Die Liebhaberphotographie

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Autor: C. Falkenhorst
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Titel: Die Liebhaberphotographie
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 604–606
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Liebhaberphotographie.

Skizze von C. Falkenhorst. Mit Zeichnungen von H. Haase.

Vater und Sohn.

Vor einiger Zeit wurde öffentlich die Frage aufgeworfen, wer wohl von den jetzt lebenden „Amateuren“ die Photographie am längsten betreibe. Die „Photographische Rundschau“ teilte als Antwort auf diese Frage mit, daß ihres Wissens der berühmte Indienreisende Dr. Jagor in Berlin der Nestor der Liebhaberphotographen sei, denn er betreibe diese Kunst bereits seit dem Jahre 1849. Ist dies richtig, dann ist die Liebhaberphotographie ungefähr ebenso alt wie die Photographie selbst. Aber in den früheren Jahrzehnten waren die Jünger der ersteren recht selten, man merkte in der Oeffentlichkeit wenig von ihrem Wirken und Schaffen; erst seit einem Dutzend Jahre etwa ist die Zahl plötzlich angewachsen; mit einem Mal begegnete man einer Schar von Leuten, die nicht des Erwerbs wegen, sondern zum eigenen Vergnügen photographierten, auf den Höhen der Berge bis zu der Gletscherregion hinauf und am Strande der See, in stillen Hausgärten, selbst in der Enge der häuslichen vier Pfähle und in dem lauten Volksgetümmel großstädtischer Straßen. Das Photographieren wurde sozusagen Mode und der Liebhaberphotograph zu einer volkstümlichen Gestalt. Er, der ohne Erlaubnis seine Nächsten als Modelle für seine Lichtbilder benutzte, wurde zum Wiedervergelt selbst als Modell herausgegriffen – von Zeichnern sowohl wie von Schriftstellern, die mit Humor seine kleinen Schwächen aufdeckten; er wurde als ein neuer Typus des 19. Jahrhunderts in Skizzenbüchern und Novellen verewigt. Welcher von unsern Lesern würde sich nicht mit Vergnügen des „Amateurphotographen“ erinnern, dessen Bild Hans Arnold mit so köstlicher Laune in der „Gartenlaube“ gezeichnet hat?

Zwei Fortschritte waren es, welche Ende der siebziger Jahre die Liebhaberphotographie, wenn nicht ins Leben riefen, so doch zum raschen Emporwachsen brachten. Früher mußte der Photographierende seine Platten selbst zubereiten und mit ihnen arbeiten, so lange sie noch feucht waren; erst allmählich kamen die lichtempfindlichen Trockenplatten auf, und nachdem das Bromsilbergelatine-Verfahren die Feuerprobe bestanden hatte, konnten die Platten fabrikmäßig hergestellt werden. Das Photographieren wurde bei weitem müheloser. Zugleich gelang es der Wissenschaft, die Empfindlichkeit der Platten wesentlich zu steigern; die Augenblicksphotographie blühte auf. Während früher nur unbewegliche Gegenstände aufgenommen werden konnten und Bildnisse nur von den Menschen gelangen, die sich bequemten, vor dem Apparat zu sitzen, war nunmehr ein mit geeigneter Kamera ausgestatteter Liebhaber der Lichtkunst imstande, Menschen im Laufe und Vögel im Fluge zu photographieren. Mit Trockenplatten im Tornister, wanderte er nunmehr über Berg und Thal und steckte die schönsten Ansichten in die Tasche, mit der Moment- oder Geheimkamera stürzte er sich in das volle Leben hinein und erbeutete Augenblicksbilder aller Art.

Eine Aufnahme bei Blitzlicht.

