Die Schatzmeisterin des Himmels

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Autor: J. C. Maurer
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Titel: Die Schatzmeisterin des Himmels
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aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 206–207
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Schatzmeisterin des Himmels.

Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens.


Es wird immer offenbarer, daß der „alte böse Feind“, der Teufel, dessen Herrschaft und Reich einst so groß und gewaltig war, mehr und mehr über schlechte Zeiten zu klagen hat; wenigstens scheint es gesichert, daß sein Credit in den Ländern, welche zu den Culturstaaten gehören, in den jüngsten Zeitläuften sehr in Abnahme gekommen ist. Sein Name ist, wie er als Mephisto sich bitter beklagt, „längst in’s Fabelbuch geschrieben“, und kein gebildeter Mensch glaubt mehr an den höllischen Junker mit Hörnern und Bocksfüßen. Damit ist auch der Glaube an seine Zaubermacht geschwunden, den Sterblichen, die ihre Seelen verkauft, vergrabene Schätze aufzuweisen, und heute citirt ihn kein Mensch, um mit seiner Hülfe seine Taschen mit Gold zu füllen. An Stelle dieser sündhaften Gewohnheit kam aber an gewissen Orten schon seit geraumer Zeit ein anderes Mittel in Schwung, das bei richtiger Befolgung aller Weisungen ebenso sicher wie die alte Teufelsbeschwörung zu Geld und Gut verhelfen soll.

Das Volk will mit dem altmodischen Gottseibeiuns nichts mehr zu thun haben und hat sich statt desselben für Beschwörungen und Citationen in Geldangelegenheiten eine eigene Heilige angeschafft. Diese soll auch, wie allgemein verlautet, ihre Sache durchaus nicht schlechter verstehen, als ehedem der Teufel selbst. Sie heißt Sancta Corona und wird als „Schatzmeisterin des Himmels“ angesehen. Der Kalender und das Martyrologium Romanum kennen dieselbe nicht, keine Legende nennt ihren Namen, ja es scheint sogar, daß sie niemals auf unserer schönen Gotteswelt gelebt habe. Dessen ungeachtet giebt ein bei Ph. Kraußlich in Urfahr-Linz erschienenes Büchlein über dieselbe und ihre Verehrung genügende Auskunft.

Dieses Büchlein führt den Titel: „Neuntägige Andacht zu der heiligen Corona“ und enthält schon in der Vorrede eine gründliche Untermeisung, wie man es anfangen müsse, um durch Hülfe dieser Heiligen zu Geld zu kommen.

Es würde uns zu weit führen, wenn wir alle die salbungsvollen „Anmuthungen“, die der unbekannte Verfasser einem geldbedürftigen armen Teufel in den Mund legt, ausführlich mitthellen wollten, und wir müssen uns deshalb darauf beschränken, nur eine flüchtige Blumenlese aus diesem Tractätlein anzuführen.

Vor Allem soll Derjenige, welcher die heilige Corona beschwören will, an einem neuen Sonntage, das ist einem Sonntage, auf den ein Neumond fällt, sein Gewissen durch Beichte und Ablaß reinigen. Darauf bete er 93 Vaterunser und siebenmal den Glauben, „vor dessentwillen, daß dir Gott die heilige Corona wolle schicken“. „In der Nacht aber,“ heißt es weiter, „da du wollest schlafen gehen, sprich alle Gebete bei einem geweihten Wachslicht neun Tage nach einander, so kommt die heilige Frau Corona unter diesen Tagen oder aber am neunten Tag zu dir im Schlaf, ohne Furcht und Scheu, lieblich und angenehm, wie dein Gebet gewirkt hat, und führet dich dahin, zu offenbaren, was du begehrt hast, oder sie bringet dir zum Bett, was du willst.“

Ueber das Leben der splendiden Heiligen berichtet das Büchlein, daß dieselbe eine Hauptmannstochter gewesen sei und unter der Regierung des Kaisers „Antoni Tiroh, welcher im Jahre 1610 zum Kaiserthum gekommen und regieret 19 Jahr“, gelebt habe. Ferner erfahren wir, daß unsere räthselhafte Schatzmeisterin einen Hauptmann zum Ehegemahl gehabt habe, „einen großen Mann in Egintisten, davon entwichen und von wegen des christlichen Glaubens willen zum Gefängniß eingeführt worden. Um das, weil sie beständig geblieben, ist sie an zwei mit Gewalt zusammengezogen Bäum gebunden worden. Als die heilige Corona mitten von einander gerissen worden, ist dann an jedem Baum der halbe Theil ihres Leibes hangen blieben. Der nämliche Tag wird begangen den 2. Mai.“

Nach dieser Erzählung folgen die eigentlichen Besprechungsformeln, so beim geweihten Licht nenn Tage hinter einander gesprochen werden müssen. Es sind drei Gebete zur heiligen Corona und drei „Ermahnungen vor dem Schlaf“, an die sich noch ein „Schlußgebetlein“ und ein „Urlaub nach empfangener Gabe“ anreihen.

