Die Klaque

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Autor: Otto Felsing
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Titel: Die Klaque
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 206–210
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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[206]

Die Klaque.

Studie zur Naturgeschichte des theatralischen „Handwerks“.
Von Otto Felsing.

Man sitzt im Theater. Das Lustspiel, welches gerade zum ersten Male gegeben wird, erweist sich als ziemlich schal und öde. Der Hauptdarsteller ist ein hölzerner Gesell, der sich offenbar im Salonrock sehr unbehaglich fühlt und die zwar banalen, aber immerhin leicht flüssigen Worte des Autors herunterbrüllt, als tragire er den Bombast eines Ritterstiefeldramas von Anno dazumal; sein Gegenpart, die sinnige, schüchterne Jungfrau, ist von einer Sentimentalität, die geradezu zum Davonlaufen reizt; [207] der Komiker ist so witzlos wie nur möglich; die Leute, welche neben Einem sitzen langweilen sich ganz augenscheinlich oder ärgern sich auch wohl, je nach Temperament … und nichts desto weniger erdröhnt das Theater, selbst bei den mattesten Aktschlüssen, von Beifall, der bombasticus furiosus wird für seine schauspielerischen Schandthaten durch mehrfachen Applaus bei offener Scene belohnt und verbeugt sich auch mit gewinnendem Lächeln trotz des Zischens, das von anderer Seite ertönt, die Sentimentale rührt einen Theil der Anwesenden zu Thränen, und der trockene Komiker erzielt wahre Lachsalven! Der unbefangene Zuschauer, der nicht oft Gelegenheit hat, das Theater zu besuchen, greift sich an den Kopf und zweifelt einen Augenblick daran, ob er wacht oder nicht etwa in das Land der Träume entführt ist, wo bekanntlich die logische Folge von Ursache und Wirkung aufgehoben ist. Nein, möchte man ihm da zurufen, nein, mein lieber unbefangener Zuschauer, der du Europens übertünchte Theatererfolge nicht kennst, du wachst vollkommen! Was du da erlebt hast, kannst du in schwacher oder drastischer Form fast bei jeder großstädtischen „Première“ wieder erleben, und das nicht nur in Europa … du hast eben die Klaque bei ihrer Arbeit gesehen, das ist die ganze Lösung des Räthsels, welches dich so in Verwirrung und Erstaunen setzt!

Wer öfter ins Theater geht und dann sein Augenmerk nicht nur den Vorgängen auf der Bühne zuwendet, sondern auch das Publikum ein wenig in den Kreis seiner Betrachtungen zieht, der kommt leicht dahinter, was es mit der Klaque auf sich hat, und gewinnt mit der Zeit ganz interessante Einblicke in die Art und Weise ihrer Thätigkeit. Zunächst lernt er die Unterscheidung zwischen der gelegentlichen und der berufsmäßigen Klaque kennen und dann deren beide Unterabtheilungen, die positive und die negative Klaque.

Die gelegentliche Klaque ist die harmloseste, trotzdem sie die häufigste ist. Der von ihr ausgehende Beifall ist entweder Familien- oder Freundesapplaus und vermag keinen Erfolg zu schaffen, höchstens der schon vorhandenen freundlichen Stimmung ein wenig nachzuhelfen. Nur dann „drückt“ der Familienapplaus ein Stück „durch“, wenn es einen „sehr verwandten“ Dichter zum Autor aufweist und dieser Vettern und Basen bis in das zehnte Glied aufgeboten hat. Das ist dann der „Familienerfolg“, der weniger in der Großstadt als in Provinzstädten zu gedeihen pflegt. In die Gattung des Familienapplauses gehört auch die „Handarbeit“ der „Theatermutter“, die sich nicht rührt, wenn der „erste Held und Liebhaber“ noch so glänzend gespielt hat, aber mit wahrer Vehemenz klatscht, wenn die Scene, welche ihre „Tochter“ vor die Koulissen führt, auch nur den geringsten Vorwand zum Applaudiren bietet.

