Die Moldau und Wallachei

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Autor: Blackwoods Edinburgh Magazine
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Titel: Die Moldau und Wallachei
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 149-151; 153 S. 593-595; 597-599; 601-603; 610-612
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Fürstentümer im heutigen Moldawien, damals Zankapfel zwischen Türkei und Russland
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Die Moldau und Wallachei.


Die Russen sind in diese Fürstenthümer gerückt, die somit die erste Scene des Kampfes bilden, der entscheiden wird, ob der freieste Staat Europa’s die Barbarei noch länger aufrecht erhalten, oder ob der am despotischsten regierte die Ketten derselben mit dem Schwerte lösen wird. Dem Zwecke dieses Blattes gemäß, den Ereignissen der Zeit erläuternd zur Seite zu gehen, entlehnen wir aus englischer Quelle [1] eine statistisch-historische Uebersicht über jene beiden Länder.

Bekannt ist, daß die Hospodare der Moldau und Wallachei bisher unter den Griechen des Phanars gewählt wurden, eines Quartiers in Constantinopel, das fast ausschließlich von solchen Hellenen bewohnt wird, welche bei der Pforte die Stelle von Dragomans oder andere politischen Functionen versehen.

Seit dem Sturze des oströmischen Reiches schmachteten die Griechen von Constantinopel in der niedrigsten Sklaverei, bis es Alexander Maurocordato gelang, einen Namen zu Ehren zu bringen, der in unsern Tagen eine noch berühmtere Stelle in der Geschichte der Unabhängigkeit seines Vaterlandes einnehmen sollte. Alexander Maurocordato war anfangs nur ein unbedeutender Kaufmann von Scio. Auf einer seiner Reisen nach Constantinopel kam er in Berührung mit einem Mitgliede des Divans. Dadurch, so wie durch seine große Gewandtheit und ausgebreitete Kenntniß der europäischen Sprachen, wußte er die Aufmerksamkeit des Sultans auf sich zu ziehen, der ihn, nachdem er sein Talent in untergeordneten Stellen erprobt hatte, zu seinem Gesandten beim Congresse von Carlowitz ernannte. Auf diesem wichtigen Posten rechtfertigte er seinen Ruf, und kam bei der Pforte zu solchem Ansehen, daß es ihm gelang, seinem Sohn Nikolas das Gouvernement der Moldau und Wallachei zu verschaffen.

Die Lage dieser beiden Provinzen, die als Grenznachbarn der beiden Staaten, welche die Pforte am meisten fürchtet, Oestreichs und Rußlands, im Falle eines Krieges nothwendig den ersten Stoß aushalten müssen, begünstigte Maurocordato’s politische Absichten, dessen ganzer Ehrgeiz in dem Wunsche bestand, Griechenland zu regeneriren. Die durch jene Lage herbeigeführte Nothwendigkeit, diese Posten des Reiches Männern von europäischer Bildung und Gewandtheit anzuvertrauen, zwang den Divan, die Hospodare unter den Griechen zu wählen, und durch Maurocordatos Einfluß ward entschieden, daß in Zukunft jene Functionen nur den Dragomans der Pforte übergeben werden sollten.

Diese Entscheidung erzeugte bald eine moralische Revolution unter den Hellenen der Hauptstadt. Die ersten Classen derselben suchten sich in den europäischen Sprachen, so wie in den Staats- und politischen Wissenschaften zu unterrichten. Die Diplomatie ward nun ehrenvolle Beschäftigung selbst für die, die ihre Studien blos auf sie beschränkten. Sie gründeten eine Art Adel, der von ihren Landsleuten anerkannt und geachtet wurde, so daß man Botschaften und ähnliche Beamtungen bald als ihr ausschließliches Eigenthumsrecht betrachtete. Der unwissende und eitle Grieche bewunderte in den Phanarioten den Wiederschein des Geistes seiner Väter, und sie waren es, unter denen die ersten Keime der National-Unabhängigkeit sich entwickelten.

Indessen hörte die Verwaltung der Phanarioten nie auf, den Fürstenthümern verderblich zu seyn. Die dem Ehrgeiz der Griechen überantworteten Hospodarstellen waren zu Constantinopel ein Gegenstand steter Cabalen. Würden, Gunstbezeugungen, Recht und Gesetz, alles ward in dieser Hauptstadt an den Meistbietenden versteigert, und so wie eine Stelle offen wurde, suchte der ganze Phanar sich gegenseitig zu überbieten. Die Türken ließen es gerne geschehen, daß solche Vacanzen so oft als möglich vorfielen, weil sie sich dabei jedesmal mit dem Raube des alten Hospodars und mit den Bestechungen des neuen Candidaten bereicherten. Die Moldau hatte von 1710 bis 1800 neunundvierzig Hospodare, wobei noch zu bemerken ist, daß sie während dieser Zeit dreizehn Jahre lang von Oesterreich und Rußland besetzt war. Sie ward aber auch alle zwei Jahre durch neue Erpressungen ausgesaugt.

Beim Frieden von Jassy, 1792, nahm sich Rußland, sey’s aus Ehrgeiz, sey’s aus Menschlichkeit, jener unglücklichen Provinzen an, und verlangte kraft des, vom Vertrage von Kainardgi [2] abgeleiteten Interventionsrechts, daß die Hospodare sieben Jahre lang im Amte bleiben sollten. [594] In dem Vertrage von Jassy versprach die Pforte auch wirklich die Wahl der Hospodare der Zustimmung des russischen Botschafters zu unterwerfen, und die Hospodare wenigstens sieben Jahre lang im Amte zu lassen. Diese letztere Clausel aber, die gleich anfangs nachlässig ausgeführt wurde, ward in der Folge offen verletzt, so daß sie zu lebhaften und langen Zwisten Veranlassung gab.

Im J. 1802 erhielt Fürst Ypsilanti das Gouvernement der Wallachei, Fürst Alexander Morusi das der Moldau, und der Divan erklärte, sie sollten ohne Zustimmung des russischen Botschafters, vor Ablauf der sieben Jahre nicht entfernt werden.

Im J. 1805 suchte Napoleon, der im Kriege mit England und entschlossen war, auch gegen Rußland die Waffen zu erheben, die Türkei in seine Entwürfe zu ziehen. Bald entwickelten sich die Resultate dieser Bemühungen. Die Pforte verdoppelte plötzlich ihren eifersüchtigen und stolzen Ton gegen Rußland und England. Sie hatte mit ersterem eben einen Defensiv-Tractat ratificirt, als sie auf einmal die Absicht aussprach, alle Schutzbriefe zu annulliren, d. h. alle, den im ottomanischen Reiche lebenden Griechen zugestandenen Bewilligungen, die zur Sicherheit ihres Handels unter den Schutz fremder Höfe zu stellen. Diese unerwartete Maßregel ward durch die Art, wie sie ausgeführt wurde, noch beleidigender; denn trotz der Gegenvorstellungen des russischen Botschafters riß man öffentlich aus den Händen der Concessionäre die ihnen vom russischen Gouvernement ertheilten Schutzbriefe.

Eine noch entscheidendere Maßregel beschleunigte die bereits unvermeidlich gewordene Krise. Die Hospodare Ypsilanti und Morusi wurden plötzlich zurückberufen; ohne auf den russischen Gesandten irgend Rücksicht zu nehmen, erhielt Carl Kallimachi die Moldau, die Wallachei aber Alexander Suzzo, ein entschiedener Anhänger Napoleons und erklärter Feind Rußlands. Eine russische Armee rückte über die Grenze, und nahm die festen Plätze Chotim und Bender in Besitz. Die Pforte antwortete durch einen Fetwa, der alle Muselmänner zu den Waffen rief.

