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Die Laubvögel oder Gärtnervögel

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Textdaten
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Autor: Dr. Karl Ruß
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Titel: Die Laubvögel oder Gärtnervögel
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 504
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[504] Die Laubenvögel oder Gärtnervögel. Wer aufmerksam in der Natur sich umschaut, wird zu der Einsicht gelangen, daß wir an Wunder nicht zu glauben brauchen; es geht eben Alles natürlich zu, selbst wenn uns hier und da etwas verwunderlich oder wohl gar unerklärlich erscheint. So durften die Naturforscher oder andere Wanderer, wenn sie in den Wildnissen von Neuholland, Neuseeland und Neuguinea plötzlich ein artiges Gärtchen mit laubenförmigem Gange zierlich hergestellt und mit bunten Federn, Blüthen, Früchten etc. geschmückt vor sich sahen, in der That darin ein kleines Wunder der Natur erblicken. Wie war dasselbe dorthin gekommen, wer hatte es hier inmitten des Urwaldes errichtet? Von den gerade auf recht niedriger Cuturstufe stehenden Eingeborenen durfte man es nicht erwarten, und welchem der hier hausenden Thiere sollte man es zutrauen? Nur Vögel konnten die seltsamen Baumeister sein.

Eine kleine Sippschaft Gefiederter, von etwa Drossel- bis über Dohlengröße, welche den Krähenartigen oder Rabenvögeln und insbesondere den Paradiesvögeln nahe stehen, hat man um der erwähnten Eigenthümlichkeit willen Lauben- oder Gärtnervögel geheißen.

In den üppigen, dicht belaubten Gebüschen an der Moretonbai und im Cederngehölz der Liverpool-Ebene, dann später innerhalb der Dickichte des schönen Urwaldes der Ausläufer des Arfakgebirges fanden manche Reisende solche Wunderbauten. Ganz in der Nähe des Fußpfads, erzählt Beccari, befand ich mich dem schönsten Werke gegenüber, welches je von einem Thiere errichtet worden. Es war eine Hütte inmitten einer mit Blumen geschmückten Aue; das Ganze ein Prachtbau im Kleinen. Der schmucklose Laubenvogel, dessen Werk ich hier sah, wählt eine flache Stelle und stellt um eine kleine Staude aus feinem Erdmoose einen Kegel vom Umfange einer Spanne am Grunde her. Auf der Spitze dieses Mittelpfeilers stützt sich das ganze Gebäude, dessen Höhe etwa einen halben Meter erreicht. Von der Spitze des Pfeilers gleichsam ausstrahlend werden Reiser und Halme so angebracht, daß sie mit dem einen Ende den Pfeiler, mit dem andern den Boden berühren und so eine kegelförmige Hütte bilden. Das Dach wird fest und für den Regen undurchdringlich geflochten. Der Bau mißt im Umfange etwa einen Meter und die Vorderseite ist offen. Als hauptsächlichsten Baustoff verwenden die Vögel die feinen und geraden Stengel einer Orchidee, welche in dichten Büscheln auf den bemoosten Zweigen alter großer Bäume wächst. Nun aber begnügt sich der gefiederte Baumeister nicht blos mit der Errichtung dieser Hütte, sondern er legt vor derselben auch einen Garten an. Dieser bildet einen freien, bedeutend größeren Raum, als die Laube selbst. Aus weichem Moose wird eine Wiese oder ein grüner Teppich hergestellt, auf welchem Blumen und Früchte von lebhaften Farben so regelmäßig umhergestreut liegen, daß sie in der That ein Ziergärtchen bilden.

Mit dieser Ausschmückung begnügen sich die Vögel aber noch nicht, sondern sie suchen auch noch allerlei andere Dinge zum Schmuck zusammen, so die bunten Federn der dort lebenden ungemein farbenprächtigen Sittiche und anderer Papageien, bunte Muscheln, Schneckengehäuse, gebleichte kleine Knochen, bunte Steinchen u. A. m., ja man behauptet sogar, wenn in der weiten Umgebung irgend ein auffallender Gegenstand, ein Ring, Knopf, eine Nadel oder dergleichen, verloren gehe, so sei er sicherlich beim Laubenvogel wieder zu finden.

Am seltsamsten erscheint es nun aber, daß die ganze Anlage selber für keinen anderen Zweck als den des Vergnügens errichtet wird.

Mit großer Freude kann ich darauf hinweisen, daß Laubenvögel auch bereits zu uns nach Deutschland gelangt sind. Der für die Ornithologie leider zu früh verstorbene Forscher Regierungsrath E. von Schlechtendal in Merseburg erhielt im Jahre 1881 drei eigentliche Laubenvögel, welche vom Großhändler Charles Jamrach eingeführt waren. Der Preis stand auf etwa 45 Mark für den Kopf. Bereits ein Jahr früher hatte der Großhändler J. Abrahams in London auch einen gefleckten Lauben- oder Kragenvogel eingeführt, und die erstgenannte Art ist dort auch schon mehrfach in den Handel gelangt.

Man behauptet, daß diese hochinteressanten Vögel auch sprachbegabt seien, und diese Annahme liegt nicht fern, da wir ja unter ihren nächsten Verwandten viele und tüchtige Sprecher vor uns haben. Hoffen wir, daß die Laubenvögel demnächst zahlreicher herüber kommen und in unseren zoologischen Gärten, ja, selbst in den Volièren der Liebhaber durch ihre künstlerische Thätigkeit uns erfreuen mögen. Dr. Karl Ruß.