Mit dem Freundschaftsapplause verhält es sich ähnlich. Er gilt entweder einem Autor von weit reichender persönlicher Bekanntschaft oder einer hübschen Schauspielerin, die da weiß, „wie es gemacht wird“, und nicht nur von der Bühne herab zum Publikum in Beziehungen tritt. Bemerkenswerth ist dabei, daß es fast stets nur Schauspielerinnen, selten männliche Akteurs sind, bei denen ein Freundschaftsapplaus zu konstatiren ist.

Himmelweit von diesem gelegentlichen Applause verschieden ist der berufsmäßige, der von der „Klaque“ besorgt wird. Das ist ein Geschäft wie jedes andere und sogar meist ein recht einträgliches. Die Klaque dient am häufigsten den Bühnenkünstlern, weit seltener den Theaterdirektoren und naturgemäß am seltensten den Autoren. Sie ist organisirt, untersteht einem „Chef“, einem Unternehmer, der seine Klaqueure engagirt und Vereinbarungen mit dem Theaterdirektor, den Autoren oder den einzelnen Bühnenmitgliedern trifft. Eine ganze Reihe von Theatern steht in dauernder Verbindung mit einem solchen „Chef“ und zahlt ihm regelmäßige Gage. Das ist z. B. bei den meisten Pariser Theatern, aber auch anderwärts wie z. B. in Wien der Fall. Die Existenz dieser Leute ist den Theaterhabitués wohl bekannt, das große Publikum erfährt von ihr erst, wenn sie beendet ist, denn nach dem Tode des Ehrenmannes kann man seinen Nekrolog in den Zeitungen lesen, dann heißt es z. B.:

„Das Theater an der Wien hat einen schweren Verlust erlitten: Herr Joseph König, der Chef der Klaque dieser Bühne, ist am Mittwoch gestorben. Der Verblichene hat dreißig lange Jahre dem Verbande des Theaters angehört und von demselben auch in den schweren Tagen der Noth seine ‚Hand‘ nicht abgezogen. Für eine Monatsgage von dreißig Gulden lieferte er die sogenannten freundlichen Erfolge, während er sich die Hervorrufe einzelner Mitglieder von diesen separat bezahlen ließ. Er war ein braver Mann und hatte ein Alter von 67 Jahren erreicht. Den Erfolg der jüngsten Millöcker’schen Operette, der nicht Erfolg von seinem Erfolge war, überlebte er nicht lange.“

Sehen wir uns die Thätigkeit der Klaque einmal näher an. Sie beginnt natürlich mit der Regelung der Finanzfrage, indem sich der Chef der Klaque ein paar Tage vor der „Première“ zu dem Autor begiebt oder vor dem Auftreten eines „Gastes mit unterlegtem Kontrakte“ diesem oder dieser seinen Besuch macht. Ist die Firma der Klaque eine „feine“, so vollzieht sich das Geschäft in ganz chevaleresker Form. In Wien z. B. existirt ein Chef der Klaque, der von solcher Noblesse ist, daß er sogar peinlich berührt wird, wenn man in seiner Gegenwart von Geld überhaupt nur spricht. Er pflegt in einem solchen Falle zu sagen: „Mein Fräulein, ich kam nur, um mir das Vergnügen Ihrer persönlichen Bekanntschaft zu verschaffen. Daß Sie sich mit uns in geschäftliche Verbindung setzen, ist ja selbstverständlich, denn es ist hier Usus, aber ich persönlich habe mit Vereinbarungen irgend welcher Art nichts zu thun. Das ist Sache meines Associés, der sich morgen die Ehre geben wird, Sie aufzusuchen.“ In der That erscheint dann am nächsten Tage ein weit weniger nobel aussehendes Individuum, welches das Feilschen und Handeln gründlich versteht und sogar, wenn etwa die Höhe seiner Forderung erschreckt und die „Klientin“ dann lieber ganz auf die Hilfe der Klaque verzichten will, nicht mehr von den Vorzügen des positiven, sondern von den Nachtheilen des negativen Klaquirens spricht, nicht mehr Erfolge in Aussicht stellt, sondern mit – „auszischen lassen“ droht. Das hilft fast immer, und wenn nicht, so haben nur Die den Schaden, welche sich nicht zu einer Einigung mit der Klaque herbeiließen.

Anch in Berlin, wo das Vorhandensein einer Klaque so oft abgeleugnet wird, giebt es eine solche Doppelfirma für Erfolge, die freilich zu den Theatern als solchen keine Beziehungen hat, sondern nur mit den einzelnen Mitgliedern und den Autoren in Geschäftsverbindung steht.

