Die Sage von dem Abendmahlskelche in der Klosterkirche zu Grimma

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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Die Sage von dem Abendmahlskelche in der Klosterkirche zu Grimma
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 280-282
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Quelle: Google-USA* und Commons
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317) Die Sage von dem Abendmahlskelche in der Klosterkirche zu Grimma.

Mündlich. Die frühern Mittheilungen über diese Sage hat Lorenz, Chronik v. Grimma. Bd. I. (Lpzg. 1856) S. 58 fgg. zusammengestellt, er zweifelt aber ohne Grund an der Wahrheit der Sage.

Zwischen dem später in die jetzige Landesschule verwandelten Augustinerkloster zu Grimma und dem durch die Flucht der Katharina von Bora berühmt gewordenen Nonnenkloster zu Nimptschen[1] hat in früherer Zeit eine Verbindung durch einen unterirdischen unter der Mulde hinführenden Gang[2] [281] bestanden. Den Ausgang desselben im Klostergarten zu Nimptschen konnte man vor einiger Zeit noch als die Mündung eines alten Kellers sehen, die Stelle aber, wo man im Kreuzgange des alten Augustinerklosters in denselben hinabstieg, hat mir mein seliger Vater, der hier Professor an der Landesschule war, oft gezeigt. Seit dem Neubau der Schule ist dieselbe mit Steinplatten wie der Fußboden des übrigen Kreuzganges neben der Kirche belegt, so daß sie sich durch nichts mehr auszeichnet, sie befindet sich aber rechts im Winkel von dem früher zum Tanzunterricht benutzten Zimmer.

Einige Jahre nach der Umgestaltung des alten Klosters zu einer gelehrten Schule ist dem damaligen Rector derselben, dem berühmten Philologen und neulateinischen Dichter Adam Siber hinterbracht worden, daß man aus jenem damals noch allgemein bekannten Gange, dessen Eingang verschlossen war zuweilen des Nachts Stimmengewirr und Gesang vernehme. Er versammelte also die stärksten und ansehnlichsten seiner Primaner um sich – diese waren damals Männer mit Bärten und 25-30 Jahre alt, von etwas männlicherem Aussehen wie unsere heutigen Studenten –, man versah sich mit scharfgeschliffenen Schwertern und guten Fackeln, und so stieg man guten Muths in den geöffneten Gang hinab. Derselbe ging natürlich nicht gerade aus, sondern war wie alle derartigen Schächte in Krümmungen angelegt. Als man nun aber um die Ecke einer solchen Galerie gekommen war und das Licht der Fackeln von der eingeschlossenen Luft in seiner Helligkeit vielfach behindert ward, trat ihnen auf einmal aus einer Mauerblende ein eisgrauer schwarz gekleideter Mönch entgegen, der sie fragte, was sie wollten, und als er sie auf ihre Antwort, sie wollten den Gang untersuchen, vergeblich zur Umkehr aufgefordert hatte, ebenso schnell verschwand, wie er gekommen war. Diese Erscheinung wiederholte sich, als sie wiederum um eine andere Ecke gekommen, nochmals. Die neugierigen Forscher ließen sich jedoch dadurch nicht abhalten, sie gingen immer weiter, trotz dem, daß ihre Fackeln fast zu verlöschen drohten. Da erblickten sie plötzlich vor [282] sich eine Tafel, auf der große angezündete Wachskerzen standen und um welche schwarzverhüllte Gestalten mit Todtengesichtern saßen. Von diesen erhob sich eine, wie es schien, ein alter Prior, und sprach: „kehret augenblicklich um und laßt die Todten ruhen, sonst seid Ihr alle des Todtes, zum Andenken aber an das, was Ihr gesehen habt, nehmt hier diesen silbernen Becher und versprecht uns in Ruhe zu lassen.“ Bei diesen Worten verschwand er und mit ihm die Tafel und ihre Beisitzer, die Fackeln verlöschten und die Wände des Ganges, den jene noch zu durchwandern hatten, stürzten zusammen. Bebend vor Schrecken eilten Alle dem Eingange zu, und als man nach vielen Jahren den Gang abermals betreten wollte, war er verschüttet, jener silberne, vergoldete Kelch, der mit schön gearbeiteten Figuren geziert ist und die Jahreszahl 1519 trägt, wird aber noch heute, wenn den Fürstenschülern zu Grimma das Abendmahl ausgespendet wird, gebraucht und führt den Namen der Mönchskelch.


  1. In der dortigen Gegend existirt ein Sprichwort: mach’s wie die Nonnen zu Nimptschen, d.h. reiße aus.
  2. Dergleichen unterirdische Gänge haben sonst viele in alten Klöstern existirt, z.B. in dem Benedictinerkloster Bosau bei Zeitz, in dem Benedictinerkloster zu Saalfeld auf dem Petersberge, in dem Nonnenkloster zu Langensalza, in dem Kloster Altenzelle bei Nossen etc. S. Puramandus, Hist. Nachr. von denen in alten Kirchen und Klöstern im Schooße der Erden verborgen liegenden, güldenen silbernen und Edelgesteinen Schätzen – ingleichen von denen bei vielen Klöstern befindlichen unterirdischen Gängen und Gewölben etc. St. I. Frankf. u. Jena 1731. 8. Variamandus, Histor. Nachr. von unterirdischen Schätzen etc. Frankf. u. Leipz. 1738. 8. S. 52. sq. 65. 73. Histor. Schauplatz sehr merkw. Gesch. v. unterirdischen Schätzen. Hannover 1747. 8. S. 28. sq. C. E. F. Neue Samml. merkw. Gesch. von unterirdischen Schätzen, Höhlen und Gängen. Bresl. u. Lpzg. 1756. S. 257. sq.