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Die Rückkehr des Sultans vom Selamlik

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Textdaten
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Autor: Hermann Lüders
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Titel: Die Rückkehr des Sultans vom Selamlik
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 643
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Zug des Sultans Abdülhamid II. vom Palast zur Moschee und zurück
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[617]

Die Rückkehr des Sultans von Selamlik.
Zeichnung von H. Lüders.

[643] Die Rückkehr des Sultans vom Selamlik. (Zu dem Bilde S. 617.) Zu dem, was der Fremde in Konstantinopel zuerst sieht, wohin ihn auch der unentbehrliche Fremdenführer fast gewaltsam treibt, gehört der Selamlik, d. h. der alle Freitage, dem türkischen Sonntage, stattfindende Zug des Sultans zu irgend einer Moschee. Dieser Kirchgangstag des Großherrn ist zugleich der alle acht Tage wiederkehrende Paradetag der gesammten Garnison von Konstantinopel, und wenn auch die Theilnahme des Publikums nach unsern Begriffen keine lebhafte genannt werden kann, so sind doch immer Tausende von Zuschauern versammelt, die in bunten Gruppen hinter der dichten Kette des Militärs sich aufstellen oder die Hügel und Plätze in der Nähe besetzen. Die Freude an öffentlichen Aufzügen und die Neugierde scheint unter den türkischen Schönen nicht minder verbreitet zu sein als anderswo. Sie gehen zwar von der Sitte der Verschleierung des Gesichts nicht ab, doch hat man oft Gelegenheit, in die meist schön geschwungenen, melancholisch und doch wieder kindlich dreinblickenden Augen zahlreicher Frauen zu sehen, die an den Abhängen und Böschungen der Wege hocken.

Der jetzige Sultan Abd ul Hamid II. bewohnt nicht die glänzenden Paläste an den Ufern des Bosporus, sondern den ziemlich weit an den Hügeln hinaufliegenden Ildiz Kiosk. Weiß und glänzend liegen in den weiten Parkanlagen zahlreiche Gebäude, aber eine starre Mauer umzieht das Ganze, und wer nicht ein hoher Würdenträger ist, wird schwerlich hineingelangen.

In unmittelbarer Nähe, etwas tiefer, liegt die Moschee Hamidije auf einem wundervollen Platze, blendend weiß sich von dem tiefblauen Himmel abhebend. Sie wird für den Selamlik vom Sultan bevorzugt und gewährt auch in ihrer Umgebung den besten Platz für das militärische Schauspiel.

Lange bevor die Ausfahrt des Großherrn beginnt, rücken in langen Zügen die Truppen der Garnison heran, für Fremde eine hochinteressante Sammlung militärischer Typen. Die Uniformen nähern sich im Schnitt sehr den europäischen, nur der Fez, der von Generalen wie von Gemeinen gleichermaßen getragen wird, ist das nationale Abzeichen. Die Truppen, die in und um Konstantinopel liegen, sind wohl die besten des Reiches, und unleugbar ist ihr Aussehen ein kriegerisches und Achtung gebietendes, wenn auch bei näherem Zusehen die „Propretät“ nicht weit her ist.

Vor dem Thore des Palastes versammeln sich die Generale und in einem unmittelbar daran gebauten Pavillon die höheren Civilbeamten, die Mitglieder der fremden Gesandtschaften, sowie Fremde, die durch irgend eine Empfehlung Zutritt erhalten haben. Es werden Thee, Kaffee und vorzügliche Cigaretten herumgereicht, und man genießt auf diese Weise das Schauspiel auf die denkbar angenehmste Art.

Bevor der Sultan den Palast verläßt, erscheint in prächtigen und reichgeschirrten, aber leider geschlossenen Wagen eine Anzahl Damen des Palastes; man sieht nur eine Wolke von Tüll und hie und da ein blitzendes Auge. Sie sind umringt von Eunuchen, meist tiefschwarzen Negern in schwarzem Gehrock, gleichen Beinkleidern, weißer Weste und Lackstiefeln, während ein glänzend gekleideter Stallmeister voranreitet. Sobald der Sultan selbst erscheint, ertönt ein Signal, und in weitem Umkreise rufen die Truppen ihrem Gebieter den Gruß zu. Unter präsentirtem Gewehr und mit geneigtem Kopfe stehen die tiefgebräunten Gestalten da, während feierlich und gemessen der offene Wagen mit dem Beherrscher der Gläubigen vorüberzieht.

Wie die meisten Türken hat Abd ul Hamid nichts Bewegliches und Lebhaftes in seinem Wesen. Leise neigt er das Haupt, mehr mit den Augen als mit der Bewegung des Kopfes grüßend; dennoch macht es den Eindruck, als wenn er alles sähe oder wenigstens alles zu sehen bemüht wäre. Häufig sitzt der vielgenannte Held von Plewna, der greise Osman Pascha, ihm im Wagen gegenüber – neben dem Herrscher zu sitzen, verbietet wohl die höfische Vorschrift.

Die religiöse Uebung oder der Gottesdienst währt nur etwa zwanzig Minuten, dann öffnet sich ein Fenster in der Moschee, von wo aus der Sultan den Vorbeimarsch der Truppen abnimmt. Ist dieser vorüber, so besteigt der Herrscher meist einen andern Wagen, um, selbst kutschirend, in schnellerer Gangart zurückzufahren. Das letztere ist eigentlich der interessanteste und, wenn man will, erheiterndste Theil des Schauspiels. Sämmtliche nicht in der Front stehenden Offiziere und Generale schließen sich der Equipage des Sultans an, und man kann sich kaum eines Lächelns erwehren, wenn man die reichbesternten und zum Theil wohlbeleibten Herren sich bemühen sieht, mit den trabenden Pferden Schritt zu halten. Schweißtriefend und erschöpft langen sie oben am Thore des Palastes an, um noch einen tief ergebenen Gruß dem Herrscher nachzusenden; dann ist das Stück zu Ende.
H. L.