Zu jener Zeit war Arbuthnot Botschafter Englands in Constantinopel. Von seiner Ankunft an hatte die Pforte – sey’s daß sie bloß Zeit gewinnen, sey’s, daß sie wirklich die Freundschaft Englands sich erhalten wollte – vorgeschlagen, den Allianz-Tractat zu erneuern, der 1799 zwischen Großbritannien, Rußland und der Türkei auf acht Jahre abgeschlossen worden war, und dessen Frist zu Ende ging. Der brittische Botschafter hatte nicht die nöthige Vollmachten; er mußte sie also einholen. In der Zwischenzeit aber war Napoleons Einfluß bereits überwiegend geworden. Er stand an der Spitze des euorpäischen Festlandes, und unter seinem Panier überließ sich die Pforte der Hoffnung ihre furchtbaren Feinde zu Boden gestürzt zu sehen. Sie wies die Vorschläge des Cabinets von St. James förmlich zurück.

Arbuthnot forderte, in Verein mit dem russischen Botschafter, die Wiedereinsetzung der Hospodare Ypsilanti und Morusi. Das türkische Ministerium widersetzte sich, die Stimme des Sultans aber erhob sich zu Gunsten der Reclamation; er fand sie beleidigend, aber er bestand darauf, im Frieden mit England zu bleiben. Der französische Botschafter, General Sebastiani, der unermüdet beschäftigt war, eine Opposition zu erhalten, verlor die Hoffnung des Gelingens. Plötzlich erfährt man den Einmarsch der Russen in die Moldau. Das Serail geräth in furchtbare Aufregung; der Sultan, eine Volksbewegung fürchtend, und erbittert über die Verletzung [595] seines Gebiets, beschließt augenblicklichen Krieg und gibt dem Großvezier Befehl, ins Feld zu rücken.

Das Ministerium von Fox, das zu jener Zeit das brittische Cabinet leitete, wünschte durch einen Krieg sich auszuzeichnen, den es hervorgerufen hatte. Eine englische Flotte ward also gegen die Türken gesandt, und ihr Erscheinen in den Dardanellen verbreitete Schrecken in Constantinopel und Bestürzung in der Seele des Sultans. Während man aber von Stunde zu Stunde erwartete, die englische Escadre vor dem Serail Anker werfen zu sehen, um die Stadt zu beschießen, schickte dieselbe einen Unterhandlungs-Agenten in Begleitung Arbuthnot’s ab, der sich an Bord des Admiralschiffes geflüchtet hatte. Wir kennen den Grund des auffallenden Verzugs bei Zusendung der diplomatischen Noten nicht, die man, ohne einen Moment zu verlieren, hätte expediren sollen. General Sebastiani, der die höchste persönliche Schnellkraft mit der seiner Nation eigenen Gewandtheit verband, wußte in der Zwischenzeit jeden Augenblick zu benützen. So wie er sah, daß in der Hauptstadt sich Unruhe verbreitete und die englische Flotte sich in der Meerenge aufstellte, ging er ans Werk: er leitete in Person die Vertheidigung der Hauptstadt, ließ die Ufer des Canals mit Truppen und Artillerie besetzen, und gab den Rath, gehörige Streitkräfte in die Schlösser von Sestos und Abydos zu werfen, und so den Engländern jeden Rückzug abzuschneiden.

Wenn man sich eine Vorstellung von einer ottomanischen Verwaltung machen will, so darf man nur einen Blick auf das damalige türkische Ministerium werfen. Der Großvezier, Hafis Ismaël Pascha, dem niedersten Pöbel entsprungen, verdankte seine Erhebung blos dem glücklichen Zufall. Mit der vollkommensten Ignoranz über die öffentlichen Angelegenheiten verband er die große Leidenschaft der türkischen Beamten, die Geldgier, im höchsten Grade. Seine Bemühungen, vor Verfluß der sieben Jahre die Entfernung Ypsilantis und Morusis von ihren Stellen durchzusetzen, soll keinen andern Beweggrund gehabt haben als die Hoffnung, die Hospodarswürde um einen theuren Preis an ihre Nachfolger zu verkaufen. Seine Habsucht war eine der Hauptursachen des Kriegs. Ibrahim Aga, der Kiaja-Bey (Minister des Innern) hatte einen entschiedenern Charakter. Seine vorherrschende Leidenschaft war Ehrgeiz; ihm zu Liebe hatte er sich bei der muthwilligen Beleidigung des russischen Cabinets aus Gelegenheit der Schutzbriefe vorangestellt. Diese beiden Minister besaßen den höchsten Einfluß. Die beiden Repräsentanten des Glaubens und des Heeres, der Mufti Scherif Zadi Attu Effendy, und Pehliwan Mehemed Aga, Oberbefehlshaber der Janitscharen, waren mit den beiden erstern vereint die wärmsten Anhänger des Generals Sebastiani. Der Divan war aber getheilt. Galip Reis Effendi (Staatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten) und Yussuff Aga Holday Kiayffi (Kanzler der Sultanin Mutter), protestirten gegen ein so schnelles Aufgeben der alten Allianz-Verhältnisse. Indessen werden in der Türkei die Discussionen des Cabinets nicht mit der Kaltblütigkeit und Artigkeit der europäischen Diplomatie behandelt. Die beiden letztern Minister, außerhalb des Serails von dem Säbel der Janitscharen, innerhalb desselben von der fatalen seidenen Schnur bedroht, konnten nicht widerstehen. Der Reis Effendi und der Kanzler dankten ab, und durften sich glücklich schätzen, dem aufgeregten Grimme ihres Herrn entfliehen zu können.

Pehliwan Mehemed war im Innern des Diwans der thätigste Agent des Cabinets der Tuillerien. In einem untergeordneten Offiziersgrade hatte er früher die Ehrenwache des französischen Botschafters befehligt; wahrscheinlich hatte die dabei erlangte Kenntniß seines Charakters den Botschafter bewogen, ihn an das Interesse seines Hofs zu fesseln; wenigstens war er von jenem Augenblicke an der entschiedenste Anhänger Frankreichs und zögerte nicht, Proben seiner Ergebenheit abzulegen. [597] Die bloße Gegenwart der englischen Flotte reichte hin, den Sultan in seinen Entschließungen wankend zu erhalten; die Unterhandlungen, obgleich träg begonnen, wurden fortgesetzt. Sebastiani schickte den General Franchini zu dem Chef der Janitscharen, damit dieser dem Großherrn mit einem Aufstande drohen, und dadurch den brittischen Einfluß paralysiren sollte. Pehlivan Mehemet erhielt eine Audienz bei seinem Herrn, und erklärte ihm, es sey unmöglich, die Wuth der Janitscharen im Zaume zu halten. Mit übertriebenen Farben schilderte er dem Sultan die Gährung und den Unwillen des Volks über den der Hauptstadt angethanen Schimpf, und gab zu verstehen, daß die Janitscharen sich einem Vertrage nicht unterwerfen würden, den sie als eine Capitulation betrachten müßten. Selim ließ sich einschüchtern: er beugte sich dem Willen seiner anarchischen Offiziere. Jede Verbindung mit dem englischen Botschafter ward abgebrochen; die Ufer des Propontis bedeckten sich mit Batterien; die Fahne des Propheten entfaltete sich vor den Pforten des Serails, und General Sebastiani ward in Wirklichkeit der Herr Constantinopels. Der brittische Botschafter erwachte aus seinem Schlafe, als jede Unterhandlung bereits unnütz geworden war. Vergebens suchte die englische Flotte die verlorene Zeit wieder zu gewinnen. Im Augenblick, als sie die Meerenge herabschiffen wollte, ward sie von einem Sturme überfallen. So war es unmöglich sie gegen Constantinopel zu richten, und höchst gefährlich sie in der nämlichen Stellung zu lassen, da der Feind auf den beiden Ufern alles vorbereitet hatte, um sie zu beschießen. Man mußte sich daher zum Umkehren entschließen. Die Flotte fuhr zurück und wurde zwischen den beiden Schlössern der Dardanellen von einer furchtbaren Artillerie beschossen, die aus Kanonen von ungeheurem Caliber bestand, mit mehreren hundertpfündigen Kugeln, die zum Erstaunen und Schrecken der Engländer von einem Ufer zum andern reichten. So erreichte man nicht einmal den Zweck, der noch am leichtesten zu erlangen gewesen wäre, in Constantinopel durch die Blokade der Dardanellen eine Hungersnoth hervorzubringen.