Herr S., der eine Chef derselben, erschien vor nicht gar langer Zeit am Tage vor der Aufführung eines neuen Stückes im königlichen Schauspielhause in der Wohnung des Autors und verlangte nicht nur ein ziemlich hoch beziffertes Honorar, sondern auch eine Anzahl von Freibilletts für „seine Leute“. Als der Dichter den Mann energisch abwies und ihm bemerkte, daß er es vorziehe, seine Erfolge ohne Hilfstruppen aus „Handwerker“kreisen zu erringen, lächelte Herr S. höhnisch und sprach, mit dem Rande seines Cylinderhutes im Takte auf seine Kniescheibe klopfend, die denkwürdigen Worte:

„Probiren Sie es, Herr Doktor; aber nehmen Sie sich auch recht hübsch in Acht, daß Sie nicht durchrasseln!“

Und in der That, der Antor „rasselte durch“, sogar mit „Pauken und Trompeten“. Ohne die negative Thätigkeit der Klaque wäre es vermuthlich zu einem Resultate gekommen, das man „kaum einen Achtungserfolg“ hätte nennen müssen; mit der Klaque hätten die Blätter ein halbes Dutzend Hervorrufe bei sehr freundlichem Gesammterfolge verzeichnen können, gegen die Klaque gab es eine „totale Niederlage“.

Die von der Klaque gegen Pränumerandozahlung verabreichten Erfolge sind natürlich nicht billig. Eingeweihte versichern, daß ein von ihr gelieferter „rauschender Erfolg“ mit 10 bis 12 Hervorrufen nicht unter 300 Mark zu haben ist, ganz abgesehen von den Freibilletts, die zum Theil an die „Leute“ vertheilt, zum Theil aber auch verkauft werden und dann eine ganz hübsche Nebeneinnahme des „Chefs“ bilden. Verhandelt derselbe aber nicht mit Autoren, sondern mit Bühnenkünstlern, so läßt er sich auf die Verabfolgung von Gesammtsuccessen meist nicht ein, sondern verlangt Honorirung von Einzelleistungen laut Tarif. Bei der erwähnten Berliner Firma kostet z. B. ein Applaus bei offener Scene 10 Mark, ein Hervorruf das Doppelte. Dementsprechend ist auch die „Lachsalve“ und die „tief gehende Rührung“ auf dem Preiskourant der Klaque angesetzt.

Sind die Geldangelegenheiten zur Befriedigung des Chefs erledigt, hat der Autor bezahlt und die Freibilletts geliefert oder [210] doch versprochen, so geht es an das Studium der Novität; der Chef schreibt sich die Stellen heraus, wo der Beifall kommen muß, entweder aus den Reihen des Publikums oder denen der Klaque, und übt seine Leute direkt darauf ein. In Paris geht er mit ihnen sogar auf die Generalprobe, giebt ihnen die Stichworte an, bei denen sie zu klatschen, zu lachen oder zu weinen haben, und tritt dann am Abend der Eröffnung als einer der Ersten in den Zuschauerraum, wo er sich so postirt, daß er von jedem seiner „Mitarbeiter“ gesehen werden kann. Sie sitzen natürlich nicht in einem Haufen zusammen, sondern sind überallhin vertheilt, besteht doch in der Geschicklichkeit der Vertheilung einer der Hauptvorzüge eines guten Klaquechefs. Die „Ritter vom Kronleuchter“ sitzen oben auf der letzten Galerie, ihnen liegt zumeist das „wiehernde Gelächter“ und der namentlich bei Kraftstellen zu verzapfende „frenetische Beifall“ ob. Leute, die über etwas bessere Röcke und womöglich gar über etwas intelligentere Gesichter verfügen, haben vereinzelt ihren Platz in den verschiedenen Rängen und im Parkett.