Das Neue übt auf die Menschen einen großen Reiz aus, und neu war damals das Photographieren ohne Vorbereitung, ohne Lehrkurse und ohne ein ständiges Atelier. Tausende und Abertausende rüsteten sich mit photographischen Apparaten aus, die bald in großer Zahl vorhanden waren, da die Fabrikanten den äußerst günstigen Augenblick wahrnahmen und dem Bedürfnis der Zeit mit größtem Eifer entgegenzukommen suchten. Da erwies sich nun, daß die Liebhaberphotographie ein gar eigenartiges Steckenpferd sei, das mit dem Reiter leicht durchgeht und ihn in tollem Lauf ungeahnten Zielen entgegenträgt. Dieser Reiter zeigte sich so recht als ein Kind unseres nervösen, hastenden und jagenden Jahrhunderts. Er hatte den Apparat, die Platten, Schalen und Chemikalien gekauft und mußte nun Aufnahmen machen. Die Landschaft, die still hält, genügte ihm nicht, er wollte den Berufsphotographen ersetzen und ging daran, sein Familienalbum zu bereichern. In wie vielen Häusern lebt nicht heute die Erinnerung an die Wochen fort, da der Vater, von dem Photographierfieber erfaßt, die Familienmitglieder, alt und jung, zum Sitzen zwang, da er, um die Mutter mit dieser brotlosen Kunst auszusöhnen, an das schwierige Unternehmen ging, den zappelnden jüngsten Buben auf die Platte zu zaubern!

Für die Hausfrau sind die Geduldsproben noch das Wenigste. Ein kluger Gatte weiß sie auch abzukürzen, indem er des Nachts beim Magnesiumlicht Aufnahmen macht. Die Beleuchtung wird ihm nicht schwer, er hat ja eine große Wahl zwischen verschiedenen gefahrlosen und gefährlichen Blitzlichtgemengen und mehr oder weniger praktischen Blitzlichtlampen; aber die Verwertung des künstlichen Lichtes zeigte sich in der Praxis doch nicht so einfach. Die Wirkung von Licht und Schatten mußte eingehend studiert werden, und nachdem diese Klippe überwunden war, machte der [605] angehende Künstler beim hellsten Blitzlicht die trübsten Erfahrungen, bis er den Wert der Bruchteile einer Sekunde kennenlernte, Mittel und Wege fand, daß die Beleuchtung kürzer dauerte, als das Bewußtwerden unserer Sinneswahrnehmung; dann erst gelang es ihm, Gesichter aufzunehmen, die nicht durch Zuckungen infolge der Blendung oder des leisen Erschreckens verunstaltet waren.

Die Opfer.

Der Hinterlistige.

Was aber den Liebhaberphotographen zu einer höchst eigenartigen, ungewöhnlichen Erscheinung im Hause macht, das ist der Umstand, daß er, um seine wichtigsten Handlungen vorzunehmen, sich in Räume und Winkel zurückzieht, die, niemals durch einen Sonnenschein erhellt, bis dahin nur Motten, Mäusen und andern unwillkommenen Geschöpfen als Schlupfwinkel gedient haben. In fensterlosen Rumpelkammern und Alkoven pflegt der Liebhaber seine Dunkelkammer herzurichten, wo er beim Scheine der allein erlaubten roten Lampe aus der belichteten Platte das Bild zu entwickeln und zu fixieren sucht. Leider läßt er die Spuren seiner Thätigkeit nur zu oft nicht nur an den Platten, sondern auch an anderem Gerät zurück, und an den Flecken in den Handtüchern erfährt die Hausfrau nur zu bald, daß die Photographie eine „schwarze Kunst“ ist – in des Wortes verwegenster Bedeutung.

Der Mann, der sonst die Küche meidet, wird jetzt zum häufigen Gast in diesem Raume. Er legt zeitweilig auf die Wasserleitung Beschlag, um Platten und Papierabdrücke zu wässern. Sein findiges Auge entdeckt unter dem Geschirr manches Stück, das geeignet erscheint, das ihm fehlende Werkzeug des Photographen zu ersetzen. Eimer, Fässer, Porzellanschalen werden zeitweilig in den geheimnisvollen Dienst gestellt, Essen, Wäsche, Reinmachen – alles muß zurücktreten, damit die Platten gelingen. Jeder Widerspruch ist fruchtlos, man wagt ihn nicht, wenn man in das fieberhaft erregte Auge des geschäftigen Mannes schaut, der die kostbaren Erholungsstunden für seine Kunst eiligst ausnützen muß.

