Die Meteoriten und Kometen

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Autor: F. v. R-ch. (Karl von Reichenbach)
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Titel: Die Meteoriten und Kometen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 17-18, S. 247, 250, 263–264
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Meteoriten und die Kometen.
Von F. v. R–ch.

Versenkt sich der Blick des sinnigen Menschen in die Tiefen des nächtlichen Sternenhimmels, so füllt sich das Gemüth mit ahnenden Empfindungen, der Geist wird ergriffen von forschendem Verlangen. Er fühlt sich winzig inmitten der Unendlichkeit gewaltiger Mächte, – er erkennt sich groß in seiner Kleinheit, wenn er sich mit seiner Glaslinse und seinem Rechenstabe emporschwingt, den geistigen Flug durch diese Ewigkeiten nimmt und den leuchtenden Sternen für Aeonen ihre Bahnen vorzeichnet.

Aber in heutigen Tagen fängt er an, noch einen anderen Weg zu brechen, auf dem er Antwort sucht auf die großen Fragen der Schöpfung, es ist der der Physik und zuletzt der der Chemie, mit denen er einzudringen wagt in den dunkeln labyrinthischen Grund des Weltgebäudes.

Wie? Will er hinauflangen mit seiner Retorte in das Himmelsgewölbe? Will er den Sternenstoff destilliren? Will er keck den Sonnenglanz zerlegen? – Nicht doch! Aber der Sonnenglanz kommt zu ihm herunter; er gibt sich gefangen, läßt sich geduldig zerschneiden in sieben Portionen und gehorcht ihm als dienender Knecht zum Bildermachen. Und der Sternenstoff? Der kommt gar von selbst herbeigeflogen und springt ihm in den Schmelztiegel hinein. Da gibt es Donnern und Rasseln am Himmel, eine prachtvolle Leuchte gibt ihm das Geleite in unsere Atmosphäre herein, und ein wunderbares Gebilde kommt aus den himmlischen Reichen als Gesandter bei uns an.

Was in aller Welt ist das? Was schlägt in ein Dach ein, was schmettert hier einen Baum nieder, was tödtet dort einen friedlichen Menschen? – Es ist ein Meteorstein (Meteorit), ein Stein aus Eisen, aus Kohle, der mit Wucht in den Boden eingeschlagen hat. Er ist heiß, man verbrennt die Hände an ihm und kohlschwarz sieht er aus. Das ist keine Gestalt aus des Himmels Klarheit, die Hölle scheint ihn ausgeworfen zu haben; mit Toben, mit Feuer und Rauch und mit wüthender Gewaltsamkeit feiert er seinen Eintritt bei uns. Er selbst zerschmettert seinen Leib dabei und geht in Trümmer.

Doch siehe, innen ist er nicht mehr schwarz, er ist weiß. Er muß silbern, er muß golden sein, eine Menge gelber und weißer blanker Körner glänzen aus seinen weißlichen Eingeweiden metallisch heraus. Wagen wir es, ihn zu zergliedern!

Da finden wir, daß seine Schwärze nur aus einer oberflächlichen Haut besteht; sie hüllt ihn ganz ein, ist nur so dick als ein Kartenblatt darüber hergezogen und so hart, daß man damit die Fensterscheiben ritzen kann. Man sollte glauben, daß sie zum Schutze des Steines da wäre. Dem ist aber nicht so; wir haben gesehen, wie er in Feuer und Flammen aus dem Himmel hervorbrach und heiß auf der Erde ankam. In diesem Feuer, das nur Secunden dauerte, hat er eine oberflächliche Schmelzung erlitten und davon die dünne schwarze Rinde erhalten, in der wir ihn einige Augenblicke darauf finden.

Ganz anders ist sein Aussehen im Innern, wenn wir ihn zerbrechen. Die glänzend metallischen, gelben und weißen Körnchen darin sind kein Gold und kein Silber, sie sind Schwefelkies und blankes Eisen. In großer Menge sind sie ziemlich gleichförmig in der graulich-weißen Substanz des Steines zerstreut. Aber auch diese letztere ist nicht einfach. Wir sehen in eine feine erdige, rein weiße Grundmasse unzählige der verschiedensten Körper eingebettet. Manche sind groß, wie Wallnüsse, wie Mandelkerne; andere klein, wie Hanfsamen, wie Mohn, ja, viele sind kleiner, als Vanillekörnchen, und legt man etwas davon unter ein Vergrößerungsglas, so gehen die Maße herab bis in’s unendlich Kleine, die feinsten Nadelstiche sind grob gegen Millionen schwarze krystallinische Pünktchen, die man darein eingesäet findet.

Betrachten wir aber diese für sich, so finden wir die meisten davon wieder nicht einfach; auch sie erscheinen wieder zusammengesetzt aus allerlei Theilchen, und so kommen wir an kein Ende in dem feinen Gemenge der mannichfaltigen Bestandtheile der Meteoriten. Kein irdischer Stein ist ihnen in der Zusammensetzung gleich.

Werfen wir einige Blicke auf einzelne dieser Körperchen, aus deren Haufwerk ein Meteorit besteht. Zuerst auf die schönen goldgelben Schwefelkiese. Sie zeigen sich krystallisirt, ganz in denselben Formen, wie wir sie aus unsern Bergwerken hervorholen.