Wenn Rußlands Unternehmungen in der Türkei nicht glücklicher waren, so war dieß eine nothwendige Folge der politischen Stellung, in die jene Macht sich versetzt sah. Rußland machte Frankreich die Herrschaft des Continents streitig. Alle seine Kräfte mußte es daher auf Einem Punkte, im Norden, zusammenziehen. An Großbritannien war es, Constantinopel im Schach zu halten: wir haben gesehen, auf welche Weise dieses seiner Verpflichtung Genüge that. Die russische Grenzarmee sollte bloß den Unternehmungen der Türken sich widersetzen: dieß that sie. Auf der andern Seite betrieb auch der Großvezier die Feindseligkeiten nicht besonders lebhaft. Napoleon’s Politik fing an dem Divan verdächtig zu werden. Der Vertrag von Tilsit bestätigte den Verdacht. Durch diesen Vertrag hatte der Kaiser, statt die Wiedereinsetzung der Pforte in alle ihre Rechte in den Fürstenthümern zu verlangen, bloß einen Waffenstillstand ausgemacht, unter der Bedingung, daß die russische Armee die Fürstenthümer räumen sollte, so wie die vermittelnde Uebereinkunft der gegenseitigen Verhältnisse getroffen seyn würde. Diese Bedingung ward nicht erfüllt, sollte auch vielleicht nicht erfüllt werden; die Russen blieben daher im Besitz, und es mußten neue Unterhandlungen eröffnet werden. Indessen aber brach in Constantinopel eine jener in den Annalen des orientalischen Despotismus so furchtbaren Revolutionen aus. Ein wüthender Pöbel, eine zügellose Soldatesca, ein unwissendes, fanatisches und in sich getheiltes Ministerium überlieferten die Hauptstadt der Anarchie.Das Pfand des Friedens war der Kopf des Sultans, und Selim verlor Haupt und Krone. Augenblicklich ward ein Ministerium errichtet, das eben so unwissend, wild und blutdürstig als das vorhergehende war, aber, um sich Popularität zu verschaffen, zu einer gegen England friedlichen Politik sich hingezogen fühlte. Diese Veränderung der Ansicht scheint von dem neuen brittischen Cabinet, das sich auf den Trümmern der Fox’schen Partei erhob, vorausgesehen worden zu seyn. Sir Arthur Paget ward im J. 1807 beauftragt, sich Gewißheit zu verschaffen, ob der Divan geneigt sey, die alte Allianz wieder anzuknüpfen. Seine Vorschläge hatten anfangs keinen Erfolg. Der neue Bevollmächtigte aber war glücklicher, und so wurde im December 1808 der Friede definitiv abgeschlossen.

Napoleon hatte Jahre lang der europäischen Politik die Richtung gegeben. Kein Geschichtschreiber wird dem ungeheuern, allumfassenden, durch nichts zu beugenden Geist dieses außerordentlichen Mannes volle Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn er ihm nicht aus dem Getümmel des Feldlagers und der Schlacht in die Einsamkeit des Cabinets folgt. In seinen glänzendsten und entscheidensten militärischen Unternehmungen kann man einen Theil des [598] Erfolgs auf Rechnung des Muthes seiner Heere, der Geschicklichkeit seiner Generale setzen: mit Niemand aber theilt er den viel seltnern Ruhm, nach seinem Willen alle Cabinette Europa’s gelenkt zu haben; jenen übermenschlichen Scharfsinn, mit dem er sie alle an seine Plane zu fesseln wußte; jene, vielleicht oft unglückbringende aber stets bewundernswürdige Macht des Geistes, die den Starken wie den Schwachen, die Barbaren wie die civilisirten Völker, die furchtsamen Höfe Deutschlands wie die stolzen Nachfolger Peters des Großen und Amuraths mit sich fortriß, sie zwang seine Plane zu fördern, und sich an seinen Triumphwagen zu spannen, auf der gefahrvollen Bahn eines Weltreiches. [3]

Die ottomanische Pforte hatte Agenten nach Bucharest geschickt, um wegen der Restitution der Fürstenthümer zu unterhandeln; in Napoleons Planen aber lag es, daß Rußland und die Türkei ihre Feindseligkeiten fortsetzten. Sogleich nach der berühmten Conferenz von Erfurt, die den Kaiser Alexander in das Continentalsystem zog, erklärte der in den Fürstenthümern befehligende russische Obergeneral, da der Kaiser, sein Herr, sich verbürgt habe, daß England von dem Festlande völlig ausgeschlossen werde, so könne er mit der Pforte blos dann in weitere Unterhandlungen sich einlassen, wenn der brittische Botschafter von Constantinopel entfernt würde. Da die Pforte sah, daß die Frage wegen Besetzung der Fürstenthümer gegen sie entschieden sey, rief sie ihre Bevollmächtigen von dem Congresse von Bucharest zurück, und der Krieg begann auf’s neue.

Nie vielleicht zeigte sich Napoleons Politik gewandter, als bei dieser Gelegenheit. Ein geheimer Artikel des Vertrags von Erfurt sprach ihm den Besitz Spaniens zu, und überlieferte Alexandern die europäische Türkei. Um Zeit zu gewinnen, und Spanien der Hülfe Englands zu berauben, wurden Unterhandlungen mit dem brittischen Cabinette eröffnet. Dieses schlug es rund heraus ab, die Sache Spaniens aufzugeben; aber ehe die Conferenzen abgebrochen wurden, hatte Napoleon, in der Absicht, Alexander an sein System zu fesseln, bereits eine Botschaft an den Senat gerichtet, daß die Moldau und Wallachei künftig einen Theil des russischen Gebiets ausmachen würden. Der Entschluß des englischen Cabinets hinsichtlich Spaniens derangirte seinen Plan. Er sah, daß er Rußland das Aequivalent bereits in die Hände gegeben hatte, ehe ihm selbst der Besitz Spaniens gesichert war. Von diesem Augenblick an war er darauf bedacht, Rußland die Fürstenthümer wieder zu entziehen. Er munterte im Geheim die Pforte auf, auf der Restitution zu bestehen, oder sie mit Gewalt wieder an sich zu reißen. Auf der andern Seite verdoppelte er auch seine Bemühungen, daß Rußland die Feindseligkeiten gegen die Türkei wieder beginne. So triumphirte er über die Anstrengungen seines Verbündeten wie seines Feindes, und suchte die Hülfsquellen beider Reiche zu erschöpfen, bis zu dem Augenblick, wo er selbst Rußland angreifen und auf seinem Nacken den Weg nach Constantinopel sich bahnen wollte. Aber in dem Norden ward die Aufmerksamkeit bald durch höhere Interessen, als durch die des Türkenkrieges, in Anspruch genommen. Der Uebergang der französischen Heere über den Niemen eröffnete Alexandern die Augen, und zeigte ihm, wie wichtig es sey, mit der Türkei Frieden zu schließen. Dieß geschah im Jahr 1812, unter Englands Vermittlung. Eine der Bedingungen des Vertrags war die Wiederabtretung der Fürstenthümer an die Türkei, mit Ausnahme eines kleinen Theils der Moldau, der zwischen dem Dniester und dem Pruth lag, so daß der letztere Fluß die Grenze beider Reiche bilden sollte. –

Wir andern Europäer finden es vielleicht auffallend, daß ein Sultan stets Menschen findet, die nach den Stellen von Ministern, Generalen, Diplomaten lüstern sind. Nichts beweist besser, wie tief der Ehrgeiz, die Sucht nach Gewalt, mit unserer ganzen Natur zusammengewachsen ist. Die Würdeträger der Pforte entgehen selten einer Catastrophe, selbst wenn ihre Verwaltung noch so glücklich war. In einem Staate, wo das Bleigewicht des Despotismus, ohne Unterschied des Standes und Ranges, gleichmäßig auf die ganze Bevölkerung drückt, ist die Geldgier der große Hebel von allem, was geschieht. Diese Gier ist es, die den Zorn des Sultans stets auf den reichsten seiner Sklaven fallen läßt; sie ist es, die, den Handlungen der Hauptbeamten gegenüber, der stets drohenden Rache den Sporn leiht. Der Divan wird entweder durch die Fluthen eines Volksaufruhrs ausgefegt, oder durch die seidene Schnur des Großherrn für seine Verdienste belohnt. Der Verlust einer Schlacht kostet dem Großvezier das Leben, und der Diplomate, der einem einzigen der tausend Verdachtsgründe sich aussetzt, die den mißtrauischesten Hof der Erde umlagern, fällt unter dem Dolche, fast noch ehe die Dinte trocken wird, mit der er seinen Vertrag unterzeichnete.

