Flasche lag; ich glaube, er wird seine Augen nicht mehr zu Recht bringen.“ „Er sieht gar nicht mehr,“ versetzte der Nachbar, „das eine hängt ihm ganz aus der Höhle, und John mußte ihn nach Hause bringen.“ Die Sekundanten waren doch herzliebe Leute, sollt’ ich meinen, daß sie nicht drein sprangen und den Spaß verderbten.“ „Ja, sie waren schon aus frühern Zeiten krumm auf John.“ „Meiner Sechs – das war ein einziger Spaß; um Alles in der Welt hätt’ ich ihn nicht gegeben. Gott verdamm mich! Dick versteht sich scharmant auf’s Augausschlagen – ein – zwei Hiebe – und John lag auf dem Boden! Ihr habt gewiß auch Wettrennen in Pennsylvanien?“ fuhr er gegen mich fort. „Ja, mein Herr.“ „Auch Gefechte und Prügeleien?“ „Nein, mein Herr.“ Mit einem bedeutsamen Blick auf seinen Nachbar, fuhr nun mein Wirth fort: „Ja, die Pennsylvanier sind eine ruhige, gottselige Menschenrace; sie stechen nichts als ihre Schweine, und verschenken all ihr Geld an die Pfaffen.“ Unter diesen und ähnlichen Gesprächen verging der Abend, und es ward eilf Uhr, bevor dieß interessante Paar sich trennte.

Am nächsten Morgen frühstückte ich eben, als uns ein Geheul und Hallo vor die Thüre rief. Ein Trupp Reiter kam vorüber. Zwei von ihnen hatten, jeder einen Neger, vor sich herlaufen, den sie mittelst einer an einem eisernen Halsband befestigten Leine hielten. Eine furchtbare Reitpeitsche trieb die Neger von Zeit zu Zeit an, ihre Schritte zu verdoppeln. Die blutigen Rücken und Nacken [720] verriethen die häufige Anwendung der Peitsche. Ein dritter Neger hatte jedoch das härteste Loos. Die Leine seines Halsbandes war an den Sattelgurt des Pferdes von dem dritten Reiter angebunden, und dem Unglücklichen blieb somit keine andere Wahl, als mit dem trabenden Pferde gleichen Schritt zu halten, oder über Gräben, Dornbüsche und Gestrüpp geschleppt zu werden. Seine Füße und Beine, mit Blut bedeckt, boten einen schrecklichen Anblick. Diese drei Sklaven waren zwei Tage zuvor entsprungen, weil sie fürchteten, nach dem Mississippi oder nach Louisiana gebracht zu werden. „Seht,“ sprach Miß Forth, indem sie ihre schwarzen Mädchen rief, „was den schlechten Negern geschieht, die ihren guten Herrn entlaufen!“ Gleichgültig und mit lachendem Munde (was deutlich zeigte, wie gewöhnlich derlei Scenen diesen armen Kindern waren), drückten sie ihr Mißfallen über diese schlechte Aufführung aus.

Kentucky ist, ohne alle Uebertreibung, eines der schönsten Länder auf der Erde. Das Klima ist dasselbe, wie im Süden von Frankreich; Früchte aller Art erreichen den höchsten Grad von Vollkommenheit, und ungern verließe man dieses Land, wenn der Charakter seiner Bewohner weniger unfreundlich wäre.

Alles, nur nicht des Menschen Geist ist göttlich. Die Bewohner bestehen hauptsächlich aus Auswanderern von Virginien, Nord- und Südcarolina und aus Abkömmlingen der Pflanzer in den schwarzen Wäldern – einer stolzen, trotzigen und hochmüthigen Menschenklasse. Sie siedelten sich unter unaufhörlichen Kämpfen mit den Indianern an, die sich dadurch an ihnen rächen, daß sie ihre eigene grausame und unversöhnliche Gemüthsart auf ihre Vertilger übertragen. Dieß ist ein Hauptzug des Kentuckiers. Er lauert drei, vier Wochen in den Wäldern auf den Augenblick, wo er seine Rache sättigen kann, und selten oder nie vergibt er. Die Männer haben eine athletische Gestalt, und es finden sich unter ihnen viele Musterbilder männlicher Schönheit. Die Volksmenge beläuft sich nun an 757,000 Köpfe, 15,000 Sklaven mit eingerechnet. Die Pflanzer bilden die angesehenste Klasse und die Masse der Bevölkerung. Nächst oder gleich ihnen an Rang stehen die Rechtsgelehrten, und ebenso die Kaufleute und Manufakturisten. Die Aerzte und die Geistlichen nehmen eine niedrigere Stufe ein, und am Wenigsten geachtet sind jene Handwerker und Landbauer, die keine Sklaven haben. Diese werden nicht besser, als die Sklaven selbst behandelt. Die Konstitution neigt sich zum Föderalismus; der Besitz von Grundeigenthum bedingt die Fähigkeit zur Bekleidung eines öffentlichen Amtes. Die Geistlichen jeder Glaubensform sind von öffentlichen Stellen ausgeschlossen. Kentucky ist für neue Ansiedler nicht zu empfehlen. Sklaverei – Unsicherheit des Besitzes – Trennung der Gerichtsbehörden in zwei Parteien, die sich gegenseitig wüthend befeinden – an der Spitze der Verwaltung ein Mensch, der seinem hohen Posten Schande und Unehre bringt, und dessen Sohn in Großbritannien längst gehangen wäre – äußerst schlechter Kurs etc. – sind lauter Dinge, die jedem Freunde der Ruhe und des Friedens höchst bedenklich sind. – Leidenschaften wirken mit doppelter Macht, wo Reichthum und Willkür über eine Heerde von Sklaven herrscht, und vierzigjähriger Kriegsstand mit den Wilden hat den Samen der gesetzwidrigsten und der unbändigsten Rachsucht ausgestreut.

Diese Leute sind der Schrecken aller Kreolen, welche den höchsten Grad von Barbarei mit dem Namen Kentuckier bezeichnen; und das schlimmste ist, daß sie unter dem Namen Kentuckier den ganzen Norden begreifen.

So spricht man in Natchez, wo die brutale Aufführung der kentuckischen Reisenden die einst so gastfreundlichen Pflanzer nöthigte, allen Fremden ihre Thür zu verschließen. Und es ist daher kein Wunder, daß eine Reise hier zu Lande verrufen ist, denn sie wird sehr beschwerlich durch die schlechten Wege, und den noch schlechtern Zustand der Wirthshäuser. Früher konnte man auf die Gastfreundlichkeit der französischen Kreolen rechnen. Wer bei ihnen einsprach, fand die willkommenste Aufnahme. Die Kentuckier pflegten nun auf ihren Wanderungen in Pflanzungen einzukehren, wo sie Rum, Branntwein u. s. w. unentgeltlich erhalten konnten, betrugen sich aber mit solcher Anmaßung und solchem Uebermuth, daß sie die Kreolen häufig in ihren eigenen Behausungen französische Hunde schalten und niederstachen, wenn sie nur das geringste Zeichen von Mißfallen äußerten.


  1. The Americans as they are etc.