Dann prüfen wir die Eisenkernchen. Sie sind weich, lassen sich feilen, hämmern, fletschen, auflösen in Säuren, niederschlagen, man kann aus ihnen Englischroth, Berlinerblau und Alles machen, was unser irdisches Eisen gibt. Zerlegt man sie mit chemischen Hülfsmitteln, so findet man fast immer Nickelmetall darin. Bisweilen ist das Eisen nur in geringer Menge vorhanden und verschwindet dem freien Auge; bald mehrt es sich, nimmt ein Viertel, die Hälfte des Steines ein; bald klumpt es sich und macht ganze größere Kerne darin aus; ja, es nimmt endlich so überhand, daß der ganze Stein fast aus nichts besteht, als aus dem vorherrschend gewordenen Eisen und Nickel allein. Man kann ihn dann nicht mehr einen Stein nennen, sondern es wird eine Eisenmasse daraus, die bisweilen zu Hunderten von Centnern anschwillt.

Vor Allem begegnen uns gewisse runde Kügelchen, die sehr häufig in den Meteoriten in’s Auge fallen. Zunächst gewahren wir ganz kugelrunde, glänzende, dunkle, harte Körperchen, die wie Schrote in die weiße Grundmasse hineingeworfen erscheinen. Im Jahre 1794 ist in Italien bei Siena ein ganzer Regen von kleinen Meteoriten vom Himmel gefallen, in diesen finden sich Tausende solcher runder, schöner, reinbegrenzter, glänzender Kügelchen, die meist graulichschwarz in weißem erdigem Grunde liegen. Im Jahre 1798 geschah Aehnliches bei Benares in Ostindien. Feurige Wolken erschienen plötzlich am Himmel und schwarze Steine stürzten zahlreich aus ihnen herab zur Erde; alle waren außen schwarz und innen weiß und voll von kleinen runden, harten Kügelchen von Mohnkorn- bis zu Hanfsamengröße, dunkelgrau, aber glanzlos. Sie zeigten sich so lose eingelagert in die Steine, daß man sie leicht herausnehmen konnte; es blieb dann ein reines, glattes, hohles Kugellager im Muttergesteine zurück. – Ein ganz ähnlicher Stein fiel zu Utrecht im Jahre 1843; ein anderer zu Littlepiney in Missouri; andere zu verschiedenen Zeiten zu Pultawa in Rußland, zu Richmond in Virginien, zu Epinal in den Vogesen, zu Weston in Connecticut, zu Blansko in Mähren, zu Heredia in Costarica, zu Seres in Macedonien, zu Mäsing in Baiern, zu Lontolax in Finnland, zu Borkut in Ungarn, zu Bremervörde in Hannover, und so eben in unseren Tagen recht schöne zu Ausson und Clarac in Südfrankreich. Alle diese Steine zeigen auffallend schöne Kügelchen in ihre Grundmasse eingelagert. Diese reine runde Form, wo die Kügelchen wie gedrechselt erscheinen, geht dann in’s Eirunde, in’s Längliche, in’s Plattgedrückte und in alle Gestalten von abgerundeten Geschieben über. Endlich werden die Körperchen eckig und nehmen alle Formen von Bruchstücken und Splittern an, ja, zuletzt gehen sie im Steine von Kaba und Alais mitunter völlig in weißliche Splitter, ja Fetzen über. Nahm man solche Kügelchen heraus und gab sie unsern Chemikern, so wiesen sie nach, daß sie größtentheils aus nichts als ganz aus derselben Mischung bestehen, wie unsere gewöhnlichen irdischen Olivine.

Aber die Grundmasse selbst, prüft man sie genau, besteht auch aus lauter terrestrischer Substanz, aus Augit, Hornblende, Feldspath, Oligoklas, Anorthit, Eisenoxydulkernchen, Thonerde, Kalk, Chromoxyd, dann Kobalt, Mangan, Kupfer, Zinn, Schwefel, Phosphor, Kohle u. s. w., endlich aus einer Menge Trümmern von Olivin, und dies nicht selten so reichlich, daß die Grundmasse zum größten Theile daraus zusammengesetzt erscheint.

Ein allgemeiner Rückblick auf alles dieses zeigt uns also, daß sie nichts Anderes, als ein zusammengesetztes Trümmergestein, eine Breccie von einer Menge verschiedenartiger Dinge sind, die da zusammengemengt, bald groß, bald klein, bald eckig und splitterig, bald länglich, bald rund, bald fest, bald locker, bald hart, bald weich, bald metallisch, bald steinig regellos aneinander gefügt, bald einfach, bald selbst wieder gemengt in eine schwarze Brandrinde eingehüllt sind.

Ein solches Gemenge der verschiedenartigsten Gebilde nun kann nicht auf einmal und aus einem Gusse der schöpfenden Werkstätte hervorgegangen sein, es müssen die entlegensten Zeiten und die mannichfaltigsten Kräfte an seinem Aufbaue gearbeitet haben. Alle die in den Stein eingeschlossenen, Gebilde müssen fertig gewesen sein, [250] ehe sie in denselben eingeschlossen werden konnten; sie sind Bausteine zum Gebäude des Meteoriten und mußten früher dagewesen sein, als dieser selbst. Sie haben also als kleinere Meteoriten ein älteres Dasein und wir erhalten sie nur in einem späteren eingelagert als Meteoriten in Meteoriten.