Des Pforten-Dolmetschers Demetrius Morusis Schicksal, der mit Rußland den Vertrag von 1812 abgeschlossen hatte, war geeignet jeden abzuschrecken, der weniger ehrgeizig als seine Landsleute, die Phanarioten, wäre. Dieser Fürst blieb in der Wallachei, in der Hoffnung nach glücklich abgeschlossenem Frieden die Regierung derselben zu erhalten. Statt dessen erhielt er die Nachricht, für die Wallachei sey Yanko Caradja ernannt, für die Moldau Carl Callimachi, ihn selbst aber erwarte in Constantinopel die seidene Schnur. Der russische Botschafter bot ihm ein Asyl und eine Pension in Rußland an; aber seine Familie war in der Gewalt der Pforte. Er stand in dem Wahne, sich rechtfertigen, und alle Verantwortlichkeit auf Galib-Effendi, Minister der auswärtigen Angelegenheiten und offiziellen Bevollmächtigten abladen zu können. Er entschloß sich daher nach Constantinopel zurückzukehren; Galib aber hatte geheimen Befehl erhalten, beim Ueberschreiten der Donau ihn arretiren, und nach Schumla, dem Hauptquartier des Großveziers abführen zu lassen. Das Geheimniß ward mit aller asiatischen Zweizüngigkeit bewahrt. Die Verhaftung fand am bezeichneten Orte statt, [599] und der Fürst kam unter Escorte nach Schumla. So wie er die Schwelle des Veziers betrat, ward er von den Schiaous (Stummen) niedergehauen. Seinen Bruder, ebenfalls Pfortendolmetscher, traf dasselbe Loos. Ihr Köpfe wurden nach Constantinopel gesandt, und blieben drei Tage vor den Pforten des Serails ausgestellt. –

[601] Die Wichtigkeit der Moldau und Wallachei beruht hauptsächlich auf ihrer geographischen Lage mitten unter den sich hier berührenden großen Militärmächten. Durch die Karpathen stoßen sie an die österreichischen Provinzen Galizien, Siebenbürgen und das Banat; von Rußland sind sie durch den Pruth getrennt und von der Bulgarei durch die Donau. Sie bilden den wichtigsten Theil der Nordgrenzen der Türkei. In Vergleich mit den Besitzungen des Sultans, der Herr von Klein-Asien ist, und des Czars, dessen Scepter von der Donau bis zum Nordpol reicht, bilden jene beiden Fürstenthümer freilich nur ein unbedeutendes Stück Landes, da ihre Ausdehnung nur 350 Meilen von Norden gegen Süden und 160 Meilen von Osten gegen Westen beträgt; aber dieser schmale Raum ist übersäet mit russischen und türkischen Leichen.

Ein großer Theil des Gebiets ist beinahe verlassen; der Boden sumpfig, die Luft ungesund. Die Einwohner führen ein elendes trauriges Leben. Die Ueberzeugung, daß ihr Land der Hauptschauplatz aller Türkenkriege seyn müsse, lähmt jede Anstrengung, dem ungesunden Clima entgegen zu wirken. Wenn ein russisches Heer die Länder verschont, so verheert sie ein Pascha, und in diesem Augenblick stellen sie das furchtbare Bild aller Uebel dar, welche die Tyrannei im Frieden und die Verwüstungen des Kriegs nur irgend zusammenhäufen können. Diese doppelte Geisel lastet indessen vorzüglich nur auf der Ebene, und erstreckt sich weniger auf das an die Karpathen angrenzende Gebiet. Die dortigen Thäler und Gebirgshöhen bilden die mahlerischten Landschaften. Die letztern sind nicht so hoch, um unfruchtbar zu seyn, nicht so niedrig, um nicht das Auge des Reisenden auf sich zu ziehen, und bieten ihm bewundernswürdige Aussichten dar. Zu ihren Füßen ziehen sich in langer Kette romantische Landschaften hin, blühend in aller Ueppigkeit der Vegetation des Südens, und fruchtbar an Korn und allen Ackerbauproducten des Nordens: frische Thäler, zahlreiche Flüßchen und Bäche, lachende Weinberge, blumenreiche Wiesen bilden die Scene. Je mehr sich aber der Reisende den Schluchten und Gebirgspässen nähert, entfaltet sich das Bild der Alpen vor ihm: hier das Rauschen der Bergströme; Defileen, in die kein Strahl der Sonne dringt; höher hinauf Felsengipfel, deren Spitzen und Zacken, bald grün, bald, durch die Sonne getroffen, in den Farben des Regenbogens bunt hervorblicken durch den dunstigen Schleier, mit dem die hochaufschäumenden Wasserfälle sie umhüllen – überall tritt dem Wanderer die wilde Pracht der schönsten Schweizerlandschaften entgegen.

Der Paß über diese Gebirge ist berüchtigt durch die Gefahren, die er darbietet. Schwer zugänglich schon im Sommer, ist er völlig unwegsam im Winter. Der Schnee häuft sich darin an; Felsenstücke, von den Regenströmen losgerissen, rollen herab und versperren den Pfad, der an andern Stellen durch Schluchten unterbrochen wird, so daß der Weg durch diese Engpässe um so gefährlicher ist, je schroffer die Abhänge sind, an denen sie hinführen.

Nirgends mehr als hier macht sich die Anarchie fühlbar, die das Land verwüstet. Die großen Kosten, die eine Verbesserung der Wege erfordern würde, hindert die Hospodare, die Communication zwischen den Fürstenthümern und dem gebildeten Europa wieder zu öffnen. Ueberdieß hüten sich die Türken wohl, solche Arbeiten vorzunehmen, aus Furcht, einen Einfall Oesterreichs in das türkische Gebiet dadurch zu erleichtern, so daß auch dieß dem Hospodar, dessen Gewalt und dessen Leben stets in der Willkür des Divans steht, abhält, eine Verbesserung eintreten zu lassen. Daher ist dieser Theil der Fürstenthümer noch verlassener als die Ebenen. Einige Bauern, die sich in Posthäusern niederließen, um den Dienst von Couriren zu versehen, und einige arme Holzhauer bilden die ganze Bevölkerung, während eine freiere Regierung diese Gegenden eben so bevölkert machen könnte wie unsere Alpenländer.

Eine sehr häufige Erscheinung bei diesen Gebirgsbewohnern ist der Kropf; den Grund davon suchen sie in der Gewohnheit, geschmolzenen Schnee zu trinken. Die körperliche Kraft überwiegt bei ihnen, wie bei vielen Alpenbewohnern, die geistige. In der Ebene gleicht die Art, wie der Boden gebaut und bepflanzt wird, meist der im übrigen Europa gewöhnlichen. Man gebraucht zum Ackern statt der Pferde, Ochsen. Die Hauptnahrung des Bauern ist der Mais. Weitzen wächst hinlänglich zur Consumtion des Landes. Die Gerste dient blos zur Fütterung des Viehs und des Geflügels. Die Ernte für diese beiden Getreidegattungen ist im Juli. Die Gutsbesitzer oder Bojaren verwalten ihre Ländereien nicht selbst; sie verpachten sie an die Meistbietenden, oder vielmehr sie übergeben sie Bauern, die ihnen einen Theil der Frucht liefern, während der Eigentümer ihnen die nöthigen Vorschüsse leistet und die Steuern bezahlt. Die Hauptdomänen geben ein Einkommen von 50 bis 60,000 Piaster, aber durch die [602] Art der Vererbung werden sie immer mehr zerstückelt, so daß in einigen Generationen die meisten aristokratischen Güteranhäufungen allmälig verschwinden dürften.