Der Vorhang geht in die Höhe; sie rüsten sich, in Aktion zu treten. Der erste Akt, für den auf Grund der Lektüre des „Buches“ ein „Mittelapplaus“, „halblaute Bravos“ und zum Aktschluß ein „Beifallssturm“ vorgemerkt sind, läßt aber das ziemlich kritische Premièrepublikum dermaßen kalt, daß sich der Vorhang ohne den geringsten Beifall senkt und der Chef der Klaque es nicht wagt, seine Truppen ins Feuer zu führen, um nicht eine Opposition heraufzubeschwören, die vielleicht von den verhängnißvollsten Folgen sein könnte. Er muß daher bei allen vorgemerkten Stellen „abwinken“. Mit Blitzesschnelle erfaßt er in solchem Augenblicke die „riskante“ Stimmung der Zuschauer, eine unauffällige Bewegung der Hand nach der Kravatte oder ein eben so unauffälliges Streichen des Schnurrbartes – und es herrscht auf den Sitzen der Klaque eine solche marmorstarre Regungslosigkeit, als hätte der Autor niemals einen viel bedeutenden Händedruck mit dem Klaquechef gewechselt.

Der zweite Akt hebt sehr kühl an; aber da kommt eine Scene, die rührend wirken soll und in der That eines gewissen Eindrucks auf das Publikum nicht verfehlt. Da spielt der „Chef“, wie tief in Gedanken verloren, mit der Uhrkette – und auf einmal hört man, wie sich ganz oben, wo das naive Publikum zu sitzen pftegt, Jemand leise schnaubt; das Schnauben wird ansteckend, von rechts und links und mitten aus dem Parkett heraus vernimmt man es, und siehe da, es übt seine Wirkung auch auf die nicht beeinflußten Zuschauer, die „weich werden“ und ebenfalls ihre Taschentücher hervorziehen; es ertönt ein Applaus, den die Hände der Klaque nicht hervorrufen, sondern nur verstärken. Die Scene hat „eingeschlagen“, der Erfolg beginnt. Kurz darauf wagt es der Chef nach einem Monologe des Helden, der nicht gerade kalt, aber auch nicht besonders warm aufgenommen wurde, einen kleinen „Lockbeifall“ loszulassen; derselbe wird von einem Theil der Zuschauer „aufgenommen“, und nun geht es mit sich steigernder Schnelligkeit und Zuverlässigkeit von Applaus zu Applaus, von Lachsturm zu Lachsturm, und es wäre kaum noch nöthig, daß der kleine Herr da mit den wasserblauen Augen und semmelblonden Haaren im zweiten Rang eben so wie der andere Herr mit dem schwarzen Oberkellner-Kotelettenbarte jedesmal vor Vergnügen in wahrhaft konvulsivische Zuckungen gerathen, sobald der Komiker einen Witz gemacht hat – es geht jetzt auch schon ohne Nachhilfe. Der garantirte Gesammterfolg ist da und der Chef nickt am nächsten Tage im Kaffeehaus dem Autor von Weitem mit einem Lächeln zu, das da sagen will: „Sehen Sie wohl, Doktorchen, wir verstehen den Rummel!“

Das war ein Beispiel der positiven Arbeit der Klaque. Ihre negative Thätigkeit übt sie weit weniger häufig aus.

Freilich, will ein Autor nicht „blechen“, hat ein Sänger, der sich auf seines Basses Grundgewalt oder den Goldglanz seines hohen C verläßt, den Herrn Chef mit Nichtachtung behandelt, anstatt ihm zu schmeicheln, so lechzt die Klaque nach Rache und beweist jedem, auf den sie es abgesehen hat, daß das Register der Bezeigungen ihres Mißfallens mindestens eben so reichhaltig ist wie das ihrer Beifallsarten. Sie zischt nicht bloß, nein, sie schlägt plötzlich ein höhnisches Gelächter auf, welches die ganze Stimmung im Hause niederreißt, sie verhustet die feinsten Dialogpointen und niest so nachhaltig in die pathetischsten Stellen hinein, daß man glauben sollte, es habe da oben jemand ein paar Loth Schnupftabak ausgeschüttet und dieser thue nach unten hin seine Wirkung. Aber nicht genug damit: die Klaque provocirt kleine Ruhestörungen auf der Galerie, deren sich das Publikum durch energisches Zischen und „Ruhe!“-rufen erwehrt – die Stimmung ist aber hin. Es verspricht sich ein Schauspieler, die Klaque jubelt laut auf – die Stimmung ist hin, ist unwiederbringlich verloren. Wehe dem, der es mit der Klaque verdirbt!