In allen diesen Gebeten beschwört ein „mühseliger Sünder“ bei dem Leiden Christi, bei Cherubin und Seraphin, bei der „ganzen Ritterschaft“, bei den „heiligen drei Schwestern,“ welche übrigens nicht näher genannt werden, die heilige Corona, daß sie ihm zu Hülfe kommen wolle, und wendet sich zum Schluß noch an Gott Vater selber:

„Ich bitte Dich und Deine göttliche Gütigkeit, o himmlischer Vater, durch alle Sichtbaren und Unsichtbaren, schick mir zu Hülf die heilige Corona. Amen!“

Aehnliche Formeln wiederholen sich mehrmals unter immer kräftigeren Anrufungen, welche das Herz der heiligen Corona unfehlbar rühren müssen. Ja es bleibt nicht mehr bei der Himmelsritterschaft allein, bei welcher die Heilige beschworen wird, der „mühselige Sünder“ nimmt seine Zuflucht zum „siebenten Wort, das der Herr mit gewaltsamen, großen, erbärmlichen [207] Geschrei, so bis in den Himmel erschallet, und bis in die Höll hinunter gehöret ist worden, darüber sich Himmel und Erden erzittert und alle Elemente sich entsetzet“, gerufen hat.

Ansprachen von solcher Kraft müssen denn doch endlich selbst eine Heilige rühren, und im Vertrauen auf diese Wirkung rückt der „mühselige Sünder“ endlich heraus mit seinem Begehren:

„Ich falle Dir zu Füßen und bitte Dich als eine Schatzmeisterin des Himmels, Du wolltest mir aus meiner großen Noth und Armuth helfen und mir mit einer Summe Geld, soviel mir gedeihlich sein möchte, auch rechtes gangbares Geld, so nun gib und gab ist; begnaden, dieweil ich denn gar so arm und elendiglich bin.“

Nun folgen noch die drei „Ermahnungen vor dem Schlaf“ an unsere mildthätige Himmelscassiererin, worauf sich der Bittende getrost auf’s Ohr legen und das Weitere erwarten mag. Ob die Gerufene erscheinen werde, hängt natürlich von dem größeren oder kleineren Vertrauen ab, so der „mühselige Sünder“ während der neuntägigen Beschwörung an den Tag gelegt hat.

Auch scheint es, als ob die himmlische Schatzmeisterin nicht immer „lieblich und angenehm“, sondern mitunter ziemlich polternd und unhold aufträte, denn in den letzten Zeilen giebt das Büchlein noch „Weis und Lehr“, wie man sich beim Erscheinen des „Geistes“ zu verhalten und von ihm „Urlaub“ zu nehmen habe.

„Wenn Du etwas hörst,“ steht daselbst geschrieben, „so sprich es gleich an: Gottes Gnad und Huld sei mit Dir im Namen des Va†ters, des Soh†nes und des heiligen Gei†stes amen.“ Und zum „Urlaub“ spricht man: „Dir aber, Du gutwilliger Geist, gebiete und befehle ich, daß Du in gehörigen Ort zurückkehrst und in Freuden und Gutwilligkeit ohne Getümmel und Schaden meines Leibes und der Seele. Dazu verhelfe mir die allerheiligste Dreifaltigkeit. †††.“

So berichtet unser Zauberbüchlein von der heiligen Corona, und wer möchte wohl daran zweifeln daß sie dem „mühseligen Sünder“ mit ihren Gnaden schon oft erschienen sei?

Soll sie doch vor mehreren Jahren einmal einem alten Mütterchen, das gar emsig neun Nächte hindurch gewacht und gebetet hatte, auf der Innbrücke in Passau begegnet sein! Es war eine bleiche, schöne, schwarz gekleidete Frau, welche ein Körblein am Arme trug. Aber die Alte hatte nicht den Muth, die Erscheinung sogleich anzureden, und als sie sich endlich ein Herz faßte und umkehren wollte, war die bleiche Frau verschwunden. Nochmals machte sie zwar die ganze heilige Zauberei nach Anweisung des Coronabüchleins durch, aber alles war vergebens.

Ein anderes Mal kam es zu Mühldorf einem reichen geizigen Bauern in den Sinn, mit Hülfe der heiligen Corona seinen ohnehin schon beträchtlichen Besitzstand noch vermehren zu wollen. Da ihm aber für seine Person allein die ganze Procedur um endlich den ersehnten Geist zu sehen, etwas zu mühevoll war, wendete er sich um Beistand an ein altes Weib, das in derlei Dingen, wie nicht minder im Wahrsagen und Traumdeuten eine gewisse unheimliche Berühmtheit hatte. Die Hexe versprach Hülfe, verlangte aber für ihre Mühewaltung 400 Mark, welche der Geizhals, obwohl ungern, in der Hoffnung eines größeren Gewinnes endlich opferte. Die Beschwörung begann und ging richtiger Weise durch neun Nächte von statten. Wirklich stellte sich auch in der letzten Nacht eine Erscheinung ein, aber nicht die heilige Corona, sondern ein handfester Gensd’armerie-Corporal, welcher die Zauberin wegen Betrugs in den Arrest abholte. –

Ein solch löbliches Ende wünschen wir den Versuchen aller „mühseligen Sünder“, die mit Hülfe der Anweisung des Corona-Büchleins auf Gelderwerb ausgehen. Wir übergeben dieses traurige Literaturerzeugniß der Oeffentlichkeit nicht als ein Stück erheiternder Unterhaltung. Dazu ist ein solches Zeichen verwahrloster Volksbildung viel zu beklagenswerth. Wenn der Erzähler und der Leser aber sich trotzdem eines Lächelns über so überstrotzend wuchernde Blüthen der Dummheit nicht erwehren können, so möge man diese menschliche Regung verzeihen. Es ist das immer noch die mildeste Strafe für Verführer wie Verführte.

J. C. Maurer.