Hier scheint das jetzige Vaterland jener nomadischen Stämme zu seyn, die ganz Europa durchschweifen, und deren Ursprung sich in die Nacht der Jahrhunderte verliert – der Zigeuner. So wie die Juden zu ihrem Lieblingswohnplatze eines der ärmsten Länder des Nordens, das alte Königreich Polen, gewählt haben, so scheinen die Zigeuner, die Juden des Heidenthums – ohne Vaterland, ohne Asyl, ohne bekannten Ursprung, ohne irgend eine Achtung bei den Menschen, aber mit den unauslöschlichen Zügen ihres Charakters, ihrer Sitten und Gewohnheiten – das elendeste Land im Süden Europas zu ihrem Hauptquartier gewählt zu haben. Auf 1,500,000 Seelen, welche die Bevölkerung der Modau und Wallachei bilden, [4] zählt man 150,000 Zigeuner. Im 16ten Jahrhunderte sollen sie in Masse aus Deutschland in diese Länder eingedrungen seyn. Sie genießen einer festen Gesundheit, scheuen die Arbeit, die Unterwerfung unter das Gesetz und ein sitzendes Leben. Selbst hier, wo es Nichts zu stehlen giebt, können sie ihren unwiderstehlichen Hang dazu nicht verleugnen, und prophezeien Leuten Glück, die so jämmerlich daran sind als sie selbst. Sie bekennen sich zu keinem Religionscultus, wenn sie nicht durch ihre Herren gezwungen werden. Ehen und bürgerliche Rechte und Pflichten kennen sie nicht. Der Zigeuner der Moldau und Wallachei ist ein Sklave, den man kauft und über den man wie über eine Sache verfügen kann. Gegen 80,000 von ihnen sind Leibeigene der Regierung, und genießen in so ferne eine Art von Freiheit, als ihnen die Regierung keine Arbeit geben kann. Jedes Individuum männlichen Geschlechts, das über fünfzehn Jahre alt ist, zahlt eine Kopfsteuer. Sie lassen sich zu den niedrigsten Handthierungen gebrauchen. Schinder und Henker werden vorzugsweise aus ihnen gewählt. Ein großer Theil bringt sein Leben vor den Thüren der Wirthshäuser und der Bojaren zu, wo sie mit den Instrumenten des Landes ihre Katzenmusik aufführen. Die Leibeigenen der Privatleute müssen häusliche Arbeiten verrichten, oder die Weinberge bauen. Ihre Herren haben nicht das Recht, sie mit dem Tode zu bestrafen, können sie aber prügeln lassen so oft sie wollen.

Das Klima der Fürstenthümer, denen das schwarze Meer und der Hämus gegen Osten liegt, während die Kette der Karpathen sie gegen Westen begrenzt, ist äußerst veränderlich. Oft nöthigt der Nordostwind, selbst in den Hundstagen, die Einwohner, zu ihren Pelzkleidern zu greifen. In der Atmosphäre, wie auf dem Boden, bekämpfen sich Nord und Süd. Im Sommer brechen furchtbare Stürme und Ungewitter aus. Der Winter ist streng und lang: vom Anfang Decembers bis Ende Februars ist, wie in Rußland, alles mit Schnee und Eis bedeckt; alle Flüsse gefrieren; selbst die Donau, so breit ihr Bett und so schnell ihr Lauf ist, findet man in der Regel sechs Wochen lang mit so starker Eisdecke überzogen, daß die schwerste Artillerie darüber fahren kann.

Man sollte glauben, daß in diesen durch Sklaverei niedergedrückten Gegenden die Städte denselben traurigen Anblick, wie das Volk, darbieten, was jedoch nicht in allen Beziehungen der Fall ist. Bucharest, die Hauptstadt der Wallachei, zählt 80,000 (?) Einwohner und besitzt 366 (?) Kirchen und 20 Klöster. Vor vier Jahrhunderten war es ein, einem Privatmanne, Name Bukor, gehöriges Dorf. Im J. 1688 wurde es der Sitz der Regierung, welche Wahl sich durch die Leichtigkeit der Communicationen mit der Türkei rechtfertigte.

Die Straßen von Bucharest sind, gleich denen der übrigen großen Städte der Wallachei, nicht gepflastert, sondern nur mit eichenen Bohlen bedeckt, und für Fußgänger wie für Wagen gleich beschwerlich. Im Sommer dünsten diese engen, schmutzigen, jedes Luftzugs beraubten Straßen tödtliche Miasmen aus, und erzeugen Epidemien. Die Eingebornen behaupten, daß der Boden zu weich sey, als daß ein Steinpflaster anwendbar wäre – und doch haben sie unter ihren Augen die prächtigen Chausseen der Römer. Der Adel ist zu indolent, und die Hospodare sind zu ängstlich, um dergleichen Arbeiten vornehmen zu lassen.

Jassy, die Hauptstadt der Moldau, ist kleiner aber schöner als Bucharest: eine große Zahl seiner Häuser wurden von fremden Kaufleuten gebaut. Seine Bevölkerung beträgt 40,000 Einwohner. Der fürstliche Palast umschließt, gleich dem Serail, mit seinen weiten Mauern eine Reihe von Höfen und Gärten, die durch eine Menge von Domestiken bevölkert sind.

In beiden Fürstenthümern haben Unwissenheit und Faulheit ihren Thron aufgeschlagen. Daß der Bauer lesen könne, kann man nicht verlangen, wenn selbst der Bojar und der Priester es nicht kann. Die Administration des Landes geht von Constantinopel aus. Die Kirche hat, außer dem Carneval, 210 (?) Festtage im Jahr. Dieß sind für das Volk Tage der Ruhe. Aber die öffentlichen Beamten haben bei dieser öffentlichen Apanage der National-Faulheit sich noch immer den Theil des Löwen vorbehalten. Außer jenen einem heiligen Müßiggang geweihten Tagen machen sie an Ostern ein paar Wochen Ferien, und eine noch längere Zeit während der Hundstage. Mit einem Wort, alles in diesem Lande pflegt der Ruhe, mit Ausnahme der Steuereinnehmer und der Insecten.

Die Sprache ist ein Gemisch von Latein und Slavonisch. Jahrhunderte lang kannte man hier kein Buch, sogar nicht einmal die Bibel, ja selbst ein Alphabet für die Sprache fehlte. Es ist zu verwundern, daß eine so tiefe Unwissenheit auch nur in dem entferntesten nördlichsten Canton ein Asyl finden konnte; noch unbegreiflicher aber ist es, daß jene Ignoranz selbst auf der directen Route von Wien nach Constantinopel herrscht, auf einem Gebiete, das der stete Gegenstand diplomatischer Discussionen zwischen Rußland und der Pforte ist, bei einem Volke bei dem das Lateinische beinahe die Muttersprache bildet, und das stets seine Abstammung von den alten Römern [603] geltend zu machen sucht. Constantin Maurocordato, dieser außerordentliche Mann, dem die Bewohner der Fürstenthümer Bildsäulen hätten aufrichten sollen, wenn sie nicht zu indolent wären, um etwas anders zu thun als zu essen, zu schlafen und zu sterben, Maurocordato war der erste, der die Sprache des Landes festzustellen suchte. Im J. 1775 schrieb er eine Grammatik, nachdem er zuvor mit Hülfe slavonischer und griechischer Buchstaben ein Alphabet entworfen hatte. Er ließ Bibeln vertheilen, und befahl, daß die heilige Schrift regelmäßig in den Kirchen vorgelesen würde. Sein ernster Wille siegte über vielfache Hindernisse, und nach mehreren Jahren hatte er es wenigstens dahin gebracht, daß mehrere Bojaren lesen gelernt hatten.

Auffallend ist es, daß man in diesem Lande der Unwissenheit das Neugriechische reiner als selbst in Griechenland, Janina vielleicht allein ausgenommen, spricht. In der Wallachei ist dieß die Sprache der feineren Welt; sie wurde von allen angenommen, die irgend Auszeichnungen von dem Hospodar zu erhalten strebten. Die Berührungen der Einwohner mit den Griechen des Phanars sicherten dieses Idiom vor der Rohheit des Sclavonischen, und vor dem barbarischen Jargon der Nachkommen der Dacier. Weniger als in der Wallachei wird das Griechische in der Moldau gesprochen; hier herrscht im Allgemeinen das Französische und das Deutsche vor. [610] Die Geschichte der Fürstenthümer knüpft sich im Alterthum, wo sie einen Theil Daciens bildeten, ganz an die des römischen Reichs. Noch verkünden die Trümmer der bewunderungswürdigen Donaubrücke Trajans, um wie viel tapferer jene Barbaren waren, als ihre in Trägheit versunkenen Nachkommen, und um wie viel größer die Sieger, deren Joche sie sich beugten.