Wie aber sollen wir uns die Hergänge hierbei denken? Welchen Weg haben wir einzuschlagen, um aus einem Labyrinthe uns herauszufinden, in das die Himmelssteine uns hier verstricken? Wie uns Licht in dieser Finsterniß, wie Verständniß in diesen Widersprüchen uns verschaffen, ohne in’s Schwankende und Haltlose der Muthmaßung uns zu verlieren? – Versuchen wir es, in rückwärts gehender Zergliederung der uns vorliegenden Thatsachen aufwärts zu klimmen und, den Faden feststehender und sicherer Gesetze der Physik nicht aus der Hand lassend, zu sehen, wie weit der kleine Mensch mit seiner starken Logik und seinem unermüdlichen Fleiße vorwärts zu dringen vermag in der Erkenntniß der Urkräfte des Universums und der Geheimnisse des Weltbaues.

Wir fangen damit an, daß wir alle die Gebilde einzeln aus den Meteoriten heraussondern und sie nach einander unter’s Mikroskop bringen. Da finden wir, daß die Schwefelkiese durchaus krystallinisches Gefüge besitzen; daß die Eisenkörnchen innere Linien darbieten; daß die Kügelchen Blätterdurchgang haben; daß alle die Olivine, die Augite, die Hornblenden u. s. f. durchaus Krystalltextur besitzen, kurz, daß Alles an den Meteoriten von krystallinischer Structur ist; daß durchaus nichts Amorphes (Gestaltloses) in ihnen sich findet; daß die kleinsten und feinsten Theile unter dem Gesetze der Krystallisation ihre Entstehung und Gestaltung erhielten, daß mit einem Worte die Meteoriten ein zusammengesetztes Gebilde der Krystallisationskraft sind.

Damit sind wir um einen großen Schritt weiter. Wir lernen daraus, daß das Gesetz der Kristallbildung, sein Dualismus und seine Polarität, seine Fernwirkung und seine Anziehung, umgekehrt seine Abstoßung und Wahlfähigkeit nicht blos bei uns auf der Erde, sondern weit fort durch das ganze Sonnensystem, so weit die Bahnen der Meteorsteine sich erstrecken, herrschen und über die Bewegung des Stoffes gebieten. Wir erfahren, daß das Krystallisationsgesetz durch das Weltall waltet, so gut wie die Gravitation.

Von da können wir wiederum einen Schritt weiter versuchen. Die Physik lehrt uns, daß kein Körper sich krystallisiren kann, es seien denn zuvor alle seine componirenden Bestandtheile bis in ihre letzten Atome hinaus lose und beweglich. Das eben macht die Grundbedingung der Krystallisation, daß die feinsten Bestandtheile (die Moleküle) der Körper frei beweglich ihrem inneren Antriebe zur Gestaltung ungehindert müssen folgen können. Das aber ist nur möglich, wenn diese Elementartheile von einander unabhängig, ohne Zusammenhang, gelöst und alle einzeln sich selbst überlassen sind. Der ganze Meteorit, alle seine Bestandtheile mußten also, ehe sie zu Krystallen zusammentraten, gelöst und in freier Schwebe gewesen sein, wie der Zucker im Wasser, wie der Wasserdampf in der Luft. – Was konnte aber möglicherweise das Lösungsmittel für die Meteoritenstoffe sein? Es konnte nach unsern geläufigen Begriffen nur ein tropfbarflüssiges oder ein luftförmiges sein, andere existiren unseres Wissens nicht. Tropfbarflüssig konnte es unmöglich sein, man müßte denn die Heimath der Meteoriten für Meere halten, die das Ende der Welt umflössen; das wäre eine Absurdität, die einer Widerlegung nur bei den Bekennern der griechischen Mythologie bedurft hätte. Luftförmig? Was müßte das für eine Luft sein, welche Eisen, Chrom, Kobalt, Mangan, Kupfer, Zinn, Kohle, Schwefel u. s. w. alle durcheinander aufgelöst in sich trüge? Dies widerspricht unseren chemischen Kenntnissen. Und wenn sie wirklich aus wässerigen und gasförmigen Medien sich gebildet hatten, die man sich irgend wo im Räume vorstellig machen wollte, so würden sie aus ihnen nie haben heraustreten können, sie würden nach den Gesetzen der Schwere, die erwiesenermaßen durch das Universum herrschen, in oder bei ihnen haben bleiben müssen. So wenig eine Wolke oder ein Hagelkorn aus unserer Atmosphäre hinaus in die weite Welt fliegen kann, ebensowenig würde ein Meteorit seine Mutterlauge haben verlassen können. Wir würden also in solchen Fällen niemals den Besuch eines Aèrolithen erlebt haben. – Kann nun ein solches Erzeugniß weder aus Wässerigem, noch aus Luftigem sich herausgebildet haben (zu einer erschütterten Wagenachse wird, denke ich. Niemand seine Zuflucht nehmen wollen): woher sollen dann endlich diese Kristallisationen kommen? Die Physik droht uns im Stiche zu lassen. Nur Eins bleibt noch möglich, und das ist, daß die Atome der Meteoritenbestandtheile aus gar keinem Medium kommen, daß sie in ihrem dunkeln Ursprünge für sich selbst lose und frei waren, daß alle ihre Substanz im Gaszustände sich befand, daß die Atome frei im Welträume schwebten. Das ist nicht nur nicht unmöglich, sondern wir wissen in der That, daß die meisten Körper sich in Gaszustand versetzen lassen, ja, daß es gar nicht sehr schwierig ist, das Eisen selbst zu gasificiren. Daß die Welt etwas wie Anfang gehabt haben muß, das sehen wir daran, daß sie einen Fortgang hat. Die Paläontologie (Urweltkunde) lehrt uns, daß sie einen Entwickelungsgang nimmt. Es mußten Pflanzen da sein, ehe Thiere leben konnten; es mußten Thiere da sein, ehe der Mensch leben konnte; sehr spät erst kommt er in der Schöpfung zum Vorscheine. Rückwärts blickend, sehen wir die feste Welt mit Krystallen beginnen, und damit diese Krystalle sich bilden konnten, mußte ein Stoffzustand vorangegangen sein, in welchem alles Ding gasförmig war. Hier beginnt für uns die Welt; weiter zurück wird menschliches Forschen nie mehr dringen können. Aber auf dieser Höhe kommen wir mit Consequenz an; wir verlassen keinen Augenblick den Codex der Physik und bis hierher gehen wir sicheren Schrittes an der Hand logischer Analyse.

