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Semlin

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CCXXXIX. Die Kupferminen zu Katharinenberg in Schweden Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band (1839) von Joseph Meyer
CCXXXX. Semlin
CCXXXXI. Madrid: der Palast der Cortes
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SEMLIN

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CCXXXX. Semlin.




Semlin, obschon uralt, hat das Ansehen einer Stadt von gestern. Die unaufhörlichen Kriege, welche während der letzten Jahrhunderte dieses Land durchwühlten, ließen auch nicht ein einziges Baudenkmal aus ältern Zeiten übrig. Symmetrisch reihen sich die neuen, gleichförmigen Häuser zu breiten Straßen, und selten unterbricht ein öffentliches oder Privatgebäude von größern und geschmackvollern Verhältnissen und solider Bauart die architektonische Monotonie. Doch das rege Leben und Treiben der bunten Bevölkerung entschädigt reichlich dafür. Betrachtet man die verschiedenen Physiognomien und Trachten, und hört man das Durcheinander der Sprachen und Dialekte, so kann der Gedanke entstehen, man sey an einem Ort, wo sich die Repräsentanten vieler Völker der Erde Rendezvous gegeben haben. Man erkennt, daß Semlin auf dem Punkte liegt, in welchem die Scheidungslinien mehrer Nationen des Abendlandes und des Orients zusammenlaufen. Alle Einwohner von Semlin sprechen einige Sprachen; die Nothwendigkeit, sich täglich in vielen verständlich zu machen, ist ihre Lehrerin. Handelsleute, Wirthe, Barbiere z. B., wissen sich oft in einem Dutzend auszudrücken; mindestens wird dieß jeder im Griechischen, Türkischen, Deutschen, Lateinischen nothdürftig können; slavonisch und ungarisch reden ohnehin alle. In gebildetern Kreisen ist lateinisch das gewöhnliche Unterhaltungsmittel, sobald ein Fremder an der Conversation Theil nimmt; und man hört das Idiom des Cicero mit Leichtigkeit und Zierlichkeit sprechen.

Semlin, nach Größe, Reichthum und Einwohnerzahl (10,000) die wichtigste österreichische Stadt an der serbischen Gränze, hat vielen Handel mit den Ländern der europäischen Türkei, der sich mit jedem Jahre vergrößert. Er wird genährt durch die Donau und begünstigt durch die hier befindlichen Quarantaine- und Contumazanstalten, welche alle aus der Türkei kommenden Reisenden und Waaren zu einem längern oder kürzern Aufenthalt nöthigen. Selbst die Briefe werden hier geöffnet und gereinigt, ehe sie weiter befördert werden dürfen. Deshalb ist es auch besonders der Speditionshandel, der groß und einträglich ist, und kein aus, oder über Ungarn mit der Türkei verkehrendes Haus kann eines Correspondenten in Semlin gänzlich entbehren. Die hiesigen Spediteure genießen den Ruf der Redlichkeit, der Zuverläßigkeit und Pünktlichkeit auch bei Besorgung kleiner Aufträge.

Semlin hat Manches, was man schwerlich an einem Orte seiner Größe, zumal in einer slavonischen Stadt und an den Marken der Türkei suchen wird: z. B. ein recht hübsches Theater, in welchem, abwechselnd, deutsche und ungarische Nationalstücke gespielt werden, Reunions, Bälle und Konzerte, stattliche, vortrefflich ausgerüstete Hotels und in seiner nächsten Umgebung öffentliche Gartenanlagen und Vergnügungsorte, die von den bessern Classen der [18] Gesellschaft besucht sind, und wo man sich in einem leichten, freien, dem Fremden behaglichen Tone bewegt. Fast jeder öffentliche Garten schließt ein Belvedere ein, von dem man die Aussicht auf den majestätischen Strom genießt, der sich in halbstündiger Entfernung mit der mächtigen Drau vermählt. Jenseits fällt der Blick auf Belgrad, dessen einst so gefürchtete Akropolis man mit dem Interesse betrachtet, das ein gezähmter Löwe einflößt.

Der täglich steigende Wohlstand Semlins ist nur eine von den sichtbaren Wirkungen, welche die Eröffnung der Donau durch die Dampfschifffahrt auf alle Uferländer äußert. Servien, Bulgarien, die Moldau und Wallachei waren vor jenem Ereigniß dem allgemeinen Verkehr verschlossen, und die natürlichen Reichthümer dieser Landstriche ihnen selbst fast werthlose Güter. Das Leben versumpfte bei ihren wunderbar gemischten Völkern; der Civilisation waren sie unzugänglich, auf der Kulturkarte der Menschheit ein leeres Fleck. Seit jenem großen Fortschritt in der Verbindung mit dem übrigen Europa keimen Veränderungen auf, deren Entwickelung außer menschlicher Berechnung liegt, und nur Eines läßt sich mit Sicherheit behaupten: auch hier wird niederstürzen der Thron der physischen Macht, und an seine Stelle wird treten jene friedliche, prunklose Herrschaft des Geistes, für welche jede Erfindung eine neue Waffe und eine neue Bürgschaft des gewissen Sieges ist.