Im J. 1391 kamen die Fürstenthümer in die erste Berührung mit den Türken, aus Veranlassung der Invasion des Woidwoden (Fürsten) Mirza aus einer benachbarten Provinz in die Staaten Bajazets. Der Sultan verließ Asien an der Spitze einer ungeheuern Armee, zog gegen ihn, vernichtete in einer großen Schlacht seine Macht, und legte ihm, zu Anerkennung seiner Lehensherrlichkeit einen Tribut von jährlichen 3,000 Piastern auf.

Diese Länder waren der Schauplatz zahreicher Insurrectionen bis 1460. Zu dieser Zeit kam Mahommed II, auf der Rückkehr von seiner Expedition in den Archipel, um die Empörung des Woiwoden Oracula zu bestrafen. Der letztere wurde besiegt, und sein Bruder Bladus erhielt die Herrschaft, kraft eines Vertrags, der die Moldau und Wallachei dem ottomanischen Joche unterwarf, dem sie sich bis jetzt vergeblich zu entziehen suchten. Jener Vertrag, der keineswegs so drückend ist, als man nach dem Charakter des Eroberers voraussetzen sollte, dient noch jetzt als Basis der Verfassung. Als Zeichen der Ehre sowohl als zum Pfand ihrer Sicherheit erhielten die Fürsten den Rang und den Titel als Pascha’s [5]. Der Name Hospodar, mit dem ihre Nachfolger bezeichnet wurden, stammt von dem slavonischen Gospodin, d. h. Herr.

Die Feierlichkeiten der Einkleidung der Hospodare, ihr Hof, ihr Verwaltungssystem trugen, bis jetzt wenigstens, alle den türkischen Charakter. Ihre Einsetzung in Constantinopel geschah fast mit denselben Ceremonien, wie bei Ernennung der Veziere oder der Paschas. Der Muzzur-Aga setzt ihnen den Kukka (den Busch von Reiherfedern) auf, das Zeichen der Gewalt, und der Großvezier bekleidet sie mit dem Ehrenpelze. Begleitet von Militärmusik, unter Vortragung einer Fahne von drei Roßschweifen, werden sie dann in öffentlicher Audienz dem Sultan vorgestellt. Vom Serail begeben sie sich in feierlichem Zuge nach der griechischen Kirche, wo der Patriarch ihre Einweihung unter denselben Ceremonien vornimmt, wie bei der Weihe der oströmischen Kaiser. Begleitet von einer Anzahl türkischer Würdeträger, die damit beauftragt sind, sie in ihren neuen Fürstenthümern zu installiren, halten sie den feierlichen Einzug in ihrer Hauptstadt mit allem Pomp eines Sultans, rings umgeben von den Bojaren und dem hohen Clerus, unter Voraustritt zweier Peyks und zweier Solaks, einer Art Trabanten, welche bei großen festlichen Aufzügen zu der Leibgarde des Sultans gehören. Sie pflanzen drei Roßschweife vor der Pforte ihres Palastes auf, und tragen an Audienztagen ein festliches Pelzkleid, Capanitza genannt, das kein Pascha tragen darf, sondern das blos den Vicekönigen von Bagdad und den vormaligen Khans der Krym vorbehalten war.

Man nannte die Fürstenthümer getrennt [6] von der ottomanischen Verwaltung, weil sie einen bestimmten, und von dem der übrigen Provinzen des Reichs abgesonderten Tribut bezahlten. Aber alle diese Vorrechte kommen blos den Hospodaren und den Bojaren zu gut. Das Volk blieb der Sklave jener Herren, im vollen Sinn des Worts, und besaß kein Privilegium, kein Recht. Indessen fand die Pforte bald in den beständigen Uneinigkeiten der vornehmsten Bojaren den Vorwand, einen Theil der ihnen bewilligten Rechte wieder zurückzunehmen. Der Willkür des Sultans blosgestellt, umgeben von den festen Plätzen an dem rechten Ufer der Donau und auf ihrem eigenen Gebiet, bedroht von Chozim, Bender, Akjerman, Okzakoff und Kil-Burun, waren die beiden unglücklichen Provinzen die stete Beute einer Menge von Räubern. Ein Khan der Krym, ein Mizza, oder tatarischer Hordenführer, ein Pascha, der in einem der festen Plätze befehligte, konnte, sich stützend auf eine Petition von ein paar intrigirenden Bojaren, die Hospodare absetzen und sie selbst des Lebens berauben. Die Minister der Pforte, nicht weniger raubgierig als die Khans und die Pascha’s, theilten mit ihnen den Raub oder eigneten sich ihn allein zu [7].

Die Berührungen, in die Rußland mit den Fürstenthümern kam, kann man vom Jahre 1710 datiren. Damals stand Peter der Große auf der Höhe seines Ruhmes; er hatte den Grundstein jener Macht gelegt, die seitdem mit Riesenschritten gegen Europa wie gegen Asien sich gewandt hat. Die Pforte, die 1695 die Uebermacht Oesterreichs auf einen Augenblick zum Wanken gebracht, [611] hatte nach dem Vertrage von Carlowitz kaum die Waffen niedergelegt, als der Czar den kühnen Entwurf faßte, das ottomanische Reich anzugreifen. Er bekam Lust nach jenem Gebiete, wo die von Türken gedrückte griechische Religion herrschte, und das auf dem geraden Wege nach Constantinopel lag.

Bessarabba, der Woiwode der Wallachei, war schon vorher in geheimer Allianz mit Oesterreich gestanden. Peter gewann ihn leicht; er versprach, den russischen Heeren Munition und Lebensmittel zu liefern, und ein Contingent von 30,000 Mann zu stellen. Die Pforte erhielt bald Kenntniß hievon; sie ächtete den Woiwoden, verschob aber seine Bestrafung. Die Türkei war damals eine der furchtbarsten Militärmächte Europa’s. Auf die Nachricht eines Einfalls, stellte sich der Großherr an die Spitze von 200,000 Mann, und zog gegen die Fürstenthümer. Der Czar rückte (1711) in die Moldau, und machte in Jassy Halt, um die versprochene Hülfsarmee aus der Wallachei zu erwarten. Indessen lagerten sich die Türken an den Ufern der Donau. Bessarabba, von Furcht befallen, brach sein Versprechen, und setzte dadurch Peter den Großen in die schwierigste Lage seines Lebens. Bald sah er sich von allen Seiten eingeschlossen und genöthigt, um seinen Rückzug zu unterhandeln. Die Großmuth oder die Schwäche des Sultans ließ die schönste Gelegenheit vorüber, die russische Macht in der Wiege zu vernichten.