Nun laßt uns umkehren, laßt uns auf dem Wege wissenschaftlicher Begriffsverknüpfungen unser Ziel in’s Auge fassen! Mit Atomen, in unermeßliche Räume vertheilt, müssen wir nach physikalischen Gesetzen das All als beginnend uns denken. So ungefähr, nur vor siebzig Jahren mit weniger Klarheit, dachte es sich einer unserer scharfsinnigsten Denker, der große Laplace; er sprach unbestimmt von Nebeln, er kannte noch nicht unsere jetzt so vollendet entwickelten Lehren von den Atomen. An uns ist es nun, mit den neuen wissenschaftlichen Hülfsmitteln seine Vorstellungen zu verkörpern und sie zu Gedanken auszubauen. Was diesen Gaszustand alles Stoffes bedingte, das wissen wir freilich nicht. Das Princip der Abstoßung und Ausdehnung, das im Urzustände geherrscht haben muß, muß langsam von ihm gewichen sein und die Anziehung, die Vereinigung, die Kristallisation ihren Anfang genommen haben; das Werden der Dinge begann: kleine Körperchen gestalteten sich, die krystallisirend aneinander anschlossen[WS 1], wie wir dies täglich in unseren Werkstätten selbst erzeugen. Ja, ein recht gut zutreffendes Beispiel haben wir hier in Deutschland den ganzen Winter vor uns. Das in der klaren Luft befindliche Wassergas ist darin schwebend und unsichtbar. Die Bedingungen des losen Zustandes seiner Moleküle werden langsam aufgehoben und allmählich werden sie fest, schließen sich krystallisirend aneinander an und aus reinen Gaszuständen entwickeln sich kleine Wasserkrystalle, – es bildet sich Schnee. Wirkte keine Schwere auf ihn, keine Anziehung von Seiten der Erde her, so bliebe er in dem Räume schweben, in welchem er sich erzeugte, und bildete einen großen Schwarm von Eiskrystallen. Er wird aber heruntergezogen und bildet eine geologische Formation, ein Schneelager. Ganz in ähnlicher Weise denken wir uns die ersten Bildungen fester Körper. Kleine Krystallchen von Eisen, Nickeleisen, Schwefeleisen, Chromeisen, von Olivin, Augit, Hornblende, von Feldspath, Anorthit, Albit, Oligoklas haben sich zusammengethan. Milliarden haben sich so aus den Atomen und Moleküle herausgebildet, und da keine Schwere sie unter ihr Gebot nahm, wie es bei uns dem Schnee widerfährt, so blieben sie beisammen und existirten als ungeheure Schwärme fort.

Was mag nun aus ihnen geworden sein? Alle großen Weltkörper sehen wir in Bewegung, Wie das kommt, wer und was sie in Bewegung setzte, davon wissen wir freilich wenig. Allein so wie die festen Gestirnmassen, so müssen auch unsere Krystallschwärme in Bewegung gesetzt worden sein. Sie werden also, wie Alles, was am Himmel lebt, ihre rastlose Wanderung haben antreten müssen und unter das Machtgebot irgend eines großen Weltkörpers, eines Kolosses von einem Fixsterne gerathen sein, dem sie unterthan wurden. Auf diese Weise müssen ungeheuere Schwärme am Himmel herumziehen, die in vorgeschriebenen Bahnen sich bewegen.

[263] Sehen wir nun aber solche Schwärme? Begegnen wir ihnen am Himmel? – Allerdings! Aehnliche Erscheinungen sind da und zeigen sich uns. Es sind die Kometen. Sollten sie, wie es das Ansehen hat, ungeheure Schwärme von kleinsten Partikelchen sein, die in unserem Sonnensysteme kreisen? Das wollen wir ein wenig genauer auf den Prüfstein legen. – Die Kometen bestehen aus einem Kopfe oder Kerne und einem Schweife, der oft zehn und mehr Millionen Meilen lang ist. Beide sind für uns so durchsichtig, daß wir die Sterne hinter ihnen sehen. Das Licht von diesen geht ungebrochen durch den Kometen hindurch. Das eigene Licht des Letzteren zeigt sich polarisirt. Wir wissen, daß die Kometen keine Phasen haben; ferner, daß sie an andern Gestirnen keine Störungen bewirken; daß sie an äußerem Umrisse wie an innerer Gestaltung nicht gleich bleiben, sondern sich fortwährend ändern; daß ihr specifisches und ihr absolutes Gewicht äußerst gering ist, so daß man von sehr kleinen Kometen berechnet hat, daß sie sammt Schweif nur etwa 8 Pfund wiegen. Daraus folgern die Astronomen mit Sicherheit, daß ein Komet, und besonders sein Schweif, weder aus tropfbarflüssigem, noch aus luftförmigem Stoffe bestehen könne; daß seine Theile keinen Zusammenhang haben können, sondern daß er nothwendig aus einem Schwarme ungemein kleiner, aber fester Partikelchen bestehen müsse, also aus Körnchen; daß jedes einzelne Körnchen von jedem anderer in ziemlich weitem Abstande sich befinden müsse und zwar in so großem, daß Lichtstrahlen zwischen ihnen in Menge und mit Leichtigkeit durchgehen können; daß der ganze Komet kein eigenes Licht besitze, sondern nur mit erborgtem, von der Sonne entlehntem leuchte; endlich, daß diese erleuchteten Körnchen, im Weltraume schwebend, sich frei bewegen und dem Einflusse äußerer und innerer Agention ungehindert nachgeben, sofort sich untereinander stellenweise bald anhäufen, verdichten oder ausdehnen können, und daß der Kern der Kometen, wo einer vorhanden ist, nichts Anderes, als eine solche Anhäufung nur aus kleinen Partikelchen bestehender lockerer Substanz sei.

