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Die Kupferminen zu Katharinenberg in Schweden

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CCXXXVIII. Olmütz in Mähren Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band (1839) von Joseph Meyer
CCXXXIX. Die Kupferminen zu Katharinenberg in Schweden
CCXXXX. Semlin
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KUPFERMINE KATHARINEBERG
in Schweden

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CCXXXIX. Die Kupferminen zu Katharinenberg
in Schweden.




Der Pabst Alexander der Sechste verschenkte mit einem Federzuge die neue Welt, als wäre sie menschenleer. Die alte Welt wurde nicht verschenkt; sie wurde, mit allen ihren Genüssen, die Beute der Stärkern. Der Gewaltige riß an sich, was er zu ergreifen und zu behaupten vermochte. Damit aber der Krieg nicht ewig währe zwischen Dem, der was hat, und Dem, der nichts hat, und damit der errungene Besitz auch in Sicherheit genossen werden könne, zog man den schützenden Zaum des Gesetzes um der Besitzer Habe, und Wissenschaft und Himmel drückten später das Siegel der Unfehlbarkeit darauf. Die Gegenwart hat nichts verschuldet, wenn die Theilung ungleich war. Es ist ein Erbe der Vergangenheit und unabänderlich; denn die Zeiten der Solone und agrarischen Gesetze sind nicht die unsrigen.

Arbeit fristet das Leben; – Millionen unserer Brüder gibt sie nicht mehr; und niemals mehr dem Stande des Bergmanns. Für einen Lohn, der kaum hinreicht, das Leben zu stunden und dessen unabweisliche Bedürfnisse zu befriedigen, vollbringt er unter beständigen Gefahren, in den dunkeln Eingeweiden der Erde, sein saures Tagwerk. Die Gewohnheit allein ist seine barmherzige Göttin; mildernd und ausgleichend versüßt sie des Armen Loos, und läßt ihn ein Geschick leicht tragen, gegen welches das manches Lastthiers beneidenswerth erscheint. Die Gewohnheit macht den Bergmann eben so gleichgültig gegen die Gefahr, wie gegen die harte, beschwerliche Arbeit. Munter springt er am frühen Morgen, ehe noch der Hahn kräht, bei dem Auf! Auf! seiner vorüberziehenden Kameraden vom harten Nachtlager empor, dankt seinem Gott für das Gefühl der Arbeitstüchtigkeit, wirft sich in seine Fahrkleider, hängt seine Grubenlampe an, umarmt sein treues Weib, das ihm ein Säckchen reicht mit dem Stück schwarzen, trocknen Brod, und unter dem Nachruf: komm gesund wieder! verläßt er seine armselige Wohnung, die er mit Frau und Kindern dem lieben Gott befiehlt. So geht er, vielleicht mitten im Winter, bei finsterer Nacht, im tiefen, ungebahnten Schnee, 2 Stunden und weiter, in’s Gebirge, oder nach dem Waldwinkel, wo seine Grube liegt. Ermüdet und erstarrt tritt er in das Zechenhaus, wo er die in gegenwärtiger Schicht anfahrende Mannschaft zum Gebet versammelt findet. Bei den flimmernden Grubenlichtern liest der Steiger in dem unwirthlichen Raume das Gebet; dann stimmen alle dem obersten Bergherrn einen Lobgesang an, und knieend sprechen sie leise das Vater Unser. [13] Nochmals befiehlt ein jeder seine Seele und den Leib auf seinen gefährlichen Wegen dem Gebieter über Leben und Tod aller Menschen, und gestärkt und voll Vertrauen fährt er nun, unter dem schwachen Schein eines Hellerlichts, auf schwanker, zerbrechlicher Fahrt hunderte von Ellen in finstere Tiefen hinab. Auf großen und tiefen Gebäuden muß er, wohl stundenlang, bald senkrechte Schachte hinunterklimmen, bald auf horizontalen Gängen, die sich labyrinthisch durchkreuzen, sich zurechtfinden, bis er endlich den Ort erreicht, wo die eigentliche Arbeit beginnt. Hier „vor Ort“, eng eingeschlossen vom unterirdischen Gestein, fängt er, zusammengekauert, oder knieend, in der unbequemsten Stellung, seine saure und Geduld-prüfende Berufsarbeit an. Oefters ist das Gestein so fest, daß der härteste Stahl nichts über dasselbe vermag und es nur durch das gefährliche Sprengen mit Pulver bezwungen werden kann. Er bohrt im Schweiße seines Angesichts ein Loch in den Felsen. Lange bohrt er, vielleicht eine ganze Schicht lang; endlich ist es tief genug. Voller Hoffnung auf des Pulvers Wirkung schiebt er die Patrone hinunter und besetzt den Schuß mit aller Vorsicht. Ist alles in Ordnung, so ruft er: – es wird angesteckt! – ein Zeichen für die in der Nähe arbeitenden Bergknappen, ihre Stellen zu verlassen und sich vor dem entzündenden Schuß in Sicherheit zu setzen. Behutsam steckt er hierauf mit seinem Lichte den Schwefelfaden an, der mit der Patrone in Verbindung steht, und eilt schnell in ein sicheres Versteck, die Explosion zu erwarten. Die Zeit, binnen welcher der Schuß gewöhnlich geschieht, vergeht; er wartet geduldig eine halbe Minute länger; da kommt ihm der Gedanke bei, der Schuß habe versagt; und beherzt tritt er hervor, um von neuem anzustecken.