Die Entwickelung der Geschichte des unbeständigen Woiwoden bietet ein charakteristisches Bild der ottomanischen Politik dar. Um den Grimm des Sultans zu besänftigen, hatte er bedeutende Geldsummen nach Constantinopel gesandt, die aber blos den Erfolg hatten, daß sie die Pforte auch nach seinen übrigen Schätzen lüstern machten. Im J. 1714, in der Charwoche, kam ein Capidschi-Baschi nach Bucharest, schrieb dem Fürsten, daß er sich in eine der Festungen des Reichs begebe, und kaum Zeit habe, ihn in der Frühe des andern Morgens zu besuchen. Dieß war ein Besuch des Todes. Der Capidschi-Baschi tritt in den Audienzsaal und wirft, in dem Augenblick als der Fürst sich erhebt, um ihn zu empfangen, einen schwarzen Schawl über seine Schultern, das Zeichen der Absetzung der großen Würdeträger des Reichs. Sein Schatz, sein ganzes Vermögen ward confiscirt; er selbst mit seiner Familie nach Constantinopel gebracht, und in die sieben Thürme geworfen. Die weggenommenen Schätze aber entsprachen nicht den Erwartungen des Sultans: um das Geheimniß der etwa verborgenen ihm abzupressen, wurden die die vier Söhne drei Tage nacheinander vor den Augen des Vaters gefoltert. Hierauf gab der Sultan Befehl, sie zu enthaupten. Man führte sie in einen der Höfe des Serails. Auf goldenen Polstern mit gekreuzten Beinen saß der Sultan, umgeben von seinen Offizieren, und trank in langen Zügen die langersehnte Rache. Ein Offizier las das Urtheil, angefüllt mit Klagen, die man längst von der Zeit verwischt glaubte, die aber der Türke, der nichts vergißt und nichts verzeiht, sorgfältig bis zum Tage der Strafe aufbewahrt hatte. Der Vater wird nun vorgeführt. Er sieht seine vier Söhne, einen nach dem andern, unter dem Beile des Henkers fallen – er selbst ist der letzte. Ihre Köpfe werden auf Piken gesteckt, ihre Körper ins Meer geworfen. Von der ganzen Familie lebt nur noch ein Abkömmling des Eidams des Woiwoden, noch immer der reichste Bojar der Wallachei.

Die stets wachsende Schwäche des ottomanischen Reichs kehrte die russischen Waffen aufs neue gegen dasselbe, und der Vertrag von Kainardgi (1775) der, wie wir bereits früher anführten, dem Cabinette von St. Petersburg ein Interventionsrecht bei der Ernennung der Hospodare gab, verlieh ihm eben damit das Recht, der Türkei, so oft es wollte, den Krieg zu erklären [8]. Nicht ohne Bedeutung ist es, daß die griechische Insurrection im Schoose dieser Provinzen ihren Ursprung nahm. [612] Der Vertrag von Kainardgi, ein Resultat des russischen Uebergewichts, ward von Catharina dictirt, in deren ehrgeiziger Seele der Name Constantinopel mit unauslöschlichen Zügen stand. Nie gab sie das Recht auf, in der Verwaltung der Fürstenthümer zu interveniren, welches ihr den doppelten Vortheil sicherte, während des Friedens sich die Zuneigung der Einwohner zu erhalten, indem sie sie gegen die Unterdrückung der Pforte in Schutz nahm, und doch zugleich einen Vorwand zum Kriege zu haben. Um dieses eventuelle Recht zum System zu erheben, verlangte Catharina die Einsetzung eines russischen Consuls, zum Schutz der Kaufleute dieser und ihrer Nation. Die Pforte konnte die Forderung nicht zurückweisen, und bewilligte sie endlich mit Widerstreben.

Oesterreich erlangte später die nämliche Gunst, benutzte sie aber blos im Interesse seines Handels. Das republikanische Frankreich nahm denselben Vortheil in Anspruch und seine Consuln beschäftigen sich, wie alle seine Agenten im Auslande, mehr mit politischen Intriguen, als mit ihren offiziellen Functionen. Im J. 1802 ernannte auch die brittische Regierung einen General-Consul in Bucharest, der vorzüglich damit beauftragt war, die Mittheilungen zwischen England und der Türkei zu beschützen. Seine Mission hörte beim Frieden von Tilsit auf; 1813 aber ward ein neuer Consul ernannt, und mit jeder zur Sicherheit des Handels nöthigen Macht bekleidet.

