Die Krönung der heiligen Elisabeth
[722] Die Krönung der heiligen Elisabeth. (Mit Illustration S. 708 und 709.) Das Gemälde von Hermann Kaulbach besitzt alle Vorzüge des hochbegabten Malers. Der feierliche und ergreifende Akt, welchen unser Holzschnitt nach dem Bilde treu wiedergiebt, wurde vom deutschen Kaiser Friedrich II. an der Landgräfin von Thüringen, als sie nach erfolgter Heiligsprechung beigesetzt wurde, im Jahre 1236 in der Deutschordenskirche zu Marburg an der Lahn vorgenommen. Der Hohenstaufe hat nach Mittheilung eines Theilnehmers an dieser Kirchenfeier, des Cäsaro Heisterbach, bedauert, daß er die edle Frau nicht als Kaiserin krönen konnte: „er wolle sie deßhalb durch die Krone als eine ewige Königin im Reiche Gottes ehren“. Damit wurde auf eine Herzensbeziehung des Kaisers zu der tugendreichen Frau hingewiesen, wodurch der Krönungsakt einen menschlich anmuthenden Beweggrund gewinnt. Unstreitig die lieblichste Gestalt des Bildes ist der kleine Sohn der Landgräfin, Hermann, der seine Ergriffenheit beim Anblicke der todten Mutter kaum zu bemeistern vermag und mit Mühe den Ausbruch der Thränen zurückhält. Die ältere Tochter der heiligen Elisabeth, Sophie (später Herzogin von Brabant), ist offenbar durch die Heiligkeit ihrer Mutter gehoben und getröstet, während sich die jüngste Tochter der Landgräfin, Gertrud, nach Kinderart neugierig umsieht, da ihr die ernste Bedeutung der Kirchenscene unverständlich bleibt. Im Mittelgrunde des Domes fällt der Kanzler des deutschen Ordens, Hermann von Salza, auf, in dessen Kopfe sich eine stahlfeste Willenskraft ausprägt. Unweit vom Kanzler stützt sich auf einen Pilgerstab der Schwager Elisabeth’s, Konrad, welcher die an der Landgräfin verübten Gewaltthaten tiefgebeugt zu bereuen scheint.
Wie Kaulbach Kinder- und Frauenanmuth darzustellen versteht, beweisen die Gruppen der Sängerknaben und der Nonnen vom Orden des heiligen Franciscus, deren Klostergenossin vormals die Landgräfin Elisabeth gewesen war. Besonders ist die jüngste der Nonnen eine Himmelsbraut, die sich anmuthiger kaum denken läßt. Das durch Weihrauchwolken gedämpfte Sonnenlicht durchzittert den Dom und läßt nur die Umrisse der das Todtenamt celebrirenden Priester wahrnehmen. H. Kaulbach hat es auch in diesem Bilde verstanden, klar und geschmackvoll zu schildern, menschliches Mitempfinden wachzurufen und das Interesse durch charaktervolle und schöne Gestalten zu fesseln, sowie durch die feine Durcharbeitung der Formen auch beim kleinsten Nebenwerk ästhetisch zu befriedigen. Dieses Gemälde H. Kaulbach’s fand bei seiner Ausstellung in München und in Berlin günstigste Aufnahme und Beurtheilung. Dr. Adalbert Svoboda.