Wir besitzen also in den Kometen, um es in wenige Worte zusammenzufassen, einen lockeren, durchsichtigen, beleuchteten, freibeweglichen Schwarm kleiner fester Körnchen, schwebend im leeren Weltraume. Was wir also oben aus dem physischen Zustande, in welchem wir die vom Himmel zu uns kommenden Meteoriten finden, folgerecht erschlossen haben, das tritt in den Kometen uns thatsächlich vor die Augen. Die Meteoriten müssen früher als Schwärme existirt haben, die Kometen kreisen gegenwärtig als Schwärme am Himmel, beide augenscheinlich von derselben physischen Beschaffenheit; sie fallen also für unsere Erkenntniß in Eins zusammen. Die Schwärme, als welche die Meteoriten früher existirt haben müssen, sind Eins und dasselbe mit den Kometenschwärmen.

Nun sehen wir an den Kometen, daß sie bald einen leeren, einförmigen Schwarm ausmachen, bald, und zwar in der Mehrzahl, einen Kern haben, einen excentrischen Mittelpunkt größerer Dichtigkeit. Er ist bisweilen noch durchsichtig, in anderen Fällen nicht mehr. Es bildet sich dort eine Näherung und Vereinigung der Schwarmpartikeln, ein fester Knotenpunkt schürzt sich aus den lockern Bestandtheilen, Er erscheint uns in einiger Größe, aber dennoch ist er gering an Masse. Und vergleichen wir unsere größten Meteoriten mit den großen Kometen, so zeigt die Rechnung, daß sie einander wenig oder nichts nachgeben. So haben wir denn gegründete Ursache zu der Muthmaßung, daß der Kern der Kometen nichts anderes, als der Beginn der Entstehung eines Aërolithen sei.

Einen unantastbaren Beweis hiervon wird man nie führen können, denn niemals wird ein Mensch einen Kometenkern in die Hand bekommen, so lange er mit seinem Schweife durch den Himmeln wandert. Aber in allen Naturwissenschaften und nicht weniger in der so glücklich rechnenden Astronomie gibt es eine Menge Dinge, die wir nicht auf den Ambos legen können, und selbst die Exactesten müssen sich dann mit Aufzählung von Aehnlichkeiten und daraus hergeleiteten Wahrscheinlichkeiten begnügen. Es kommt dabei nur darauf an, wie groß diese Wahrscheinlichkeit und wie gering die übrig bleibenden Bedenken sind.

Darum wollen wir nicht auf unsere Zweifler warten, sondern wir wollen die Einwürfe uns selbst machen. Der nächste ist beim ersten Anblicke: „Warum sind die Kügelchen rund? Die Natur bildet keine runden, sondern lauter eckige und kantige Krystalle. Und warum ist ein großer Antheil an den meisten Steinmeteoriten erdig?“ – Zunächst sind die Eisenmeteoriten durchaus krystallisirt, und auch dann, wenn dies nicht leicht sichtbar gemacht werden kann, wie bei den Meteoriten bei Hauptmannsdorf, so kommt es beim Bruche zum Vorscheine. Die Sternmeteoriten aber sehen wir zusammengesetzt aus den verschiedenartigsten mineralischen Gebilden. Sie machen nicht alle zusammen Einen Krystall aus, wie manche Eisenmeteoriten, sondern sie sind jedes einzeln für sich krystallisirt, und wenn wir sie genau prüfen so sind sie fast alle nicht ganze Krystalle, sondern lauter Trümmer von Krystallen. Die Grundmasse ist keine formlose Erde, sondern sie löst sich unterm Mikroskope auf in einen feinen Sand von Krystalltrümmern. Alle die schön runden Kügelchen, wie die ovalen, knolligen, dann die platten, geschiebartigen Bestandtheile, der eckige, splittrige und zerfetzte Gries, aus welchem die Luftsteine bestehen, sind fast lauter Bruchstücke von früheren ganzen Krystallen.

