Die Quellen des Jummna im Himalajah
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im Himalajah.
[1]„Lange schon war es mein Wunsch, diesen berühmten Wallfahrtsort der Hindus zu besuchen, den die Brahminen heiliger halten, als die römischen Priester unser Lieben Frauen Haus in Loretto. In Kursalee, dem nächsten Flecken, traf ich meinen Freund, den General Elliot, der denselben Wunsch äußerte, und wir machten uns, in Begleitung einiger Diener, den nächsten Tag auf den Weg. Der Jummna ist ein reißendes Bergwasser, das sich zwischen starren, bemoosten Felsen und tiefen Schluchten hindurch drängt, und auf seinem Laufe häufig Wasserfälle bildet. Ein schlechter, oft gefährlicher Pfad windet sich an den jähen Abhängen hin, und nur selten hat man einen Blick in’s Freie. Erdbeeren, Himbeeren, verschiedene Brombeer-Arten, langgenadelte Kiefern, einige Straucharten und wunderliche Schlingpflanzen machen die eben nicht reiche Vegetation dieses Himmelsstrichs aus.
Immer steiler wurde das Ansteigen, immer beschwerlicher, ermüdender und gefährlicher. Auf schmalen, schwankenden Bastbrücken passirten wir schwindelnde Abgründe; vor uns und hinter uns zogen lange Schaaren von Pilgern, baarfuß und dann und wann einen Gesang anstimmend, Klagetöne, wodurch uns das Ganze vorkam, wie ein Leichenzug. Immer enger wurde die Schlucht, immer dunkler; immer dichter die Menge durch den Zuwachs, den sie von den Gebirgspfaden erhielt, welche von vielen Seiten her sich mit unserm Weg vereinigten. Endlich bot sie eine dichtgedrängte Colonne dar, und ich gestehe Dir, daß mir diese allzunahe Gemeinschaft mit den schmutzigen und übelriechenden frommen Brüdern als das Widrigste in der ganzen Parthie vorkam, und es mir allen Genuß der starren und ernsten, [44] aber grandiosen Natur raubte, durch die ich wanderte. Nach 8stündigem, rastlosem Steigen öffnete sich endlich die finstere Schlucht, welche uns einschloß, zu einem kleinen Thalkessel, und das Freudengeschrei der Hindus zeigte mir an, daß wir uns am Ziele unserer Wanderung befanden. Nie vergesse ich den Anblick. Thurmhohe Felsenwände umschlossen das Thal, durch das der heilige Strom, vom Grün der schönsten Wiesen eingerahmt, silberhell dahinbraust, und an den Felsen selbst rankte und zweigte üppiger Baumwuchs. Im Hintergrunde aber erhob sich die Welt des Himalajah, ein Heer weißglänzender, oder röthlich schimmernder Pyramiden und Obelisken, nur der Phantasie zugänglich, gröbern Organen aber zurufend: – bis hierher und nicht weiter! – Die heiligen Quellen entspringen unter einem Gletscher, der, wie ein krystallener Vorhang, über Felsenmassen herabhängt. Die größern sind eisig-kalt, die kleinern siedend-heiß und gewaltige Dampfwolken von sich stoßend. Dieses wunderbare, in der Welt einzige Naturspiel haben die Brahminen schlau genug ausgedeutet. Gott der Vater, sagen sie, bereitete den Frommen dieß warme Bad, sie um so gewisser und vollkommener vom Schmutze der Sünde zu reinigen.
Jeder Pilger bezahlt, bevor er zum Baden gelassen wird, eine festgesetzte Steuer, zu der sich freiwillige Opfergaben Derjenigen gesellen, welche noch besondere, sündenreinigende Gebete von den Brahminen verlangen. Die Zahl der Pilger ist manchmal in einem Jahre hunderttausend, welche sich auf die vier Sommermonate vertheilen, da in der Regen- und kalten Jahreszeit die Wege unzugänglich sind; denn die Quellen sind an der Grenze des ewigen Schnees und ihre Höhe über der Meeresfläche 11,800 Fuß.
- ↑ Tagebuch einer Reise in den Himalajah. London 1839.