Und hier ist nun der Endpunkt seines Lebens, das traurige Ziel seiner Schichten; denn indem er sich nähert, geht der Schuß los und das zersprengende Gestein zerreißt ihm den Leib. Schaudernd finden ihn die Mitarbeiter in seinem Blute liegen. Zitternd bei der Vorstellung, daß sie der nämlichen und vielen andern Gefahren täglich unterworfen sind, schicken sie Einen fort, um es im Bergamt zu melden, damit der Verunglückte besichtigt und aus der Grube geschafft werde. Ein Anderer eilt zum Bergkaplan, damit dieser der Wittwe die Schauernachricht hinterbringe und sie mit dem Troste der Religion aufzurichten suche. Wie das junge, auf den Gatten sehnsüchtig harrende Weib erblaßt, als es den Geistlichen, im schwarzen Amtsgewande, ihrem Häuschen zuschreiten sieht! Wie es verzweifelt, wenn man die Leiche ihres zerschmetterten Gatten auf schwarzer Bahre in das Stübchen bringt! Wie die Kinder mit Heulen und Schreien zu der Bahre stürzen, des Vaters liebes Angesicht zu sehen, das, unkenntlich und gräßlich entstellt, ihnen nur Entsetzen einjagt! Wer möchte das Jammerbild ausmalen?

Ein solches Schicksal, oder doch ein ähnliches, erwartet aber den Bergmann so häufig, daß er sich immer darauf gefaßt machen sollte. Steckt auch nicht immer ein so plötzlicher Tod seinem Leben das Ziel, kann er doch einer Menge anderer Feinde nicht entgehen, welche ihm auf seinem Berufswege begegnen und die an seinem Leben nagen. Schon als Knabe, am Waschtrog und an der Scheidebank, nimmt er die Keime zerstörender Uebel in sich auf, und die vergifteten Dünste, welche er später in der Grube einsaugt, der Staub von der Arbeit auf trocknem Gestein, besonders [14] beim Firstenbaue und Ueberhauen, der fressende, ätzende Qualm von den Metalloxiden, der sich bei der Manipulation der Erze entwickelt, machen ihn schachtmatt, und kurzer Athem und schwindsüchtiger Husten beschleunigen nur zu oft des Bergmanns Tod.


Ich sehe es dem geehrten Leserkreise an, nach einer solchen Vorrede wird meine Einladung zur Befahrung der Grube Katharinenberg, eines der bedeutendsten Kupferbergwerke Schweden’s, kein großes Glück machen! – Dennoch muß sie geschehen. –

Kommt, Freunde, kommt! – Fest tretet in die Fahrten,
     Die senkrecht stehn;
Getrost hinab! damit wir die verwahrten
     Erdschätze sehn.

Kein Räderrasseln, auch kein Donner eines Schusses
     Schreck’ euch zurück!
Vertraut dem Grubenlicht, der Leuchte eures Fußes
     Und Bergmanns-Glück!