Indeß, wie gesagt, die negative Thätigkeit der Klaque ist verhältnißmäßig selten, zuweilen ist sie Sache derjenigen, welche die gelegentlichen Freundschafts- und Familienapplause fabriciren. Will ein Schauspieler seinen „lieben theuren Kollegen X“ auszischen lassen, weil X ihm die Glanzrolle des jüngst zur Austheilung gelangten neuen Stückes weggeschnappt hat, so bedient er sich seiner Freunde dazu. Er kann sich dann darauf verlassen, daß sein theurer Freund und Kollege prompt niedergezischt und ihm seine beste Scene „verulkt“ wird, während zwischendurch für den Urheber dieser negativen Huldigungen „wahre Beifallsstürme“ entfesselt werden. Manchmal allerdings wird dieses kombinirte Geschäft auch von der berufsmäßigen Klaque ausgeübt. Wir selbst haben einen solchen Fall im Londoner Lyceum-Theater erlebt, als Henry Irving den Macbeth gab. Da saß neben uns auf einem Fauteuil ein sehr robustes Individuum, das ganz ungenirt seine Abendzeitung las, wenn nicht gerade Macbeth oder Banquo auf der Scene war. In diesen beiden Fällen steckte der Mann freilich seine Zeitung ein oder legte sie sich, wenn er wußte, daß der Auftritt nur ein kurzer sein würde, quer über die Kniee, applaudirte dann mit seinen gewaltigen Patschen – Handschuhnummer mindestens 91/2 – wie wahnsinnig, wenn der Herr Direktor Irving spielte, und grunzte, murmelte, hohnlachte und zischte, wenn Banquo redete. Sollte vielleicht der Herr Direktor einen kleinen Spahn mit dem Darsteller des Banquo gehabt und ihm haben beweisen wollen, daß das „Publikum“ von seiner Vortrefflichkeit nicht gerade felsenfest überzeugt sei?

So ungenirt wie in diesem Falle, so sich in ihrer ganzen Schamlosigkeit auch dem Auge des Unbefangensten enthüllend, tritt freilich die Klaque unseres Wissens sonst nirgend auf; aber vorhanden ist sie in allen Großstädten, so entrüstet auch zuweilen gegen diese Behauptung protestirt wird, und überall arbeitet sie mehr oder minder geschickt mit denselben Mitteln und nach denselben Grundsätzen.

Nützt sie nun denen wirklich etwas, die sich ihrer bedienen? Leider ja, wenn auch nur zeitweise und nicht auf die Dauer. Es sind allerdings nur Scheinerfolge, die sich mit solchem gefälschten Applause, mit solcher für 20 Mark vorausbestellten „tief gehenden Rührung“ und mit Lachsalven à 10 Mark erzielen lassen.

Aber im Theater, in dieser Welt des Scheines thun auch solche Scheinerfolge ihre Schuldigkeit, wenn sie nur hinterher unter Benutzung der Reklametrommel gehörig „fruktificirt“ werden. Es hilft daher auch nichts, wenn das Publikum zuweilen gegen das Klaque-Unwesen energisch Front macht und die Herren von der breitgeschlagenen Hand niederzischt, wo es kann; es ist vergebens, wenn, von echt künstlerischem Impulse getrieben, Bühnenleiter, wie im September vorigen Jahres z. B. die Direktion des Wiener Burg- und des Hofoperntheaters die Mitglieder in einem Cirkularreskript vor der Verwendung der Klaque, „welche sich in letzter Zeit im k. k. Hofoperntheater unliebsam hervorthat“, eindringlich warnt. Es nützt das gar nichts, denn die Klaque ist ein geschäftlicher Faktor, und da leider Gottes heut zu Tage sowohl die meisten unserer Bühnenschriftsteller wie unserer Bühnenkünstler, von den Direktoren ganz zu schweigen, Geschäftsleute sind, welche schallende Erfolge haben wollen, um sie in klingende umzuwechseln, so wird die Klaque nach wie vor ihr „Handwerk“ ausüben, und der Beifall, den man mit Recht die „Nahrung des Künstlers“ genannt hat, wird auch fernerhin wie jedes andere Nahrungsmittel verfälscht werden.