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Die Kunst im Kleinen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: M. L.
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Titel: Die Kunst im Kleinen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 740
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[740] Die Kunst im Kleinen. Der Elfenbeinschnitzer Leo Pronner in diürnberg hatte einst auf einen Kirschkern die beiden Wappen seiner Vaterstadt so fein und deutlich gravirt, daß diese Arbeit die Bewunderung aller Kenner erregte. Aber wie erstaunten die Letzteren, als der Künstler den Deckel von dem Kern abnahm und mit einer überaus feinen Pincette ein Dutzend Teller, ein Dutzend Messer, die Klingen von Stahl und die Hefte von Holz, und endlich ein Dutzend Löffel von Buchsbaum aus dem Innern hervorlangte! Derselbe Künstler konnte das Vaterunser mit Frakturschrift so zart schreiben, daß man dasselbe mit einer halben Erbse bedecken konnte. Die sechs Hauptstücke der christlichen Lehre schrieb er so fein, daß die ganze Schrift nur den Raum eines Pfennigs einnahm. Der Mathematiker David Schwenter[WS 1], mit welchem Pronner befreundet war, erhielt einst ein glattpolirtes Pfennigstück von ihm zum Geschenk, auf welchem zwölf Vaterunser und der Glaube gravirt, in der Mitte aber ein Krucifix mit Maria und Johannes gezeichnet war. Selbstverständlich konnte man die Schrift nur mit Hilfe eines ziemlich starken Vergrößerungsglases erkennen. Roß und Reiter schnitzte er aus Elfenbein von solcher Feinheit, daß man dasselbe durch ein Nadelöhr schieben konnte.

Ein ähnlicher Tausendkünstler war der schwäbische Drechsler Oswald Uerlinger. Er drehte einst ein Pfefferkorn zu einem Miniaturtrinkgeschirr aus und versah es mit einem elfenbeinernen Füßchen und dergleichen Deckel. Sechshundert andere mikroskopisch kleine Becher hatte er zum Einlegen in den größeren bestimmt, und sie sämmtlich erschienen durch das Vergrößerungsglas vollkommen ebenmäßig und proportionirt. Ein anderer kleiner Pokal, von demselben Künstler herrührend und ebenfalls aus einem Pfefferkorn gefertigt, hatte Fuß und Deckel von Gold und sein Inneres war mit nur dreihundert goldenen Kelchen angefüllt, weil sich das Gold nicht zu so überaus feinen Gegenständen verarbeiten läßt, wie das Elfenbein. M. L.     


Anmerkung (Wikisource)

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  1. gemeint ist Daniel Schwenter.