Und glücklich ist die erste Fahrt überstanden. Wir befinden uns in einer Weitung, welche einer großen Colonade ähnlich ist und deren mit Kupfergrün überzogene Bergfesten (Pfeiler, die man stehen läßt, um das Einstürzen der Decken zu hindern) uns beweisen, daß die Vorfahren hier große Erzvorräthe gewannen. Diese Gallerieen sind gleichsam die Propyläen eines bewundernswürdigen, unterirdischen Tempels des menschlichen Fleißes und menschlicher Habsucht. – Schweigend und staunend gehen wir vorwärts. Plötzlich steht der Führer still und warnt: – wir sind am Rande eines finstern Abgrunds, aus dem die Erze von der Tiefe gefördert werden. Vorsichtig treten wir an die niedrige Holzeinfassung und wagen es, einen Blick hinab zu werfen. Ketten rasseln auf und nieder, an welchen große eiserne Tonnen hängen, angefüllt mit Erzen. Gespensterhaft fahren sie vorüber, hinauf, in einen über uns befindlichen Schacht, an dessen oberstem Ende das Tageslicht wie ein Punkt sichtbar ist. An den Wänden des tiefen Schachts glauben wir ein Schimmern zu erkennen, welches bald vergeht, bald wiederkehrt. Das ist der Schein von den Grubenlichtern der Bergknappen, welche in den Gallerieen arbeiten, die von den Seiten des Schachtes, auf dem edlen Lager, unter und über einander zur Gewinnung der Erze getrieben werden. Dann und wann tritt eine Pygmäengestalt mit dem glitzernden Lichtchen heraus, und klimmt eine der Fahrten hinan, die an den [15] innern Schachtwänden hängen, um in eine andere Gallerie zu kommen. Die Kleinheit der Figuren verräth die ungeheuere Tiefe. Sie ist vom Rande des Schachtes bis zur Sohle 75 Lachter: folglich mehr, als von der Spitze des Straßburger Münsters bis zu seinem Fundamente. Das Rasseln der Ketten, das Stöhnen der Pumpen, das Knarren der Kunstgestänge, das Halloh der Bergleute, das Krachen des Gesteins, das Rauschen der Wasser, das Trappeln und Wiehern der Göpelpferde, und das unaufhörliche Klopfen und Klingen der Schlägel und Eisen (der Hämmer und Keile) machen eine gräßliche Musik, welche durch das Rollen des unterirdischen Donners, wenn die Felsen mit Pulver gesprengt werden, von Zeit zu Zeit unterbrochen und übertäubt wird. Unwillkührlich denken wir an die Worte des englischen Dichters:

„Hörst du, wie Satanas, grimmentbrannt, höllischen Aufruhr züchtigt?“

Herzklopfend rüsten wir uns zur Reise in diesen schwarzen Abgrund. Die Fahrten (Leitern), anstatt wie in unsern Bergwerken am Harz und bei Freiberg, auf Platforms zu ruhen, welche bei einem möglichen Ausgleiten den Fallenden verhindern, den ganzen Abgrund hinabzustürzen, sind hier in einer ununterbrochenen Folge an einander gehakt. Nicht überall ist die Schachtwand senkrecht; manchmal hat sie große Unebenheiten, und dann liegen die Leitern schief, oder hängen eine Strecke lang ganz frei im Schacht, so daß sie bei jeder Bewegung des Fahrenden hin und her gleiten und wanken. Doch ist kein anderes Hinabkommen möglich: und da sich selten Jemand, der nicht zur Grube gehört, hinab wagt, so sind jene Einrichtungen, welche man in öfterer besuchten Bergwerken für das bequeme und sichere Fahren der Fremden anzutreffen gewohnt ist, hier unbekannte Dinge. Nicht ohne Entsetzen bemerken wir beim matten Schein unserer Grubenlichter, daß manche der Leitern gebrochen, oder faul, und nur mit Stricken und eisernen Bändern nothdürftig zusammen gehalten sind; und um unsere Furcht auf’s Höchste zu steigern, tropfen in größerer Tiefe die Sprossen von eiskaltem Wasser, welches die sich ängstlich anklammernden Hände erstarren macht, und dem Fuß keinen festen Tritt erlaubt. „Achtung!“ ruft von Zeit zu Zeit der Führer, wenn eine besonders gefährliche Stelle zu passiren ist; und dabei nimmt er Anlaß, die Unglücksfälle zu erzählen, die auf solcher sich schon zugetragen. „Fest gehalten und rechts hinüber gelehnt! Erst vor acht Tagen ist hier ein Häuer gestürzt, der nicht aufgepaßt.“ – „„Gestürzt? und was ist aus ihm geworden?““ – „Geworden!“ antwortet der Führer, ohne den Ton zu ändern: „Brei, purer Brei!“ –