Nun denn, „wo kommt dieses Haufwerk unordentlichen Zeuges, dieser Gries von Trümmern her? Wo sind die Stampf- und Mahlwerke, die allen diesen Schutt erzeugt haben?“ – Die Antwort kann gegeben werden. Wir sehen an allen Kometen, daß sie nichts weniger als in sich ruhig und unveränderlich sind. Im Gegentheile ist ihr Inhalt in beständiger innerer Bewegung. Bald da, bald dort verdichtet, häuft oder theilt und verdünnt er sich. Vom Kopfe aus scheint der Schweif beständig nach rückwärts zu strömen und muß folglich von andern Seiten wieder vorwärts fließen. Jede Stunde, sagen uns aufmerksame Astronomen, ändert ein Komet mehr oder minder seine Gestalt. Was muß nun die Folge sein von solch einer ununterbrochen fortdauernden inneren und äußeren Bewegung und Strömung einer lockern Masse von unzählbaren kleinen Steinchen in Krystallgestalt? Doch gewiß fortwährendes Aneinanderstoßen, Drücken, Reiben, Quetschen, Abnützen der Spitzen, Kanten und Oberflächen. Wenn dies nicht im ganzen Kometen geschieht, so geschieht es gewiß wenigstens im Kerne. Und das Ergebniß dieser [264] Friction, wenn sie, sei sie auch noch so milde, Millionen Jahre fortdauert? Eben so gewiß Abnutzung, Abstutzung, Abreibung, Erzeugung von Staub, Sand, feinern und gröbern Trümmern, Abrundung der festen, Theile, Bildung von geschiebartigen Resten und endliche Darstellung von Kügelchen, – und nun haben wir Alles geradeso, wie wir es in den Steinmeteoriten vorfinden. Aber auch in den Eisenmeteoriten finden wir genug kugelige, cylindrische und konische Einflüsse von Schwefeleisen mit einem und mit zwei Atomen Schwefel, von Graphit etc., ausgezeichnet z. B. in Zacatecas, Ashville, Bohumiliz, Sevier, Seeläsgen, Cosby. Dieser Einwurf wäre also aus der Natur der Sache behoben.

„Wie aber soll solcher Gries, solches Reibsel, solche Kügelchen zusammenhalten und einen festen Stein ausmachen, da wir kein Bindemittel sehen?“ – Dem ist zunächst die Frage entgegenzustellen: wie halten denn so viele Gneise, Granite, Glimmerschiefer, Chloritschiefer, Talkschiefer, Thonschiefer und eine Menge anderer Gesteine, zwischen deren Theilchen man ebenfalls kein Bindemittel nachweisen kann, oft mit größter Festigkeit zusammen? Sehr viele davon sind mit den Händen zu zerbrechen, andere mit den Fingern zu zerbröckeln, viele nichts weniger als fest; so Alais, Kaba, Bishopville, Anmières, Benares, Loutelax, Mauerkirchen. Aber auch die festen sind meistens leicht zu zerschlagen. Endlich hat man einen schönen Versuch von Brokedon. Er zerpulperte Reißblei ganz fein, schüttete es in eine Röhre, brachte es unter die Luftpumpe und zog die Luft gänzlich aus. Nun ließ er einige schwere Schläge darauf fallen. Als er hierauf seine Gefäße öffnete und das Reißblei herausnahm, fand er das Pulver wieder so fest geworden, als dasselbe vor der Zertheilung gewesen war: es war wieder zu Stein geworden, man konnte es schneiden und sägen. Die bloße Zwischenschicht von Luft hindert die Adhäsion der Körper, die bei unendlich kleinem Abstande unendlich groß und zur Cohäsion der Materie wird. Nun befinden sich aber die Bestandtheile der Meteoriten im luftleeren Raume. Im Schwarmzustande sind sie zwar getrennt von einander, allein im Kerne sehen wir sie einander sich nähern; dort muß die Expansion der Attraction weichen; die Partikelchen, die Kügelchen, der Sand, der Staub kommen zusammen und wenn sie sich vereinigen, so werden sie durch die Kraft der Cohäsion zusammengehalten; sie werden, wenn sie in unsere Atmosphäre eintreten, Stein sein wie Brokedons Graphit, wie unsere Gebirgsbestandtheile durch vieltausendjährigen Druck und Auspressung der Luft. Bei vielen kommt noch das Eisen dazu, das nicht selten in eigenthümlicher Weise die steinige Substanz klammerartig zusammenhält und einem Cemente ähnlich sich eingelagert hat. In der That findet man, daß die Meteoriten um so zerbrechlicher und zerreiblicher sind, je weniger sie Gediegeneisen enthalten. So entsteht aus Trümmern und Staub ein Stein. Und diesem Steine kommt vollständige Analogie mit einem Meteoriten zu.

Wenn auf solche Weise im Kerne der Kometen ein festes Gebilde sich erzeugt, eine Steinmasse entsteht, so kann dies nur auf Kosten des Schweifes geschehen, der den Stoff dazu hergeben müßte; dieser müßte also allmählich kleiner werden. Es kann freilich etwas lange dauern, bis z. B. der zehn Millionen Meilen lange Schweif eines Kometen allen seinen Gries und Staub auf einen Fleck zusammenbringt. Allein in der That haben die Sternkundigen die Beobachtung gemacht, daß wiederkehrende Kometen, z. B. der Halley’sche, mit immer schwächeren Schweifen kommen, und schon Keppler glaubt, daß sie nach und nach verschwinden. Dies Abnehmen und Verschwinden ist aber offenbar nichts anderes, als daß sie sich nach und nach im Kerne aufwickeln und zu festen Gebilden verdichten, d. h. Meteoriten werden. Man gewahrt unter anderem Kometen mit zwei Kernen, ja mit deren drei oder vier. Das kann aber keinen Einwurf gegen unsere Berechnungen abgeben. Denn wir bekommen auch Meteoriten, die mehrzählig kommen und deren äußere Beschaffenheit Zeugniß davon ablegt, daß sie nicht erst jetzt durch Zerplatzen entstanden sind, sondern schon getheilt in die Atmosphäre eintraten. Uroberflächen wissen Meteoritenkenner von spätern Luftbruchflächen sehr wohl zu unterscheiden.

