Die Know-Nothings in Amerika
[576] Die Know-Nothings in Amerika. Die außerordentliche Zunahme von Einwanderern aus Europa in den verschiedenen Staaten Nordamerika’s hat bewirkt, daß es jetzt unter den 20 Mill. Bewohnern der Vereinigten Staaten etwa 4 Millionen giebt, die nicht dort geboren wurden. Da dieselben aber, besonders im Norden, wo sie schon nach einer Anwesenheit von einem halben Jahre alle Bürgerrechte ausüben dürfen, großen Einfluß, oft einen entscheidenden, auf den Gang der Verwaltung und Politik haben, so ist der Patriotismus der eingebornen Amerikaner empfindlich und gereizt worden. Schon vor zwanzig Jahren zwar bildete sich eine Gesellschaft mit der ausgesprochenen Absicht, alle „Fremden“ von den Staatsämtern auszuschließen und zehn Jahre lang wirkte sie in ihrem Sinne nach verschiedenen Seiten hin; weil indeß gerade damals die am Ruder stehenden Staatsmänner der Einwanderung günstig waren und dieselbe durch mancherlei gesetzliche Bestimmungen zu fördern, statt zu hemmen suchten, so erlosch die „Gesellschaft der eingebornen Amerikaner“ (native Americans) allmälig, in unsern Tagen aber erhebt sie sich mit unerwartetem Ungestüm und blinder Rücksichtslosigkeit von Neuem unter dem Namen der Know-Nothings (Nichtswisser), und vor mehreren Monaten machte sich ihr Bestehen gleichzeitig auf fast allen Punkten des Landes bemerklich. Sie zeigte sich nicht blos in den östlichen Staaten und in den großen Städten, sondern hauptsächlich im Westen, in dem sich die meisten Einwanderer finden.
Die Know-Nothings geben sich offen als das, was sie sind, als die Todfeinde aller Eingewanderten und Naturalisirten und nennen sich die wahren Vertreter der amerikanischen Nationalität. Von Parteifragen unter sich wollen sie nichts wissen, sondern alle Kraft nur gegen den „Einfluß der Fremden“ richten. Um diesen Einfluß zu bekämpfen, handelten sie wie die Revolutionäre in der alten Welt und organisirten sich unter dem Namen Freiheitshüter fast militärisch in Regimenter, Compagnien und Brigaden. Sie verlangen von dem zu ihnen Tretenden zwar keinen Schwur, aber die Versicherung auf Ehrenwort, die Gesetze des Landes als guter Bürger zu vertheidigen. Sobald eine Ruhestörung, ein Straßenauflauf erfolgt, begiebt sich der Commandant der Know-Nothings zu dem Mayor oder Sherif den Ortes, um seine Dienste zur Herstellung der Ordnung anzubieten. Auch in dieser Weise suchen sie die Herrschaft in ihre Hand zu bringen, aber sie gehen weiter: sie verlangen die Einführung eines rein amerikanischen Schulunterrichtes, namentlich aber die Abschaffung aller Naturalisationsgesetze und wissen bei jeder Gelegenheit den an sich gewiß richtigen Satz zu verfechten, daß Fremde nie und unter keiner Bedingung an der Regierung und Verwaltung eines Landes, in dem sie nicht geboren sind, das sie nicht kennen, Theil nehmen dürfen.
Noch nicht genug. Da der bei weitem größte Theil aller Einwanderer, die in Amerika ankommen, der katholischen Kirche angehören, so haben die Know-Nothings angefangen einen Kreuzzug gegen den Katholizismus zu predigen, den sie den gefährlichsten Feind der amerikanischen Freiheit nennen. Sie richten die dringendsten Aufforderungen an die Protestanten und scheinen sogar nicht abgeneigt zu sein, den alten Fanatismus der Puritaner, wenn es möglich wäre, neu in’s Leben zu rufen. Zu diesem Zwecke haben sie bereits eine Zeitung gegründet, den Know-Nothing and American Crusader, in welchem es heißt: „Der größte, der furchtbarste Feind des Landes, den, welchen wir Amerikaner vor jedem andern zu fürchten haben, ist die außerordentliche Macht der katholischen Kirche und ihr bereits bestehender nicht zu berechnender Einfluß auf unsere Angelegenheiten. Schon hat sie ihre Riesenhand erhoben etc.“ Und so schürt die neue Partei unablässig, um den – Religionshaß zum Brande anzufachen.
Die Disciplin der Know-Nothings ist charakteristisch. Sie treten nirgends geräuschvoll und eitel hervor; sie sammeln sich nicht um eine offen getragene Fahne, ja sie sprechen nicht auffallend oft; sie wirken mehr negativ und im Stillen, namentlich bei den Wahlen, um ihre Leute in den Congreß und in Stellen zu bringen, wie sie sich nie über den letzten Zweck erklären, welchen sie verfolgen.
Leider aber bleibt es bei der grundsätzlichen negativen Thätigkeit der Gesellschaft nicht. Wenn der amerikanische Parteigeist gereizt wird, wüthet er wie ein wildes Thier. So begannen die Know-Nothings in New-Orleans gegen die Irländer, die sie vorzugsweise hassen, einen blutigen Kampf, der vierzehn Tage dauerte, viele Opfer kostete und nicht anders zu unterdrücken war, als daß die Miliz ein Militairregiment einführte, das ziemlich dem Belagerungszustande glich. In St. Louis hatten die Demokraten, um die Wahl ihrer Candidaten für den Congreß durchzusetzen, hundert Meilen weit die irländischen Eisenbahnarbeiter herbeikommen lassen. Trotzdem setzten die Know-Nothings die Wahl ihres Candidaten durch und die Folgen davon waren blutige Schlägereien, die mehrere Tage lang andauerten.
Die verständigen und ruhigen Amerikaner verwerfen die Bestrebungen der neuen Partei, denn wenn es sich auch recht wohl erklären läßt, daß das protestantische und amerikanische Gefühl mißtrauisch gegen das riesig anschwellende Zuströmen fremdartiger Elemente wird, so ist es doch noch viel zu früh, schon jetzt den Nothschrei zu erheben, und mit Bangen blicken die Freunde der Vereinigten Staaten in und außerhalb derselben auf das Umsichgreifen einer Partei wie die Know-Nothings, die politischen und religiösen Fanatismus zu Hülfe rufen, um ihre Zwecke zu erreichen, die wie die Freimaurer in Europa geheime Zeichen und Logen haben und sich nicht scheuen, ihre Lehren mit Flintenschüssen zu begründen.