Bei dem gegenwärtigen Stande der europäischen Politik möchte die Entscheidung äußerst schwer seyn, in welchen Händen der Besitz der Fürstenthümer am günstigsten für das Gleichgewicht der Mächte wäre. Ihre Besetzung durch Rußland würde das ottomanische Reich auf seiner ganzen Nordgrenze öffnen. Auch Oesterreichs nordwestliche Grenze stände dieser Macht offen, und seine Verbindungen mit der Türkei würden bedeutend verrückt. Bliebe Rußland auch blos an den Ufern der Donau stehen, so würde dieß doch nur so lange geschehen, bis es in den neuen Besitzungen neue Kräfte gesammelt hätte, um mit diesen den alten Plan um so sicherer zur Reife zu bringen, falls nicht Griechenland frei wird und so erstarkt, daß es in seiner aufblühenden Freiheit gegen das Vordringen jener Macht eine festere Mauer bildet, als verödete Länder, halbverfallene Festungen, Fanatismus und Barbarei.
  1. Hauptsächlich nach einem der früheren Hefte von Blackwoods Edinburgh Magazine.
  2. Da der Vertrag von Kainardgi (unterzeichnet den 10. Juli 1775) bei allen späteren Negociationen zur Grundlage diente, und sich auch in neuester Zeit das Cabinet von St. Petersburg häufig auf denselben berief, so heben wir hier die auf die Moldau und Wallachei sich beziehenden Artikel aus: „Der russische Hof gibt der hohen Pforte Bessarabien und dessen Festungen zurück, nämlich Ackjerman, Kilia, Bender, Ismaël, und die übrigen Städte und Dörfer dieser Provinz; eben so die beiden Fürstenthümer Moldau und Wallachei, mit den dazu gehörigen Festungen, Städten und Dörfern.“ „Die Besitznahme derselben wird unter folgenden Bedingungen erfolgen, welche die Pforte sich feierlich verpflichtet zu erfüllen und aufrecht zu halten: „1) Sie wird in den beiden Fürstenthümern die Gesetze, Gewohnheiten, Vorrechte, Würden, Kirchen und Eigenthumsrechte ohne Ausnahme schützen und erhalten. Sie wird eine allgemeine Amnestie daselbst erlassen; die Personen, die ihr etwa nicht treu geblieben seyn sollten, in keiner Weise beunruhigen, und sie wieder in das Eigenthum und den Rang einsetzen, die sie vor dem Kriege besaßen. 2) Sie wird der freien Ausübung der christlichen Religion kein Hinderniß entgegenstellen, noch die Wiedererbauung der Kirchen und andrer Gebäude in den beiden Fürstenthümern hindern. 3) Sie wird den in der Nachbarschaft von Ismaël, Chotim und Bender gelegenen Klöstern die abgenommenen Domänen zurückgeben. 4) Sie wird den Clerus der beiden Fürstenthümer mit der ihm gebührenden Achtung behandeln. 5) Sie wird den Familien und Individuen, die nach Rußland zurückzukehren oder sich anderswo niederzulassen wünschen, die Freiheit einräumen, mit ihrem beweglichen Eigenthum auszuwandern, und wird ihnen die Frist eines Jahres bewilligen, ihre Angelegenheiten vor ihrem Abzuge in Ordnung zu bringen. 6) Sie wird ihre ganze rückständige Schuld in den beiden Provinzen liquidiren und bezahlen, wenn auch die Einnahmen der mit jenen Schuldverpflichtungen correspondirenden Aemter nicht eingegangen sind. 7) Aus der Zeit der Occupation wird sie von den Einwohnern der besagten Fürstenthümer keinerlei Abgaben erheben, und wird sie vielmehr, in Betracht des erlittenen Kriegsunglücks, zwei Jahre lang, vom Tage des gegenwärtigen Vertrages an gerechnet, von jeder Contribution befreien. 8) Nach Verlauf dieser Frist wird sie sie mit Mäßigung und Menschlichkeit behandeln, und nicht zugeben, daß, wenn sie den gewöhnlichen Tribut entrichtet haben, sie auch noch durch die Pascha’s und andere Agenten der Gewalt belästigt und unterdrückt werden. Sie wird ihnen die volle Ausübung der Privilegien garantiren, deren sie unter der Regierung Mahommeds IV, Vater des gegenwärtigen Sultans, genossen. Sie wird den Hospodaren der Fürstenthümer gestattem, in Constantinopel einen oder mehrere Geschäftsträger, Griechen von Nation oder Religion, zu haben, welche sie nicht nur anerkennen und mit denen sie unterhandeln wird, sondern gegen die sie sich auch verpflichtet, in ihnen die Vorrechte und die Unabhängigkeit zu achten, die sie in jener Eigenschaft anzusprechen haben. Endlich erkennt die hohe Pforte den in Constantinopel residirenden russischen Botschaftern ein Interventionsrecht in der Leitung der Angelegenheiten der beiden Fürstenthümer zu, und wird ihre von dem Interesse jener Provinzen eingegebenen Vorstellungen beachten.“
  3. Wir bemerken, daß diese Aeußerungen über Napoleon aus einem englischen, und zwar aus dem heftigsten englischen Tory-Journal wörtlich übersetzt sind. Anm. d. Ueb.
  4. Nach neueren Angaben betrug diese Bevölkerung zwischen 1820 bis 1825 nur 8 bis 900,000.
  5. Jakovaki Rizo sagt in seiner Histoire moderne de la Grèce, daß ihr Rang noch über den eines Pascha’s von drei Roßschweifen gesetzt, und dem des Gouverneurs oder Vicekönigs von Bagdad gleichgestellt worden sey.
  6. Mesrezul-Kalem ve maktonal kaaen.
  7. J. Rizo hist. mod. de la Grèce.
  8. Zur Geschichte der Entwickelung der innern Verhältnisse der Fürstenthümer enthält das neueste Werk über diesen Gegenstand, von Jakovaki Rizos, (früher Groß-Postelnik des Fürsten Caradza, gegenwärtig in der Umgebung des Grafen Capo d’Istrias), folgende Bemerkungen, die hier zur Ergänzung eine Stelle finden mögen:
    Im Jahr 1716 ward der Pfortendolmetscher Nicolaus Maurocordato zum Hospodar ernannt, der erste Grieche, der zu dieser Würde gelangte. Die Moldau und Wallachei waren in tiefster Finsterniß versunken – keine Erziehung, kein Handel, keine Industrie, keine Spur der Civilisation. Neun Zehntheile des Bodens lagen öde. Man kannte die ersten Elemente des Feldbaues nicht. Die griechischen Hospodare civilisirten die beiden Fürstenthümer. Nicolaus Maurocordato gründete in der Wallachei eine Druckerei und eine öffentliche Schule, in der man das Slavische, das Altgriechische und Latein lehrte. Sein Bruder Constantin Maurocordato war der Wohlthäter der wallachischen Bauern; er befreite sie von der drückendsten Knechtschaft, und führte in dem Lande den Anbau des türkischen Waitzens ein, der später ihre Haupt-, ja fast ihre einzige Nahrung wurde. Die nachfolgenden Hospodare ließen im Dialekte des Landes die Bibel übersetzen, die heiligen Evangelien, die Psalmen, die Liturgie und alles was zum Ritual der griechischen Kirche gehört. Unter dem Hospodar Alexander Ypsilanti schrieb ein eingeborner Bojar der Wallachei, Tannaquitza Vakaresky, eine Grammatik, und regelte das Patois seines Landes. (Das Blackwoods Magazine schreibt, wie wir anführten, dieses Verdienst Maurocordato zu.) Die griechischen Hospodare Alexander Ypsilanti, Gregorius Ghika, Carl Kallimachi, und Johann Caradza wurden die Gesetzgeber der Fürstenthümer. Diese folgen nach den Gesetzbüchern, welche jene Fürsten drucken ließen, und welche, nach Justinians Codex redigirt, auch die nicht geschriebenen Gewohnheitsrechte einschließen, welche früher Gesetzeskraft hatten, obgleich sie ungewiß und schwankend waren, willkürlich ausgelegt wurden, und sich oft widersprachen. Trotz der durch den Vertrag von Jassy garantirten Bestimmung, wornach die Regierung eines Hospodars sieben Jahre dauern sollte, wurden Gregorius Ghika und Constantin Chantzery in vollem Frieden heimlich ermordet, Maurogeny und Alexander Ypsilanti enthauptet, Nicolaus Caradza, Constantin Morusi, Alexander Maurocordato, Ttleko Sutzo und Alexander Morusi willkürlich abgesetzt. Außerdem besaß das ottomannische Ministerium immer Mittel, unter der Hand durch Drohungen die Hospodare zu zwingen, selbst abzudanken. So sah sich Johann Caradza, von Halet, Mahmuds Günstling, verfolgt, genöthigt, förmlich seine Entlassung zu nehmen und sich zu flüchten um dem Tode zu entgehen .... Von allen Uebeln aber, welche auf den beiden Fürstenthümern lasteten und noch auf ihnen lasten, ist das drückendste jener Ueberrest des Feudalrechts, den auch Constantin Maurocordato nicht auszurotten im Stande war, nämlich die unentgeldlichen Frohnen, welche die Bauern den Gutsherren leisten müssen. Eigentlich sollten die Frohnen nur eilf Tage im Jahre betragen, aber die Gutsherren treiben damit ungeheuern Mißbrauch. Diese eilf Tage werden zu vierzig, fünfzig, ja noch mehr, so daß die Bauern keine Zeit zu Besorgung ihrer eigenen Felder übrig behalten. Oft suchten die Hospodare diese Mißbräuche abzustellen, aber die Gutsherren wußten durch tausend Ränke den Bauern Contracte abzunöthigen, worin sie sich zu jenen vermehrten Frohnen verpflichteten. Außerdem bestehen noch eine Menge von Privilegien, kraft deren der Adel, die Kirche etc. mehr oder minder große Immunitäten besitzen, während auf die Landbauern das ganze Gewicht der Abgaben fällt.... Die türkische Regierung, so wie die Griechen, Wallachen und Moldauer gaben nur den Hospodaren den Titel Fürst, ihre Söhne nannte man Bey-Zades, Söhne des Fürsten; diese Benennung ging aber nie auf die Enkel über. So vorübergehend und schwankend die Herrschaft der Hospodare war, so dienten doch die von ihnen verwalteten Provinzen den verfolgten Griechen des ganzen übrigen Reichs zum Zufluchtsort. Eine Menge Macedonier, Thracier, Epiroten, Thessalier trieben Handwerke und Gewerbe in diesen Provinzen; andere standen in Handelsverbindungen mit Deutschland, namentlich mit Leipzig; der größte Theil aber bereicherte sich durch Ackerbau und Industrie, indem sie als eine Art Pächter die fruchtbaren Güter der eingebornen Bojaren cultivirten. Die Lyceen von Jassy und Bucharest waren gut organisirt: man lehrte dort Griechisch, Lateinisch, Deutsch, Französisch, Naturwissenschaften und Philosophie. Die Buchdruckerei von Jassy war gut bestellt. In den letzten Jahren hatte man in Bucharest ein Theater errichtet, auf dem theils französische Tragödien und Komödien, theils ins Griechische übersetzte Stücke aufgeführt wurden. Ausländer, von jeder Nation, jeder Religion, fanden die freundlichste Aufnahme. Das Verdienst ward geachtet; ein industriöser, mit einigem Talent ausgerüsteter Mann konnte des Erfolgs gewiß seyn. Die griechische Sprache war fast allgemein angenommen; mit Ausnahme der niedern Volksklassen verstanden sie alle Einwohner; die vornehmere Welt vornehmlich sprach das Griechische mit großer Reinheit; einige Bojaren zeichneten sich selbst durch Schriften in altgriechischer Sprache aus. In der Wallachei durften Brankovan, Nestor, Kimpiniani, Philipesko und Golesko, in der Moldau die Sturdza, Paskan, Kisnovan, Balsonk und Draguitzi rücksichtlich ihrer Kenntniß der altgriechischen Literatur, hinter den gelehrtesten Griechen nicht zurückstehen. Die Frauen mehrerer Bojaren waren griechische Fürstinnen oder Edle; so wie auch mehrere Griechen sich an Töchter von Bojaren verheiratheten. Diese Vermischung policirte die höheren Classen der Fürstenthümer, und führte die Sitten, die Gewohnheiten und die Sprache Griechenlands ein. Auf der andern Seite brachten die russischen und österreichischen Heere europäische Sitten, Luxus und industrielle Kunst ins Land. Die ganze höhere Welt verstand französisch und deutsch. Tanz und Musik wurden Gegenstände der Erziehung. Bei den reichsten Bojaren sah man deutsche und französische Lehrerinnen. Indessen ging auf Frivolität der feineren Bildung, Sittenlosigkeit der Urbanität zur Seite.
    Hist mod. de la Grèce. Genève 1828.