Endlich nach langem Mühen ist das erste Glasnegativ da und triumphierend wird die noch triefende Platte im Hause herumgetragen, das gelungene Werk den Zweiflern gezeigt. Aber dieses „Volk“, diese „Laien“ haben kein Verständnis für das Negative, sie sprechen von „Mohrengesichtern“ und wollen positive Erfolge sehen.

Nichts leichter als dies! meint der Anfänger und geht an das Kopieren. Nun will er das Werk vollenden, das bieten, was die gewöhnlichen Menschen erst für eine Photographie ansehen. Aber was für merkwürdige Erfahrungen muß er auch auf diesem Gebiete machen, wieviel Silberpapier muß er entsilbern, bis er begreift, daß auch die Uebertragung keine mechanische Thätigkeit sei, sondern mit Kunstgefühl geübt werden müsse. Beim Kopieren der Negative handelt es sich ja nur um die Uebertragung von Weiß in Schwarz und Schwarz in Weiß, und doch ist die Sache nicht minder verwickelt wie die Uebersetzung eines Gedichtes aus dem Griechischen ins Deutsche. Das Licht besorgt die Kopierarbeit, aber es muß bewacht werden, die Salze der verschiedenen Bäder geben den Farbenton, aber ihre Einwirkung muß geregelt werden. Nach und nach dämmert das dem Liebhaber auf und er vertieft sich mit Andacht in das Studium seiner Platten, um eine harmonische Gesamtwirkung herauszukriegen. Aber das „Volk“ versteht nicht den Mann, der so tiefsinnig seine Kopierleistungen mustert; es sieht nur die Mängel des Bildes und lächelt über den erfolglosen Eifer. Und die bittere Schale der Nichtanerkennung muß bis auf den Grund ausgekostet werden: die eigene Frau schleppt das Kind zum Berufsphotographen, um ein richtiges Bild den Großeltern schicken zu können!

Der Verkannte betrachtet indessen seine matten Bilder. Es fehlt ihnen der Glanz, und er faßt den Entschluß, das Letzte zu versuchen. Er verschafft sich eine „Satiniermaschine“ und zieht seine Bilder eifrig durch die Walzen. Wie ernst er es auch meint, er hat doch dem bösen Zeichner eine neue Figur für sein Skizzenbuch geliefert.

Was nun ein echter Liebhaber ist, der läßt die Welt lachen und überwindet nach und nach alle Schwierigkeiten, welche die Ausübung des Photographierens naturgemäß mit sich bringt. Spürt er dann einmal frischen Wind unter seinen Segeln, so findet er auch bald eine zielbewußte Richtung für sein künftiges Wirken und Schaffen. Dann verstummt die Satire und er erntet Lob und Anerkennung – vorausgesetzt, daß er den photographischen Anstand zu wahren weiß.

In der Dunkelkammer.

Der photographische Anstand! Ja, das ist auch eine neue Forderung an menschliche Bildung und Gesittung, die man neuerdings aufgestellt hat. Ausgerüstet mit dem Momentapparat, mit der „Geheim“- oder „Detektiv-Kamera“, kann der Liebhaberphotograph seinen Nächsten auch lästig werden. Es giebt hinterlistige Leute, denen der Schalk im Nacken sitzt, die den Menschen nachschleichen und sie erst dann aufnehmen, wenn sie in eine ungewöhnliche Lage geraten sind. Solche hinterlistige Gesellen können geradezu gemeingefährlich werden. Man bedenke nur: da wird eines schönen Tages im Bekanntenkreise die Momentaufnahme eines küssenden Paares herumgezeigt und in einem der beiden Glücklichen erkennt man plötzlich sich selbst! Das ist doch entschieden peinlich!

Beim Kopieren.