In vielen Meteoriten gewahrt man nicht blos Kügelchen mit ihrem Griese oder kleinere und größere Krystalltrümmer, wie z. B. in dem schönen Meteoriten von Hainholz zolllange Krystalle, sondern man findet ganze Stücke von andern Meteoriten, jedoch von meist ziemlich gleichartiger Beschaffenheit, in den Hauptmeteoriten eingelagert. So bei Stannern, Juvenas, Constantinopel, Dovoninsk, Agen, Lipenas, Weston u. a. m. Dazu muß man freilich etwas größere Exemplare besitzen und kann es an kleinen Fragmenten nicht wohl gewahren. Diese Trümmer zeigen, daß gleichzeitig mehrere Meteoriten erzeugt worden sein müssen, die sich dann während der Bildung mit einander verewigt, in einander hineingewoben, und daß so nicht nur mineralogisch-nähere Bestandtheile, sondern ganze schon zusammengesetzte Meteoriten sich in einander gefügt haben müssen. Aber auch diese Stücke erscheinen hierbei nicht krystallisch eckig, sondern ebenfalls abgerundet und abgerieben, wie die Trümmer, aus denen sie selbst bestehen. Dies zeigt, daß auch sie schon vor der Zusammenfügung zum Ganzen Reibungen erlitten haben müssen. Daraus entsteht dann die völlige Breccie, wie sie die meisten Meteoriten darstellen. Ja, es gibt solche, deren Trümmer ganz in dem Hauptmeteoriten gleichsam zerfließen und marmorige Zeichnungen darstellen, dergleichen Okaninach, Mainz, L’Aigle, Tipperary u. a. m. Es sind lauter offenbare Gewaltsamkeiten, die bei ihrer Erzeugung obgewaltet haben.

Den lautesten Beweis hiervon liefern endlich gewisse breite Streifen im Innern der Meteoriten, die fast allverbreitet in ihnen vorkommen. Es sind dies gewaltsam abgeriebene, unregelmäßige, meist krumme Flächen, die nach allen Richtungen in den Steinen vorkommen. Sie haben vollkommen das Ansehen, als ob ein Meteoritenstück am andern mit großer Gewalt sich langsam hingerieben hätte. Die Eisenpartikel erscheinen dabei gefletscht und flach hingetrieben. Beispiele hiervon geben besonders Lixna, Barbotan, Limerik, Ensisheim, Okaninach und viele andere. Alles dies sind greifbare Folgen der sichtbaren innern Bewegungen in den Kometen und ihren Kernen. Man hat gesagt, daß, wenn die Kometen mit den Meteoriten Verwandtschaft haben sollten, sie bei uns nur als geschmolzene Schlacken ankommen könnten. Denn bei ihrem Umlaufe um die Sonne kommen viele Kometen in ihrem Perihel dieser so nahe, daß, wenn sie feste Steine enthielten, diese in der Sonnennähe zusammenschmelzen müßten. Dies ist aber physikalisch nicht richtig. Sie bewegen sich im Weltraume bei einer Temperatur von 50 negativen Graden, also in einer fürchterlichen Kälte. Wenn sie nun auch von sehr heißen Sonnenstrahlen getroffen werden, so sind sie so klein und der umgebende Raum so kalt, daß man nachgewiesen hat, daß sie kaum Wassersiedhitze erlangen können und dies beschädigt die Constitution eines Aërolithen auf keine Weise.

Andererseits hat man gesagt, unsere Erde sei schon, und zwar vor wenigen Jahrzehnten, in der That durch einen Kometenschweif gegangen und zwar, ehe man den Kometen sah, der mehrere Zeit durch Wolken verdeckt war. Bestände nun der Schweif aus Staub, Gries und Kügelchen, so möchten diese keine geringe Unordnung bei uns hervorgebracht haben; kein Mensch habe aber von diesem Durchgange das Geringste gemerkt. Zum Glücke für die Astronomen habe man dies nicht vorher gewußt, sonst wäre schreckliche Angst vor Weltuntergang entstanden und die Sternenberechner nachher zum größten Gelächter geworden. Das ist Alles unrichtig. Die Durchsichtigkeit der Kometenschweife beweist genug, wie äußerst dünn und sparsam ihre Substanz sein muß, zumal in größerer Entfernung vom Kerne. Da müssen die Körperchen weit von einander abstehen und sehr klein sein. Gesetzt, sie wären noch immer so groß, als Mohnsamen, und es fiele da und dort ein solches Körnchen Jemandem auf den Hut oder unter die Gesellschaft in einer „Gartenlaube“, woran würde man dabei denken? Etwa an eine Störung im Sternenplane? Gewiß an gar nichts würde man dabei denken, man würde gar nicht darauf achten.

Es gebe aber auch Kometen ohne Schweif, wirft man ein. Darauf ist zu antworten, daß es auch Meteoriten ohne Kügelchen und ohne Gries gibt, und zwar sind dies die meisten Eisenmeteoriten. Dagegen gibt es auch Kometen ohne Kern. In diesen hat die Bildung des festen Meteoriten einfach noch gar nicht begonnen, sie sind noch leere Schwärme. Wenn ein Meteorit zur Erde niederkommt, so erscheint er am Boden ganz allein, und niemals hat man einen Schweif an einem wahrgenommen. Aber während ihres Durchzuges durch die obere Atmosphäre führen sie einen langen feurigen Schweif mit sich. Diesen hält man jedoch für nichts Anderes, als für die Schmelzproducte seines heftigen Brandes. Es können aber auch noch andere lockere Bestandtheile darunter sein, die in der Luft zurückbleiben, das wissen wir nicht.