Endlich verläßt der Fuß die letzte Sprosse, und mit einem Gottlob! und dem Seligkeitsgefühl überstandener Gefahr fühlen wir wieder den festen Boden. Aber auf dem kalten, nassen Kothe der Schachtsohle ist kein Ausruhen; hastig treibt der Führer durch winkliche Strecken, auf deren Boden tiefe Pfützen stehen, der Gegend zu, wo der Donner seinen Ursprung zu haben scheint, der von Zeit zu Zeit betäubend durch die labyrinthischen [16] Gänge rollt. Endlich sehen wir uns in einer großen, einer Kirche ähnlichen Weitung. Bergvesten tragen ihre Decke; an ihren Wänden flackern Fackeln und Grubenlichter in großer Menge, und menschliche Wesen bewegen sich hin und her. Oben, unten, an der Decke und an den Seiten, überall klingen Schlägel und Eisen, oder schroten Bohrer, welche Batterieen zum Sprengen vorrichten. Die Erze, welche hier brechen, sind keineswegs reich; aber ihre Menge vergütet, was sie an Haltigkeit entbehren, reichlich. Noch stehen wir und staunen, ob des wunderbaren Pandämoniums. Da kommt unversehens eine Schaar alter Weiber auf uns zugesprungen, Wesen, wilder als Furien und häßlicher als Teufel. Wir haben nicht Zeit, die kothigen Gorgonengestalten zu betrachten; denn sie fahren uns mit flackernden Kienspänen in’s Gesicht, unser Führer nimmt Reißaus, und im wilden Durcheinander flüchten wir in die enge Strecke zurück, aus der wir eben gekommen waren. Es war die höchste Zeit; denn kaum sind wir an sicherm Ort, so erfolgt ein Donnerschlag, der die Erdveste unter unsern Füßen erzittern macht und ein ganzer Fels stürzt, unfern der Stelle, wo wir gestanden, aus der Höhe mit furchtbarem Krachen herab. Man hatte nämlich eben eine Batterie angezündet, als wir eingetreten; und ob des chaotischen Lärmens hatten wir den Warnungsruf nicht gehört. Ohne jene häßlichen Schutzengel würde uns die tückische Atropos den Lebensfaden abgeschnitten haben.

Der Leser wird mir zu gute halten, daß ich es Jedem selbst überlasse, die Aengsten und Wehen der Ausfahrt sich so schlimm zu denken, als er mag. Auch die Freude, nach einer solchen Tour wieder das helle Tageslicht zu schauen, frische Luft einzuathmen und sich an der Sonne zu wärmen, läßt sich besser empfinden, als mit Worten ausmalen. –

– Der Kupferbergbau Schwedens blüht seit vielen Jahrhunderten. Er hat im Kreise Falun seinen Hauptsitz, beschäftigt über 5000 Menschen und liefert jährlich über 17,000 Zentner Metall zur Ausfuhr, welches meistens zu Schiffböden verarbeitet wird. Reiche Erze brechen in verhältnißmäßig sehr geringer Menge; ihr Durchschnittsgehalt ist nicht über 2½ Pfund Kupfer im Zentner und ehedem konnten, bei der Wohlfeilheit des Holzes, selbst noch ärmere mit Vortheil verschmolzen werden. Aber seit einigen Jahren werden die Klagen über Holzmangel auch dort häufig, viele Grubenreviere empfinden das Nachtheilige dieses Verhältnisses, und mancher sonst sehr austrägliche Bau kam schon zum Erliegen. Die Noth wird auch hier die Mutter und Erfinderin des Guten seyn und Schweden lehren, die Schätze fossilen Brennmaterials aufzusuchen und zu benutzen, über deren Daseyn und große Verbreitung in jenem Lande kein Zweifel obwaltet.