Aus diesen und ähnlichen Gründen wurde darum schon die Frage aufgeworfen, wie man sich dagegen schützen könne, von einem Unbefugten wider Willen photographiert zu werden? Es wurden dagegen viele Mittel vorgeschlagen, Staatshilfe oder Selbsthilfe, schließlich aber wurde in Erwägung gezogen, daß es am besten wäre, in einer neuen Auflage von Knigges „Umgang mit Menschen“ ein Kapitel vom „photographischen Anstand“ einzuschalten, das etwa mit folgenden Worten beginnen würde:

„Wer seine Mitmenschen durch die an sich edle Kunst des Photographierens schädigt oder belästigt, oder wer gar die Verlegenheit des Opfers ausnutzt, um hinterlistigerweise von ihm ein Konterfei zu fabrizieren, ist ein gesellschaftlicher Anstoß ersten Ranges; wer diese That so begeht, daß das Opfer seiner Unthat den Vorgang bemerkt und dadurch in Angst versetzt wird, verdient [606] nicht, ein Gebildeter genannt zu werden; wer schließlich Bilder, welche Personen in verletzender Weise darstellen, anderen zeigt oder sie gar verkauft, von dessen Schandbarkeit schweigen wir, denn . . .“ etc.

Das Satinieren.

Wir haben bis jetzt den Liebhaberphotographen nur von seinen Schattenseiten betrachtet; das Bild, das wir von ihm entrollen möchten, wäre aber unwahr, wenn wir hiermit abschließen wollten. Unbedingt müssen wir auch die Lichtseiten hervorheben. Daß die Schattenseiten zuerst „volkstümlich verarbeitet“ wurden, das ist leicht erklärlich; die böse Welt ist so gern bereit, dem Nächsten etwas am Zeug zu flicken und sich billig auf fremde Kosten zu unterhalten. Dazu kam, daß die Photographie noch eine gar junge Liebhaberei der Menschen ist, und wie jede junge Liebe Augenblicke unfreiwilliger Komik schafft, so erging es auch ihr.

Tausende von Liebhabern der Photographie nahten der spröden Schönen in der Ueberzeugung, daß man nur mechanische Kunstgriffe zu lernen brauche, um sie zu erobern. In der Photographie stecke weder Seele noch Gemüt, meinte man; Maschinen können photographieren, liefern doch Automaten für 50 Pfennig pflichtschuldigst unser Konterfei! Es giebt noch heute viele „Liebhaber“, die herzlos und seelenlos arbeiten – aber ihre Leistungen sind auch danach. Die Erfahrung hat gelehrt, daß selbst in dieser anscheinend so rein mechanischen Thätigkeit nicht die Technik, sondern der Geist den Sieg davonträgt. Nur wer künstlerisch zu empfinden und künstlerisch zu photographieren versteht, zaubert schöne Bilder hervor. Der echte und gerechte Photograph muß die Natur ebenso eifrig studieren wie der Maler; erst dann erobern seine Leistungen sich volle Anerkennung. Diese künstlerische Richtung der Photographie wird gegenwärtig mit großer Sorgfalt in den Vereinen der Liebhaberphotographen gepflegt, und da hat es sich herausgestellt, daß bei Herstellung schöner Bilder es nicht so sehr auf die feinsten Apparate, Platten und Chemikalien als auf den Mann ankommt. Die Leute, deren Photographie einen Weltruf besitzen, arbeiten zumeist mit einfachen Mitteln, aber in den Lichtbildern spiegelt sich ihr künstlerisches Empfinden, ihr Geist wieder. Der Verein ist das Forum, vor welchem der Anfänger am zweckmäßigsten seine Lehrjahre abmacht; dort wird ihm die gebührende Kritik in wohlwollendem Sinne zu teil, dort erhält er die besten Winke und Ratschläge. Wer aber keine Gelegenheit hat, einem Verein für Liebhaberphotographen beizutreten, der sollte wenigstens durch Studium einer für solche bestimmten Zeitschrift sich fortzubilden suchen. Eine Fülle trefflicher Anregungen für die künstlerische Auffassung des Photographierens bietet namentlich die „Photographische Rundschau“ (Verlag von Wilhelm Knapp, Halle a. d. S.), das Organ unserer angesehensten Vereine. Dieser Richtung der Liebhaberphotographie steht sicher eine schöne Zukunft bevor. Sie wird durch die oft veranstalteten Ausstellungen gefördert, und wie groß die Fortschritte sind, davon zeugt die Thatsache, daß in illustrierten Zeitschriften immer häufiger Nachbildungen von Liebhaberphotographien erscheinen. Verschiedene Blätter – namentlich die französischen – schreiben sogar bestimmte Aufgaben vor und veranstalten Preisbewerbungen für die beste Lösung eines bildlichen Vorwurfs oder gar für die Illustrierung einer Novelle!