Sieht man die Glanzerscheinung eines Kometen am Himmel, wie der jüngst gegenwärtig gewesene, mit seinem Schweife von vielen Millionen Meilen, so lang, als der Abstand der Erde von der Sonne weit ist, und vergleicht so ein kleines Ding damit, wie gewöhnlich die Meteoriten sind, so schrickt man vor der Vergleichung zurück. Aber auch das ist grundlos. So prachtvolle Gestirne, wie der Donatische Komet, sind eine große Seltenheit, gerade so selten, wie Meteoriten von einigen hundert Centnern Gewicht. Dagegen gibt es eine Menge sehr kleiner Kometen, täglich ziehen sie über den Himmelsbogen hin, sie sind aber häufig so winzig, daß man selbst mit Teleskopen sie nur mühsam entdeckt. Wie unzählig viele mögen so klein sein, daß man sie gar nie gewahr wird! So winzig zuletzt, daß sie auch mit unseren kleinen Meteoriten der Größe nach zusammenfallen. Die Verschiedenheiten, die man an den Kometen wahrnimmt, entsprechen vollkommen den Verschiedenheiten der Meteoriten unter sich. Von einer reinen Steinmasse beginnend bis zu einer reinen Metallmasse fortschreitend, gibt es weiße, graue, schwarze, grüne, braune, erdige und metallische Luftsteine, und wie ihre Farbe, so wechselt ihr Kern, ihre Härte, ihre Festigkeit, ihr Glanz, ihr Gemenge. So wenig ein Komet dem andern vollkommen gleich ist, ebenso stimmt von 150 Meteoriten, die wir haben, einer mit dem andern überein. Und ist er ihm auch im äußeren Ansehen zum Verwechseln ähnlich, so zeigt er doch gewiß in der chemischen Zerlegung noch erhebliche Unterschiede. Ueberraschend ist es aber gewiß, daß bis zur Stunde auch die schärfsten Nachforschungen in den Meteoriten keinen Grundstoff aufzufinden im Stande gewesen, der nicht auch schon bei uns auf der Erde vorräthig wäre. Sie bringen uns also aus der Schöpfung unermeßlichen Räumen nichts Neues, nichts Anderes, nichts Edleres mit, als bekannten alten Erdenkloß, und zeigen uns also bis zum Greifen mit der Hand, daß wir weithin nichts Anderes zu erwarten haben, als die irdischen Vollkommenheiten unserer besten Welt.

Nichtsdestoweniger bleibt ein Meteorit ein interessantes Wesen. Seine Mutter ist das Chaos. Seine Bestandtheile waren Zeuge des ersten Werdens der Dinge aus der Hand der Allmacht. Die Stoffatome in ihrem Urzustande, in weiter Verbreitung in unendlichen leeren Räumen schwebend, fügten sich zu der ersten Bildung, dem Triebe zur Krystallisation folgend. Sie vollzogen den ersten Act der Zuneigung, der Vereinigung, sie verbanden sich zu Molekeln, dann zu kleinsten Krystallen. So ein Körperchen, so ein kleines Kügelchen vom Durchmesser einer Linie – man kann es nicht betrachten, ohne von Schauer durchbebt zu werden – es ist ein Embryo zu einem Planeten, ein Weltenei. Aber nun fängt auch gleich der Weltschmerz an. Der Schwarm tritt in Bewegung, in Umlauf, in innere Umwälzungen, die nie endigen. Da reiben, stoßen und schädigen sich die feinen Gebilde, aus glänzenden Krystallgestalten werden Trümmer, Geschiebe, Knollen, Kügelchen, Gries und Staub. Auch diese streben zur Vereinigung, es schaaren sich Millionen kleine Individuen zu einem Kerne, es entsteht ein Kopf in dem Schwarme und ein Komet ist es, der am Firmamente dahinbraust. Der Schweif schwindet, der Kopf wächst, endlich haben Millionen Jahre Alles aufgerollt zu einem Meteoriten, der nun seinen Kreislauf im Sonnensystem in der Weise jedes andern Planeten fort und fort vollzieht, seinen ewigen Gesetzen gehorchend. Und wie die kleinen Partikelchen im Schwarme sich begegneten und sich vereinigten, so begegneten sich die Unzahl der Meteoriten in den Sonnenweiten und schaarten sich langsam, indem sie sich zu Planeten aufwickelten, erst zu kleinen Asteroiden, allmählich zu Mercuren, Erden, Marsen, Jupitern und zu deren Trabanten. Dieses Aufwickeln sehen wir noch heute fortgehen, und die jeden Tag fallenden Meteoriten sind nichts Anderes, als die Fortsetzung, der schwache Nachhall des großen Herganges der Planetenbildung aus diesen kleineren planetarischen Körpern. Unsere Kügelchen sind also die Elemente der Kometen; ein Komet ist ein im Werden begriffener Meteorit; ein Meteorit ist ein Weltsplitter zu einem Planeten; und wie die Planeten den Fixsternen gegenüber selbst wieder nur Splitter sind, so ist ihnen hierin ihr endliches Schicksal und damit das aller unserer Herrlichkeit deutlich genug vorgezeichnet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: anschossen