Der Photographier-Automat.

Künstlerisches Empfinden ist jedoch nicht allen Menschen eigen. Wem es fehlt, der sollte darauf verzichten, Kunstbilder schaffen zu wollen. Er kann ein Realist in des Wortes dürrster Bedeutung werden und darin wirkliche Befriedigung finden. Er möge nur sein photographisches Können in den Dienst der Wissenschaft stellen und die Natur streng, lebenswahr kopieren. Er braucht kein Gelehrter zu sein und kann dennoch der Wissenschaft dienen.

Wiederholt ist von wissenschafllichen Vereinigungen die Liebhaberphotographie zur Mitarbeiterschaft aufgerufen worden. Da jagen die Wolken am Himmelszelt, vergängliche Gebilde, die noch so wenig erforscht sind, selbst die Einteilung der Wolken nach ihren äußeren Forme bereitet noch vielfache Schwierigkeiten. Wer sich die Aufgabe stellt, ein Album von Wolkenphotographien anzulegen und unter die einzelnen Bilder einige genaue Angaben über Himmelsgegend, Windrichtung, Stand der Sonne, Zeit, Temperatur und Luftdruck zu setzen, der kann der Wissenschaft willkommene Unterlagen liefern. Auch das Photographieren der Blitze bietet beachtenswerte Gesichtspunkte. Zwei Liebhaberphotographen könnten sich z. B. verabreden, von zwei verschiedenen Orten einen und denselben Blitz zu photographieren. Wenn sie eine bestimmte Himmelsgegend ins Auge fassen und bei heraufziehenden Gewittern gegen diese ihre Kammern einstellen würden, so würden sie bei einiger Ausdauer in nicht zu langer Zeit die gewünschten Bilder erlangen und ein Physiker könnte wohl auf Grund dieser Aufnahmen die Höhe und Länge der Blitzbahn berechnen. Von großer Bedeutung ist ferner das Anfertigen von photographischen Aufnahmen für die Völkerkunde. Die Kultur der Neuzeit verschlingt die alten Lebensformen. Wohnhäuser, die für bestimmte Gegenden einst charakteristisch waren, verschwinden immer mehr, Volkstrachten verlieren sich. Der Liebhaberphotograph kann die Ueberreste der alten Zeit, die ihm auf seinen Wanderungen begegnen, aufnehmen und so vielleicht vor der Vergessenheit retten; nur sollte er solche Photographien nicht in seinem Kasten verstecken, sondern, mit den nötigen kurzen Erläuterungen versehen, an die Museen senden, die sich mit der Aufbewahrung solcher Gegenstände befassen.

Wir haben in der Einleitung daran erinnert, wie jung die Liebhaberphotographie ist; sie hat die erste schlimmste Zeit, ihre Sturm- und Drangperiode, hinter sich. Die ersten Bahnbrecher hatten keine Vorbilder, keine Lehrer, da die Berufsphotographie und die streng wissenschaftliche Photographie anderen Zwecken dienen. Der Zuwachs an neuen Jüngern kann sich bereits an bewährte Meister anlehnen, und es werden ihm viele Enttäuschungen erspart, wenn er ihren Lehren mit vollem Ernste folgt.

Vielfach bildet die Liebhaberphotographie mehr als eine Liebhaberei, sie wird zu einem wichtigen Hilfsmittel des Forschers, Technikers und auch Künstlers. Wem sie aber auch nur eine Liebhaberei ist, den führt sie doch hinaus in die freie frische Natur, denn das Himmelsgewölbe, vom klaren Licht durchflutet, ist das große ureigenste Atelier des Liebhaberphotographen, der da hinauswandert, um im Antlitz der Natur die schönsten Züge zu entdecken.